Einführung
Die erste Hauptversammlung der GCM seit der Gründung am 22. Juli 1999 war auf 15:15 Uhr angesetzt und hatte nur einen einzigen Tagesordnungspunkt: die Abberufung des bestehenden und die Wahl eines neuen Aufsichtsrates. Was sich den knapp 30 Besuchern in den darauf folgenden zwei Stunden bot, war für eine HV mehr als ungewöhnlich und besaß darüber hinaus einen gewissen Unterhaltungswert.
Nachdem die erste Viertelstunde über den offiziellen Beginns hinaus verstrichen war und der Vorstand, Herr Michael Becker, immer wieder zu den Damen im Foyer lief, die mit der Einlasskontrolle und Aktienregistrierung beschäftigt waren, um denn nun die endgültige Präsenz festzustellen, kam es zu einem Zwischenfall, der bei deutschen HV´s seinesgleichen sucht.
Ein anwesender Besucher, Herr Marzischewski (Vorstand der ARES Venture Capital AG, vgl. auch HV-Bericht ARES), bat einen vor der Tür stehenden Gerichtsvollzieher, eine Taschenpfändung bei Herrn Andreas Schmidt durchzuführen. Herr Schmidt ist Initiator und Mitgründer, früherer Vorstand und jetziger Projektbeauftragter der GCM.
Nachdem Herr Schmidt seine Taschen geleert hatte, bat Herr Becker noch um etwas Geduld, weil die Auszählung mit einem solarbetriebenen Taschenrechner bei der Dunkelheit im Foyer nicht richtig funktionierte, worauf ein Aktionär spontan und kommentarlos seinen eigenen (batteriebetriebenen) Taschenrechner zur Verfügung stellte. Unterdessen berichtete Herr Marzischewski von einem eher mageren Ergebnis der Taschenpfändung.
Gegen 15:45 Uhr wurden die Besucher durch den Herrn AR-Vorsitzenden Hechenblaikner gebeten, doch noch eine kleine Pause im Foyer zu machen und einen Kaffee zu trinken, weil sich die Stimmenauszählung noch um ca. eine Viertelstunde verzögert. Unter den Besuchern wurde derweil festgestellt, dass kein Exemplar des Bundesanzeigers mit der Veröffentlichung der HV-Einladung vorhanden war. Dieser Formfehler reicht bereits aus, dass die HV gar nicht erst stattfindet.
Als man sich um 16:15 Uhr (!) wieder im Versammlungssaal einfand, um die HV mit der Präsenz der Stimmen zu eröffnen, gab es wieder Schwierigkeiten festzustellen, wie viele Aktionäre und Vertreter mit wie vielen Stimmen anwesend sind. Nach längerem Hin und Her konnte Herr Becker sich auf 4 Aktionäre und 4 Vertreter festlegen - bei dieser großen Zahl verwundert die Dauer der Auszählung nicht mehr. Bei den Stimmen, die diese Aktionäre und Vertreter auf sich vereinigen, konnte dann jedoch weiterhin keine klare Aussage von Herrn Becker getroffen werden.
Daraufhin beschloss Herr Hechenblaikner, die HV nicht zu eröffnen, weil es über eine Stunde gedauert habe, den Bundesanzeiger (der wurde vom Vorstand zwischenzeitlich per Motorrad nachgeliefert) zu besorgen, weiterhin über eine Stunde gedauert habe, um festzustellen, dass ordnungsgemäß eingeladen wurde und ebenfalls über eine Stunde vergeblich versucht wurde, die Präsenz festzustellen, so dass er die HV nach nunmehr 75 Minuten Wartens für vertagt erklärte.
Herr Andreas Schmidt (der mit den leeren Taschen) sprang daraufhin von seinem Sitz auf, um einen Versammlungsleiter zu bestimmen, da der AR-Vorsitzende die HV verschieben will, und schlug dafür seinen anwesenden Rechtsanwalt vor. Herr Hechenblaikner lehnte diesen Antrag ab und bat den Notar, Herrn Carl, die Versammlung zu schließen.
Herr Schmidt schlug daraufhin nochmals seinen Rechtsanwalt vor und erwähnte erklärend, dass die GCM mehrere Strafanzeigen gegen Herrn Hechenblaikner laufen hat, unter anderem wegen Erpressung. Die HV wurde trotz dieser Einwände geschlossen und auf einen späteren Termin vertagt. Die offizielle HV war damit beendet, ehe sie begonnen hatte.
Präsentation
Herr Schmidt ließ es sich aber nicht nehmen, im Anschluss den interessierten Besuchern einen Vortrag über die GCM zu halten („das hat mit der HV nichts zu tun, Sie können ja gehen, wenn Sie wollen“). Nicht jeder wollte dieses Angebot wahrnehmen, so dass sich die Reihen der Besucher lichteten. Der AR-Vorsitzende und der Notar sowie der Vorstand verließen ebenfalls die Veranstaltung.
In den folgenden 10 Minuten präsentierte Herr Schmidt Folien zur Ausrichtung und Struktur der GCM. GCM investiert in Beteiligungen bei Start-up-Unternehmen und jungen Unternehmen in den Wachstumsbranchen: Medien, Internet und Biotechnologie. Die Investitionshöhe schwankt dabei in Abhängigkeit der Unternehmensphase zwischen 2 und 10 Mio. DM. Es wurde allerdings nicht erklärt, ob GCM diesen Betrag allein aufbringen soll oder zusammen mit Partnern.
GCM will den eigenen Aktionären die Möglichkeit bieten, sich an den GCM-Beteiligungen zu Sonderkonditionen direkt zu beteiligen. Dies hat nach Angaben Herrn Schmidts den Vorteil, dass die Vorfinanzierung der GCM-Beteiligung am Unternehmen durch Aktienverkauf an Aktionäre oder weitere Investoren kurzfristig refinanziert wird.
Das operative Geschäft wird durch die beiden Vorstände Herr Michael Becker und Frau Dr. Stepa Husner (seit 8. August 2000) und den Projektbeauftragten Andreas Schmidt abgewickelt. Der Vorstand soll auf 3 Personen erweitert werden, der Aufsichtsrat auf 6 Personen. Das für GCM zuständige Sales- und Beratungsteam soll auf 5 bis 7 Personen wachsen. Darüber hinaus soll die Global Venture Beteiligungs AG gegründet werden, die als Co-Investor bei GCM-Projekten auftreten wird. Als Eigenkapitalausstattung wird 3 Mio. Euro angestrebt.
Mit einer Bank (Anmerkung: im späteren Verlauf stellte sich Herr Müller als Vertreter der BFI Bank, Aschaffenburh, vor) wird bei der Einrichtung von GCM-Konten und Abwicklung von Ordern vorbörslicher Aktien kooperiert. Über die Internetadresse „global-ipo.com“ soll der Bereich der Online-Emissionen unter dem Dach der GCM ausgebaut werden. Für 2001 werden internationale Präsenzen in New York und eventuell Zürich angestrebt.
Den Vortrag zur Investitionsstrategie der GCM setzte der neue Vorstand, Frau Dr. Husner, fort. Der Schwerpunkt ihrer Ausführungen lag auf der Betrachtung der new economy und der daraus entstehenden Chancen für Beteiligungsgesellschaften. In ihrer theoretischen Beleuchtung des e-commerce zeigte sie den Einfluss des Internet auf, das die elektronische Geschäftsabwicklung enorm beschleunigt, zu Transparenz führt und Transaktionskosten senkt. Sie unterteilte den e-commerce in vier Geschäftsarten, differenziert nach Konsumenten und Unternehmen:
- C2C: Konsument zu Konsument (z.B. Auktionen)
- C2B: Konsument zu Unternehmen (z.B. Stellenmarkt)
- B2C: Unternehmen zu Konsument (z.B. Einzelhandel)
- B2B: Unternehmen zu Unternehmen (z.B. Industriegüter).
Obwohl das Online-Geschäft die meisten Branchen bereits erfasst hat, sind die darüber getätigten Umsätze noch sehr gering, zuletzt wurden nur 0,2% der Einzelhandelsumsätze darüber abgewickelt. Die prognostizierten Wachstumsraten für die kommenden Jahre gehen aber für den B2B-Bereich um durchschnittlich 157% Wachstum p.a. aus und für den B2C-Bereich um 103%. Der B2B-Markt umfaßt bereits heute etwas das Vierfache des B2C-Marktes.
Im Bereich B2B werden abhängig vom Interesse der Marktteilnehmer 3 Typen unterschieden:
- e-procurement: Beschaffungswesen mit dem Ziel, die Beschaffungskosten zu senken;
- e-Marktplatz: neutrale Zusammenführung von Angebot und Nachfrage mit dem Ziel, Transparenz zu schaffen und die Beschaffungs- und Vertriebskosten zu senken;
- e-Vertrieb: Management von Kundenservice und -beziehungen mit dem Ziel, die Vertriebskosten zu senken.
Vom Umsatz her betrachtet wird erwartet, dass die e-Marktplätze das größte Volumen erzielen.
Zu den aktuellen Projekten ging Frau Husner auf 3 Beteiligungen ein. Die Cymedex AG soll führender Initiator und Betreiber von B2B-Marktplätzen im Gesundheitswesen werden. Das Management-Team ist ein Spin-off des führenden Portalbetreibers in Europa, mit entsprechenden Kontakten in der Branche und zu strategischen Partnern im Bereich Technik, Content, Logistik und PR/Marketing. Der Break-Even soll in 3 Jahren erreicht sein, der Marktanteil nach 5 Jahren in einem Marktsegment bei ca. 15% liegen.
Die Front Agent Office AG bietet eine Online-Plattform für die Vermittlung von Finanzdienstleistungen aller Art. Die Dienstleistungen sind anbieterunabhängig und werden einheitlich administriert. Das Management besitzt Branchen-Know-how und hat den technischen Prototyp bereits realisiert. Die Marktdurchdringung soll mit Hilfe externer Vertriebspartner erfolgen. Mit einer Kapitalerhöhung werden 100.000 Aktien zu 10 Euro pro Stück angeboten.
Die dritte Beteiligung ist die Plus Solutions AG, die eine interaktive internet-basierte B2B-Order-Management-Lösung anbietet. Diese Lösung besitzt nach Aussage von Frau Dr. Husner Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz. Das Unternehmen verfügt über ein professionelles Managementteam, mit IBM besteht eine strategische Kooperation. In einer ersten Kapitalerhöhung werden 200.000 Aktien zu 8 Euro angeboten.
Nach diesem Vortrag stellte ein Besucher Fragen zur Cymedex AG und wollte wissen, wie hoch der zeitliche Vorsprung hinsichtlich Technik und Produkt gegenüber der Konkurrenz, insbesondere D.Logistics, sei. Frau Dr. Husner antwortete, dass D.Logistics kein direkter Wettbewerber ist, weil sie nur die Anbieterseite abdecken und nicht wie Cymedex Marktplatzanbieter sind. Auf die Frage nach den Umsatzzahlen für Cymedex erläuterte Frau Dr. Husner, daß ein Marktanteil in den nächsten fünf Jahren in Höhe von 15% angestrebt wird. In dieser Planzahl ist nur das Krankenhaussegment enthalten, nicht die Arztpraxen, obwohl diese direkt mit einbezogen werden.
Nach Frau Dr. Husner kam ein weiterer Referent, Herr Kevan Garner, von einer Venture Capital-Gesellschaft aus Kanada, die sich auf Turnarounds spezialisiert hat. Diese Gesellschaft besitzt 4 Mio. Aktien der Plus Solutions Inc. in den USA. Plus Solutions Inc. ist zum Börsengang mit 5 US-Dollar gestartet und notiert jetzt bei 0,26 Dollar. Aus der Sicht von Herrn Garner ist die Firma damit völlig unterbewertet. Da GCM bei dieser Gesellschaft ebenfalls mit einem größeren Betrag engagiert ist, kam der Kontakt über diese gemeinsame Beteiligung zustande.
Das aus seiner Sicht innovative Geschäftsmodell der Plus Solutions Inc. (Handelsplattform für geringere Volumina als bei Ariba und Commerce One) führte dazu, dieses Konzept zu internationalisieren. Daraus resultiert die deutsche Plus Solutions AG, an der sich die Aktionäre der GCM und Dritte beteiligen können.
Zum Abschluss sprach Herr Reinhold Müller, Direktionsassistenz Aschaffenburg der BFI-Bank. Die BFI-Bank existiert seit 1995 und besitzt die Vollbanklizenz. Die Geschäftsidee der BFI-Bank ist die Kombination der Vorteile von Filial- und Direktbanken bei gleichzeitiger Vermeidung ihrer Nachteile. Dadurch gibt es 335 Repräsentanzen in Deutschland, die Beratung anbieten, aber keine teuren Filialen unterhalten. Ab September 2000 will die BFI-Bank die Abwicklung vorbörslicher Handelsgeschäfte für die GCM vornehmen.
Nach dieser kurzen Vorstellung wurde auch diese Sitzung aufgelöst. Zum Abschluss wies der zurückgekehrte Herr Becker darauf hin, dass in Kürze wieder eine neue HV einberufen wird und in der nächsten Woche der Geschäftsbericht für 1999 vorliegen soll.
Fazit
Die HV der GCM war sicherlich eine der spannendsten und ungewöhnlichsten Versammlungen ihrer Art, genaugenommen wohl überhaupt einzigartig. Bleibt man jedoch bei den Fakten, sieht das Bild deutlich negativer aus. Die erste Hauptversammlung des gerade ein Jahr alten Unternehmens war gekennzeichnet von Unprofessionalität, substanzlosen Vorträgen (insbesondere zu den Beteiligungsunternehmen) und der Austragung persönlicher Auseinandersetzungen zwischen den Herren Marzischewski und Schmidt (Stichwort Taschenpfändung).
Wie mit dieser Veranstaltung das Vertrauen der bestehenden und zukünftiger Aktionäre gewonnen werden sollte, wird ein Geheimnis des Vorstands und der Initiatoren bleiben. Dass sich der AR-Vorsitzende geweigert hat, diese HV durchzuführen, ist nur allzu verständlich; sogar ohne die uns bekannte Problematik, dass Herr Hechenblaikner als AR-Vorsitzender wohl im Sinne von Herrn Marzischewski seine Position zur Behinderung der GSCM-Geschäfte nutzt, blieb bei der geschilderten Art des Verlaufs kaum eine andere Wahl als der Abbruch.
Neben den auf der Veranstaltung zutage getretenen persönlichen Streitigkeiten stellen auch „Altlasten“ wie eine ganze Reihe von Konkursen nebst Offenbarungseid des GCM-Initiators Andreas Schmidt keine Referenz für die GCM dar, bei dem sich hochfliegende Pläne schon vielfach in Staub auflösten. Völlig unklar blieb auch diesmal, wie all die angekündigten Aktivitäten in dem prognostizierten Zeitraum abgewickelt werden sollen und wie die Werthaltigkeit der Beteiligungen zu beurteilen ist.
Diese Frage stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund der zahlreichen bereits geplatzten oder schiefgegangenen GCM-Projekte, wie beispielsweise Caricartoon, MBP Film, MEAG, dem „Finanzportal“ fnews.de, das inzwischen seinen Betrieb eingestellt hat, sowie dem Engagement im Projekt „Junger Markt“, in dem GCM-Kurse gestellt wurden, obwohl nie ein Handel stattfand, verbunden mit den Beteiligung an der Fimag - inzwischen eine leere Hülle und dem Maklerhaus Peter Göthel, nach dessen Tod aufgrund die mit seiner Person verbundene Lizenz verloren ging, was das endgültige Aus für das Projekt bedeutete.
Vielleicht wird mit der demnächst einzuberufenden HV wieder etwas Kredit gewonnen, so dass in den leidgeprüften Aktionären zumindest ein wenig neue Hoffnung auf Erfolg keimen kann. Zum jetzigen Zeitpunkt ist von einem Investment in GCM-Aktien strikt abzuraten.
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