Kerngeschäft der Gesellschaft ist die Skontroführung von Optionsscheinen an der Stuttgarter Wertpapierbörse. Aus diesem Grund ist es auch notwendig, an dieser Stelle etwas genauer auf die Besonderheiten des Optionsscheinhandels in Stuttgart einzugehen. Da die Aktie der Gesellschaft durchaus ihren Reiz aufweist, war GSC Research bereits auf der letzten ordentlichen Hauptversammlung vor dem Börsengang vertreten und hatte berichtet (siehe ausführlicher HV-Bericht). Jetzt nimmt GSC Research den Börsenkandidaten vor dem Sprung auf das oft so glatte Börsenparkett nochmals etwas genauer unter die Lupe.
Euwax - das Optionsscheinsegment der Börse Stuttgart
Die European Warrant Exchange (EUWAX) ist das Marktsegment der Stuttgarter Börse für den Handel mit Optionsscheinen. Sechzehn Emissionshäuser, darunter Citibank, Sal. Oppenheim, Goldman Sachs und andere Marktteilnehmer mit Rang und Namen im Markt der Optionsscheine sind dort mit über 12.000 gehandelten Scheinen vertreten. Damit ist die Euwax Europas größte Optionsscheinbörse und weist die höchste Liquidität in ganz Europa auf. Sie ist mit einem eigenen Regelwerk ausgestattet, das in Bezug auf Anlegerschutz und Transparenz weit über das Regelwerk des normalen Freiverkehrs hinaus geht.
In Deutschland generiert die Euwax rund 56 Prozent des in Optionsscheinen gehandelten Volumens und kann die Börse Frankfurt mit einem Marktanteil von etwa 40 Prozent damit klar abhängen. Bei den sogenannten Covered Warrants, also dem Großteil aller Derivate, sind die Schwaben mit über 60 Prozent noch eindeutiger Marktführer.
Best Price- und Best Size Prinzip
Eine Besonderheit des Optionsscheinhandels ist unter anderem das sogenannte Best Price und Best Size Prinzip. Beim Best Price Prinzip wird dem interessierten Anleger ein Preis für seine Optionsscheine (Kauf/Verkauf) geboten, der ihn nicht schlechter stellt, als wenn er direkt beim Emittenten gekauft hätte. Das Best Size Prinzip stellt sicher, dass Orders in jeder Stückgröße, also angefangen von einem Optionsschein, gehandelt werden können.
Limit Control System
Als die ganz große Stärke der Börse Stuttgart gilt allerdings das Limit Control System. Dabei werden beim Skontroführer (Makler) die angebotenen Preise der Market Maker (also der Emittenten) automatisch mit dem aktuellen Orderbestand sowie den neu eingehenden Orders verknüpft. Auf diese Weise ist eine schnellstmögliche Preisfeststellung möglich. Die Preisfeststellung selbst erfolgt hierbei durch den Makler, nicht durch Computersysteme. Die offenen Orders können bei den täglich millionenfach auftretenden Änderungen der angebotenen Preise umgehend ausgeführt werden. Zur Transparenz der Anleger werden alle Änderungen protokolliert und jeweils am folgenden Börsentag auf der Homepage der Euwax veröffentlicht.
Die Euwax Broker AG
Wie beinahe der Name der Gesellschaft schon wiederspiegelt, ist die Euwax Broker AG als Makler an der Euwax, also dem Optionsscheinsegment der Stuttgarter Börse tätig. Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass die Euwax Broker AG der einzige Makler an der Euwax und somit der größte Optionsscheinmakler Deutschlands ist.
Die Ursprünge der Gesellschaft gehen auf die Bestellung von Hans Peter Bruker, dem heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden, zum Kursmakler der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse zu Stuttgart im Jahr 1999 zurück. Seine Geschäfte wurden 1996 von der Bruker Wertpapierhandelsgesellschaft mbH übernommen, Bruker war zunächst Alleingesellschafter. Dies änderte sich zwei Jahre später, als Harald Schnabel, der heutige Vorstandssprecher, ein Drittel der Gesellschaft übernahm.
Anfang 1999 erfolgte die Umbenennung der Gesellschaft in Euwax Broker AG. Im Oktober vergangenen Jahres wurde im Rahmen eines Privat Placements der Aktionärskreis um rund 200 Aktionäre erweitert. Dabei wurden 600.000 Aktien zu einem Stückpreis von 7 Euro (rechnerischer Nennwert 1 Euro) sowie 735.000 Optionsscheine ausgegeben. Im Mai nun steht mit dem Börsengang das nächste Großereignis der Firmengeschichte an.
Der Vorstand der Gesellschaft setzt sich aus vier Mitgliedern zusammen: Harald Schnabel ist als Vorstandssprecher für Skontroführung, Handel und Risikomanagement zuständig, Thomas Krotz leitet die Ressorts Finanzen, Revision, Controlling und Personal, Dieter Lendle ist Leiter für Öffentlichkeitsarbeit, Strategie, Kundenbetreuung, Marktforschung und Ausbildung, und Ralf Nachbauer zeichnet für Organisation, Meldewesen, EDV und Compliance verantwortlich. Die Euwax Broker AG ist mit rund 50 Mitarbeitern größter Arbeitgeber an der Stuttgarter Wertpapierbörse.
Geschäftsfelder und Geschäftsjahr 1999
Kengeschäft der Gesellschaft ist, wie geschildert, die Skontroführung (Maklertätigkeit) von Optionsscheinen (Covered Warrants) und anderen Derivaten wie beispielsweise Zertifikaten an der EUWAX in Stuttgart. In diesem Segment ist die Euwax Broker AG unangefochtener Marktführer in Deutschland. Der Löwenanteil der Umsätze konnte in diesem Geschäftsfeld erzielt werden. Nach Angaben der Gesellschaft läuft dieses Geschäft in den Zeiten am besten, in denen die Börse eine hohe Volatilität aufweist, während Seitwärtsbewegungen für geringere Umsätze sorgen.
Zweites Standbein ist die Maklertätigkeit für Aktien und klassische Optionsscheine (also Optionsscheine, die mit einer Optionsanleihe emittiert werden) im Stuttgarter Freiverkehr. Die Euwax Broker AG ist hier verantwortlich für 29 Aktien aus dem Euro Stoxx 50 Index, darunter auch Top-Performer wie Nokia und LVMH, die für hohe Umsätze sorgen, sowie neuerdings für Aktien aus Österreich und aus der Türkei.
Drittes Geschäftsfeld ist der Eigenhandel mit Aktien, Renten und Optionsscheinen. Im Jahr 1999 wurde auf dieses Geschäft allerdings beinahe komplett verzichtet. Hauptaugenmerk ist hier eine strikte Trennung zwischen kurz- und langfristigen Anlagen.
Zur Optimierung der Handelsaktivitäten ist eine laufende Erneuerung und Verbesserung der eigenen Software notwendig. Durch Verkauf einzelner Softwaretools und Lizenzierung konnten im vergangenen Jahr als vierter Geschäftsschwerpunkt erstmals in geringem Umfang Erlöse erzielt werden.
Im Geschäftsjahr 1999 konnten Provisionsroherträge in Höhe von rund 9,6 Mio. Euro und Erträge aus Finanzgeschäften in Höhe von 6,3 Mio. Euro erwirtschaftet werden. Alle anderen Erträge (Zinsergebnis, sonstige Erträge und laufende Erträge aus Aktien) können demgegenüber vernachlässigt werden. Nach Abzug aller Aufwendungen konnte ein Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit vor Steuern in Höhe von 9,4 Mio. Euro erwirtschaftet werden. Der Jahresüberschuss nach Steuern lag bei 4,7 Mio. Euro.
Das DVFA-Ergebnis je Aktie lag damit bei 1,61 Euro gegenüber 1,42 Euro im Vorjahr und 0,14 Euro im Jahr 1997. Die Zahlen in den Vorjahren sind allerdings nur bedingt vergleichbar, da die Gesellschaft in dieser Zeit, wie eingangs geschildert, in der Rechtsform der GmbH firmierte.
Die Euwax Broker AG ist nahezu frei von kurzfristig zu tilgenden Schulden. Die Eigenkapitalquote ist mit über 73 Prozent außerordentlich hoch, zudem machen Rückstellungen weitere 20 Prozent der Bilanzsumme aus.
Börsengang und Aktionärsstruktur
In der Zeit vom 15. bis zum 17. Mai 2000 werden den interessierten Anlegern insgesamt 750.000 Aktien zur Zeichnung angeboten. Auffällig ist, dass kein Greenshoe (Mehrzuteilungsoption) zur Verfügung steht. Für den 22. Mai ist die Aufnahme in den amtlichen Handel in Stuttgart vorgesehen. 250.000 der Aktien sind für institutionelle Anleger reserviert. Außerdem hat jeder der 50 Mitarbeiter die Möglichkeit, 200 Aktien zu erwerben. Für die Mitarbeiter werden somit insgesamt 10.000 Aktien reserviert. Also bleiben für Privatanleger 490.000 Aktien.
Auf Basis des 1999 erwirtschafteten Gewinns von 1,61 Euro je Aktie errechnet sich bei einer Bookbuilding-Spanne von 11 bis 14 Euro ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 6,8 bis 8,7. Dies kann als äußerst fair erachtet werden.
Die Erlöse aus dem Börsengang fließen in voller Höhe der Gesellschaft zu, die Altaktionäre geben erfreulicherweise keine Stücke ab. Der Emissionserlös soll zum weiteren Wachstum der Gesellschaft und zur Erfüllung der strengen Eigenkapitalvorschriften der 6. Novelle des Kreditwesengesetzes (KWG) eingesetzt werden. Investitionen sind in den Internetauftritt der Euwax Broker AG und in die Softwareentwicklung zu erwarten. Außerdem werden Beteiligungen und Kooperationen zumindest nicht ausgeschlossen. Auf der Hauptversammlung war bereits eine europäische Expansion als erstrebenswert bezeichnet worden. Die Emissionskosten werden mit voraussichtlich 380.000 Euro angegeben.
Derzeit hält der Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Peter Bruker mit 44,33 Prozent die meisten Aktien der Gesellschaft, gefolgt vom Vorstandssprecher Harald Schnabel mit 17,67 Prozent. Die Ehefrauen von Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzendem halten jeweils 9 Prozent, der Streubesitz (im Rahmen eines Privat Placements wurden im vergangenen Herbst Aktien zum Preis von 7 Euro an interessierte Aktionäre abgegeben) beträgt 20 Prozent.
Nach dem Börsengang wird sich der Anteil der Herren Bruker und Schnabel auf 35,47 Prozent bzw. 14,13 Prozent reduzieren, ihre Frauen halten danach nur noch jeweils 7,2 Prozent. Der Anteil des Streubesitzes wird auf 36 Prozent steigen. Die Altaktionäre haben sich dazu verpflichtet, ihre Aktien mindestens 12 Monate über den Börsengang hinaus zu halten.
Daneben besteht zudem noch ein bedingtes Kapital. Aus einer Optionsanleihe existieren 1,47 Mio. Optionsscheine, die zu 50 Prozent von den Mitarbeitern der Gesellschaft, zur anderen Hälfte von den Familien Bruker und Schnabel gehalten werden. Jeder Optionsschein berechtigt zum Bezug von einer Aktie zum Preis von jeweils 10,50 Euro.
Risiken
Beim Blick auf die Risiken fällt insbesondere der Start des Optionsscheinhandels auf Xetra auf. Zwar ist die Gesellschaft davon überzeugt, mit der Maklerbörse weiterhin dem Anleger ein attraktiveres Angebot bieten zu können und damit wenige oder gar keine Marktanteile zu verlieren; sollte sich der Optionsscheinhandel auf Xetra jedoch nachhaltig etablieren, so führt dies zu einem empfindlichen Verlust an Courtageerlösen, soweit der geringere Marktanteil nicht durch ein Wachstum des Gesamtmarkts aufgefangen werden kann.
Die Gesellschaft ist stark von der Entwicklung auf den Kapitalmärkten abhängig. Eine längere Seitwärtsbewegung ohne große Volatilitäten oder ein Abflauen der in Deutschland derzeit aufkeimenden Aktienkultur würde zu einem Rückgang des gehandelten Optionsscheinvolumens und damit zu einem Rückgang der Erlöse der Gesellschaft führen.
Ein weiteres Risiko liegt in der geplanten Ausweitung der Öffnungszeiten der Börsen bis 20 oder sogar bis 22 Uhr. Wenn durch diese Verlängerung der Öffnungszeiten nicht zusätzliches Umsatzvolumen generiert werden kann, steigen die Verwaltungskosten ohne einen gleichzeitigen Anstieg des Umsatzes, was zu einer nachhaltigen Gewinnverringerung führt. Die Gesellschaft hofft allerdings, durch die Verlängerung des Börsenhandels Teile des außerbörslichen Optionsscheingeschäfts an die Börse zu ziehen und so einen Anstieg der Verwaltungskosten ausgleichen zu können.
Letztes hier zu erwähnendes Risiko ist der auch hier vorhandene Mangel an Fachkräften. Mitarbeiter der Euwax Broker AG müssen über einen Abschluss als Bankkaufmann/Bankkauffrau verfügen. Auch hier gibt es mittlerweile Engpässe, die nur schwer abgedeckt werden können; die geplanten Änderungen der Börsenöffnungszeiten machen einen Arbeitsvertrag mit der Euwax Broker AG nicht unbedingt attraktiver. Eine Erhöhung des Personalaufwands ist daher zu befürchten.
Ausblick und Vergleich mit der Baader Wertpapierhandelsbank
Im mit gerade einmal 12 Jahren noch recht jungen und stark aufstrebenden Markt der Optionsscheine (der erste Covered Warrant wurde im Februar 1988 emittiert) befindet sich die Euwax Broker AG in einer exzellenten Marktposition. Die Gesellschaft rechnet sehr konservativ mit einem Ergebniswachstum von mindestens 20 Prozent jährlich. Dies wird mit den prognostizierten Ergebnissen von 1,93 Euro je Aktie für dieses Jahr und 2,32 Euro je Aktie für das Jahr 2001 auch deutlich. Für die Aktie ergibt sich bei einem zu erwartenden Emissionskurs von 14 Euro damit ein KGV von 7,3 für 2000 und 6,0 für 2001 (Hinweis: eine mögliche Verwässerung des Ergebnisses durch Ausübung der Optionen aus dem bedingten Kapital ist hier nicht berücksichtigt). Bei einem Emissionskurs von 14 Euro beträgt die Marktkapitalisierung 52,5 Mio. Euro.
Wie konservativ die Prognosen der Gesellschaft sind, zeigt sich beim Blick auf das erste Quartal. Konnte die Gesellschaft im gesamten Jahr 1999 einen Gewinn nach Steuern in Höhe von 4,7 Mio. Euro erzielen, so waren es allein in den ersten drei Monaten 2000 bereits 3,66 Mio. Euro nach Steuern, begleitet von einer erfreulichen Steigerung des Marktanteils.
Als Vergleichsunternehmen bietet sich die Baader Wertpapierhandelsbank an, die als ebenfalls bankenunabhängiges Unternehmen zu den umsatzstärksten Freimaklern der Börsen Berlin, Frankfurt, München und Stuttgart gehört und sich somit in einem ähnlichen Segment befindet. Baader weist bei einem Kurs von 38,80 Euro (Schlusskurs vom 28. April 2000) eine Marktkapitalisierung von 768 Mio. Euro auf. Das KGV für 1999 beträgt 31,5, für 2000 beinahe 13 und für 2001 etwa 11.
Sicherlich muss bei dem Vergleich von Baader mit der Euwax Broker AG ein aufgrund der Größe und der Marktführerschaft sowie der größeren Verbreitung der Baader ein Abschlag vorgenommen werden. Dennoch wirkt die Aktie der Euwax in diesem Vergleich äußerst preiswert, zumal die unternehmenseigenen Prognosen für das laufende Jahr sich schon jetzt als zu niedrig abzeichnen.
Fazit
Nicht zuletzt aufgrund des gezogenen Vergleichs mit der Baader Wertpapierhandelsbank AG und der ausgezeichneten Marktposition des Unternehmens im Wachstumsmarkt Optionsscheinhandel lautet das Fazit der Analyse klar: Zeichnen!
Doch auf der Kapitalseite gibt es kleine Schönheitsfehler. Die im letzten Herbst durchgeführte Kapitalerhöhung zu 7 Euro je Aktie macht es für Außenstehende schwer nachvollziehbar, warum Anleger jetzt bis zum Doppelten zahlen sollen. Den Investoren beim Privat Placement kann allerdings zugute gehalten werden, dass sie lange Zeit vor dem Börsengang ein wesentlich höheres Risiko getragen haben; die Kapitalerhöhung kann außerdem als besonderes Friends & Family Programm aufgefasst werden.
Die bedingte Kapitalerhöhung und die Ausübung der Optionen für einen Preis von 10,50 Euro je Aktie ist ein weiterer kleiner Schönheitsfehler. Sicherlich ist es zur Mitarbeitermotivation heute unumgänglich, Stock-Option-Pläne aufzulegen. Die Ausübung der Optionen an eine Mindestperformance der Aktie zu koppeln, wäre allerdings für private Anleger schöner gewesen.
Die ersten Kurse am vorbörslichen Markt bewegen sich mit 16 bis 18 Euro nur knapp über dem oberen Ende der Bokbuilding-Spanne. Wir führen das auch darauf zurück, dass die Emission der Gesellschaft aufgrund der Größe und der Tatsache, nur in den Stuttgarter Amtlichen Handel zu gehen, zu wenig Beachtung findet. Aufgrund des zu erwartenden Gewinnwachstums bei einer gleichzeitig niedrigen Emissionsbewertung halten wir mittelfristig deutlich höhere Kurse für möglich.