Die euromicron AG hatte für den 16. Juli 2015 zur Hauptversammlung in das Auditorium der Commerzbank AG nach Frankfurt eingeladen. Etwa 150 Aktionäre und Gäste hatten sich dort eingefunden, um den neuen Vorstand kennenzulernen und sich von ihm die Strategie für die Zukunft darlegen zu lassen. Für GSC Research war Matthias Wahler vor Ort.
Bericht des AufsichtsratsDer Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Franz-Stephan von Gronau eröffnete die Versammlung um 10:30 Uhr und erläuterte die Formalien. Im Anschluss informierte er über die Hintergründe der Ad-Hoc-Meldung vom 23. März 2015, in der das Unternehmen mitgeteilt hatte, dass im Zusammenhang mit der Erstellung des Jahresabschlusses 2014 Fehler bei der Bewertung einzelner Projekte festgestellt worden sind.
Der Aufsichtsrat hat daraufhin eine Prüfung veranlasst, um das Ausmaß der Probleme und die Gründe herauszuarbeiten. Wie sich herausstellte, hat es Fehler bei 25 Projekten in drei Systemhaus-Gesellschaften gegeben, woraus in Summe ein Schaden von 11,4 Mio. Euro entstanden ist. Betroffen sind, wie der Vorsitzende betonte, lediglich die Geschäftsjahre 2012 und 2013.
Gemäß den IFRS-Vorschriften wurde dieser Betrag im Geschäftsjahr 2014 ergebnisneutral mit dem Eigenkapital verrechnet. Im Einzelabschluss musste die Summe nach den Regelungen des HGB in laufender Rechnung verarbeitet werden. Die PricewaterhouseCoopers AG (PwC) als Abschlussprüfer hat die Korrekturen geprüft und bestätigt. Aus bilanzieller Sicht ist die Aufarbeitung damit abgeschlossen.
Natürlich muss laut Dr. von Gronau die Frage gestellt werden, ob der Aufsichtsrat die Probleme schon früher hätte erkennen können. Nach seiner Überzeugung wäre dies nicht möglich gewesen. Die Aufgabe des Kontrollgremiums ist es, die vorgelegten Zahlen auf Plausibilität zu prüfen und Fragen im Gespräch mit dem Vorstand und dem Abschlussprüfer zu klären. Eine Prüfung von Einzelbelegen ist ohne konkrete Hinweise nicht vorgesehen.
Und selbst wenn eine solche vorgenommen worden wäre, hätten die Fehler nach seiner Auffassung kaum entdeckt werden können. Wie er verdeutlichte, werden in der Gruppe mehrere tausend Projekte pro Jahr bearbeitet und Fehler hat es nur bei 25 Vorgängen gegeben. Auch für den Abschlussprüfer waren die Fehler nicht zwingend erkennbar. Es ist deshalb die Wiederwahl von PwC vorgeschlagen.
Weiter informierte Dr. von Gronau, dass der frühere Vorstandsvorsitzende Dr. Willibald Späth am Tag der Ad-Hoc-Meldung mit sofortiger Wirkung aus dem Unternehmen ausgeschieden ist. Er hat damit die Konsequenz aus den aufgedeckten Fehlern gezogen. Dr. von Gronau zollte ihm Respekt für diesen Schritt und dankte ihm für seinen großen Einsatz in den letzten 15 Jahren, in denen die Gruppe eine enorme Entwicklung genommen und hat und dies überwiegend wirtschaftlich erfolgreich.
Am 8. Mai 2015 hat dann auch Vorstandsmitglied Thomas Hoffmann im Zuge der Neuaufstellung des Vorstands sein Amt niedergelegt. Neu in den Vorstand berufen wurden zum 1. April 2015 Bettina Meyer und Jürgen Hansjosten. Frau Meyer war zuvor Leiterin der Rechtsabteilung gewesen und verantwortet im Vorstand die Bereiche Finanzen, Recht, Personal, Compliance und Revision. Herr Hansjosten war vorher Geschäftsführer der euromicron networks GmbH gewesen und übernimmt die Verantwortung für den Bereich Operations.
Weiter informierte Dr. von Gronau, dass die aufgedeckten Sachverhalte derzeit noch intern geprüft werden. Die Fehler sind überdies Gegenstand einer Prüfung der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR). Erst wenn die Ergebnisse vorliegen, ist seiner Auffassung nach eine gesicherte Einschätzung über die Verantwortlichkeit möglich. Es wurde deshalb vorgeschlagen, die Abstimmung über die Entlastung des Vorstands zu vertagen.
Im Anschluss an diese Ausführungen übergab Dr. von Gronau das Wort an den Vorstand.
Bericht des VorstandsZum Beginn ihrer Ausführungen ging auch Frau Meyer ausführlich auf die Bewertungsfehler ein, die im Jahresabschluss 2014 ergebnisneutral korrigiert werden mussten. Im Wesentlichen handelte es sich nach ihrer Aussage um Fehler in der Kalkulation, weil bei der Angebotsvergabe die örtlichen Gegebenheiten nicht ausreichend berücksichtigt worden sind, sowie mangelnde Nachträge.
Als Beispiel führte sie an, dass bei einem Flughafenprojekt die unproduktiven Leerzeiten von Mitarbeitern nicht ausreichend in die Kalkulation einbezogen worden sind, weshalb die Kosten zu niedrig angesetzt waren. In anderen Fällen wurden Leistungen auf Grundlage von mündlichen Absprachen erbracht. Bei der Rechnungsstellung konnte dieser Aufwand nicht nachgewiesen und damit auch nicht in Rechnung gestellt werden.
Fehler hat es also, wie sie betonte, nicht bei der Bilanzierung, sondern schon bei der Kalkulation gegeben. Dies war weder für den Aufsichtsrat noch für den Wirtschaftsprüfer erkennbar gewesen. Deshalb schloss sich der Vorstand dem Vorschlag an, dem Aufsichtsrat Entlastung zu erteilen und PwC erneut zum Abschlussprüfer zu wählen. Sie bat bei der Bewertung der Fehler auch die Relationen zu beachten. Von mehreren tausend Projekten waren nur 25 betroffen, also eine vergleichsweise geringe Zahl.
Wie Frau Meyer in Erinnerung rief, ist die euromicron-Gruppe in der Vergangenheit sehr schnell gewachsen und die Organisation hat bei dem Tempo nicht mitgehalten. 2014 wurde nun begonnen, sämtliche Prozesse neu aufzubauen. Ein umfassenderes Controlling, ausgewiesene Projektkaufleute und die spezielle Schulung von Mitarbeitern sollen ähnliche Probleme in der Zukunft verhindern. Es wird künftig auch ein Spezialteam zur Abwicklung der Großprojekte eingesetzt. Außerdem sind weitere Struktur- und Prozessoptimierungen vorgesehen.
Mittlerweile wurden die Fehler vollständig aufgearbeitet und korrigiert. Der Schaden beläuft sich auf 11,4 Mio. Euro, liegt also unter den 15 Mio. Euro, die ursprünglich geschätzt worden waren. Auf 2012 entfallen 5,8 Mio. Euro und auf 2013 weitere 5,6 Mio. Euro. Die Konzerneigenkapitalquote schrumpfte durch die Verrechnung des Schadens mit dem Eigenkapital auf 35,1 (Vorjahr: 37,3) Prozent. Der Wert ist damit nach Überzeugung von Frau Meyer aber immer noch solide. Ende 2014 lag die Eigenkapitalquote wieder bei 38,4 Prozent.
Im Einzelabschluss ist die Korrektur in die laufende Rechnung eingeflossen, womit sich der Bilanzverlust auf rund 13 Mio. Euro erhöht hat. Selbst wenn die Gewinnrücklagen von 6,4 Mio. Euro aufgelöst worden wären, wäre es nicht möglich gewesen, dies auszugleichen. Es wird deshalb keine Dividende vorgeschlagen und es wird nach Schätzung von Frau Meyer noch mindestens drei Jahre dauern, bis es wieder soweit ist.
Die Vorstandssprecherin kam dann zu den Zahlen des Geschäftsjahres 2014, in dem die operativen Ziele knapp erreicht worden sind. Der Auftragseingang stieg auf 340,1 (327,7) Mio. Euro und der Umsatz verbesserte sich auf 346,3 (325,7) Mio. Euro. Wie in den Vorjahren entfielen 85 Prozent der Umsätze auf Deutschland. Das EBITDA zog gegenüber dem schwachen Wert aus 2013 wieder deutlich an und erreichte 21,1 (8,7) Mio. Euro. Die Marge verbesserte sich auf 6,1 (2,7) Prozent und lag damit knapp in der Bandbreite der Planung von 6 bis 8 Prozent.
Im Segment Nord konnten Umsatz und EBITDA auf 116,2 (113,3) Mio. Euro bzw. 14,1 (13,4) Mio. Euro leicht gesteigert werden. Die euromicron systems GmbH wirkte an der Entwicklung einer intelligenten Analyse- und Steuerungssoftware für Edeka-Märkte mit. Durch die bildliche Erfassung des gesamten Verkaufsraums und Analyse der gewonnenen Daten kann die Organisation der Märkte betreffend die Platzierung von Waren, die Befüllung der Regale und die Wartezeit an den Kassen optimiert werden.
Im Segment Süd konnten Umsatz und EBITDA vor allem durch die erstmalige Einbeziehung von zwei neuen Gesellschaften auf 134,5 (122,3) Mio. Euro bzw. plus 6,2 (minus 6,6) Mio. Euro deutlich verbessert werden. Im Segment WAN services stiegen die Erlöse auf 107,9 (102,2) Mio. Euro und das EBITDA hielt mit 8,1 Mio. Euro das Vorjahresniveau.
Im Zuge der Strukturoptimierung ist nun die Verschmelzung der Nord- und der Süd-Einheit zu einer euromicron Deutschland GmbH geplant. Der Vorstand beabsichtigt damit mehr Transparenz in den Geschäftsabläufen, eine direktere Steuerung und eine Steigerung der Profitabilität. Künftig verfügt die Gruppe mit der telent GmbH, die den Bereich kritische Infrastrukturen abdeckt, und der euromicron Deutschland GmbH, die sich auf die intelligente Gebäudetechnik fokussiert, dann über zwei große Systemhäuser.
Es übernahm dann Herr Hansjosten mit einigen Informationen zur geplanten strategischen Neuausrichtung. Wie er darlegte, hat sich die euromicron-Gruppe in den vergangenen Jahren zu einem führenden Spezialisten für Netzwerkinfrastrukturen entwickelt. Auf diesem Fundament soll nun der nächste Entwicklungsschritt eingeleitet werden.
Die Zielmärkte sind derzeit geprägt von einer zunehmenden Digitalisierung, die immer mehr an Dynamik gewinnt. Während die Kunden früher einzelne Produkte nachfragten, erfordert die Prozessdigitalisierung komplexe ganzheitliche Lösungen und eine Vernetzung der bisher unabhängigen Technologien und Infrastrukturen. Die sich daraus ergebenden Potenziale will der Vorstand nutzen und die Stärken sukzessive weiter ausbauen.
Große Themen für die Zukunft sind das „Internet der Dinge“ und Industrie 4.0. In beiden Fällen entstehen durch Vernetzung neue Geschäftsmöglichkeiten. euromicron wird den Schwerpunkt auf intelligente Gebäudetechnik („smart building“) und kritische und intelligente Infrastruktur legen. Als Beispiel nannte Herr Hansjosten die 3S-Zentralen der Deutschen Bahn, bei der durch die Integration unterschiedlicher Technologien eine ganzheitliche Überwachung vieler Prozesse möglich ist.
Wie der Vorstand verdeutlichte, steht das Thema Digitalisierung noch ganz am Anfang. Es wird für diesen Bereich ein Wachstum von 19 Prozent p. a. erwartet und euromicron verfügt über die besten Voraussetzungen, daran zu partizipieren. Die Unternehmen der Gruppe verfügen über eine langjährige Expertise und Speziallösungen im Markt entlang der kompletten Wertschöpfungskette. Digitalisierung ist auch ein großer Trend bei den bestehenden Kunden.
Der Plan ist es Herrn Hansjosten zufolge, das Technologieportfolio an die neuen Trends anzupassen. Konkret soll das Geschäft von euromicron zunehmend vom Commodity-Bereich gelöst und das Service- und Dienstleistungsgeschäft ausgebaut werden. Hierdurch erwartet sich der Vorstand in den nächsten Jahren eine höhere Marge und eine verbesserte Profitabilität. Herr Hansjosten ist überzeugt, dass euromicron von dem erwarteten starken Wachstum in diesem Bereich partizipieren wird.
Es übernahm dann wieder Frau Meyer und berichtete zu den aktuellen Zahlen. Ihrer Aussage nach entwickelten sich die Auftragseingänge im ersten Quartal 2015 leicht rückläufig. Schuld waren einige Auftragsverschiebungen, auf einige Großprojekte mit niedrigen Margen wurde auch bewusst verzichtet. Im zweiten Quartal gab es deutliche Nachholeffekte. Der Rückstand war nach ihrer Aussage zum Ende des ersten Halbjahres nahezu aufgeholt und die Auftragslage ist solide.
Der Umsatz lag im ersten Quartal mit 74,6 (75,7) Mio. Euro nahezu auf Vorjahresniveau. Das EBITDA entwickelte sich hingegen auf 0,8 (2,8) Mio. Euro rückläufig. Ursächlich waren laut Frau Meyer vor allem Einmaleffekte aus Abfindungen und Strukturkosten sowie eine temporär etwas höhere Materialeinsatzquote.
Im weiteren Jahresverlauf erwartet die Vorstandssprecherin eine stabile Geschäftsentwicklung. Wichtig ist nach ihrer Aussage in der Branche das vierte Quartal. Für das Gesamtjahr stellte sie einen weitgehend unveränderten Umsatz von 340 bis 360 Mio. Euro und im operativen Geschäft eine stabile Marge zwischen 6 und 8 Prozent in Aussicht.
Allerdings müssen noch weitere Maßnahmen zur Prozessoptimierung umgesetzt werden. Ferner wird die Trennung von verschiedenen nicht strategischen Beteiligungen geprüft. Insgesamt wird dies die Marge 2015 nochmals mit etwa 1 Prozent belasten. Die EBITDA-Marge wird deshalb mit 5 bis 7 Prozent erwartet.
„In finanzieller Hinsicht gilt für uns die Maxime Cash und EBIT vor Umsatz“, betonte Frau Meyer. Auf margenschwache Großprojekte soll deshalb verzichtet und die von den Vorgängern geplante große Akquisition zurückgestellt werden. „Hier brechen wir klar mit der früheren Wachstumsstrategie“, erklärte sie und die Aktionäre applaudierten.
Den Schwerpunkt ihrer Arbeit sieht sie mehr auf der Verzahnung der Prozesse und der Hebung von Synergien. Sie ist überzeugt, euromicron auf einen profitablen Wachstumskurs zurückführen zu können. Ab 2016 erwartet sie eine signifikante Verbesserung der Profitabilität und mittelfristig eine EBITDA-Marge von 8 bis 11 Prozent.
Allgemeine AusspracheIn der Diskussion sprachen insgesamt zehn Redner. Neben Florian Honselmann von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) und Rechtsanwalt Detlef Kunath von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) waren dies unter anderem die Aktionäre Ralf-Jochen Ehresmann, Olaf Marx und Bernhard Heine.
Herr Honselmann konstatierte, dass der geplante Technologiekonzern wohl als gescheitert betrachtet werden muss. Zu lange hat sich der frühere Vorstand allein auf das Umsatzwachstum fokussiert und die Margen und den Cashflow vernachlässigt. Die Krönung war nun die Aufdeckung der Bilanzfehler, mit deren Korrektur das Eigenkapital weiter schrumpft, weshalb die Aktionäre erneut auf eine Dividende verzichten müssen.
Als beste Meldung sah der SdK-Vertreter da noch an, dass Dr. Späth sein Amt niedergelegt hat. Er habe zwar viel versprochen, wovon aber nicht viel in Erfüllung gegangen ist. Herr Ehresmann kritisierte, dass der alte Vorstand offenbar nicht einmal zur Hauptversammlung erschienen ist, obwohl das Geschäftsjahr 2014 voll in seinen Verantwortungsbereich fällt.
Mehrfach kam die Frage auf, ob dem ausgeschiedenen Vorstand eine Abfindung gezahlt worden ist. Dies verneinte Dr. von Gronau. Es hat weder eine Abfindung noch eine Übergangsprämie gegeben und es wurde auch kein Beratervertrag oder ähnliches vereinbart. Dr. Späth und Herr Hoffmann haben lediglich ihr Gehalt bis zu ihrem Ausscheiden erhalten.
Weiter führte Herr Honselmann aus, dass die Aktie nach dem Kurssturz Ende März mit einem Kurs-Buchwert-Verhältnis deutlich unter 1 auf den ersten Blick günstig bewwertet ist. Allerdings müssen die hohen Firmenwerte beachtet werden, aus denen durchaus noch weitere Risiken entstehen könnten. Insofern sah er den vordergründig günstigen Aktienkurs als Spiegel der verfehlten Beteiligungspolitik.
Konkret sah der Aktionärsschützer die Gefahr, dass beim geplanten Verkauf unprofitabler Beteiligungen Firmenwertabschreibungen drohen könnten. Er bat um eine Schätzung, was hier 2015 zu erwarten sein könnte. Seine Befürchtung war, dass auf Nettobasis vielleicht sogar ein Verlust drohen könnte.
Wie Herr Hansjosten darlegte, werden derzeit die Geschäftsfelder analysiert, inwieweit sie profitabel arbeiten und ob sie fortgeführt werden sollen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Ob Firmenwertabschreibungen erforderlich sind, ist abhängig vom Preis und vom Verkaufszeitpunkt und lässt sich noch nicht konkret sagen. Der Vorstand hält 2015 eine Belastung im mittleren einstelligen Millionenbereich für möglich.
Aktionär Heine sah mit Blick auf die unbefriedigende Ertragslage grundsätzlich die Gefahr von Firmenwertabschreibungen. Dies konnte Frau Meyer nicht bestätigen. Isoliert betrachtet hat das erste Quartal 2015 keine Aussagekraft und die Vorstandssprecherin geht weiterhin davon aus, dass die Planungen im Gesamtjahr erreicht werden.
Im Zusammenhang kam die Frage auf, warum der Vorstand nur die EBITDA-Marge als Zielgröße angibt. Nach Auffassung von Frau Meyer bildet diese Kennzahl die Strategie, wonach der Cash betont wird, am besten ab. Künftig soll eventuell noch das Working Capital als Steuerungsgröße hinzugefügt werden. Die Abschreibungen werden konstant mit 3 Prozent erwartet. Danach läge die Zielgröße für das operative Geschäft auf EBIT-Basis bei 3 bis 5 Prozent.
Insgesamt gab es von Seiten der Aktionäre Zustimmung, dass die Entlastung des Vorstands vertagt werden soll, bis die Ergebnisse der Untersuchungen vorliegen, auch wenn eigentlich ein Nein angebracht sein müsste. Immer wieder war indes der Vorwurf zu hören, dass der Aufsichtsrat den früheren Firmenchef zu lange hat gewähren lassen. Die Kontrolle war nicht ausreichend gewesen.
Mit der vorgeschlagenen Wiederwahl der PwC zum Abschlussprüfer waren die meisten Redner ebenfalls nicht einverstanden. Ein Aktionär äußerte sich grundsätzlich unzufrieden damit, dass sich die Wirtschaftsprüfer immer aus der Haftung stehlen, wenn Probleme auftauchen. Dabei ist es doch ihre originäre Aufgabe, Ungereimtheiten in den Zahlen zu finden.
Herr Ehresmann äußerte ein gewisses Verständnis, dass bei mehreren tausend Projekten auch einmal Probleme auftauchen können. Um dies künftig zu vermeiden, forderte er den Aufsichtsrat und den Wirtschaftsprüfer auf, künftig nicht mehr nur Stichproben zu prüfen, sondern jeden einzelnen Vorgang.
In seiner Antwort versicherte Dr. von Gronau, dass sich der Aufsichtsrat die Problematik durchaus zu Herzen genommen hat. Es ist aber unmöglich für das Kontrollgremium, jeden Fehler zu erkennen, zumal es sich auch nicht um ein bilanzielles Problem, sondern um eine falsche Kalkulation gehandelt hat.
Die Prüfung von Stichproben ist nach seiner Aussage allgemein anerkannt. Eine Vollprüfung wäre auch unmöglich. Bei mehreren tausend Projekten mit teilweise Dutzenden von Ordnern kann nicht jeder Beleg geprüft werden, zumal der Abschluss bis Ende März geprüft sein muss. „Ich kann ihren Ärger verstehen und auch, wenn Sie gegen die Entlastung stimmen. Ich sehe aber nicht, wie wir das hätten anders machen können“, bat er um Verständnis.
Herr Hansjosten ergänzte, dass es speziell bei einigen Großprojekten Probleme durch die zeitweise hohe Mitarbeiterfluktuation ergeben haben. Mit den eingeleiteten Maßnahmen sollte nun sichergestellt sein, dass sich diese Fehler nicht wiederholen. Bei 5.000 Projekten ist nicht auszuschließen, dass die Marge einmal geringer ausfällt als geplant. Fehler in einer solchen Größenordnung wird es aber nicht mehr geben.
In diesem Zusammenhang ist Herrn Hansjosten zufolge auch die Verschmelzung der Nord- und der Südgesellschaft zu sehen. Damit wird das Projektcontrolling künftig einfacher. Ziele sind außerdem die Steigerung der Effizienz und die Erhöhung der Innovationskraft. Es wird, auch bedingt durch die Trennung von Beteiligungen, signifikante Veränderungen geben.
Des Weiteren sah Herr Honselmann die Gefahr, dass durch das niedrigere Eigenkapital die Covenants gefährdet sein könnten. Ihn interessierte außerdem, wie viel die Banken bei ihren Berechnungen von den Firmenwerten abziehen.
Nach Aussage von Frau Meyer gehen die Banken sehr unterschiedlich vor. Wichtig ist, dass die Korrekturen keine Auswirkung auf die Covenants haben. Die Mindestgröße bei der Eigenkapitalquote liegt weit unter dem aktuellen Wert.
Aktionär Peter Klein hatte dem Geschäftsbericht entnommen, dass noch in diesem Jahr eine Neustrukturierung der Finanzierung geplant ist. Frau Meyer bestätigte, dass es zurzeit noch bilaterale Linien gibt, sie aber einen Konsortialkredit mit mindestens drei Jahren abschließen will, um mittelfristig Sicherheit zu haben. Sie denkt, dass der neue Vertrag noch in diesem Jahr abgeschlossen werden kann.
Mit Blick auf die relativ hohe Nettoverschuldung erkundigte sich Herr Marx, ob in naher Zukunft eine Kapitalerhöhung angedacht ist. In der Vergangenheit war es quasi so gewesen, dass über Kapitalerhöhungen die Dividendenzahlungen finanziert worden sind, was wenig sinnvoll war. Derzeit gibt es nach Aussage von Frau Meyer keine Pläne für Kapitalmaßnahmen. Völlig ausschließen konnte sie dies allerdings auch nicht.
Ferner hinterfragte Herr Honselmann die durchschnittliche Amortisationszeit der zugekauften Unternehmen. Nach Aussage von Frau Meyer gibt es dies betreffend eine Untersuchung für den Zeitraum 2010 bis 2015. Danach beträgt die Amortisationszeit durchschnittlich fünf Jahre, natürlich gibt es aber auch Ausreißer.
Befragt nach der regionalen Ausrichtung erläuterte Herr Hansjosten, dass sich euromicron im Bereich Systemintegration historisch bedingt auf Deutschland fokussiert und dies wird auch so bleiben. Im Herstellerbereich liegt der Schwerpunkt ebenfalls auf dem Inland, es werden allerdings auch die Exportaktivitäten ausgebaut.
Wettbewerber gibt es natürlich, im Herstellerbereich vor allem aus China. In der Systemintegration, bei der die Qualifikation der Mitarbeiter von zentraler Bedeutung ist, ist dies weniger ein Thema.
Seltsam fand Herr Heinen, dass sich der Auftragseingang im ersten Quartal 2015 rückläufig entwickelt hat. Insgesamt ist in der Branche derzeit schließlich ein Boom zu verzeichnen. Auf seine Nachfrage informierte Herr Hansjosten, dass die Orders im ersten Halbjahr fast auf Höhe des Vorjahreswertes gelegen haben. Im ersten Quartal hat es Projektverschiebungen gegeben und einige Projekte habe man bewusst nicht angenommen.
Alleinstellungsmerkmale gibt es nach Aussage des Vorstands bei den Produkten von euromicron durchaus. Im „Internet der Dinge“ sieht er die Kombination aus Hersteller-Know-how und Lösungskompetenz als entscheidenden Faktor, den viele nicht bieten können. Außerdem verfügt die Gruppe über ein breites Technologieportfolio, und über 90 Prozent des Umsatzes entfallen auf die Zielmärkte.
Die Wachstumschancen betreffend verwies Herr Hansjosten auf die Aussage im Vorstandsbericht, wonach ein Marktwachstum von 19 Prozent p. a. zu erwarten ist. Euromicron wird allerdings nicht in dieser Größenordnung wachsen. Die strategische Maxime lautet „Cash vor Umsatz“ und es wird nur noch profitables Geschäft adressiert. In der Planung wird von einem organischen Wachstum von 5 Prozent ausgegangen.
Weiter informierte Frau Meyer auf Nachfrage aus dem Aktionariat, dass es seit ihrem Amtsantritt nur eine Veränderung beim Führungspersonal gegeben hat. Sie und ihr Kollege haben bei dem Programm, das sie heute vorgestellt haben, die uneingeschränkte Unterstützung bei den Geschäftsführern und in der zweiten Ebene. Sie bestätigte aber, dass es in der Vergangenheit teilweise eine hohe Fluktuation gegeben hat.
Überrascht zeigten sich verschiedene Redner von der sehr niedrigen Präsenz von 13,17 Prozent. Frau Meyer konnte dafür auch keine Erklärung liefern. Im vergangenen Jahr hat die Quote allerdings auch nicht höher gelegen. Möglicherweise liegt es daran, dass der Streubesitz nach Definition der Deutschen Börse 100 Prozent beträgt und mehr als 80 Prozent der Aktien bei Kleinaktionären liegen.
AbstimmungenVor Eintritt in die Abstimmungen verkündete der Vorsitzende die Präsenz. Vom Grundkapital von 18.347.554,88 Euro, eingeteilt in 7.176.398 Aktien, waren auf der Hauptversammlung 824.407 Aktien vertreten. Zusätzlich waren 121.402 Aktien per Briefwahl angemeldet. Insgesamt errechnete sich die Präsenzquote 13,18 Prozent.
Alle Beschlüsse wurden bei maximal 230.000 Gegenstimmen bei TOP 4 mehrheitlich gefasst. Im Einzelnen waren dies die Vertagung der Entlastung des Vorstands (TOP 2), die Entlastung des Aufsichtsrats (TOP 3), die Wahl der PricewaterhouseCoopers AG zum Abschlussprüfer (TOP 4) und die Zustimmung zur Verschmelzung der euromicron international services GmbH auf die euromicron AG (TOP 5).
Um 14:15 Uhr schloss Dr. von Gronau die Versammlung.
FazitIn den vergangenen Jahren ist bei der euromicron AG viel Vertrauen verlorengegangen. Schon länger sind die Prognosen nicht mehr aufgegangen und die Meldung vom März 2015, wonach im Zusammenhang mit der Erstellung des Jahresabschlusses 2014 Fehler bei der Bewertung einzelner Projekte festgestellt worden sind, hat für viele Aktionäre das Fass zum Überlaufen gebracht.
Wie sehr das Vertrauen gelitten hat, lässt sich am Aktienkurs ablesen. Finanziell waren die Auswirkungen mit einer Belastung von 11,4 Mio. Euro überschaubar. Mit dem Kurssturz unter die Marke von 10 Euro ging aber ein Börsenwert von über 30 Mio. Euro verloren. Aktuell liegt der Börsenwert mit 64 Mio. Euro weit unter dem Eigenkapital von 110 Mio. Euro, dem allerdings auch Firmenwerte in gleicher Höhe gegenüberstehen.
Der neue Vorstand bricht nun mit der Wachstumsstrategie der Vorgänger. „Cash und EBIT vor Umsatz“, lautete das neue Credo, was die Aktionäre auf der Hauptversammlung durchweg begrüßten. Große Chancen sieht der Vorstand aus der rasant zunehmenden Digitalisierung erwachsen.
euromicron wird den Schwerpunkt auf Intelligente Gebäudetechnik („smart building“) und Kritische Infrastrukturen ("critical infrastructures") legen. Das sind sicherlich Themen, bei denen der Spezialist für Netzwerkinfrastrukturen punkten kann. Und operativ verdient euromicron nach wie vor Geld. Auf dem deutlich ermäßigten Niveau klingt die Aktie nach einem interessanten Investment.
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Veröffentlichungsdatum:
10.08.2015
-
09:18
Redakteur:
mwa