Am 13. Juli 2012 fand in Berlin die ordentliche Hauptversammlung der C. Bechstein Pianofortefabik AG statt. Kurz vor der Hauptversammlung hatte der Großaktionär Arnold Kuthe Beteiligungs GmbH ein freiwilliges Erwerbsangebot zu 6,80 Euro je Aktie veröffentlicht. Knapp 150 Aktionäre und Gäste, unter ihnen Thorsten Renner für GSC Research, hatten sich im C. Bechstein Centrum im Stilwerk eingefunden, um sich über die weiteren Zukunftsperspektiven der Gesellschaft zu informieren.
Der Aufsichtsratsvorsitzende Helmut Senft eröffnete die Hauptversammlung und berichtete vom Ausscheiden Herrn Geisheckers aus dem Vorstand zum Jahresende 2011. Allerdings fungiert er weiterhin als Generalbevollmächtigter Finanzen. Anschließend bekamen die Aktionäre einen musikalischen Willkommensgruß von Frau Kolesnitschenko. Nach dem Verlesen der sonstigen Formalien übergab Herr Senft das Wort an den Vorstandsvorsitzenden Karl Schulze.
Bericht des VorstandsNach Ansicht von Herrn Schulze war 2011 ein erfolgreiches Jahr für das Unternehmen. Im letzten Jahr hatte er einige Versprechen auf der Hauptversammlung abgegeben, die eingehalten wurden. Besonders die Ergebniserwartung im Konzern wurde problemlos erfüllt. Dabei hatte die Gesellschaft in fernen Märkten wie Japan Absatz eingebüßt. Während sich das Geschäft in Amerika wie bereits seit 2007 sehr zögerlich entwickelte, lief der chinesische Markt weiterhin gut, stellte Herr Schulze klar.
In Deutschland wurde der Absatz weiter normal fortgeführt. Zufrieden zeigte sich Herr Schulze mit den Märkten in Osteuropa, die weiter deutlich zulegten. Dies führte in Summe zu einem geringeren Absatz an Instrumenten als noch 2010. Da die durchschnittlichen Umsatzerlöse je Instrument aber deutlich höher ausfielen, verzeichnete C. Bechstein im abgelaufenen Jahr eine Umsatzsteigerung. Besonders im preiswerten Marktsegment kämpft die Gesellschaft gegen Anbieter aus Asien.
Auch Vertrieb und Marketing funktionierten in 2011 wieder einwandfrei. Immerhin konnten rund 4.500 Kunden mit Instrumenten beglückt werden. Da man laut Herrn Schulze auch die Kosten gut im Griff hatte, erwirtschaftete C. Bechstein im vergangenen Jahr ein deutlich besseres Ergebnis. Das Ergebnis soll laut Einladung dem Eigenkapital zugeführt werden. So liegt die Eigenkapitalquote im Konzern bei rund 70 Prozent und in der AG bei rund 80 Prozent. Wie Herr Schulze weiter ausführte, konnten die Fremdverbindlichkeiten deutlich zurückgeführt werden. Unruhige Märkte sah der Vorstandsvorsitzende vor allem im Hinblick auf die Währungsentwicklung. Er rechnete auch zukünftig mit einem unruhigen Euro-Umfeld.
Neu startete im letzten Jahr die Kooperation mit dem chinesischen Partner Hailun. Dieser besitzt bereits seit zwölf Jahren eine eigene Fertigung nahe Shanghai. Vor Ort führen Mitarbeiter von Bechstein ein Qualitätsmanagement ein. In einigen Teilbereichen fungiert Hailun auch als Lieferant. Zur Implementierung des Systems werden jetzt deutsche Mitarbeiter nach China gesandt. Dies ermöglicht dem chinesischen Partner die Instrumente mit einem Qualitätssiegel auszustatten. Für die Leistung erhält Bechstein auch Lizenzeinnahmen.
Neu entwickelt wurde hier eine Produktreihe, die in Shanghai gebaut wird und vor allem für den chinesischen Markt konzipiert ist, erklärte Herr Schulze. So will man Zimmermann als Marke wieder neu aufleben lassen. Laut Herrn Schulze gelten diese Instrumente als Einstiegsprodukt, das jedoch auch für China nicht günstig ist. Erste Früchte aus dieser Kooperation erwartete der Vorstandsvorsitzende bereits für das laufende Geschäftsjahr. Bisher sieht es zumindest so aus, dass die Kooperation sehr gut funktioniert, war Herr Schulze hoffnungsfroh. Der Vertrag wurde zunächst mit einer Laufzeit von zehn Jahren abgeschlossen.
Vor einigen Jahren engagierte sich Bechstein mit einem eigenen Zentrum in Holland. Nach Angabe von Herrn Schulze erfolgte die Schließung des Zentrums bereits vor zwei Jahren. Ein Partner wird zukünftig die Aktivitäten allein übernehmen, womit das Kapitel komplett abgeschlossen wurde. Die daraus resultierende Verringerung des Risikos ging jedoch noch einmal mit einer Abschreibung einher.
Im vergangenen Jahr konnte Bechstein America wieder einen kleinen Gewinn ausweisen. Allerdings muss dort der Wechselkurs weiter beobachtet werden, meinte der Vorstandsvorsitzende. Weiter angestiegen sind die Forderungen, die laut Herrn Schulze jedoch in 2012 wieder ein wenig nachgaben. Allerdings ist eine Verringerung nicht so einfach, da neben den Zahlungszielen auch zum Teil lange Transportzeiten berücksichtigt werden müssen. Allein nach Australien ist das Instrument durchschnittlich zwei Monate unterwegs. Wie Herr Schulze betonte, steht auch weiterhin der Sicherheitsaspekt im Vordergrund. Deshalb soll das Unternehmen noch unabhängiger von Fremdkapital werden und mit der Einbehaltung der Gewinne wird zusätzlich Vorsorge getragen. Eine Dividendenausschüttung hielt Herr Schulze für möglich, wenn Bechstein richtig stabil ist, was eine Eigenkapitalquote von mindestens 80 Prozent bedingt.
Anschließend kam Herr Schulze auf das laufende Jahr zu sprechen. Das erste Quartal verlief dabei „phantastisch“ mit einem Umsatzzuwachs von 10 Prozent. Dabei hatte Bechstein im Februar Zeiten zu überstehen, in denen aufgrund der enormen Kälte nur schwer Instrumente auszuliefern waren. Mit dem April hat das Verbrauchervertrauen jedoch einen Dämpfer erhalten, der bis heute andauert. Von der Zurückhaltung sind eher Instrumente mit einem günstigeren Preis betroffen.
Die Unsicherheit ist besonders im Ausland zu spüren und selbst in China schwächen sich die Wachstumsraten ab, informierte der Vorstandsvorsitzende. „Wenn es darauf ankommt, braucht niemand ein Klavier“, brachte es Herr Schulze kurz auf einen Nenner. Was die Gesellschaft im ersten Quartal gewonnen hat, musste im zweiten Quartal wieder abgegeben werden. Trotzdem schreibt Bechstein aber keine Verluste, stellte Herr Schulze klar.
Angesichts dieser unterschiedlichen Entwicklung konnte Herr Schulze keine Einschätzung für das zweite Halbjahr abgeben. Bechstein ist aber so aufgestellt, dass die Gesellschaft gut über die Runden kommt, betonte er. Sehr positiv zeigte sich der Markt in Russland, der auch im ersten Halbjahr 2012 deutlich zulegte. Durch die Verkleidung des Werks in Tschechien können dort zukünftig deutliche Energieeinsparungen realisiert werden. Zudem wurden in den angemieteten Räumen die Mieten gedeckelt.
Das Zentrum in Hamburg befindet sich derzeit in einer Umwandlung. Die bisherigen Räume wurden aufgegeben und das Zentrum zog in neue Räumlichkeiten um. Darüber hinaus wird Hamburg nun als assoziiertes Zentrum fungieren, was bedeutet, dass die ehemaligen Mitarbeiter das Zentrum führen werden, erklärte Herr Schulze. Die Mitarbeiter übernehmen den bisherigen Kundenstamm und bekommen am Anfang die Ware auf Kommission. Nach Ansicht von Herrn Schulze reduziert sich dadurch auf Dauer das Risiko für Bechstein.
Herr Schulze war überzeugt, dass das Unternehmen auch im laufenden Jahr einen ordentlichen Weg einschlägt und nachhaltige Ergebnisse erwirtschaftet. Allerdings gibt es derzeit noch andere Dinge, die das Unternehmen beschäftigen. Vor zwei Jahren ist laut Herrn Schulze die Kuthe Beteiligungs GmbH als Ankerinvestor und weißer Ritter eingestiegen. Der Ritter hat mittlerweile seine Rüstung abgelegt und darunter sind Menschen mit einer Passion hervorgetreten, die ebenfalls Unternehmertum in deutscher Hand verkörpern.
Kuthe hielt bisher rund 60 Prozent der Aktien und wollte weitere Anteile hinzuerwerben. Keineswegs sollen Aktionäre hinausgedrängt werden und es geht auch nicht in Richtung Beherrschung oder Squeeze-out, betonte der Vorstandsvorsitzende. Deshalb handelt es sich auch nur um ein freiwilliges Kaufangebot, das der Hauptaktionär unterbreitet hat. Herr Schulze kündigte an, dass er zusammen mit seiner Frau die Aktien an Kuthe verkaufen wird.
Gegenüber dem Kaufpreis wird dabei ein Gewinn von rund 0,4 Mio. Euro resultieren, informierte Herr Schulze. Nach der Steuerzahlung wird die verbliebene Summe in eine Bechstein-Stiftung eingebracht. Mit dem Aktionär Kuthe können Mitarbeiter und Marke in eine „perfekte Zukunft“ blicken, war der Vorstandsvorsitzende überzeugt. Wie er weiter mitteilte, wird er mindestens noch zweieinhalb Jahre als Vorstand mitwirken. Im kommenden Jahr feiert die Gesellschaft bereits ihren 160. Geburtstag und deshalb wird es auch weiterhin kein Gezocke oder keine Spielerei bei Bechstein geben, betonte Herr Schulze zum Ende seiner Ausführungen.
Allgemeine DiskussionReyke Schult von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V. (DSW) dankte allen Mitarbeitern und Organen für das gute Ergebnis und den gelungenen Musikauftakt, der bei den Aktionären gut ankam. Der Aktionärsvertreter hatte durchaus auf eine Dividende gehofft und gemeinsam mit anderen Aktionären erkundigte er sich nach der weiteren Planung. Wenn das Unternehmen über ausreichend Mittel und Ressourcen verfügt, wird es auch eine Dividendenzahlung geben, stellte Herr Schulze fest. Aktuell hielt er die Eigenkapitalquote aber noch nicht für ausreichend, um ohne „Karambolagen“ durchs Geschäftsleben zu kommen.
Da Herr Geishecker nicht mehr als Vorstand fungiert, erkundigten sich die Aktionäre nach einer möglichen Erweiterung des Vorstands. Herr Geishecker ist von seiner Funktion als Vorstand abgetreten, es wurde laut Herrn Schulze aber ein Weg gefunden, ihn weiterhin qualifiziert einzubinden. Derzeit ist aber schon ein Mensch im Haus, der in diesem Bereich eingearbeitet wird. Daneben verfügt Bechstein noch über weitere Personen in der Pipeline, die in die Führungsriege hineinwachsen können. Seine Nachfolge wird Stefan Freymuth übernehmen, der die gleiche Passion für das Thema besitzt, gab der Vorstandsvorsitzende bekannt.
Ein großes Thema war auch die Einstellung der Notierung an der Frankfurter Wertpapierbörse. Speziell Michael Kunert, Sprecher der Schutzgemeinschaft für Kapitalanleger e. V. (SdK), hielt einen Wechsel in den Entry Standard für machbar. Die Berater der Gesellschaft haben jedoch zu verstehen gegeben, antwortete der Vorstandsvorsitzende, dass ein neuer Börsenprospekt zu erstellen ist, für den rund 125.000 Euro Kosten anfallen würden. Dafür wollte Herr Schulze jedoch nicht so viel Geld ausgeben, da die Aktie auch noch an anderen Börsenplätzen gehandelt wird.
Weiterhin erkundigte sich Herr Schult nach den Abschreibungen in Holland und den Risiken in Amerika, speziell im Hinblick auf die Währungsentwicklung. Die Abschreibungen bezifferte Herr Schulze auf 0,2 Mio. Euro. In den USA besteht noch eine Absicherung, die jedoch von den Kosten her vernachlässigbar ist. Bisher wurde bei diesen Maßnahmen aber anscheinend immer „in die Scheiße gegriffen“, wie Herr Schulze drastisch formulierte. Bechstein fakturiert die Waren weltweit in Euro. Angesichts der negativen Erfahrung war er noch nicht sicher, ob eine weitere Währungsabsicherung erfolgen soll.
Angesprochen wurde von mehreren Aktionären die Kooperation in China, wobei durchaus auch Gefahren im Hinblick auf die Nachahmung gesehen wurden. Jedes Unternehmen ist Gefahren ausgesetzt und es können nie sämtliche Eventualitäten abgesichert werden. Nach Meinung von Herrn Schulze ist die Marke Bechstein weltweit jedoch perfekt geschützt und die Gesellschaft unternimmt alles, damit dies auch so bleibt. Bisher war man jedenfalls immer sehr erfolgreich im Schützen der Marke.
Aus der Kooperation hielt Herr Schulze für 2012 Lizenzeinnahmen von rund 0,5 Mio. Euro für wahrscheinlich. Je nach Erfolg in den kommenden Jahren sollten sich die Zahlungen in der Größenordnung von 0,5 bis 0,8 Mio. Euro einpendeln. Im Hinblick auf Nachahmungen sah Herr Schulze auch keine größeren Gefahren, da Bechstein dem Kooperationspartner keine Konstruktionspläne oder Fertigungsanleitungen zur Verfügung stellt. Insgesamt ist Bechstein nun schon gut zehn Jahre in China im Geschäft und der Vorstandsvorsitzende hielt das dortige Risiko nicht für größer als in anderen Ländern.
Befragt nach den Darlehensverbindlichkeiten bezifferte Herr Schulze diese auf 7,3 Mio. Euro. Wie er weiter ausführte, bemüht sich der Vorstand, diese auch in Zukunft weiter zu reduzieren. Herr Kunert wollte wissen, ob es für das Erwerbsangebot einen speziellen Anlass gab. Wie der Vorstandsvorsitzende mitteilte, ist er selbst vom Angebot überrascht worden. Auch nach dem Angebot werden die kleinsten Aktionäre bei der Gesellschaft gut angesehen sein und auf keinen Fall wird es passieren, dass die Aktionäre bei Bechstein „verarscht“ werden, betonte Herr Schulze.
Herr Kunert sprach dann eine mögliche Reduzierung der Forderungen an. Der Vorstandsvorsitzende sah die Forderungshöhe in einem Rahmen, der absolut akzeptabel ist. Zudem sind die Forderungen werthaltig, die Gesellschaft hatte bisher so gut wie keine Forderungsausfälle zu verkraften. Nähere Ausführungen erbat der Aktionärssprecher ferner zu den Plänen bei einer Ausnutzung des genehmigten Kapitals. Herr Schulze versprach zunächst, dass es bei einer Ausnutzung des genehmigten Kapitals keinen Bezugsrechtsausschluss geben wird. Derzeit spuken einige Projekte herum, konkrete Einsatzpläne konnte er aber noch nicht benennen. Ein Aktionär regte zum 160-jährigen Jubiläum im kommenden Jahr wieder eine Aktionärsfahrt an, die Herr Schulze auch bereits zusagte.
AbstimmungenNach dem Ende der Diskussion leitete Herr Senft zu den Abstimmungen über. Vom Grundkapital der Gesellschaft in Höhe von 8.037.633 Euro, eingeteilt in 2.679.211 Aktien, waren 2.146.680 Aktien entsprechend 80,12 Prozent vertreten. Die Beschlüsse wurden alle bei wenigen Gegenstimmen im Sinne der Verwaltung gefasst. Dies waren die Einstellung des Gewinns in die Gewinnrücklagen (TOP 2), die Entlastung von Vorstand (TOP 3) und Aufsichtsrat (TOP 4), die Wahl der Herren Fischer, Senft und Freymuth in den Aufsichtsrat (TOP 5), die Wahl der Dr. Muth & Co. GmbH zum Abschlussprüfer (TOP 6), eine Satzungsänderung im Hinblick auf den Bundesanzeiger (TOP 7) und die Schaffung eines genehmigten Kapitals (TOP 8).
Fazit und eigene MeinungDie C. Bechstein Pianofortefabrik AG erzielte bei einer leichten Umsatzsteigerung erneut eine kräftige Ergebnisverbesserung. Mit 2,24 Mio. Euro Jahresüberschuss konnte die Prognose des letzten Jahres sogar noch übertroffen werden. Angesichts der guten Geschäftsentwicklung gelang es dem Unternehmen, die Verbindlichkeiten noch weiter zurückzufahren. Nun nährt sich die Gesellschaft mit großen Schritten der von Herrn Schulze vorgegebenen Eigenkapitalquote, die mindestens erreicht werden muss, um wieder eine Dividendenzahlung aufzunehmen. Der Start ins laufende Jahr stellt sich etwas differenzierter dar. Nach sehr starken ersten Monaten entwickelte sich das Geschäft im zweiten Quartal gedämpft.
Trotz der positiven Geschäftsentwicklung blieb der Aktienkurs hinter den Erwartungen zurück. Das nun von Kuthe unterbreitete Erwerbsangebot zu 6,80 Euro hat dem Kurs wieder etwas auf die Sprünge geholfen. Allerdings ist die Bechstein-Aktie damit immer noch günstig bewertet. Bei einem Ergebnis je Aktie von 0,84 Euro liegt das KGV lediglich bei 8,5. Auch der Buchwert der Aktie liegt noch deutlich über dem aktuellen Kursniveau. Bei einem erwarteten Gewinn von rund 2 Mio. Euro im laufenden Jahr dürften spätestens im Folgejahr die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Dividendenzahlung gegeben sein, was dem Kurs zusätzliches Potenzial verleihen könnte.
KontaktadresseC. Bechstein Pianofortefabrik AG
Kantstraße 17
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Tel.: +49 (0) 30 / 2 26 05 59-21
Fax: +49 (0) 30 / 2 26 05 59-14
Internet: www.bechstein.com
E-Mail:
[email protected]Ansprechpartner Investor RelationsKarl-Heinz Geishecker
[email protected]
Veröffentlichungsdatum:
18.07.2012
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12:20
Redakteur:
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