Die Vestcorp AG hatte für den 6.10.2010 zu ihrer diesjährigen ordentlichen Hauptversammlung in das Schloss Rahe nach Aachen eingeladen. Etwa 40 Aktionäre und Gäste hatten sich dort versammelt, darunter Matthias Wahler für GSC Research, um sich über die Entwicklung der in Düsseldorf ansässigen Beteiligungsgesellschaft zu informieren.
Der Aufsichtsratsvorsitzende Heinz Eylmanns eröffnete die Sitzung um 10 Uhr und stellte die Herren auf dem Podium vor. Neben dem Notar und seinen Aufsichtsratskollegen hatten dort der Alleinvorstand Udo Treichel und Dr. Thomas Heidel als Rechtsberater der Gesellschaft Platz genommen. Nach der Abhandlung der Formalien erteilte der Versammlungsleiter Herrn Treichel das Wort.
Bericht des VorstandsNach Einschätzung von Herrn Treichel hat die Vestcorp AG das Geschäftsjahr 2009 insbesondere mit Blick auf die Verwerfungen an den Kapitalmärkten mit einem zufriedenstellenden Ergebnis abgeschlossen. Schließlich gestaltete sich das Umfeld gerade in der Beteiligungsbranche sehr schwierig, und das Transaktionsvolumen brach insgesamt heftig ein. Zudem ergaben sich erneut Belastungen aus der Bereinigung der Altlasten.
Die betrieblichen Erträge reduzierten sich erheblich auf 2,9 (Vj.: 11,7) Mio. Euro. Diese Zahl ist den Worten des Vorstands zufolge bei einer Beteiligungsgesellschaft, die über keinen planbaren Geschäftsbetrieb verfügt, aber nicht aussagekräftig. Der hohe Vorjahreswert resultierte laut Herrn Treichel in erster Linie aus der Veräußerung der Beteiligung an der KSR KUEBLER Niveau-Messtechnik AG.
Die Aufwendungen für Finanzanlagen und Wertpapiere des Umlaufvermögens ermäßigten sich auf 3,9 (8,7) Mio. Euro. Dennoch rutschten das EBITDA und das EBIT mit minus 0,3 (plus 7,8) Mio.
Euro bzw. minus 3,6 (plus 0,04) Mio. Euro ins Minus. Auch der Cashflow fiel mit minus 1,9 (plus 2,0) Mio. Euro negativ aus. Unter dem Strich steht hingegen ein Jahresüberschuss von 2,1 (0,1) Mio. Euro.
Dies ist Herrn Treichel zufolge dem außerordentlichen Ertrag aus dem Vergleich im Streit mit ehemaligen Organmitgliedern in Höhe von 6 Mio. Euro zu verdanken. Dieser setzt sich zusammen aus der Auflösung einer Rückstellung von 2,2 Mio. Euro, Zahlungen der D&O-Versicherung von 2,8 Mio. Euro, Vergleichszahlungen von 0,8 Mio. Euro und der Erstattung von Gerichtskosten in Höhe von 0,2 Mio. Euro. Liquiditätswirksam waren nur knapp 2,3 Mio. Euro. Dafür konnten erhebliche Kosten vermieden werden, da das Verfahren sich sonst wohl noch über Jahre hingezogen hätte.
Der Wert des Beteiligungsportfolios erhöhte sich nach Aussage von Herrn Treichel im Berichtszeitraum auf 26,1 (22,4) Mio. Euro. Parallel kletterte der Net Asset Value (NAV) auf 28,5 (25,9) Mio. Euro oder 2,44 (2,09) Euro je Aktie. Wichtig war dem Vorstand in diesem Kontext der Hinweis, dass die Aufräumarbeiten nun abgeschlossen sind und dass die Gesellschaft vor einer unbelasteten Zukunft steht.
Als Damoklesschwert schwebt jedoch ein rechtskräftiger Steuerbescheid über 5,6 Mio. Euro aus einer Betriebsprüfung für die Jahre 2000 und 2001 über der Vestcorp AG. Das Finanzamt Marl hat den Vollzug bislang lediglich ausgesetzt. Inklusive der aufgelaufenen Zinsen summiert sich die Forderung der Finanzverwaltung inzwischen auf 6,1 Mio. Euro.
Sollte die Behörde die Zahlung dieses Betrags einfordern, stünden laut Herrn Treichel zwar ausreichend Mittel für die Begleichung der Forderung zur Verfügung. Damit wären die Reserven aber aufgebraucht und zumindest kurzfristig kein Handlungsspielraum mehr für das operative Geschäft gegeben, zumal auch noch Verbindlichkeiten in Höhe von 4,3 Mio. Euro gegenüber der KfW bestehen.
Schuld an dieser Misere ist nach Angabe von Herrn Treichel ein handwerklicher Fehler des damaligen Steuerberaters, der bei der Einbringung von Beteiligungen die Erstellung einer Ergänzungsbilanz unterlassen hat. Sollte das Finanzamt den Betrag tatsächlich einfordern, will der Vorstand den Steuerberater haftbar machen. Sehr gern würde Herr Treichel jedoch auf einen solchen Prozess verzichten, der sich wohl über Jahre hinziehen und viel Geld kosten würde, das schlimmstenfalls über Notverkäufe beschafft werden müsste.
Herr Treichel konnte aber auch von einigen Erfolgen berichten. Zuvorderst nannte er hier nochmals die Einigung in der Auseinandersetzung mit den ehemaligen Organmitgliedern, die das Geschäft zuvor erheblich gehemmt hatte. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung im Dezember 2008 hatten die Aktionäre hier einem Vergleich zugestimmt (Details hierzu finden Sie im HV-Bericht von GSC Research).
Sehr positiv wertete der Vorstand außerdem, dass es gelungen ist, den Status einer Unternehmensbeteiligungsgesellschaft (UBG) wieder aufzugeben. Diese Ausrichtung schränkte das Geschäft erheblich ein, nachdem ein solches Unternehmen nur in Firmen mit einer Bilanzsumme von weniger als 250 Mio. Euro und maximal 30 Prozent der eigenen Bilanzsumme in börsennotierte Gesellschaften investieren darf.
Ohne diesen Status ist nun weitaus mehr Flexibilität gegeben, was für die Neuausrichtung der Vestcorp AG eine wichtige Voraussetzung darstellte. Beispielsweise hätte ohne diese Maßnahme kein Übernahmeangebot für die Ehlebracht AG unterbreitet werden können. Jährliche Kosteneinsparungen von in der Summe 490 TEUR konnten überdies mit einem Wechsel der Aktiennotierung in den Entry Standard, durch die Sitzverlegung nach Düsseldorf und über Personalmaßnahmen erreicht werden.
Im Folgenden präsentierte Herr Treichel die beiden Neuinvestments des vergangenen Jahres. Zum einen war dies die Comet AG, die im Handel und Transport von Sekundärmetallen wie Kupfer- und Messingschrott aktiv ist. An dieser Gesellschaft erwarb die Vestcorp für 350 TEUR eine Beteiligung von 25 Prozent; eine Verdoppelung des Einsatzes strebt Herr Treichel als Ziel an. Für das laufende Jahr plant man bei der Comet einen Umsatz von 12 Mio. Euro und ein ausgeglichenes Ergebnis. Mittelfristig ist bei der Gesellschaft ein IPO geplant, über den die Vestcorp dann wieder aussteigen will. Die Alternative wäre die Veräußerung der Beteiligung an den Hauptgesellschafter Oryx.
Des Weiteren investierte die Vestcorp 3,8 Mio. Euro in eine Beteiligung von 17,5 Prozent an der TechInvest Group. Hierbei handelt es sich ebenfalls um ein Pre-IPO-Engagement, und der Exit ist auch in diesem Fall im Rahmen des Börsengangs geplant.
Im Übrigen war der Berichtszeitraum laut Herrn Treichel geprägt von der Bereinigung des Portfolios. So trennte sich der Vorstand unter anderem von Altinvestments wie KSR KUEBLER Niveau-Messtechnik, MOOD AND MOTION, EASY SOFTWARE und DESIGN Bau. Darüber hinaus mussten drei Insolvenzen verkraftet werden, von denen die Eliog AG mit einer Abschreibung von 2,2 Mio. Euro den größten Schaden verursacht hat.
Die Eliog AG wies nach Aussage von Herrn Treichel zwar starke Wachstumsraten auf, der Vorstand ließ jedoch die Liquiditätslage völlig außer Acht, was letztlich zur Insolvenz führte. Nicht einmal die ausgereichten Darlehen dürften noch einen Wert ausweisen, da die Vestcorp lediglich über nachrangige Sicherheiten verfügt. Zu allem Überfluss besteht noch der Verdacht, dass das Management kurz vor der Insolvenz erhebliche Summen aus dem Unternehmen gezogen hat.
Schließlich erwähnte Herr Treichel noch einige weitere Beteiligungen, die sich zwar noch im Depot befinden, die aber wie der eCapital Fonds praktisch keinen Wert mehr aufweisen. Bei der Matho GmbH betreibt der Vorstand inzwischen die gerichtliche Vollstreckung einer Forderung über 270 TEUR, nachdem deren Geschäftsführer ihn immer wieder vertröstet hat. Auch die Beteiligung an der Power Automation GmbH stuft Herr Treichel als wertlos ein. Mangels Gewinn sind hier keine Rückzahlungen zu erwarten.
Diese Gesellschaft weist nach Angabe des Vorstands sogar einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag auf, der sich von Jahr zu Jahr erhöht. Dennoch meldet der Geschäftsführer zur Verwunderung von Herrn Treichel keine Insolvenz an. Für die Vestcorp ist dies eine unschöne Situation. Im Falle der Insolvenz würde die KfW, die zur Finanzierung dieses Engagements ein Darlehen über 570 TEUR gewährt hat, nämlich auf die Rückzahlung verzichten. Unter den gegebenen Umständen verlangt sie aber die Rückführung, was Herr Treichel nun zu verhindern sucht.
Aus den alten Zeiten befinden sich außerdem noch drei ausländische Beteiligungen im Depot, die jeweils so klein sind, dass die Vestcorp über keinerlei Mitspracherecht verfügt. Dabei handelt es sich um die Argos Therapeutics, die CryptoMetrics und die Magink Display Technologies, die Herr Treichel alle als faktisch wertlos einstuft und die jeweils auf 1 Euro abgeschrieben wurden. Eine Veräußerung ist nicht möglich, da die Zustimmung der anderen Investoren erforderlich wäre. Herr Treichel hat diese Beteiligungen deshalb in eine eigene Gesellschaft übertragen, die nun eventuell veräußert werden soll.
Im Folgenden präsentierte der Vorstand die aktuelle Zusammensetzung des Private Portfolios, von dem er sich viel erwartet. Sehr erfolgreich entwickelt sich vor allem der Aurelia Private Equity Fund. Interessant sind aber auch die Beteiligungen an der BioTecon, EMBL und den beiden IT-Gesellschaften Infopark AG und JCatalog Software AG. Unter konservativen Annahmen erwartet sich der Vorstand aus diesen Beteiligungen in den nächsten drei bis vier Jahren Erträge zwischen 3,5 und 7,0 Mio. Euro.
„Das alte Geschäftsmodell ist gescheitert“, machte Herr Treichel nochmals unmissverständlich klar. Künftig soll die Vestcorp ihr Vermögen nun nicht mehr so breit auf viele kleine Beteiligungen streuen, was nicht funktioniert hat. Vielmehr soll das Unternehmen als aktiver Finanzinvestor ausgerichtet werden - „Klasse statt Masse“ lautet nun die Devise. Als Vorbilder betrachtet der Vorstand Firmen wie ARQUES Industries, INDUS Holding und AURELIUS.
Die Vestcorp wird sich künftig auf wenige aussichtsreiche Kerninvestments mit einem ausgereiften und erfolgreichen Geschäftsmodell beschränken, die sich eventuell noch in einer Sondersituation befinden. Als klassisches Beispiel sieht Herr Treichel die Ehlebracht AG an, die, wie er explizit betonte, nur durch die Unterstützung der Vestcorp überhaupt überlebt hat. Nur dank der Mitwirkung der Vestcorp AG stimmten die Banken einem Forderungsverzicht über 20 Mio. Euro zu.
Im Übrigen zeigte sich Herr Treichel mit den Geschehnissen bei der Ehlebracht AG höchst unzufrieden. So erhielt die Vestcorp mit ihrer ursprünglichen Beteiligung von 26 Prozent nicht einmal einen Platz im Aufsichtsrat, was er nicht akzeptieren wollte. Außerdem ist die Gesellschaft in höchstem Maße intransparent. So habe er, obwohl die Vestcorp der größte Einzelaktionär ist, erst auf der außerordentlichen Hauptversammlung im Februar dieses Jahres Näheres zur Aktionärsstruktur erfahren.
Die Aufsichtsratsmitglieder Dr. Walter Hasselkus und Jörns Haberstroh, die auf der damaligen Versammlung ihres Amtes enthoben werden sollten, haben nach Einschätzung von Herrn Treichel keine schlechte Arbeit geleistet, aber letztlich nichts zur Fortentwicklung der Ehlebracht AG beigetragen. Die Vestcorp wollte der Gesellschaft hingegen neue Perspektiven eröffnen und über die Begebung einer Anleihe frisches Kapital in das Unternehmen holen.
Nach Aussage von Herrn Treichel standen Investoren bereit, die bis zu 40 Mio. Euro geben wollten. Damit sollte Ehlebracht als einer der großen Player im Markt in die Lage versetzt werden, aktiv an der Branchenkonsolidierung mitzuwirken und das Umsatzvolumen so von heute 50 auf dann rund 150 Mio. Euro zu verdreifachen, was dem Aktienkurs ganz erhebliches Aufwärtspotenzial eröffnet hätte. Der Vorstand hat nach Überzeugung von Herrn Treichel nichts zu dem deutlichen Kursanstieg der jüngeren Vergangenheit beigetragen, vielmehr sorgten die Pläne der Vestcorp AG für Auftrieb, weil die Aktionäre einen Übernahmekampf erwarteten.
Letztlich konnten die Planungen aber nicht umgesetzt werden. Auf der außerordentlichen Hauptversammlung betrug die Präsenz enorm hohe 91 Prozent, womit die Vestcorp trotz ihrer bis dahin auf 43 Prozent aufgestockten Beteiligung nicht über die Mehrheit verfügte. Unter normalen Umständen hätte dies nach Überzeugung von Herrn Treichel überhaupt kein Problem dargestellt. Bei Ehlebracht trat aber plötzlich ein bis dato völlig unbekannter Herr Heinrich Bitter mit einer Beteiligung von 18 Prozent als „weißer Ritter“ auf.
Wie es diesem gelungen sein soll, diese große Beteiligung komplett fremd zu finanzieren, war Herrn Treichel ein Rätsel. Er bewertete die Vorgänge bei Ehlebracht als Veräppelung des deutschen Kapitalmarkts. Wie der Präsenzliste zu entnehmen war, waren nämlich gleich fünf weitere Blöcke haarscharf unter der Meldeschwelle von 3 Prozent angemeldet. Zusammen mit Herrn Bitter und der Stiftung bedeutete dies bereits eine Beteiligung von 40 Prozent und zuzüglich der treuen Aktionäre aus der Region die HV-Mehrheit.
Dieses Vorgehen bewertete Herr Treichel als bewusste Irreführung des Kapitalmarkts. Unter diesen Umständen kann die Vestcorp selbst mit ihren inzwischen mehr als 5 Millionen Aktien nichts ausrichten. Wie er weiter informierte, werden inzwischen weit fortgeschrittene Gespräche geführt betreffend die Veräußerung des weitaus größten Teils der Beteiligung.
Herr Treichel zeigte sich nach wie vor überzeugt, dass sich die Vestcorp AG längerfristig positiv entwickeln und der Aktienkurs wieder zulegen wird. Zugleich bat er um Verständnis, dass vorerst weiter eher im Stillen gearbeitet und nicht über alles berichtet werden soll.
Allgemeine AusspracheAls Erste meldete sich Marion Kostinek von der Investor Communications Group (ICG) zu Wort. Diese bewertete den Bericht von Herrn Treichel als spannend und informativ und sah als wichtigste Aussage, dass die Restrukturierung nun abgeschlossen ist. Die Zahlen des ersten Halbjahres 2010 bestätigen ihrer Meinung nach, dass sich die Vestcorp wieder auf dem richtigen Weg befindet.
Das aktuelle Beteiligungsportfolio wertete Frau Kostinek als vielversprechend. Enttäuscht zeigte sie sich lediglich von den Vorgängen bei der Ehlebracht AG, nachdem sie auf der letzten Hauptversammlung dieser Gesellschaft nicht einmal ihre Anträge hatte stellen können. Ein großes Risiko sah sie bei Ehlebracht darin, dass als Sicherheit für einen Kredit die Anteile an einer Beteiligung verpfändet wurden, und sie hätte dieses Thema gerne noch näher durchleuchtet.
Für die Vestcorp sah Frau Kostinek als große Gefahr, dass die KfW ihre Darlehen fällig stellen könnte. Auf ihre Nachfrage erläuterte Herr Treichel, dass es dieser Bank jederzeit möglich wäre, eine Verlängerung der Ausleihung zu verweigern. Da die finanzierte Beteiligung nicht insolvent ist, müsste der Betrag dann zurückgezahlt werden, auch wenn es sich nach Meinung des Vorstands um Insolvenzverschleppung handelt. Noch versucht Herr Treichel jedoch, die KfW zu einer Prolongation zu bewegen.
Michael Ruoff von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) bezeichnete das Geschäftsjahr 2009 für die Vestcorp als wenig erfreulich. Schließlich ergab sich der Jahresüberschuss nur durch den außerordentlichen Ertrag aus dem Vergleich mit den ehemaligen Organmitgliedern, während das Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit negativ war.
Zunächst hatte Herr Ruoff dann einige Fragen zu diversen Positionen im Jahresabschluss. Wie Herr Treichel auf seine Nachfrage hin erläuterte, entfallen die sonstigen betrieblichen Aufwendungen in Höhe von 2,3 Mio. Euro auf viele Einzelblöcke. Als große Positionen nannte er die Rechts- und Beratungskosten sowie die Kosten für Abschluss und Prüfung.
Vom Aufwand für Finanzanlagen und Wertpapiere des Umlaufvermögens von 3,9 Mio. Euro betrifft mehr als die Hälfte die Abschreibung auf den Wertansatz der Eliog AG und das ausgereichte Darlehen. Außerdem waren kleinere Wertanpassungen auf andere Bilanzpositionen erforderlich. Die Zuschreibungen von 1,1 Mio. Euro betreffen Herrn Treichel zufolge mit 777 TEUR vor allem die Beteiligung an der Ehlebracht AG.
Interessant fand der Aktionärsschützer die Aussage des Vorstands, wonach die Veräußerung der Beteiligung an der Ehlebracht AG konkret geplant ist. Nun wollte er wissen, welche Pläne die Verwaltung mit den zu erwartenden Erlösen von mehr als 12 Mio. Euro verfolgt. Eine Antwort erhielt Herr Ruoff darauf nicht, er fragte aber auch nicht mehr nach. Den Bilanzwert der Ehlebracht-Beteiligung bezifferte Herr Treichel auf seine Frage hin zum 31.12.2009 mit 7,7 Mio. Euro und zum 30.6.2010 mit 9,36 Mio. Euro. Der Kurswert beläuft sich aktuell auf 14,5 Mio. Euro.
Insgesamt bewertete Herr Ruoff das Bilanzbild als erfreulich. Dabei spielte er insbesondere auf das Eigenkapital an, das sich auf 22,1 (20,0) Mio. Euro oder 2,06 Euro je Aktie verbessert hat. Umso mehr wunderte den SdK-Sprecher, dass der Aktienkurs inzwischen sogar unter die Marke von 1 Euro gerutscht ist. Auch der Abschlag zum NAV von 2,44 Euro erschien ihm enorm hoch.
Die gewünschte Stellungnahme fiel Herrn Treichel nicht leicht. Einen Grund für die hohe Diskrepanz erkannte dieser im Geschäftsmodell, das keine regelmäßigen Einkünfte garantiert und das die Anleger eher vorsichtig agieren lässt. Alternativ müssten neue Aktionäre gewonnen werden. institutionelle Investoren halten sich aufgrund der Illiquidität der Aktie aber grundsätzlich fern. Derzeit verfügt die Vestcorp nach Aussage des Vorstands über etwa 6.600 Aktionäre.
Die dritte Wortmeldung hatte Klaus Heinz angemeldet, der sich als selbständiger Unternehmer vorstellte und der über die Ehlebracht AG zur Vestcorp AG gekommen war. Er gab dem Vorstand durchaus Recht, dass die Ehlebracht-Aktionäre der ehemaligen TFG Capital AG Dank schulden, dass diese das Unternehmen gerettet hat. Das derzeitige Vorgehen der Vestcorp AG konnte er aber nicht gut heißen. Ihm fehlte völlig das Vertrauen in die handelnden Personen.
Dabei konnte Herr Heinz nicht nachvollziehen, warum zwei Aufsichtsratsmandate nicht ausreichen sollen, um die genannten Pläne umsetzen zu können. Als sehr wichtig hätte er zumindest eine vernünftige Kommunikation empfunden, um das Ansehen der Vestcorp nicht zu beschädigen. Er bezeichnete das gewählte Vorgehen als „gefährliches Spiel“, nachdem sich die Geschehnisse früher oder später wohl auch negativ auf das operative Geschäft der Ehlebracht AG auswirken werden.
Das Kernthema des Redners Oliver Krautscheid, der 390.000 Aktien für die Global Derivate Trading GmbH vertrat, waren die steuerlichen Risiken. So interessierte ihn, warum sich das Finanzamt Marl auf die Aussetzung der Vollziehung der Steuerschuld von 6,1 Mio. Euro eingelassen hat. Zudem bat er um eine Erklärung, warum in den Steuerrückstellungen nur 3 Mio. Euro berücksichtigt sind.
Wie Herr Treichel in seiner Antwort darlegte, wurde bei der damaligen TFG Capital AG eine Betriebsprüfung für die Jahre 2000 und 2001 durchgeführt. Damals hatte der Prüfer das Fehlen einer Ergänzungsbilanz moniert und diverse Abwertungen nicht anerkannt, was die Forderung des Finanzamts über 6,1 Mio. Euro zur Folge hatte. Ein bei der Westfälischen Treuhand beauftragtes Gutachten kam dann zum Ergebnis, dass das Risiko im Jahresabschluss mit 50 Prozent anzusetzen ist, woraus sich die Steuerrückstellung von 3 Mio. Euro ergibt.
Daneben gibt es noch ein Verfahren betreffend den TFG Technologie-Fonds II beim Finanzamt Frankfurt. Dieses betrifft nicht nur die Vestcorp, sondern auch eine Vielzahl von Kommanditisten. Hier liegt noch kein rechtskräftiger Bescheid vor, und die Finanzbehörde in Marl hat zugestimmt, die Vollziehung ihrer Forderung so lange auszusetzen, bis dies der Fall ist. Gegebenenfalls will der Vorstand dann Widerspruch einlegen und Klage gegen den ehemaligen Steuerberater einreichen.
Schließlich hatte Aktionär Schweimanns noch einige Fragen an den Vorstand. Dabei interessierte ihn vor allem eine Aussage zur aktuellen Aktionärsstruktur. Nachdem §20 WpHG nach der Beendigung der Notierung der Aktie im regulierten Markt nicht mehr gilt und nur noch Beteiligungen von mehr als 25 Prozent gemeldet werden müssen, konnte ihm Herr Treichel hier jedoch nicht weiterhelfen. Auch die Präsenzliste enthielt keine weiterreichenden Informationen.
AbstimmungenNach dem Ende der Debatte verkündete der Aufsichtsratsvorsitzende die Präsenz auf der Hauptversammlung. Vom Grundkapital der Gesellschaft in Höhe von 10.708.650 Euro, eingeteilt in ebenso viele Aktien, waren demnach 1.754.185 Aktien entsprechend 16,38 Prozent vertreten. Mehr als 1,5 Millionen Aktien vertraten dabei in der Summe die FMS Capital Beteiligungen GmbH & Co. KG und deren Vertreter Friedrich Michael Stallmann sowie die Herren Jürgen Leschke und Frank Scheunert.
Alle Beschlüsse wurden mit Mehrheiten über 97 Prozent gefasst. Am meisten Widerstand regte sich bei der Ermächtigung zum Erwerb und zur Verwendung eigener Aktien mit der Möglichkeit zum Ausschluss des Bezugsrechts (TOP 5) mit 35.000 Gegenstimmen. Bei der Entlastung von Vorstand (TOP 2) und Aufsichtsrat (TOP 3) sowie bei der Bestellung der MORISON Köln GmbH zum Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2010 (TOP 4) betrug die Zustimmung mehr als 99 Prozent.
Nach vier Stunden konnte Herr Eylmanns die Versammlung schließen.
FazitDie Vestcorp AG hat das Geschäftsjahr 2009 mit einem schönen Gewinn abgeschlossen. Dies erreichten die Düsseldorfer allerdings nur dank eines außerordentlichen Ertrags aus einem Vergleich in dem Rechtsstreit mit früheren Organmitgliedern, über den eine außerordentliche Hauptversammlung im Dezember 2008 beschlossen hatte. Operativ ist das Ergebnis negativ ausgefallen, was für eine Beteiligungsgesellschaft allerdings nicht ungewöhnlich ist.
Wichtiger ist der Blick auf das Eigenkapital und den NAV (Net Asset Value). Letzterer lag zum Bilanzstichtag bei 2,44 Euro, also ganz erheblich über dem Aktienkurs, der bei unter 1 Euro dümpelt. Der erhebliche Abschlag resultiert zum einen wohl aus der geringen Transparenz der Gesellschaft, die sich künftig als aktiver Investor auf wenige große Beteiligungen fokussieren will. Außerdem schwebt das Damoklesschwert einer Steuerverpflichtung über 6,1 Mio. Euro über dem Unternehmen.
Die zentrale Rolle für die weitere Entwicklung spielt die Beteiligung an der Ehlebracht AG, an der die Vestcorp inzwischen mehr als 5 Millionen Aktien hält. Dieses Engagement entwickelt sich bisher recht positiv. Allerdings ist es noch nicht gelungen, den gewünschten Einfluss geltend zu machen. Aktuell laufen nun sehr konkrete Verhandlungen über den Verkauf dieser Beteiligung.
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Veröffentlichungsdatum:
09.10.2010
-
10:58
Redakteur:
mwa