Lange Zeit basierte das Geschäftsmodell der Mensch und Maschine Software SE auf den zwei Säulen eigene Software und Vertrieb von Fremdsoftware des amerikanischen Marktführers für CAD-Software Autodesk. Mit dem Anfang 2009 erfolgten Einstieg in das Systemhausgeschäft hat sich das im Münchener Umland beheimatete Unternehmen nach eigenem Bekunden breiter aufgestellt.
Vor diesem Hintergrund sprachen Alexander Langhorst und Investmentanalyst Klaus Kränzle von GSC Research mit dem Verwaltungsratsvorsitzenden und geschäftsführenden Direktor, Herrn Adi Drotleff, über die Beweggründe zur Erweiterung des Geschäftsmodells, die Auswirkungen der Rezession auf das Geschäft und die weiteren Perspektiven des Unternehmens.
Adi Drotleff: „Nach Beendigung der Wirtschaftskrise werden wir auch auf der Ertragsseite von unserer jetzt breiteren Aufstellung profitieren!“
GSC Research: Herr Drotleff, lange Zeit schien das Geschäftsmodell der Mensch und Maschine Software SE sprichwörtlich „in Stein gemeißelt“ zu sein. Was hat Sie bzw. das Unternehmen bewogen, eine dritte Säule für den Vertrieb zu etablieren?
Adi Drotleff: Wir haben bis Ende 2008 im Segment „Handel“ ausschließlich Distribution, also Großhandel von Autodesk-Software in Europa betrieben und den Markt indirekt über ein Netz von autorisierten Vertriebspartnern beliefert. Anfang 2009 wurde dies für den deutschsprachigen Raum dahingehend geändert, dass wir die Endkunden nun direkt bedienen. Dazu haben wir unsere wichtigsten Vertriebspartner in Deutschland, Österreich und der Schweiz über Aktientausch in den Konzern übernommen und sind dadurch sofort zum größten Systemhaus im Markt für Autodesk-Produkte geworden.
GSC Research: Interessante Überlegungen, haben wir Sie aber richtig verstanden, dass mit der breiteren Aufstellung kein Rückzug aus den beiden anderen Kanälen, sprich Eigensoftware und Distribution der Autodesk-Produkte, verbunden ist, Herr Drotleff?
Adi Drotleff: Nein, wir werden die Distribution im übrigen Europa unverändert weiter betreiben, und das Eigensoftware-Segment ist ohnehin nicht betroffen. Schon 2009 war die Wertschöpfung auf Rohertrags-Ebene nahezu gleichmäßig über die drei Segmente verteilt, was unser Geschäftsmodell noch besser ausbalanciert.
GSC Research: Haben Ihre Entscheidungen auch mit einem geänderten Bestellverhalten Ihrer Kunden zu tun?
Adi Drotleff: Der Vorteil der direkten Endkunden-Belieferung als Systemhaus ist der, dass wir etwa die Hälfte der Wertschöpfung über Dienstleistungen wie Schulungen, Support, Systeminstallation oder kundenspezifische Software-Anpassungen erwirtschaften, was in der Distribution gar nicht geht, weil man seinen Vertriebspartnern nicht die Butter vom Brot nehmen darf. Und auch beim Software-Verkauf, also der anderen Hälfte der Wertschöpfung, sind die Rohmargen viel höher als im Volumengeschäft Großhandel. Insgesamt kommen wir so im Systemhaus-Segment auf einen Rohertrag von 35 bis 40 Prozent im Vergleich zu 17 Prozent in der Distribution, und das operative Margenpotenzial geht bis zu 10 Prozent, während im Großhandel bei gut 3 Prozent das Ende der Fahnenstange erreicht ist.
GSC Research: Viele Unternehmen beobachten momentan ein sehr kurzfristiges Bestellverhalten der Kunden und „fliegen“ in Anlehnung an einen Terminus der Luftfahrt sozusagen „auf Sicht“, sind Sie auch gezwungen, in Ihrer Geschäftspolitik so zu handeln, Herr Drotleff?
Adi Drotleff: Einen Einbruch wie 2009 haben wir in der über 25-jährigen Firmengeschichte noch nicht erlebt, da konnte man nur „auf Sicht fliegen“. Das Gute war, dass wir vorher einige sehr gute Jahre hatten und sehr schlank aufgestellt waren, so dass wir diesen „Stresstest“ ganz gut bestanden haben und mit taktischen Kostenreduzierungen durchgekommen sind, ohne in eine große Restrukturierung gezwungen zu werden.
GSC Research: Wann rechnen Sie hier mit einer Normalisierung des Bestellverhaltens ihrer Kunden? Können Sie diese mit den neu erworbenen Systemhäusern in der Rezession zielgerichteter ansprechen als im alten Unternehmenszuschnitt?
Adi Drotleff: Wir hatten die Talsohle der Entwicklung schon im dritten Quartal 2009 erreicht, das vierte Quartal war bereits wieder deutlich besser, mit 19 Prozent sequentieller Umsatzsteigerung auf Q3. Als Systemhaus werden wir in Zukunft wohl noch krisenresistenter sein, weil man hier sehr lösungs- und projektorientiert arbeitet und weniger produktorientiert wie in der Distribution.
GSC Research: Jetzt machen Sie persönlich auf Veranstaltungen trotz der Rezession einen vergleichsweise entspannten Eindruck, worauf stützen Sie Ihren Optimismus, dass die Lage im Allgemeinen und im Speziellen für die Mensch und Maschine Software SE bald besser wird, Herr Drotleff?
Adi Drotleff: Der entspannte Eindruck hat erst einmal damit zu tun, dass ich sehr lange im Geschäft bin und daher weiß, dass die Wirtschaft in Zyklen läuft. Nur schönes Wetter wäre auf Dauer auch langweilig, jedenfalls für mich. Der Verlauf des Schlussquartals 2009 und der recht gute Start ins neue Geschäftsjahr zeigen uns, dass es wohl langsam wieder aufwärts geht, auch wenn es nach dem tiefen 2009er-Tal noch ein bisschen dauern wird, bis wir wieder richtig große Sprünge machen.
GSC Research: Nachvollziehbar. Gestatten Sie uns dennoch eine Nachfrage: Wie überbrücken Sie die Zeit bis zur Normalisierung der Lage? Viele Unternehmensvorstände betonen in diesen Tagen, dass sie vor allem sehr hoch qualifiziertes Personal trotz der Rezession im Hause halten und nicht die Fehler vergangener Wirtschaftsabschwünge wiederholen wollen.
Adi Drotleff: Da waren wir in der glücklichen Lage, absolut antizyklisch unser Systemhaussegment hochzufahren, das heißt wir haben sogar qualifiziertes Personal im großen Stil aufgebaut, was in der Rezession deutlich einfacher und billiger geht, als im Boom. Natürlich haben wir punktuell auch Kosten reduziert und Stellen abgebaut, aber wir weisen nicht einmal Restrukturierungskosten extra in der GuV aus, sondern haben alles im operativen Ergebnis verdaut.
GSC Research: Interessant, mit anderen Worten: Sie wollen jetzt in der Rezession mit verstärkten Vertriebsanstrengungen neue Marktanteile gewinnen?
Adi Drotleff: Wir können unsere Zahlen ja mit denen der ebenfalls börsennotierten Autodesk vergleichen und wissen von daher, dass unsere Rückgänge, so heftig sie auch ausfielen, eher unterproportional waren und wir von daher sogar Marktanteile hinzugewonnen haben. Im Systemhausbereich ist dies ohnehin so, da sind wir aus dem Stand auf über 35 Mio. Euro Umsatz in 2009 gesprungen und werden 2010 sicher die 50 Mio. Euro-Marke knacken.
GSC Research: Kommen wir nun zu den vorläufigen Zahlen. Der erste Blick ergibt für uns den Eindruck, dass die Umsatzzahlen wie auch die Ergebniskennziffern 2009 drastisch eingebrochen sind. Können Sie dies kurz erläutern?
Adi Drotleff: Der Umsatz ist um 27 Prozent auf 164 Mio. Euro eingebrochen, das Betriebsergebnis konnte trotzdem knapp im Plus gehalten werden, aber das Nettoergebnis ist aufgrund der Belastungen aus der Amortisation der übernommenen Kundenstämme und der Finanzkosten auf jeden Fall deutlich im Minus. Erfreulich war allerdings, dass der operative Cash Flow mit fast 5 Mio. Euro im Plus lag und damit die bilanzielle Situation zum Jahresende recht entspannt war. Der Umsatzeinbruch relativiert sich in lokalen Währungen ein wenig, da über 6 Mio. Euro negative Währungseffekte aus dem 2009 noch sehr starken Euro anfielen. Außerdem war der Umsatzrückgang im Schlussquartal schon deutlich moderater als in den ersten neun Monaten, der Rohertrag lag aufgrund des geänderten Geschäftsmodells sogar schon wieder höher als im vierten Quartal 2008.
GSC Research: Jetzt ist die bürgerliche Koalition aus CDU/CSU und FDP bereits einige Monate im Amt und die ersten Konturen der Politik zeigen sich, wie wirken sich Landes- und Bundespolitik gerade auf ein innovatives Unternehmen wie die Mensch und Maschine Software SE aus? Oder spielen die politischen Rahmenbedingungen in Deutschland im Zeitalter der Globalisierung generell nicht mehr die frühere Rolle für ein Unternehmen wie Ihres?
Adi Drotleff: Nein, das spielt für uns schon deshalb keine große Rolle mehr, weil rund drei Viertel unseres Umsatzes im Ausland erwirtschaftet werden. Es ist uns also relativ egal, ob Deutschland gerade von einem offiziell sozialdemokratischen Kanzler regiert wird, der aber mit der Industrie gut kann, oder von einer offiziell christdemokratischen Kanzlerin mit sozialdemokratischen Tendenzen.
GSC Research: Kommen wir nach den themenorientierten Fragen zur geographischen Ausrichtung der Mensch und Maschine Software SE. Wo sind Sie vertreten und welche Länder haben Sie als strategische Ziele im Geschäftsplan für die Zukunft noch definiert?
Adi Drotleff: Wir sind in Westeuropa in allen Ländern außer der iberischen Halbinsel vertreten, in Osteuropa dagegen nur in Polen und Rumänien. Zudem haben wir für unsere eigene CAD/CAM-Software-Vertriebsbüros in Japan, dem asiatisch-pazifischen Raum und in den USA. Momentan sind wir mit unserer geografischen Aufstellung sehr zufrieden und planen kurzfristig keine Erweiterungen.
GSC Research: Eine andere Thematik betrifft den auf der letzten Hauptversammlung beschlossenen Rückkauf von Aktien, können Sie uns bitte die näheren Beweggründe für diesen Schritt erläutern?
Adi Drotleff: Wir sehen dieses Thema rein betriebswirtschaftlich, kaufen also dann und nur dann zurück, wenn die Aktie billig, d.h. der äußere unter dem inneren Wert ist. Das ist unter 5 Euro definitiv der Fall, deshalb kaufen wir. Bisher haben wir alle eingesammelten Aktien als Akquisitionswährung benutzt, aber auch die Verwendung für das Mitarbeiter-Optionsprogramm oder das Einziehen von Aktien wären grundsätzliche Alternativen.
GSC Research: Stichwort Aktien, Sie sind neben Ihrer Vorstandsposition auch weiterhin der größte Aktionär von Mensch und Maschine, Herr Drotleff, wie wollen Sie verhindern, dass das von Ihnen gehaltene Paket den Aktienkurs eines Tages belastet, wenn Sie persönlich oder Ihre Familie einmal Ihre Anteile verkaufen wollen, gibt es hier vertragliche Regelungen?
Adi Drotleff: Da ich Gründungs-Unternehmer bin, stellt sich für mich die Frage so nicht. Und bis zur Erreichung des Pensionsalters bleibt mir noch ein Jahrzehnt, dann dürfen Sie mich gerne noch einmal fragen. Grundsätzlich vereint Mensch und Maschine als börsennotiertes und gleichzeitig inhabergeführtes Unternehmen das Beste aus beiden Welten.
GSC Research: Momentan ist der Aktienkurs ja meilenweit von den früheren Höchstkursen vom Herbst 2000 von ungefähr 15 Euro entfernt. Wie beurteilen Sie das aktuelle Kursniveau und wie wollen Sie erreichen, dass der Kurs wieder das alte Niveau erreicht? Auf vielen Veranstaltungen betonen Sie ja stets, dass Sie mit Ihren eigenen Aktienkäufen Ihr Vertrauen in die Zukunft der Mensch und Maschine Software SE demonstrativ zeigen wollen.
Adi Drotleff: Der historische Höchstkurs in den wilden Zeiten des Neuen Markts war sogar bei über 25 Euro. Wenn man sich den Kursverlauf seit Anfang 2003 anschaut, sieht man eine langwellige Schwingung, die bei Tiefstkursen von 1,50 Euro beginnt und im Herbst 2007 bis zu 7 Euro ging. Unser Ziel ist es, bis 2012 den Gewinn pro Aktie über den bisherigen Rekord von 47 Cent aus dem Jahr 2007 zu steigern, dann sind auch Kurse zwischen 7 und 10 Euro wieder erreichbar.
GSC Research: Das klingt plausibel. Gestatten Sie uns noch zwei Fragen zum Abschluss.
Adi Drotleff: Gerne.
GSC Research: Wie wird die Mensch und Maschine Software SE in 2010 und 2011 abschneiden, können Sie uns diesbezüglich eine Bestandsaufnahme bzw. einen groben Ausblick geben?
Adi Drotleff: Für 2010 peilen wir ein Umsatzwachstum zwischen 10 und 13 Prozent auf 180 bis 185 Mio. Euro an sowie eine operative Rendite von 2 bis 3 Prozent beim EBITA. Für 2011 haben wir noch keine explizite Guidance herausgegeben, aber ich könnte mir vorstellen, dann wieder die Marken von 200 Mio. Euro beim Umsatz und 8 bis 10 Mio. Euro bei EBITA ins Visier zu nehmen. Und 2012 sollte dann, wie schon erwähnt, das Jahr sein, in dem wir die alten Rekordmarken 223 Mio. Euro beim Umsatz und 11 Mio. Euro beim EBITA bzw. 47 Cent beim Gewinn pro Aktie angehen wollen.
GSC Research: Zum Abschluss möchten wir Ihnen einer eher visionäre Frage abseits des Tagesgeschäftes stellen, Herr Drotleff. Wo soll Ihrer Meinung nach die Mensch und Maschine Software SE in 10 Jahren stehen? Können Sie uns hier bitte an Ihren geschäftspolitischen Visionen teilhaben lassen?
Adi Drotleff: Auch wenn ich eher zu den Leuten gehöre, die zum Arzt gehen, wenn sie Visionen haben – eine gewisse Vorstellung gibt es in meinem Kopf schon. Ich sehe aus heutiger Sicht nicht, dass wir unser Geschäftsmodell grundsätzlich vom Kernthema CAD/CAM wegbewegen müssen, denn das Planen, Konstruieren und Fertigen wird m.E. immer ein lukrativer Markt bleiben. Natürlich können wir unseren internationalen Auftritt noch erweitern, schließlich sind wir bisher in Asien und Amerika kaum vertreten und haben auch noch weiße Flecken auf der Europakarte. Und wenn es uns gelingt, das durchschnittliche Umsatzwachstum pro Jahr in dem Korridor 10 bis 15 Prozent wie seit dem Börsengang 1997 zu halten, dann müssten wir bis 2020 die Umsatzmarke von 500 Mio. Euro geknackt haben.
GSC Research: Herr Drotleff, vielen Dank für das interessante Gespräch. Wir wünschen Ihnen persönlich und dem Unternehmen weiterhin viel Erfolg.