Zu seiner 110. ordentlichen Hauptversammlung hatte der Pflegekonzern Marseille-Kliniken AG seine Anteilseigner für den 18. Dezember 2009 wie bereits in den Vorjahren in das Ludwig-Erhard-Haus in Berlin eingeladen. Der Aufsichtsratsvorsitzende und Großaktionär Ulrich Marseille begrüßte die rund 100 anwesenden Aktionäre, Gäste und Vertreter der Presse, darunter Alexander Langhorst von GSC Research, und erteilte nach der Erledigung der üblichen einleitenden Hinweise und Formalien dem Vorstandsvorsitzenden Axel Hölzer das Wort.
Bericht des Vorstands
Nach seiner Begrüßung der Teilnehmer räumte Marseille-Kliniken-Chef Axel Hölzer ein, dass das Ergebnis des abgelaufenen Geschäftsjahres 2008/09 schlecht ist und den eigenen Erwartungen nicht im entferntesten entspricht. Neben einem nur mäßig gestiegenen Umsatz führten außerordentliche Aufwendungen zu einem deutlichen Jahresfehlbetrag in Höhe von 13,5 Mio. Euro, und zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt wird auch keine Dividende an die Anteilseigner ausgeschüttet, und die Kursentwicklung der Marseille-Kliniken-Aktie ist ebenfalls alles andere als befriedigend.
Für den unerfreulichen Geschäftsverlauf sind nach Angabe von Herrn Hölzer die folgenden Faktoren verantwortlich: Aktuell ist das Angebot an stationären Pflegeplätzen in Deutschland deutlich größer als die Nachfrage, die Zahl von über 540 eingegangenen Angeboten zur Übernahme von Pflegeeinrichtungen sind nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden ein eindeutiges Indiz für die stark gestiegene Wettbewerbsintensität im Markt, die bei den abgabewilligen Institutionen bereits dazu geführt hat, dass diese, gepaart mit gestiegenen Aufwendungen für Qualität und Personal, die wirtschaftliche Grundlage bereits eingebüßt haben, da die seit Jahren lediglich um etwa ein Prozent gestiegenen Pflegesätze nur eine teilweise Kompensation ermöglichen. Auf dem ostdeutschen Markt wirkt sich überdies das in den letzten Jahren deutlich gesunkene Rentenniveau aus, welches entsprechend negative Auswirkungen auf die Preise und Belegungsquoten in diesem für die Marseille-Kliniken AG wichtigen Markt hat.
Ein weiterer wichtiger Grund für Belastungen auf der Ergebnisseite sind laut Herrn Hölzer die in den vergangenen Jahren stetig eröffneten neuen Einrichtungen, die jedoch bis zum Erreichen einer Vollbelegung anfänglich entsprechende Verluste erwirtschaften. Diese Phase dauert je nach Standort mindestens zwölf Monate, teilweise auch länger. Allein durch diesen Effekt werde das operative Ergebnis im Marseille-Kliniken-Konzern um 7 bis 8 Mio. Euro pro Jahr belastet, so der Vorstandsvorsitzende weiter. War dieses Geschäft früher sehr gut, haben die Möglichkeiten in der jüngeren Zeit zu viele Glücksritter angezogen, so dass der Markt inzwischen übersättigt ist und von den beschriebenen Überkapazitäten belastet wird. Zusätzlich wirkten sich im Unternehmen noch Altlasten aus der Marktbereinigung im Reha-Bereich aus, in dem immer noch Kosten für drei stillstehende Objekte anfallen, die erst in der Zukunft einer neuen Nutzung zugeführt werden können.
Wie Herr Hölzer weiter ausführte, erzielte die Marseille-Kliniken AG im Berichtszeitraum insgesamt operative Umsatzerlöse von 235,5 (Vj.: 228,1) Mio. Euro, was einem Zuwachs um 3,2 Prozent entspricht. Bei einem EBITDA von 15,7 (26,7) Mio. Euro und einem EBIT von 6,8 (17,8) Mio. Euro lag die EBIT-Marge bei 3,1 nach zuvor 7,8 Prozent. Das Jahresergebnis bewegt sich mit minus 13,5 (plus 13,7) Mio. Euro deutlich im negativen Bereich. Diese Verschlechterung um im Jahresvergleich 27,2 Mio. Euro ist dabei nach Angabe des Vorstandsvorsitzenden jedoch in erheblichem Maße nicht operativ bedingt, da im Vorjahr einige einmalige positive Effekte enthalten waren. Seinerzeit sind in das Ergebnis sowohl außerordentliche Erträge aus dem Verkauf von Immobilien in Höhe von 19,6 Mio. Euro als auch die erfolgswirksame Auflösung latenter Steuerverpflichtungen von 4,9 Mio. Euro infolge der Unternehmenssteuerreform 2008 eingeflossen.
Im Berichtsjahr haben beschriebene zusätzliche Belastungen wie gestiegene Energiekosten, höhere Personalkosten sowie der Einsatz von Fremdpersonal zu einem Rückgang des operativen Ergebnisses um 3,8 Mio. Euro geführt. Bereinigt um Sondereffekte war das operative Ergebnis des Geschäftsjahres 2007/08 mit 14,1 Mio. Euro negativ, darin enthalten sind die Anlaufkosten für die Expansion im Segment Pflege, die Stillstandskosten ehemaliger Reha-Kliniken sowie weitere einmalige Kosten in einer Gesamtgrößenordnung von 17,1 Mio. Euro. Insoweit relativiert sich der auf den ersten Blick erhebliche Ergebnisswing.
Ungeachtet der erheblichen Anlaufkosten in der Pflege ist den weiteren Angaben zufolge das Segment mit seinen Bestandseinrichtungen dennoch rentabel. Mit einer Belegungsquote von 92,3 Prozent bewegt sich die Marseille-Kliniken AG um gut 6 Prozentpunkte über dem Branchenschnitt, in den Expansionshäusern konnte die Auslastung auf 57,4 (47,4) Prozent verbessert werden. Insgesamt konnte dieses Segment Umsatzerlöse von 180,6 (174,7) Mio. Euro erwirtschaften bei einem DVFA-Ergebnis von 3,2 nach zuvor 7,1 Mio. Euro. Ebenfalls positiv ist die Geschäftsentwicklung in der Reha verlaufen. Bei einer von 90,4 auf 93,3 Prozent gesteigerten Auslastung kletterten die Umsatzerlöse auf 53,9 (52,1) Mio. Euro, zusammen mit dem Akutkrankenhaus in Büren musste dieses Segment mit einem DVFA-Ergebnis von minus 1,6 (plus 4,0) Mio. Euro dennoch einen kleinen Fehlbetrag ausweisen.
Zusammenfassend stellte Herr Hölzer fest, dass das vorliegende Ergebnis nicht schönzureden, aber begründbar ist. Im Ergebnis führten die Schwäche beim operativen Ergebnis, verbunden mit hohen Vorlauf- und Anlaufkosten in den Expansionseinrichtungen, sowie die eingeflossenen Sondereinflüsse und Belastungen zum vorliegenden Zahlenwerk. Um dieser Entwicklung mit Blick auf die Zukunft entgegenzuwirken, wurden bereits im Berichtsjahr eine Reihe von Projekten zur Optimierung der Kosteneffizienz auf der Ebene der Personal- und Sachkosten auf den Weg gebracht. Durch die Optimierung der Prozesse und durch den konsequenten Einsatz von IT-Lösungen konnte bereits ein Abbau von mehr als 200 Vollzeitstellen realisiert werden.
Konkrete und nachhaltige Effekte verspricht sich die Verwaltung nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden auch aus der Erhöhung der Pflegesätze mit einem Nettoeffekt von 1 Mio. Euro und aus der separaten Abrechnung von Bewohnern mit Demenz auf Basis des Pflegeversicherungserweiterungsgesetzes zum 1. Juli 2008 mit einem daraus resultierenden Mehrumsatz von 4 Mio. Euro sowie gut 1 Mio. Euro zusätzlichem Deckungsbeitrag.
Entscheidende Stellschraube ist jedoch laut Herrn Hölzer die Verbesserung der Auslastungsquote der bestehenden sowie der Anlaufeinrichtungen. Hierzu werden spezialisierte und vertriebserfahrene Mitarbeiter an Standorten mit Belegungsproblemen eingesetzt. Seit April 2009 konnten auf diese Weise gegen den Markttrend 140 Betten zusätzlich belegt werden. Die erwartete Verbesserung der Auslastung auf 94 Prozent soll einen positiven Ergebniseffekt von 1,6 Mio. Euro zeitigen. Um diese Zielsetzung letztlich auch zu realisieren, müssen im Schnitt 120 zusätzliche Betten belegt werden, und das im Wesentlichen an den Standorten Hennigsdorf, Leipzig, Montabaur und Bad Schönborn. Bei den Expansionseinrichtungen in Hamburg, Meerbusch, Türk Bakim Evi (TBE) Berlin, Oberhausen und Bremerhaven erwartet die Unternehmensleitung eine deutliche Verbesserung der Belegung und damit entsprechend sinkende Anlaufverluste.
Entsprechende Erfolge soll auch eine Änderung der Expansionsstrategie im Pflegebereich nach sich ziehen. Hier soll mit den jüngst eröffneten Häusern in Oberhausen, Waldkirch und Bremerhaven die sogenannte Greenfield-Expansion, also das Wachstum über neue Einrichtungen, abgeschlossen werden. Zukünftig soll die Expansion über den Erwerb von Geschäftsanteilen an ambulanten Pflegediensten im Bereich der ambulanten Pflege erfolgen, die bereits zum Erwerbszeitpunkt den Break-even erreicht haben. Diese Umstellung vom "Steig- in den Reiseflug" schließt nach Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden nicht grundsätzlich aus, dass im Fall der Fälle einmal ein geeignetes Objekt im Bereich der stationären Pflege übernommen wird, sofern es passt und sich rechnet, hiernach wird jedoch nicht aktiv gesucht. Erklärte Zielrichtung ist die Verbesserung der Belegquoten sowie der weitere Ausbau des Bereichs "Betreutes Wohnen".
Mit Blick auf die im vergangenen Jahr vorgestellte Strategie, das Geschäftsfeld Akutkrankenhäuser schrittweise auszubauen und auf diese Weise die Belegung der vorhandenen eigenen Pflegeeinrichtungen langfristig abzusichern, teilte Herr Hölzer mit, dass die Möglichkeiten zum Einstieg in den Markt sehr intensiv geprüft wurden. Angesichts der sehr hohen Kaufpreisvorstellungen der potenziellen Veräußerer, und dies bei nachhaltig defizitären Häusern, kommt wenn überhaupt nur die Übernahme von Minderheitenanteilen in Frage. Parallel hierzu, aber mit identischer Zielrichtung, bemüht man sich seitens der Marseille-Kliniken AG, an geeigneten Standorten sogenannte Medizinische Versorgungszentren (MVZ) aufzubauen. Die Geschwindigkeit der Umsetzung ist jedoch davon abhängig, inwieweit hier noch fehlende Rahmenbedingungen seitens der Bundesregierung festgelegt werden. In solchen medizinischen Zentren bieten Ärzte aus unterschiedlichen Fachrichtungen gemeinsam und miteinander abgestimmt eine patientenfreundliche medizinische Versorgung für ältere Menschen an, womit diese eine wichtige Brückenbauerfunktion zwischen Pflege und ambulant-stationärer Versorgung darstellen.
Das Geschäftsfeld Reha ist mit einer Auslastungsquote von aktuell 94 Prozent sehr gut aufgestellt. Diese Einschätzung wird auch durch entsprechendes Interesse von möglichen Erwerbern untermauert. Ganz aktuell konnte nach Angabe des Vorstandsvorsitzenden mit einer Private Equity-Gesellschaft ein Vorvertrag über den Verkauf der gesamten Reha-Sparte abgeschlossen werden. Sofern die anstehenden Due Diligence-Prüfungen erfolgreich verlaufen, wird mit einem Abschluss der Transaktion im laufenden Geschäftsjahr 2009/10 gerechnet, wobei sich das Kaufpreisvolumen zwischen 20 und 25 Mio. Euro bewegen wird.
Wie Herr Hölzer abschließend ausführte, konnte im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2009/10 der operative Umsatz im Konzern um 6,2 Prozent auf 61,7 (58,1) Mio. Euro gesteigert werden, die Zuwachsrate in der Pflege betrug dabei 5,7 Prozent, in der Reha waren es sogar 7,9 Prozent. Die Auslastungsquote der Betten konnte um 0,6 Prozentpunkte von 92,6 auf 93,2 Prozent verbessert werden, unter dem Strich konnte ein positives Periodenergebnis in Höhe von 2,1 (2,0) Mio. Euro erwirtschaftet werden.
Eine konkrete Prognose für das Gesamtjahr wollte Herr Hölzer zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeben, er erwartet jedoch bereits für 2009/10 eine deutliche Verbesserung des operativen Ergebnisses, die sich auch im Zahlenwerk entsprechend niederschlagen soll.
Allgemeine Aussprache
Als erster Redner meldete sich Aktionär Bonk zu Wort und erkundigte sich nach den im Berichtszeitraum vorgenommenen Abschreibungen auf sonstige Forderungen und Vermögenswerte. Nach Angabe des Vorstandsvorsitzenden betreffen die Anpassungen 1 Mio. Euro aus einer Forderung gegenüber der Trump Organisation, weitere etwa 1,8 Mio. Euro aus übrigen Forderungen. Insgesamt ergibt sich gegenüber dem Vorjahr eine Verminderung um 9,3 Mio. Euro, darin enthalten ist auch die zwischenzeitlich eingegangene Forderung auf eine Entschädigung für den Verzicht auf Vorkaufsrechte in einer Größenordnung von 5,6 Mio. Euro.
Ferner interessierte sich der Fragesteller für die vom Vorstand verfolgte Zielgröße bei der Eigenkapitalquote des Unternehmens. Herr Hölzer bekräftigte hier die Zielsetzung einer Eigenkapitalquote von 30 Prozent im Konzern. Dieser Wert wurde in den Jahren 2007 und 2008 auch erreicht, mit dem nun auf 27,6 Prozent gesunkenen Wert zeigte sich der Vorstandsvorsitzende nicht zufrieden. Insgesamt befindet sich das Unternehmen nach seiner Angabe jedoch auf dem richtigen Weg, wenn man beachtet, dass die Nettofinanzschulden von über 200 Mio. Euro in 2004 auf aktuell noch 74 Mio. Euro verringert werden konnten. Eine Rückkehr zur 30-Prozent-Marke soll dabei sowohl aus positiven Erträgen aus dem operativen Geschäft als auch aus den erwarteten Veräußerungserlösen der Reha-Sparte möglich werden.
Auf die Frage, warum nicht noch weitere Sale-and-Lease-Back-Transaktionen abgeschlossen werden, erinnerte der Vorstandsvorsitzende daran, dass in den vergangenen Jahren insgesamt vier derartige Transaktionen erfolgt sind und man damit das Ziel einer vergleichbaren Immobilienbesitzquote mit den Mitbewerbern erreicht hat. Inzwischen befinden sich lediglich noch 20 Prozent der Objekte im Unternehmensbesitz, dieser Wert ist nach Angabe von Herrn Hölzer gut, und es besteht daher auch keine Notwendigkeit für weitere solche Transaktionen.
Aktionär Emmerich interessierte sich dann für die Hintergründe des Ergebnisrückgangs im Segment Reha im Vergleich zum Vorjahr. Für diese Entwicklung sind nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden zwei Faktoren verantwortlich. So sind zum einen erstmals seit langen Jahren angesichts des positiven Ergebnisses wieder nennenswerte Steuerzahlungen in der Größenordnung von 1,6 Mio. Euro angefallen, ferner belasten hier die Umstellungen bei den Fallpauschalen, den sogenannten DRGs (Diagnosis Related Group), aus dem Akutkrankenhaus in Büren mit einem Effekt auf der Ergebnisseite in Höhe von rund 2,5 Mio. Euro.
Angesprochen auf die Gründe für die in den vergangenen drei Jahren deutlich gestiegenen Personalkosten verwies der Vorstandsvorsitzende auf die Mindestlohnthematik sowie auf die Investitionen auf der Personalseite, um die qualitativen Standards zu halten und noch weiter zu verbessern. In dieses Maßnahmenbündel gehören auch die Gründung der Pensionskasse und die den Mitarbeitern auf diesem Gebiet gewährten Vorteile. Auf Sicht werden sich diese Investitionen rechnen, insbesondere weil die Qualitätsanforderungen seitens der staatlichen Stellen wie auch der potenziellen Insassen immer weiter steigen.
Auf die Frage von Herrn Emmerich nach etwaigen auch im Berichtsjahr zu erwartenden Sondereffekten auf der Zahlenseite antwortete Herr Hölzer, dass er gegenwärtig keine Veranlassung sieht, an der bereits im vorliegenden Lagebericht gemachten Einschätzung Veränderungen vorzunehmen. Befragt nach einer konkreten Prognose für das nunmehr laufende Geschäftsjahr bat der Unternehmenschef um Verständnis dafür, dass er zum jetzigen Zeitpunkt keine konkrete Prognose abgeben möchte. Gegebenenfalls wird es nach der Vorlage der Halbjahreszahlen im Februar 2010 hier zu einem entsprechend konkretisierten Forecast kommen. Ungeachtet dessen hält Herr Hölzer im Berichtsjahr ein deutlich besseres Ergebnis für erreichbar, das auch ohne Sondereffekte wie dem angestrebten Verkauf der Reha-Sparte positiv ausfallen kann.
Aktionär Scheunowski stellte mit Blick auf das vorliegende Ergebnis, den Ausfall der Dividende sowie die Kursentwicklung der Aktie fest, dass das Marseille-Kliniken-Papier derzeit weniger eine Aktie zum Altwerden ist, sondern vielmehr die Anteilseigner "alt aussehen" lässt. Wie auch weitere Redner nach ihm zeigte sich der Aktionär eher skeptisch in Bezug auf die vorgeschlagene Wahl von Thomas Middelhoff in den Aufsichtsrat der Gesellschaft.
Auf entsprechenden Wunsch des Auditoriums nutzte Herr Middelhoff die Gelegenheit zu einer persönlichen Vorstellung. Nach 20 Jahren Tätigkeit beim Bertelsmann-Konzern und dort zuletzt als Unternehmenschef ist er demnach als Europa-Chef bei InvestCorp in die Private Equity-Branche eingestiegen und hat im Jahre 2005 auf Bitten verschiedener Personen den Aufsichtsratsvorsitz bei der damaligen KarstadtQuelle AG (heute: ARCANDOR AG) übernommen. Das Unternehmen war nach seiner Angabe seinerzeit faktisch am Ende, dennoch ist es gelungen, die Sanierung sehr weit voranzutreiben. Jedoch scheiterte der erfolgreiche Abschluss letztlich an der Finanzkrise, da es ab dem Sommer 2008 sehr viel schwieriger wurde, für Sanierungsunternehmen entsprechende Kredite zu erhalten.
Bei der Marseille-Kliniken AG möchte Herr Middelhoff nach eigenem Bekunden seine Erfahrungen auf den Gebieten Konsolidierung und Internationalisierung einbringen. Bei InvestCorp gehörte zu seiner Tätigkeitszeit ein recht ähnlich aufgestelltes Unternehmen zum Portfolio, allerdings in den USA, so dass er sich auch mit dem Markt etwas auskenne, so Herr Middelhoff weiter. Auf entsprechende Nachfragen seitens der Anteilseigner zu dem laufenden Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei der ARCANDOR AG nahm der Angesprochene ebenfalls ausführlich Stellung und erläuterte seine Sicht der Dinge.
Des Weiteren interessierte sich Herr Scheunowski für den Termin bezüglich der Umsetzung des auf der letztjährigen Hauptversammlung beschlossenen Aktiensplits. Nach Angabe des Aufsichtsratsvorsitzenden ist der Aktiensplit bereits beim zuständigen Handelsregister eingetragen worden, daher ist dieser bei den Stimmkarten bereits berücksichtigt, und es wird zwischen börsentechnischen und gesellschaftsrechtlichen Stimmen unterschieden. Die Umsetzung der Maßnahme an der Börse solle zu Beginn des Jahres erfolgen, so Herr Marseille weiter.
Aktionär Kuchejda erkundigte sich danach im Rahmen seiner Ausführungen unter anderem nach dem fairen Wert der Marseille-Kliniken-Aktie. Hierzu rechnete der Vorstandsvorsitzende vor, dass bei einem erwarteten Umsatzvolumen von rund 240 Mio. Euro und einer etwa 7-prozentigen EBIT-Marge ein EBIT von etwa 18 bis 19 Mio. Euro erwirtschaftet wird. Daraus ergibt sich ein EBITDAR (Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation, Amortization and Rent) von rund 24 Mio. Euro, welches mit einem üblichen Multiplikator von 6 oder 7 versehen werden muss, um auf den Marktwert zu kommen. Daraus ergibt sich ein Unternehmenswert von 130 bis 140 Mio. Euro zuzüglich des Eigenkapitals, mithin also eine Größenordnung von gut 200 Mio. Euro.
Wie Herr Hölzer weiter ausführte, wird die Marseille-Kliniken-Aktie derzeit an der Börse jedoch nur mit einer Marktkapitalisierung von knapp 60 Mio. Euro und damit noch unter dem Wert des wirtschaftlichen Eigenkapitals im Volumen von 65 Mio. Euro bewertet. Aktuell liegen die Analystenkursziele für die Aktie nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden zwischen 7 und 8 Euro, eine Rückkehr in die Gewinnzone wie für das laufende Jahr erwartet vorausgesetzt, sieht Herr Hölzer wieder Kurse im leicht zweistelligen Bereich als gerechtfertigt an.
Ferner erkundigte sich der Redner nach dem Verhältnis von Vollzeit- zu Teilzeitarbeitskräften. Von den insgesamt etwas über 5.500 Arbeitskräften sind den Angaben zufolge etwas unter 4.000 Vollzeitstellen. Bei den übrigen handelt es sich um Teilzeitstellen, wobei es dort sehr oft um 30- bis 35-Wochenstunden-Verträge geht. Eine vergleichsweise geringe Zahl an Stellen entfällt auf 400-Euro-Kräfte, ebenso werden laut Herrn Hölzer kaum Zivildienstleistende eingesetzt.
Auf die Frage von Herrn Kuchejda nach dem Zeitpunkt einer Wiederaufnahme der Dividendenzahlungen erklärte Herr Hölzer, dass hierfür zunächst wieder positive Ergebnisse erwirtschaftet werden müssen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt hierzu aber noch keine konkrete Prognose abgegeben werden kann. Der Unternehmenschef zeigte sich jedoch sehr zuversichtlich, dass die Dividendenfähigkeit wieder erreicht und eine Dividende ausgeschüttet werden kann.
Rechtsanwalt Dr. Malte Diesselhorst, Vertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), bemängelte insbesondere das in den vergangenen Jahren sehr stark durch Sondereffekte geprägte Zahlenwerk des Unternehmens, welches aus Sicht der Anleger und der Börse einen hohen Grad an Unberechenbarkeit aufweise. Hier forderte er seitens der von ihm vertretenen Anteilseigner, dass dies in Zukunft besser werden muss, damit letztlich auch der Kapitalmarkt wieder mehr Vertrauen in das Zahlenwerk bekommt, wovon auch der Aktienkurs profitieren sollte.
Nähere Erläuterungen erbat der Aktionärsschützer dann im Zusammenhang mit etwaigen Risiken aus Bilanzpositionen wie z.B. den Forderungen gegenüber der Karlsruher Sanatorien AG (Kasanag). Nach Angabe des Vorstandsvorsitzenden ist die Werthaltigkeit vom Beteiligungsergebnis der dort konsolidierten Tochtergesellschaften abhängig. Ist dieses ausreichend und nachhaltig, bestehen nach seiner Aussage keine Risiken für Anpassungen. Ähnlich gelagert ist der Sachverhalt bei den sogenannten Stillstandsobjekten, die sich in der Umwidmung von Reha zu Pflege befinden. Die Bewertungsansätze in der Bilanz basieren auf den an den Standorten vorgesehenen Konzepten, die auch vom Wirtschaftsprüfer sehr intensiv geprüft werden. Sofern an der Umsetzung dieser Konzepte kein Zweifel besteht, ist laut Herrn Hölzer auch dort kein Anpassungsbedarf gegeben.
Im Zusammenhang mit der im Debattenverlauf aufgekommenen Frage, inwieweit die Erfassung der Aufwendungen der Expansionseinrichtungen als Sonderaufwand korrekt und angemessen ist, verwies der Vorstandsvorsitzende darauf, dass die Expansion mit neuen Greenfield-Standorten beendet worden ist. Insoweit sei diese Zuordnung korrekt und zutreffend, da im Gegensatz zur Vergangenheit nach Belegung der aktuell ans Netz gegangenen Häuser keine Folgeprojekte vorgesehen sind. Den Stopp der Greenfield-Expansion begrüßte der DSW-Vertreter explizit.
Bezüglich der von Dr. Diesselhorst wie auch von Lars Labryga von der Deutschen Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) erfragten künftigen Einschätzung des Markts verwies Herr Hölzer auf die derzeit bestehenden Überkapazitäten im Markt, die erst mittelfristig auf eine entsprechende Nachfrage treffen werden. Vor diesem Hintergrund agiert man bei der Marseille-Kliniken AG aktuell auch sehr vorsichtig und zurückhaltend, was Expansionsschritte über Zukäufe betrifft.
Des Weiteren interessierte sich der DSW-Vertreter für die Hintergründe des Ausscheidens des bisherigen zweiten Vorstandsmitglieds Gardosch von Krosigk. Hierzu erklärte Aufsichtsratschef Marseille, dass Herr von Krosigk lediglich über einen 12-Monats-Vertrag verfügte und dass sich dieser um die Expansion im Akutsektor gekümmert hat. Angesichts des schwierigen Marktumfelds sowie vollkommen überzogener Preisniveaus bei den zum Abschluss gekommenen Transaktionen hat man von den ursprünglich angestrebten Zukäufen Abstand genommen. Daher sah sich der Aufsichtsrat nicht in der Lage, den Vertrag mit Herrn von Krosigk zu verlängern.
Im weiteren Verlauf bat Herr Labryga um eine nähere Erläuterung der Gründe, warum die Marseille-Kliniken AG bislang nicht von den gestiegenen Qualitätserwartungen und Qualitätsanforderungen im Markt profitieren konnte. Nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden werden sich die ergriffenen Maßnahmen erst auf Sicht auswirken. Ein wichtiger Zeitpunkt wird dabei der Herbst 2010 sein, denn dann werden erstmals für alle etwa 13.000 Einrichtungen in Deutschland durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) im Internet entsprechende Bewertungen veröffentlicht werden. Insbesondere jene Anbieter mit Qualitätsschwierigkeiten werden dann sehr große Probleme bekommen, um ihre Betten entsprechend zu belegen, aktuell wird der Markt mit etwa 50.000 bis 60.000 Betten zuviel belastet.
Bei der Marseille-Kliniken AG setzt man laut Herrn Hölzer weiterhin auf die Qualitätsführerschaft und die Positionierung der Marke bei den möglichen Kunden von morgen. Hierdurch hebt sich das Unternehmen von den Mitbewerbern ab, und der Vorstandsvorsitzende zeigte sich zuversichtlich, hier entsprechend punkten zu können.
Auf die Frage von Herrn Labryga nach den weiteren Maßnahmen bei der türkischen Einrichtung TBE und der daran aus dem Aktionariat geübten Kritik führte Herr Hölzer aus, dass es bei der türkischen Zielgruppe in der Tat gewisse mentale Vorbehalte gegen das Thema Pflegeheim gibt und dass die Verwaltung daher beschlossen hat, das Haus für weitere Wohngruppen zu öffnen, um die Belegung zu steigern und kurzfristig die Break-even-Schwelle zu erreichen und um damit zugleich die entstehenden Anlaufverluste zu minimieren. Diese Strategie stellt jedoch nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden keine völlige Abkehr vom ursprünglichen Konzept dar, sondern dies soll vor allem der schnellen Verlustminimierung dienen.
Befragt vom SdK-Sprecher nach der langfristigen Perspektive des Pflegemarkts verwies der Marseille-Kliniken-Chef auf die langfristig weiterhin intakten Perspektiven des Geschäfts durch die weiter voranschreitende Alterung der Gesellschaft. Entscheidend für die künftige Entwicklung wird aber auch sein, inwieweit sich der steigende Bedarf auf ambulante und stationäre Kapazitäten aufteilt. Insbesondere bei den stationären ist es nach Aussage von Herrn Hölzer in den letzten Jahren zu einem zu schnellen Wachstum gekommen, und die bereits jetzt am Markt vorhandenen Betten werden wohl erst mittelfristig allesamt benötigt und belegt werden können.
Infolge der auch in der Pflegekasse weniger werdenden Finanzmittel werden mittelfristig auch sogenannte Zweisterne-Konzepte oder betreutes Wohnen an Bedeutung gewinnen. Auf diesen Märkten hat sich auch die Marseille-Kliniken AG in der jüngeren Vergangenheit entsprechend positioniert. Mögliche Chancen bei der seit langem überfälligen Konsolidierung der Branche wird es nach Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden nach der im kommenden Jahr anstehenden Veröffentlichung der Qualitätseinstufungen geben.
Nähere Erläuterungen erbat Herr Labryga auch im Zusammenhang mit der aktuell nicht weiterverfolgten Expansion im Akutbereich und dem alternativ geplanten Einstieg bei medizinischen Versorgungszentren. Herr Hölzer begründete diesen Schritt mit den am Markt derzeit verlangten und aus Sicht des Unternehmens vollkommen überzogenen Preisvorstellungen für Akutkrankenhäuser. Nach wie vor ist dies jedoch ein wichtiger Bereich, der auch nur vorübergehend auf Eis gelegt wird, da inzwischen etwa die Hälfte der Bewohner aus Akuteinrichtungen zu den Marseille-Kliniken kommt. Daher wird der Markt weiterhin intensiv beobachtet, und sofern sich ein Einstieg auf einem akzeptablen Preisniveau realisieren lässt, ist dies auch nach wie vor ein wichtiges Thema. Der Einstieg bei medizinischen Versorgungszentren ist naturgemäß mit einem deutlich geringeren Investitionsaufwand realisierbar und beinhaltet auch deutlich weniger Risiken. Ebenso wie über Akutkrankenhäuser sollen auch über die medizinischen Versorgungszentren entsprechend Bewohner akquiriert werden.
Aktionär Kruschel interessierte sich dann noch für die Höhe der vom Unternehmen getätigten Parteispenden sowie für die Kosten der Hauptversammlung. Nach Auskunft von Herrn Marseille hat das Unternehmen im Berichtsjahr keinerlei Spenden an politische Parteien getätigt. Die Gesamtkosten für die Hauptversammlung belaufen sich nach Angabe von Herrn Hölzer auf 82 TEUR zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Davon entfallen 7.500 Euro plus MwSt. auf die Raumkosten, für Security und Hostessen werden pauschal 1.500 Euro plus MwSt. fällig, der engagierte Fotograf schlägt mit 650 Euro plus MwSt. zu Buche.
Abstimmungen
Nach Beendigung der allgemeinen Aussprache um 13:50 Uhr wurde die Präsenz mit 18.848.766 Aktien oder 74,69 Prozent des stimmberechtigten Grundkapitals festgestellt. Sämtliche Beschlussvorlagen der Verwaltung wurden mit sehr großer Mehrheit bei zumeist nur wenigen tausend Gegenstimmen und/oder Enthaltungen verabschiedet, bei der Wahl von Thomas Middelhoff in den Aufsichtsrat waren allerdings 201.616 Gegenstimmen zu verzeichnen.
Im Einzelnen beschlossen wurden der Vortrag des Bilanzgewinns auf neue Rechnung (TOP 2), die Entlastung von Vorstand (TOP 3) und Aufsichtsrat (TOP 4), die Wahl der Herren Ulrich Marseille, Hans-Hermann Tiedje, Prof. Dr. Matthias P. Schönermark, Mathias Kampmann, Uwe Bergheim sowie Thomas Middelhoff in den Aufsichtsrat (TOP 5), die Ermächtigung zum Erwerb und zur Veräußerung eigener Aktien mit der Möglichkeit zum Bezugsrechtsausschluss (TOP 6), verschiedene Satzungsänderungen (TOP 7) sowie die Wahl der Ebner Stolz Mönning Bachem, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte, Partnerschaft Hamburg zum Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2009/10 (TOP 8).
Fazit
Das abgelaufene Geschäftsjahr der Marseille-Kliniken AG sollte sowohl aus Sicht der Anteilseigner als auch mit Blick auf das Zahlenwerk schnellsten zu den Akten gelegt werden. Verschiedene Sondereffekte, der Wegfall von positiven Einmaleffekten aus dem Vorjahr sowie das deutlich verschärfte Wettbewerbsumfeld im Kerngeschäftsfeld Pflege haben auf Konzernebene zu einem deutlichen Fehlbetrag geführt und zudem erstmals seit vielen Jahren zu einem Ausfall der Dividendenzahlungen an die Anteilseigner. Dass sich auch der Aktienkurs dieser Entwicklung nicht entziehen konnte, ist dabei naturgemäß ebenfalls nicht verwunderlich.
Für das jetzt laufende Geschäftsjahr hält die Verwaltung eine Rückkehr in die Gewinnzone für möglich, und dieser Einschätzung schließt sich auch der Verfasser dieses Berichts an. Nach Einschätzung von GSC Research sollte im jetzt laufenden Geschäftsjahr 2009/10 ein EpS (Earnings per Share, Gewinn je Aktie) in der Größenordnung von 0,60 Euro erreichbar sein, welches sich im Folgejahr noch weiter verbessern sollte. In diesem Wert sind noch keine Effekte aus einem möglichen Verkauf der Reha-Sparte enthalten, die bei erfolgreichem Verlauf der weiteren Verhandlungen mit dem Interessenten nach Meinung des Vorstandsvorsitzenden noch im laufenden Geschäftsjahr realisiert werden könnte.
Auf Basis unserer Schätzung wird die Aktie der Marseille-Kliniken AG beim aktuellen Kurs von 4,80 Euro mit einem erwarteten KGV von 8 bewertet, bei einer Verstetigung der Zahlen aus dem ersten Quartal und einem entsprechend positiven Ausblick auf das Gesamtjahr besteht hier durchaus weiteres Potenzial. Ein erstes Kursziel liegt im Bereich von über 6 Euro bzw. nach börsentechnischer Umsetzung des Aktiensplits im Verhältnis 1:1 bei dann 3 Euro.
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