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Interview mit dem Vorstand der Essanelle Hair Group AG - “In der Wirtschaftskrise profitieren wir von unseren verschiedenen Friseurkonzepten!”
Seit Jahren wartet die Essanelle Hair Group AG mit einer stabilen Geschäftsentwicklung auf. Mit unterschiedlichen Vertriebsformaten befindet sich das Unternehmen trotz des stagnierenden Gesamtmarkts und der Wirtschaftskrise weiterhin auf Expansionskurs.

Vor diesem Hintergrund sprachen Alexander Langhorst und Investmentanalyst Klaus Kränzle von GSC Research mit den drei Vorstandsmitgliedern, den Herren Achim Mansen (Vorsitzender), Dieter Bonk (Vertrieb) und Dirk Wiethölter (Personal) über die Hintergründe des Geschäftsmodells, aktuelle Herausforderungen für die Geschäftspolitik und die weiteren Perspektiven des Unternehmens.

Achim Mansen: “In der Wirtschaftskrise profitieren wir von unseren verschiedenen Friseurkonzepten!”

GSC Research: Herr Mansen, trotz der derzeitigen Rezession gestaltet sich die Entwicklung bei Essanelle vergleichsweise stabil. Profitieren Sie hier von der breiten Aufstellung des Unternehmens mit verschiedenen Vertriebslinien?

Vorstand: Sicherlich kann man das so formulieren. Dabei sollten Sie jedoch zwei Sachverhalte differenzieren. Zum einen müssen Sie unterschiedliche Konzepte für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen haben, junge Leute haben andere Ansprüche an das Ambiente eines Friseurs als ältere Kunden(innen). Zum anderen müssen sie nach Standorten differenzieren, d.h. dass nicht jedes Format von uns an jeden Standort passt. Zudem sind wir heute heilfroh, dass wir frühzeitig Alternativkonzepte außerhalb der klassischen Kaufhäuser entwickelt haben, so dass wir hier die negativen Auswirkungen der Hertie- und Karstadt-Insolvenz durch Expansion in anderen Bereichen ausgleichen können.

GSC Research: Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass ihre Stammmarke “essanelle - Ihr Friseur” in den letzten Jahren eine Umsatzerosion hinnehmen musste. Wie wollen Sie diesen Trend stoppen?

Vorstand: Ja. Trotz des Erfolgs unserer weiteren Marken sind wir Anfang 2008 zu der Überzeugung gelangt, dass wir diesen leichten Abwärtstrend bei unserer Stammmarke nicht mehr hinnehmen wollten. Durch einen Relaunch haben wir jetzt unsere Stammmarke “essanelle - Ihr Friseur” im Markt höher positioniert. Gleichzeitig wollen wir hier mit begleitender Werbung in den Salons neue Akzente setzen. Die bauliche Veränderung der betreffenden Salons erfolgt allerdings nur im Rahmen der turnusmäßig anstehenden Renovierungen. Das Marketing haben wir jedoch gleichzeitig für circa 330 Salons von “essanelle - Ihr Friseur” umgestellt.

GSC Research: Welche Trends im allgemeinen Markt für Friseurdienstleistungen haben Sie zu dieser Vorgehensweise bewogen?

Vorstand: Die Erkenntnis, dass das nach der gleichnamigen Werbekampagne der Metro-Tochter Saturn benannte “Geiz ist geil”-Phänomen wohl seinen Zenit überschritten hat und beim Kunden wieder ein gewisses Qualitätsbewusstsein zurückgekehrt ist. Damit wird unseres Erachtens auch die Markenbindung wieder wichtiger. Dabei stellt der Kunde jedoch auch im unteren Preissegment hohe Ansprüche an die Qualität. Insgesamt ist weiterhin viel Bewegung im Friseurmarkt zu verzeichnen, 10 bis 12.000 Salon-Neueröffnungen stehen circa die Hälfte, d.h. 5 bis 6.000 Schließungen gegenüber, so dass aber die Gesamtzahl an Friseursalons sich weiter erhöht. Dabei ist der Markt immer noch von inhabergeführten Einzelsalons geprägt. Wir haben lediglich drei nationale und vielleicht zehn regionale Mitbewerber identifiziert. Die regionalen Mitbewerber kommen dabei nur auf ein Netz von 20 bis 40 Salons.

GSC Research: Essanelle ist auch in Kaufhäusern vertreten, hier ist seit der Hertie- bzw. Karstadt-Insolvenz ja eine öffentliche Diskussion über die allgemeine Zukunftsfähigkeit des Konzepts des klassischen Kaufhauses entstanden. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Essanelle Hair Group?

Vorstand: Im Gegensatz zu manchem Experten halten wir das Konzept Kaufhaus prinzipiell für überlebensfähig, es muss nur an die Herausforderungen der Gegenwart angepasst werden, d.h. verstärkt Shop in Shop-Konzepte und nicht mehr der Anspruch “Alles unter einem Dach”, wie ihn die Kaufhof-Werbung der 70er Jahre geprägt hat.

Bei unseren Salons bemerken wir, dass diese sich meist ähnlich wie der Kaufhausstandort entwickeln, in dem sie liegen, oder anders ausgedrückt, gute Salons befinden sich in prosperierenden Kaufhausstandorten, schlecht performande liegen in schlecht laufenden Kaufhäusern, wir beobachten hier ganz selten eine Abweichung. Sicherlich wird hier eine Portfoliobereinigung der großen Ketten stattfinden, per se glauben wir jedoch, dass die lokale Politik vor allem in Mittelstädten alles tun wird, um die jetzigen Kaufhausstandorte in irgendeiner Form zu erhalten. Betroffen bei uns sind derzeit 85 Salons in Kaufhof- und 70 Outlets in Karstadt-Standorten.

GSC Research: Erstaunlich gut laufen nach unserem Eindruck die Beauty Hair Shops. Gibt es hier Bestrebungen, das Konzept auch auf den Großhandel auszuweiten, oder bleibt diese Vertriebslinie auf den Einzelhandel, sprich den privaten Konsumenten, fokussiert?

Vorstand: Nein, hier haben wir keinerlei Bestrebungen, dies zu tun. Wir denken, dass es hier zu einem Interessenskonflikt kommen könnte. Auch der als Großhandel bezeichnete Bereich bei Klier ist im engeren Sinne keiner, da dieser lediglich die eigenen Salons beliefert. Der eigentliche Großhandel für die inhabergeführten Salons befindet sich in mittelständischer Hand.

GSC Research: Neben dem Friseurgeschäft steht ja noch die eventuelle Ausweitung des Geschäftsgebiets auf Dienstleistungen des Nail-Designs für die Damen im Raum. Gibt es hier Neuigkeiten?

Vorstand: Nein, wir haben derartige Vorüberlegungen zunächst zurückgestellt. Wegen der Bindung unserer Managementkapazitäten durch den Relaunch der Essanelle-Stammmarke sowie durch die Hertie- und Karstadt-Insolvenz haben wir derzeit in unserem Stammgeschäft genug Hausaufgaben zu machen. Aufgrund der bekannten 35 Hertie-Schließungen und der von uns derzeit geschätzten 10 bis 15 bei Karstadt ist unsere weitere Expansion im Stammgeschäft umso wichtiger, um die dort entstehenden Umsatzverluste auszugleichen und weiter zu wachsen.

GSC Research: Könnten Sie hier Probleme durch das Kartellamt bekommen?

Vorstand (schmunzelt komplett): Nein, nicht im Entferntesten, da der Markt, wie wir eingangs ja bereits sagten, noch sehr atomisiert ist, d.h., selbst unser Marktanteil als größtem Unternehmen liegt nicht über 5 Prozent. Im Ernstfall könnte es vielleicht an dem einen oder anderen Standort marginale Auflagen geben, aber gemessen an anderen Branchen sehen wir hier keinerlei Probleme auf uns zukommen, die wir in unsere Unternehmensplanung mit einbeziehen müssten.

GSC Research: Nachvollziehbar. Gestatten Sie uns dennoch eine Nachfrage zum Nail-Design. Wie könnte hier eine mögliche Vorgehensweise aussehen?

Vorstand: Wenn wir so etwas einmal machen sollten - wir wollen hier bewusst im Konjunktiv reden - dann kommt zunächst nur ein Testlauf in trendbewussten Großstädten wie z.B. Düsseldorf, Frankfurt, München und Hamburg in Frage. Wir wollen an dieser Stelle klar kommunizieren, dass es in keinem Fall Nagelstudios in jedem Essanelle-Salon geben wird. Wenn wir das Nail-Design einführen, wird es sich zudem lediglich um eine ergänzende Dienstleistung handeln und nicht um eine komplette Umgestaltung unseres Geschäftsmodells, was wir an dieser Stelle herausstellen wollen.

GSC Research: Spielt bei dieser vorsichtigen Einschätzung einer Erweiterung des Geschäftsumfangs auch eine Rolle, dass seinerzeit die Akquisition von Mod´s Hair etwas “unglücklich” gelaufen ist, obwohl das ja sogar eine Übernahme im Stammgeschäft von Essanelle war?

Vorstand: Jein. Sicherlich machen solche Erfahrungen jeden Unternehmensvorstand vorsichtiger. Allerdings war der Fall bei Mod´s Hair anders gelagert. Das Wachstumskonzept, so wie wir uns das zum Kaufzeitpunkt vorgestellt haben, war nicht in der vorgesehenen Weise realisierbar und auch nicht sinnvoll in den Esssanelle-Konzern integrierbar. Als Hauptproblem hat sich der hohe Kapitaleinsatz für die Neueröffnung von Salons erwiesen, der von den Franchisenehmern nicht alleine aufgebracht werden konnte und eine Bezuschussung seitens Essanelle nötig gemacht hat.

Im operativen Bereich hatten wir unterschätzt, dass es schwer ist, ein Friseurgeschäft im oberen Qualitätssegment in Filialform zu betreiben, oder populistischer ausgedrückt, die Kunden(innnen) wollen dann doch meist vom „großen Meister“ frisiert werden, und so viele Koryphäen gibt es dann doch nicht, um für jeden Salon eine zu engagieren. Friseure in diesem Bereich sind “Local Hero´s”, und da eignet sich der inhabergeführte Salon mit vielleicht einer oder zwei Dependancen dann doch besser als Betriebsform.

GSC Research: Kommen wir nun zu den aktuellen Zahlen. Der erste Blick ergibt für uns den Eindruck, dass Essanelle bis jetzt vergleichsweise gut durch die Finanzkrise gekommen ist?

Vorstand: Ja. das können Sie so sagen. Im ersten Halbjahr haben wir mit 63,7 (Vj.: 63,6) Mio. Euro einen stabilen Umsatz erzielt. Dem schwächeren ersten Quartal folgte ein gutes zweites. Auf Ergebnisebene machten sich vor allem die erhöhten Lohnkosten nach dem Tarifabschluss bemerkbar, der insbesondere in Nordrhein-Westfalen mit einer Steigerungsrate von circa 10 Prozent sehr hoch ausfiel, so dass wir beim operativen Ergebnis (EBITDA) einen Rückgang um knapp 15 Prozent auf 4,6 (5,3) Mio. Euro zu verzeichnen hatten. Gemessen an anderen Branchen fühlen wir uns damit aber immer noch vergleichsweise wohl. Unter dem Strich ging der Jahresüberschuss um ein Drittel auf 1,0 (1,5) Mio. Euro etwas stärker zurück, was seine Ursache in finanztechnischen und steuerlichen Effekten hatte. Das Ergebnis je Aktie lautete 0,22 (0,33) Euro.

GSC Research: Vor einigen Tagen stand die Bundestagswahl auf dem Terminkalender. Was bedeutet der Ausgang dieses politischen Großereignisses für ein konsumorientiertes Unternehmen wie die Essanelle Hair Group?

Vorstand: Zunächst freuen wir uns natürlich, dass die Wahl vergleichsweise stabile Mehrheitsverhältnisse im Bundestag erbracht hat. Zudem haben wir natürlich davon profitiert, dass sich alle Politiker im Bundestag vor ihren Wahlkampfauftritten in unserem dortigen Salon haben frisieren lassen (Vorstand schmunzelt). Nein, im Ernst, ein Verbandspräsident hat einmal gesagt, dass die Friseurbranche alle wirtschaftlichen Tendenzen nur abgefedert zu spüren bekommt. Das gilt sowohl für den Abschwung und dann leider aber auch für den Aufschwung.

Allerdings erhoffen wir uns natürlich trotzdem, dass das Konsumentenvertrauen jetzt steigt und der Verbraucher nicht durch unklare politische Mehrheitsverhältnisse verunsichert wird. Allerdings haben wir jetzt keine maßlosen Erwartungen an die Politik, wir erhoffen uns nun lediglich etwas Rückenwind für unser Geschäft.

GSC Research: Kommen wir nach den thematischen Geschäftsgebieten zur geographischen Ausrichtung der Essanelle Hair Group. Wo sind Sie vertreten und welche Länder haben Sie als strategische Ziele im Geschäftsplan noch definiert?

Vorstand: Nach unseren schlechten Erfahrungen in Polen liegt unser Fokus jetzt klar auf Deutschland. Wenn wir eines Tages einmal ins Ausland gehen sollten, dann kommen für uns nach derzeitigem Erkenntnisstand nur Österreich und die deutschsprachige Schweiz in Frage. Hier gibt es allerdings momentan überhaupt keine Pläne. Da wir, wie bereits gesagt, selbst in Deutschland mit unter 5 Prozent einen noch sehr ausbaufähigen Marktanteil besitzen, haben wir zunächst hier noch genug zu tun, bevor wir einen Gedanken an eine Auslandsexpansion verschwenden würden.

GSC Research: Eine andere Thematik betrifft angesichts der über 90-prozentigen Beteiligung der Klier-Brüder an der Essanelle Hair Group die immer wieder aufkeimende Squeeze-out-Phantasie. Können Sie dazu einige Worte sagen?

Vorstand: Nach derzeitigem Stand ist dies nicht geplant. Da die Klier-Gruppe selbst nicht börsennotiert ist, möchte sich diese nach unserem Eindruck momentan die Tür offen halten, bei Bedarf Kapital an der Börse aufnehmen zu können. Wir können natürlich nicht für die Gebrüder Klier sprechen, aber wir denken, dass sich diese derzeit nicht auf eine bestimmte Handlungsweise festlegen wollen. Auf mittlere Sicht erwarten wir demnach keinen Squeeze-out. Wie die Welt und die Sichtweise der Beteiligung der Klier-Brüder im Hinblick auf Essanelle in einigen Jahren aussieht, ist nach unserem Eindruck aber vollkommen offen.

GSC Research: Wie müssen wir uns vor diesem Hintergrund die Zusammenarbeit mit der Klier-Gruppe im Tagesgeschäft vorstellen?

Vorstand: Im Tagesgeschäft gibt es keine Zusammenarbeit, diese findet nur im Bereich Einkauf statt.

GSC Research: Das klingt gut. Gestatten Sie uns zwei Fragen zum Abschluss?

Vorstand: Gerne.

GSC Research: Wie wird die Essanelle Hair Group in 2009 und 2010 abschneiden, können Sie uns diesbezüglich einen groben Ausblick geben?

Vorstand: Für 2009 sehen wir bei den Umsätzen im Jahresverlauf immer mehr, wie schwierig es wird, eine Steigerung zu realisieren. Die Belastung durch die Schließung der 35 Salons in Hertie-Filialen wird durch unsere Expansion bisher lediglich kompensiert. Dabei müssen Sie zusätzlich beachten, dass natürlich neu eröffnete Salons nicht sofort die Umsätze und Deckungsbeiträge wegfallender etablierter Standorte ersetzen können. Auf der Ertragsseite dürfte sich, wie wir bereits bei den Halbjahreszahlen gesagt haben, der hohe Lohnabschluss - hier vor allem der von Nordrhein Westfalen- neben den durch die Hertie-Insolvenz fehlenden Umsätzen bemerkbar machen. Wir denken, mit den 9-Monats-Zahlen eine genaue Aussage dazu machen zu können, ob wir tatsächlich ein ähnliches Ertragsniveau wie im Vorjahr erreichen können.

Eine Prognose für 2010 wollen wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgeben, da wir in diesen Tagen mit der Planung für das kommende Geschäftsjahr beginnen werden. Nach der Besprechung in den einschlägigen Gremien werden wir uns aber Ende des Jahres dazu äußern.

GSC Research: Wo soll Ihrer Meinung nach der Essanelle-Konzern in zehn Jahren stehen? Können Sie uns hier bitte an Ihren geschäftspolitischen Visionen teilhaben lassen?

Vorstand: Wir wollen dann doppelt so groß sein wie heute, was einen Bestand von über 1.000 Salons und eine Mitarbeiterzahl von über 10.000 bedeuten würde. Wir denken auch, dass dieses Ziel erreichbar ist, weil der Friseurberuf vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten im Einzelhandel nach unserem Eindruck wieder attraktiver wird. Zudem wollen wir natürlich unsere Wahrnehmung als sicherer und verlässlicher Arbeitgeber in der Öffentlichkeit weiter schärfen.

GSC Research: Herr Mansen, Herr Bonk und Herr Wiethölter, vielen Dank für das interessante Gespräch. Wir wünschen Ihnen persönlich und dem Unternehmen weiterhin viel Erfolg.


Veröffentlichungsdatum: 08.10.2009 - 12:44
Redakteur: ala
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