Lange Zeit wartete die Silicon Sensor International AG mit hohen Wachstumsraten auf. Die Rezession hat jedoch auch das Berliner Unternehmen inzwischen mit voller Wucht getroffen. Vor diesem Hintergrund sprachen Alexander Langhorst und Investmentanalyst Klaus Kränzle von GSC Research mit dem Vorstandsvorsitzenden Dr. Hans-Georg Giering über die Hintergründe des Geschäftsmodells, die neuen Produktionsmöglichkeiten nach dem Umzug, die Rezession und über die weiteren Perspektiven des Unternehmens.
Dr. Giering: „Nach Beendigung der Wirtschaftskrise werden wir von unseren neuen innovativen Produkten profitieren und wieder wachsen!"
GSC Research: Dr. Giering, vielen Dank, dass Sie sich trotz der unruhigen Zeiten die Zeit für dieses Interview genommen haben. Haben Sie denn inzwischen alle Umzugskartons ausgepackt?
Dr. Giering (schmunzelt): Ja natürlich. Nach meinem eigenen Empfinden scheint dies sogar schon wieder eine Ewigkeit her zu sein. Anders hätten wir die großen Herausforderungen der letzten Monate wohl auch nicht meistern können.
GSC Research: Sie hatten den Umzug zu einer Zeit geplant, als Sie eher Befürchtungen hatten, mit den damaligen Produktionskapazitäten nicht mit der Nachfrage ihrer Kunden mithalten zu können. Wie gehen Sie mit der neuen Situation der Rezession um, Dr. Giering?
Dr. Giering: Die ersten Planungen für das neue Werk stammen aus dem Jahr 2002. Leider mussten wir mit sehr viel Bürokratie kämpfen, so dass die Fertigstellung erst Ende 2008 erfolgt ist. Damit haben wir wohl den ungünstigsten Zeitpunkt für Kapazitätserweiterungen getroffen, den man sich vorstellen kann. Trotzdem war es richtig, diesen Weg zu gehen, stehen uns doch jetzt viel mehr Möglichkeiten offen. Die derzeitige Krisensituation werden wir meistern, indem wir die Zeit nutzen, neue Produkte gemeinsam mit unseren Kunden zu entwickeln und die Basis unseres Marktauftritts den neuen Bedingungen anzupassen.
Im ersten Halbjahr 2009 haben wir die Zeit genutzt, die Zersplitterung der operativen Einheiten zu beseitigen und diese unter dem Dach der Silicon Sensor International AG zusammenzuführen. Gleichzeitig haben wir natürlich auch Sparmaßnahmen eingeleitet, die dafür sorgen, dass uns die notwendige Liquidität nicht ausgeht.
GSC Research: Welche Trends beobachten Sie derzeit bei Ihren Kunden?
Dr. Giering: Viele unserer Kunden haben in den letzten Monaten wegen der Unsicherheiten bei der Kreditversorgung vor allem auf ihre eigene Liquidität geachtet und deshalb Sparprogramme aufgelegt und ihre Lager abgebaut. Uns hat dabei die Einstellung von Abrufen im Rahmen unserer vorhandenen Rahmenaufträge besonders getroffen. Seit Juli dieses Jahres steigen die Abrufe allerdings langsam wieder an, was wir als ein Zeichen dafür interpretieren, dass sich die Situation zumindest stabilisiert.
GSC Research: Wie reagieren Sie konkret auf das momentan sehr kurzfristige Bestellverhalten der Kunden?
Dr. Giering: Wir haben die Fertigungskapazitäten durch den Einsatz von Kurzarbeit soweit wie möglich heruntergefahren. Gleichzeitig konzentrieren wir uns darauf, Entwicklungsaufträge für unsere Kunden zu realisieren, die uns die Umsätze für die Zukunft sichern.
GSC Research: Wann rechnen Sie mit einer Normalisierung des Bestellverhaltens ihrer Kunden?
Dr. Giering: Ich rechne nicht mit einer kurzfristigen Normalisierung der Lage. Je nachdem, wie sich die gesamtwirtschaftliche Situation entwickeln wird, ist nach meiner Ansicht mit einer Normalisierung, also der Rückkehr zu den Umsatzzahlen des Jahres 2008, erst in der zweiten Jahreshälfte 2010 zu rechnen.
GSC Research: Jetzt sprach Silicon Sensor in einer Ad-hoc-Mitteilung Ende August 2009 von „ersten Besserungssignalen". Können Sie uns näher darlegen, worauf Sie ihren verhaltenen Optimismus dabei stützen?
Dr. Giering: Unser Optimismus stützt sich vor allem auf den seit Juli dieses Jahres wieder steigenden Auftragseingang sowie auf die Signale, die wir von unseren Kunden im Hinblick auf deren wirtschaftliche Erholung erhalten. Darüber hinaus hat eine Reihe von Kunden die Wiederaufnahme ihrer Abrufe für das vierte Quartal dieses Jahres angekündigt.
GSC Research: Dies ist nachvollziehbar, gestatten Sie uns dennoch eine Nachfrage. Wie überbrücken Sie die Zeit bis zur Normalisierung der Lage. Sie haben stets betont, dass Sie vor allem sehr hoch qualifiziertes Personal trotz der Rezession im Hause behalten wollen?
Dr. Giering: Die Herausforderung besteht darin, die Balance zwischen Sparmaßnahmen und Investitionen in die Zukunft zu halten. Wie schon erwähnt konzentrieren wir uns derzeit auf die anstehenden Entwicklungsprojekte. Immerhin bearbeiten wir heute etwa dreimal so viele Entwicklungen wie in normalen Zeiten. Gerade dafür brauchen wir hoch qualifiziertes Personal. Aus heutiger Sicht ist die im Unternehmen vorhandene Liquidität ausreichend, um diesen Weg erfolgreich weiter zu gehen. Auch unsere Banken haben uns zugesagt, dass sie bereit sind, unsere insgesamt sehr erfolgreiche Entwicklung weiter zu begleiten.
GSC Research: Interessant. Mit anderen Worten ausgedrückt, Sie machen aus der Not eine Tugend und entwickeln im Moment antizyklisch neue Produkte für die Nach-Rezessionsära, um sofort bei einem Wiederanspringen der Wirtschaft am Markt präsent zu sein?
Dr. Giering: Das ist zweifelsohne so, hat aber auch schon in der Vergangenheit eine große Rolle gespielt. Neu ist die starke Gewichtung von Neuentwicklungen. Bedingt durch unser Geschäftsmodell sind wir immer dann sehr gut unterwegs, wenn wir unseren Kunden innovativere Lösungen und Produkte anbieten können, die deren Produkte wettbewerbsfähiger machen. Insofern ist es folgerichtig, sich bereits heute auf die Zeit nach der Krise einzustellen.
GSC Research: Spielt bei dieser Einschätzung auch eine Rolle, dass sich die Lage genauso schnell wieder ins Positive drehen kann, wie die Rezession gekommen ist?
Dr. Giering: Durchaus. Allerdings wird das aus meiner Sicht nicht die gesamte Wirtschaft, sondern nur bestimmte Branchen betreffen. Aus diesem Grund sind wir in der letzten Zeit auch verstärkt im Medizinbereich aktiv.
GSC Research: Kommen wir nun zu den aktuellen Zahlen. Der erste Blick ergibt für uns den Eindruck, dass sowohl Umsatz als auch die Ergebniskennziffern drastisch eingebrochen sind. Können Sie uns die Halbjahreszahlen kurz erläutern?
Dr. Giering: Wir haben anhand des Geschäftsverlaufs in den ersten sechs Monaten festgestellt, dass wir unser Geschäftsmodell in einer Hinsicht ändern müssen. Normalerweise werden in einem Rahmenvertrag die Gesamtmenge und der Gesamtlieferzeitraum festgelegt, nicht aber eine kontinuierliche Mindestabnahme. In normalen Zeiten spielt diese Mindestabnahme auch kaum eine Rolle, da dann bei unseren Kunden kontinuierlich produziert wird. Wir werden versuchen, diesen Umstand in den nächsten Vertragsverhandlungen mit unseren Kunden zu berücksichtigen. Denn gerade dies hat in den ersten sechs Monaten zu den großen Umsatzrückgängen geführt. Kunden, die ihre Abrufe in spätere Quartale verschoben haben, realisieren natürlich bis dahin auch keinen Umsatz. Zwar sind diese Umsätze nicht verloren, aber das hilft uns derzeit wenig.
Im Bereich der Personalaufwendungen sind die Kostensenkungen durch den Abbau von 50 fertigungsnahen Mitarbeitern noch nicht sichtbar. Dies liegt daran, dass es zum einen lange Kündigungszeiten gibt und während dieser keine Kurzarbeit in Anspruch genommen werden kann, und zum anderen daran, dass auch Abfindungen an die ausgeschiedenen Mitarbeiter gezahlt wurden. Dass wir trotz allem nur ein moderates negatives operatives Ergebnis von rund 0,8 Mio. Euro erzielt haben, liegt an unseren konsequenten Sparmaßnahmen. Leider wirkt die hohe Skalierbarkeit unseres Geschäftsmodells eben auch in der umgekehrten Richtung. Für das zweite Halbjahr erwarten wir allerdings eine leichte Verbesserung der Lage.
GSC Research: Jetzt müssen Sie sich in Berlin seit Jahren mit einer politischen Konstellation arrangieren, die nicht unbedingt zu den Traumkoalitionen eines Unternehmers zählen dürfte. Vor einigen Tagen stand jetzt auch die Bundestagswahl auf dem Terminkalender. Wie wirken sich Landes- und Bundespolitik gerade auf ein innovatives Unternehmen wie die Silicon Sensor International AG aus?
Dr. Giering: Ich hoffe darauf, dass die neue Bundesregierung zu einem positiven Wirtschaftsklima beiträgt, welches sowohl unseren Aktionären als auch unseren Mitarbeitern nützen wird. Für unseren Erfolg sind wir allerdings in erster Linie selbst verantwortlich.
GSC Research: Kommen wir nach den themenorientierten Fragen zur geographischen Ausrichtung der Silicon Sensor International AG. Wo sind Sie vertreten und welche Länder haben Sie als strategische Ziele im Geschäftsplan für die Zukunft noch definiert?
Dr. Giering: Wir sind mit eigenen Gesellschaften in Deutschland und den USA vertreten. Darüber hinaus arbeiten wir mit einer Vielzahl von Distributoren zusammen, so dass wir auf allen wichtigen Märkten vertreten sind. Da wir in der Mehrzahl der Fälle eine sehr enge Zusammenarbeit mit den in Deutschland beheimateten Forschungs- und Entwicklungsabteilungen unserer Kunden pflegen, fakturieren wir nach wie vor unseren Hauptumsatz in Deutschland, auch wenn wir unsere Produkte anschließend in alle Welt liefern. Dies wird sich auch in Zukunft erst langsam ändern.
GSC Research: Eine andere Thematik betrifft die auf der Hauptversammlung beschlossene Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Können Sie uns bitte die näheren Beweggründe für diesen Schritt erläutern?
Dr. Giering: Die Zusammenarbeit mit Neukunden erfolgt im ersten Schritt über die Vereinbarung eines Entwicklungsauftrags. Wir verkaufen ja in der Regel kundenspezifische Produkte, die zum Zeitpunkt des Verkaufs überhaupt noch nicht existieren. Aus diesem Grund kommt es sehr stark darauf an, dass ein potenzieller Neukunde genügend Vertrauen entwickelt. Dabei kommt dem Aspekt der finanziellen Stabilität, die sich eben auch in der Höhe des Grundkapitals äußert, anfänglich teilweise eine höhere Bedeutung zu als unseren technischen Fähigkeiten.
GSC Research: Stichwort Kapital. Können Sie uns ein paar Worte zu den Beweggründen für ein Engagement der Beteiligungsgesellschaft von Daniel Hopp sagen, dem Sohn von Dietmar Hopp?
Dr. Giering: Zu seinen Beweggründen müssen Sie Herrn Hopp schon selbst fragen. Ich kann nur feststellen, dass es eine sehr gute und langfristig angelegte Zusammenarbeit zum Wohle des Unternehmens gibt.
GSC Research: Zudem wurde auf der Hauptversammlung die Verkleinerung des Aufsichtsrats beschlossen. Können Sie uns diesen Schritt näher erklären?
Dr. Giering: Die Verkleinerung des Aufsichtsrats wurde im Vorfeld der Hauptversammlung lange diskutiert. Letztendlich ist man zu dem Ergebnis gekommen, dass die heutige Größe dieses Gremiums der Größe der Silicon Sensor International AG angemessen ist.
GSC Research: Das klingt plausibel. Gestatten Sie uns zwei Fragen zum Abschluss.
Dr. Giering: Gerne.
GSC Research: Wie wird die Silicon Sensor International AG in 2009 und 2010 abschneiden. Können Sie uns diesbezüglich einen groben Ausblick geben?
Dr. Giering: Noch ist es sehr schwierig, diesen Ausblick zu geben. Es zeichnet sich jedoch ab, dass wir uns von Quartal zu Quartal verbessern werden. Wann genau wir das Niveau des Jahres 2008 wieder erreicht haben, hängt leider nicht nur von unserem eigenen Handeln ab. Wir gehen vorsichtigerweise davon aus, dass dies im Jahr 2011 erreicht werden sollte.
GSC Research: Wo soll Ihrer Meinung nach die Silicon Sensor International AG in zehn Jahren stehen? Können Sie uns hier bitte an Ihren geschäftspolitischen Visionen teilhaben lassen?
Dr. Giering: Bis zum Jahr 2020 sollte es die Silicon Sensor International AG schaffen, als einer der führenden Hersteller von Sensoren und Sensorsystemen in Europa über einen Umsatz von rund 200 Mio. Euro zu verfügen und fast 1.000 Mitarbeiter zu beschäftigen.
GSC Research: Dr. Giering, vielen Dank für das interessante Gespräch. Wir wünschen Ihnen persönlich und dem Unternehmen weiterhin viel Erfolg.
Veröffentlichungsdatum:
05.10.2009
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09:55
Redakteur:
ala