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Interview Edmund J. Keferstein (Vorstandsvorsitzender vwd Vereinigte Wirtschaftsdienste AG) - „Wir werden unseren Beitrag zu mehr Transparenz im Anlageprozess liefern"
Trotz eines umfassenden Konzernumbaus verbinden viele Marktteilnehmer mit dem Namen vwd Vereinigte Wirtschaftsdienste AG noch immer eine Nachrichtenagentur. Nach zahlreichen Akquisitionen und einer strategischen Neuausrichtung hat das heutige Unternehmen jedoch so gut wie nichts mehr mit der alten vwd zu tun.

Vor diesem Hintergrund sprachen Alexander Langhorst und Investmentanalyst Klaus Kränzle von GSC Research mit dem Vorstandsvorsitzenden Edmund Keferstein über Einzelheiten des Geschäftsmodells, Auswirkungen der Finanzkrise auf das Geschäft von vwd und über die weiteren Perspektiven für das Unternehmen.


Edmund J. Keferstein: „Wir werden unseren Beitrag zu mehr Transparenz im Anlageprozess liefern."


GSC Research: Herr Keferstein, der Name vwd ist sehr bekannt. Können Sie uns erläutern, inwiefern das ein Vorteil, aber eventuell auch ein Nachteil ist?

Edmund J. Keferstein: Der Name vwd steht seit nunmehr 60 Jahren für zuverlässige Finanzinformationen. Heute ist vwd nicht mehr aus den Köpfen der Finanzmarktteilnehmer wegzudenken. Das Unternehmen hat sich in seiner Geschichte stetig weiterentwickelt und mit zunehmender Technologisierung der Medienlandschaft verstärkt auf den Bereich Finanzmarktlösungen konzentriert. Das führte letztendlich dazu, dass sich vwd ganz vom klassischen Nachrichtengeschäft getrennt hat. Heute sind wir ein Anbieter von maßgeschneiderten, innovativen Informations-, Kommunikations- und Technologielösungen rund um das Wertpapiergeschäft.

GSC Research: Welche Gründe führten zu der angesprochenen Neuausrichtung des Unternehmens?

Edmund J. Keferstein: Ich würde nicht von einer Neuausrichtung sprechen. Abgesehen von der Tatsache, dass wir jetzt seit fünf Jahren kein Nachrichtengeschäft mehr betreiben, hat sich vwd den spezifischen Anforderungen der Kapitalmärkte permanent angepasst. Wir haben Veränderungen stets als Herausforderung gesehen und uns ganz auf die Bedürfnisse unserer Kunden eingestellt. Die größten Herausforderungen lagen sicher in der zunehmenden Technologisierung der Kommunikationsmedien sowie der Beherrschung des permanent ansteigenden Datenaufkommens. Während dieses Prozesses konnten wir unsere Marktposition stetig ausbauen und uns zu einem der führenden Anbieter für Finanzmarktlösungen in Europa entwickeln.

GSC Research: Herr Keferstein, wie ging der Konzernumbau genau vonstatten?

Edmund J. Keferstein: Die heutige vwd group ist das Ergebnis anhaltenden profitablen Wachstums, sowohl organisch als auch anorganisch. Seit der Übernahme von vwd durch eine von mir zusammengestellte und geführte Investorengruppe haben wir unsere Chancen in einem sich stets verändernden Umfeld erkannt. Das hat es uns ermöglicht, in einem Markt, der von Konsolidierung geprägt ist, eine aktive Rolle zu spielen. vwd wird dies in Zukunft fortsetzen.

GSC Research: Wenn wir kurz nachfragen dürfen - die Börsennotierung der heutigen vwd entstand also durch die übernommene b.i.s. AG. Können Sie uns das etwas genauer erklären?

Edmund J. Keferstein: Im Jahr 2005 hat die frühere vwd GmbH die Aktienmehrheit der börsennotierten b.i.s. AG übernommen. Nach einem langen Verschmelzungsprozess, in dem wir uns intensiv mit einzelnen Aktionären auseinandersetzen mussten, haben wir im Geschäftsjahr 2007 die deutlich größere vwd GmbH mit der b.i.s. AG vereint. Danach wurde die b.i.s AG in vwd Vereinigte Wirtschaftsdienste AG umfirmiert. Wenn Sie so wollen, ist dies eigentlich die Geburtsstunde der heutigen vwd AG gewesen.

Rückblickend müssen wir uns aber eingestehen, dass die Einigung mit streitbaren Aktionären zu viel Zeit gekostet hat, weswegen wir einen klassischen IPO vorgezogen hätten.

GSC Research: Bevor wir uns dem operativen Geschäft zuwenden, könnten Sie bitte kurz die vwd AG gegenüber den Mitbewerbern abgrenzen?

Edmund J. Keferstein: Aufgrund unserer einzigartigen Produktpalette ist ein direkter Wettbewerbsvergleich nicht möglich. In Teilbereichen unseres Produktportfolios konkurrieren wir in der Regel mit Unternehmen, die deutlich kleiner sind als die vwd group. Demgegenüber gibt es natürlich die beiden großen Anbieter Thomson Reuters und Bloomberg, die aber allein aufgrund ihrer Größe nicht mit vwd verglichen werden dürfen. Diese beiden Anbieter sind mit standardisierten Produkten vornehmlich im Investment-Banking tätig und in den großen Handelssälen der Banken zu finden.

Die vwd group ist nicht im Investment-Banking tätig, sondern konzentriert sich auf die Anlegerseite, wo die besonderen spezifischen Anforderungen der regionalen Märkte im Vordergrund stehen. Hierfür bieten wir ein großes Angebot an individuellen, maßgeschneiderten Lösungen.

GSC Research: Wenn wir Sie richtig verstehen, liegt der Fokus der Geschäftsaktivitäten von vwd auf dem Retail Banking. Können Sie uns das näher erläutern?

Edmund J. Keferstein: Das Retail Banking ist neben dem Private Banking und Wealth Management nur ein Teilbereich, auf den wir unsere Geschäftsaktivitäten fokussieren. Im Retail Banking versuchen wir, den Bankberater vor Ort im Gespräch mit dem Kunden zu unterstützen. Alle unsere Lösungen sind darauf ausgelegt, den Anlageprozess effizienter und transparenter zu gestalten. Darüber hinaus bieten wir aber auch den Privatkunden Lösungen für ein gutes Finanzmanagement von der Investition bis zur Verwaltung ihres Vermögens an.

GSC Research: Stichwort EDG - Zertifikate kamen zuletzt durch einige Falschberatungen etwas in Verruf. Nichtsdestotrotz hat aber auch diese Anlageklasse ihre Berechtigung. Wie ist hier Ihr Ansatz, für mehr Transparenz zu sorgen?

Edmund J. Keferstein: In der Tat hat der Ruf der Zertifikate-Industrie stark gelitten. Generell sollten wir erst einmal klarstellen, dass Zertifikate oder derivative Produkte im Allgemeinen in einem Portfolio Sinn machen und spezielle Risiken beherrschbar machen können. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Risiken, die in den Zertifikaten selber liegen, die aber kontrolliert werden können. Die Lehman-Insolvenz hat uns mehr als deutlich gezeigt, dass das Emittentenrisiko nicht außer Acht gelassen werden darf. Darüber hinaus gibt es aber auch noch weitere Risiken eines Zertifikats wie das Produkt-, Preis- und Liquiditätsrisiko, das mit dem EDG Rating sichtbar gemacht wird. vwd versucht, mit nachvollziehbaren Ratings auf Basis eines quantifizierbaren Verfahrens mehr Transparenz in das Zertifikateangebot zu bringen.

Mit einer einfachen Risikoklassifizierung, die durch umfangreiche mathematische Berechnungen ermittelt wird, können wir alle Zertifikate der entsprechenden Risikoklasse zuordnen. Das darauf basierende Rating ist ein relativer, leicht verständlicher Indikator für Produktqualität. Auch wenn Zertifikate aufgrund ihrer Struktur allgemein nur sehr schwer nachvollziehbar sind, ist diese Anlageklasse aus dem modernen Portfoliomanagement nicht mehr hinwegzudenken. Im Übrigen hätte das EDG Rating schon sehr frühzeitig die schwierige Finanzsituation von Lehman aufgezeigt. Leider hat sich Lehman nicht raten lassen. Wir hätten dadurch sicher viel Schaden vermieden und müssten jetzt nicht wieder um das Anlegervertrauen kämpfen.

GSC Research: Finanzprodukte waren zwar nicht das Kernthema der Bundestagswahl, aber nichtsdestotrotz kamen aus der Politik kritische Stimmen zur marketinggetriebenen Beratungspraxis vieler Banken. Befürchten Sie hier eine Überregulierung, Herr Keferstein?

Edmund J. Keferstein: Wir setzen uns verstärkt für mehr Transparenz und Risikobewusstsein im Anlageprozess ein. Wir werden alle unsere Produkte so ausrichten, dass ein Maximum an Transparenz und Risikobewusstsein hergestellt wird und der Berater in der Bank dem Kunden eine bestmögliche Beratung bieten kann. Dabei setzen wir natürlich auch verstärkt auf unsere Erfahrungen aus dem Ratingprozess der EDG. Was wir uns wünschen, ist ein verbindlicher Rechtsrahmen, der den Anlageprozess normiert und Standards ermöglicht. Nur durch normierte Standards können Anlageprodukte miteinander verglichen, gemessen und geprüft und Transparenz hergestellt werden. Wir erwarten, dass die Gesetzgebung hier verstärkt tätig wird. Schafft man auf diesem Weg eine für den Anleger verständliche Transparenz, erledigt der Wettbewerb den Rest.

GSC Research: Kommen wir nun zu den aktuellen Zahlen, Herr Keferstein. Ein erster Blick erweckt den Eindruck, dass Sie bis jetzt vergleichsweise gut durch die Finanzkrise gekommen sind.

Edmund J. Keferstein: Wir sind mit dem Ergebnis für das erste Halbjahr 2009 sehr zufrieden. Wir haben unseren Umsatz um 10,7 Prozent auf 39,6 Mio. Euro gesteigert und haben mit einem EBITDA in Höhe von 5,1 Mio. Euro nahezu das Vorjahresniveau (minus 6,8 Prozent) erreicht. Allerdings mussten auch wir einsehen, dass wir nicht ganz von der Finanzkrise verschont werden. So mussten wir gerade einen deutlichen Rückgang der werbenahen Kommunikationsdienstleistungen hinnehmen. Darüber hinaus haben uns noch Investitionen in das genossenschaftliche Großprojekt belastet. Hier erwarten wir aber für die zweite Jahreshälfte deutliche positive Ergebnisbeiträge. Darüber hinaus haben wir jetzt mit der OLB (Oldenburgische Landesbank, die Redaktion), die zur Allianz-Gruppe gehört, ein weiteres bedeutendes Bankenprojekt gewonnen, das ebenfalls in der zweiten Jahreshälfte 2009 positiv zum Ergebnis beitragen wird.

GSC Research: Wenn wir Sie richtig verstanden haben, spüren Sie vor allem bei den Fondsgesellschaften den Kostendruck. Können Sie uns genauer erklären, inwiefern vwd hier betroffen ist?

Edmund J. Keferstein: Wir bieten den Fondsgesellschaften maßgeschneiderte Veröffentlichungs- und Kommunikationskonzepte an, die in der Vergangenheit sehr gut angenommen wurden. Der Kostendruck der KAGs führte allerdings zu Schließungen und Zusammenlegungen einzelner Fonds, so dass die Anzahl der Publikumfonds, die ihre Preis- und Finanzinformationen regelmäßig über die vwd group verbreitet haben, deutlich abgenommen hat. Dies haben wir natürlich gespürt. Es ist aber gerade unserem ausgeglichenen Geschäftsmodell zu verdanken, dass wir insgesamt gut mit dieser Marktveränderung zurechtgekommen sind.

GSC Research: Gestatten Sie uns eine Frage. Die zuletzt gegen den Trend sowohl von Privat- als auch institutionellen Kunden stark nachgefragten indexorientierten Investmentfonds (ETFs) können das wegfallende Geschäft bei klassischen Investmentfonds bei Ihnen nicht kompensieren?

Edmund J. Keferstein: ETFs sind insgesamt anders strukturiert als normale Publikumsfonds. Aufgrund der deutlich geringeren Margen der ETFs werden werbenahe Kommunikationsdienstleistungen bisher nur sehr begrenzt eingesetzt. Mit zunehmendem Volumen dieser Anlageklasse wird sich das jedoch ändern. Das Umsatzvolumen in diesem Bereich wird den Rückgang des Geschäfts bei den Publikumsfonds jedoch unseres Erachtens nicht ausgleichen können.

GSC Research: Kommen wir nach den thematischen Geschäftsgebieten zur geographischen Ausrichtung der vwd AG? Wo sind Sie vertreten und welche Länder haben Sie als strategische Ziele im Geschäftsplan definiert, Herr Keferstein?

Edmund J. Keferstein: Deutschland ist weiterhin unser Kernmarkt. Darüber hinaus sind wir in Belgien, den Niederlanden und der Schweiz sehr gut positioniert. Gerade der Schweizer Markt scheint sich für uns als weiterer Kernmarkt gut zu entwickeln. Interessant sind für uns weiterhin die mitteleuropäischen Länder, in denen bereits eine gut entwickelte Finanzinfrastruktur besteht. Aufgrund der starken Marktveränderungen durch die Finanzkrise werden sich sicher auch noch interessante Möglichkeiten darbieten. Insgesamt haben wir aber aktuell eine abwartende Haltung eingenommen und nutzen gerade auch die Finanzkrise dazu, um uns noch besser aufstellen zu können.

GSC Research: Das operative Geschäft läuft demnach trotz der Finanzkrise relativ stabil. Wie wollen Sie die Anleger motivieren, verstärkt in die vwd-Aktie zu investieren? Viele Anleger würden das nach unserem Eindruck gerne tun, stören sich aber an der vergleichsweise geringen Liquidität des Papiers. Wie wollen Sie die Attraktivität der vwd-Aktie auch in dieser Hinsicht steigern, Herr Keferstein?

Edmund J. Keferstein: Wir sehen die vwd-Aktie als interessantes, langfristig attraktives Investment und bekommen dies auch permanent von unseren Aktionären bestätigt. Wir können nicht erkennen, dass die vwd-Aktie illiquide ist. Im Gegenteil. Wenn größere Stückzahlen benötigt werden oder auch abgegeben werden sollen, funktioniert der Markt recht gut. Wir haben uns aber zum Ziel gesetzt, die Aktionärsbasis zu verbreitern, um möglichst mehr Aktionäre am Erfolg der vwd group teilhaben zu lassen. Hier werden wir zukünftig auch die Möglichkeit von Kapitalmaßnahmen in Erwägung ziehen. Zunächst sollten aber die Kapitalmärkte für solche Maßnahmen wieder zur Verfügung stehen.

GSC Research: Das klingt gut. Gestatten Sie uns zwei Fragen zum Abschluss.

Edmund J. Keferstein: Gerne.

GSC Research: Wie wird vwd in 2009 und 2010 abschneiden, können Sie uns hier einen groben Ausblick geben?

Edmund J. Keferstein: Wir gehen davon aus, dass wir 2009 mit etwa 80 Mio. Euro Umsatz wieder kräftig gewachsen sein werden. Beim EBITDA erwarten wir, mit rund 11 Mio. Euro das Vorjahresergebnis wieder zu erreichen. Für 2010 ist heute allerdings noch keine qualifizierte Prognose möglich.

GSC Research: Wo soll Ihrer Meinung nach vwd in zehn Jahren stehen? Können Sie uns an Ihren geschäftspolitischen Visionen teilhaben lassen?

Edmund J. Keferstein: Als vollintegrierter Informationsdienstleister werden wir deutlich tiefer in die Fertigungstiefe unserer Kunden vorgedrungen sein, und zwar zu deren Nutzen. Die kommende Regulierung des Anlageprozesses macht unser Unternehmenskonzept umso attraktiver, weshalb wir weltweit zu den Top Ten in der Branche gehören werden.

GSC Research: Herr Keferstein, vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen persönlich und dem Unternehmen weiterhin viel Erfolg.



Veröffentlichungsdatum: 25.09.2009 - 13:37
Redakteur: ala
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