Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat nach Meinung von Kartell- und Europarechtsexperten weitreichende Auswirkungen auf die zukünftige Ausgestaltung des deutschen Glücksspielmarkts. Der Kartellsenat des OLG hatte am Montag den Sofortvollzug des Bundeskartellamtsbeschlusses zum Lottovertrieb wiederhergestellt und in seiner Urteilsbegründung schwerwiegende Wettbewerbsverstöße des Deutschen Lotto- und Totoblocks bestätigt.
Nach Ansicht des EU- und Kartellrechtsexperten Dr. Andreas Rosenfeld, Rechtsanwalt der Sozietät Redeker Sellner Dahs & Widmaier, ist der OLG-Beschluss "eine deutliche Weichenstellung, wenn nicht sogar das juristische Aus für den im Entwurf vorliegenden Glücksspielstaatsvertrag." In Verbindung mit der in der aktuellen SPIEGEL-Ausgabe geäußerten deutlich ablehnenden Haltung von EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy, sei die Debatte in juristischer Hinsicht bereits entschieden.
"Das Oberlandesgericht lässt keinen Zweifel daran, dass auch der neue Glücksspielstaatsvertrag an den Maßstäben des Europäischen Kartellrechts zu messen ist", so Andreas Rosenfeld. "Dies ist keine neue Erkenntnis, sondern entspricht der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs." Diese Klarstellung des OLG sei aber für die weitere Diskussion über den neuen Glücksspielstaatsvertrag, der eine Beschränkung der Tätigkeiten gewerblicher Spielvermittlung vorsieht, sehr wichtig. Nach dem OLG kann Landesrecht nicht das Europäische Kartellrecht außer Kraft setzen. Die Finanzhoheit der Länder findet ihre Grenzen in den Bestimmungen des Europäischen Kartellrechts. Das OLG hält daher auch den geltenden Regionalisierungsstaatsvertrag für europarechtswidrig, weil die "Zielrichtung des Vertrages die Zurückdrängung der gewerblichen Spielvermittler war".
Das Oberlandesgericht stimmt nicht nur der Beurteilung des Bundeskartellamts zu, dass gewerbliche Spielvermittler sich der terrestrischen Vertriebswege bedienen dürfen. Vielmehr bekräftigt das OLG Düsseldorf die sehr viel weitergehenden grundsätzlichen Feststellungen des Bundeskartellamts. Die im seit 2004 gültigen Lotteriestaatsvertrag und auch in dem vorliegenden Entwurf des neuen Glücksspielstaatsvertrags enthaltene Beschränkung des Vertriebsgebiets auf das Bundesland der jeweiligen staatlichen Lottogesellschaft verstoße gegen das nationale und das Europäische Kartellrecht. Das von den Ländern weiterhin vorgesehene Gebietskartell der Lottogesellschaften sei unzulässig. Die Lottogesellschaften müssen die Regionalisierung ihres Vertriebsgebiets aufgeben. Sie dürfen andere Lottogesellschaften anderer Bundesländer in ihrem Vertriebsgebiet nicht behindern. Rosenfeld: "Dies bedeutet, dass beispielsweise Westlotto in Bayern und die Staatliche Lotterieverwaltung des Freistaats Bayern in Nordrhein-Westfalen tätig werden dürfen."
Das Oberlandesgericht setzt sich auch offensiv mit dem Argument der Gefahrenabwehr auseinander, mit der die monopolistische Struktur des Lotteriewesens gebetsmühlenartig gerechtfertigt wird. Weder die Aufgabenerfüllung der Gefahrenabwehr noch die Gesetzgebungskompetenz der Länder auf dem Gebiet des Glücksspielwesens schließen es rechtlich oder logisch aus, dass die Lottogesellschaften zueinander in einen Wettbewerb treten. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit die Länder an ihrer Aufgabe der Gefahrenabwehr gehindert würden, wenn die Lottogesellschaften untereinander in einem Wettbewerb stünden.