Die vwd group ist den meisten Anlegern als Informationsanbieter vom Namen her ein Begriff. Deutlich weniger bekannt ist in Börsenkreisen jedoch, dass vwd durch die Fusion mit der bereits gelisteten b.i.s. AG zwischenzeitlich auch selbst börsennotiert ist. Eigentlich erstaunlich, denn mit einem Umsatz von 65,1 Mio. Euro im Jahr 2007 sowie einem Börsenwert von mehr als 100 Mio. Euro ist vwd keine kleine Gesellschaft. Allerdings befinden sich derzeit lediglich 2,1 Prozent der Aktien im Streubesitz, was sich über kurz oder lang jedoch ändern soll.
Über die jüngsten Entwicklungen, die aktuellen Zahlen und die weiteren Aussichten sprach Investmentanalyst Klaus Kränzle von GSC Research mit dem Vorstandsvorsitzenden der vwd group, Edmund Keferstein.
Keferstein: „Wir werden eine aktive Rolle bei der Marktkonsolidierung spielen“
GSC Research: Herr Keferstein, bei Ihrer Investor Relations Arbeit haben Sie einerseits den Vorteil, dass der Name vwd bei den Anlegern sehr bekannt ist, andererseits hat die heutige vwd group nicht mehr viel mit der „alten“ vwd zu tun. Könnten Sie uns kurz schildern, was die vwd group in ihrer heutigen Aufstellung ausmacht?
Keferstein: Nachdem wir uns im Geschäftsjahr 2004 komplett vom Nachrichtengeschäft trennten, haben wir uns immer mehr zu einem modernen Finanzinformationsdienstleister entwickelt. Die vwd group bietet heute maßgeschneiderte Informations-, Kommunikations-und Technologielösungen für das Wertpapiergeschäft. Wir haben uns auf kundenindividuelle Anforderungen im Retail Banking, Private Banking und der Vermögensverwaltung dem heutigen Wealth Management spezialisiert und uns zu einem der führenden Anbieter in Europa entwickelt. Unsere positive Geschäftsentwicklung der letzten Jahre zeigt uns, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.
GSC Research: Wie sieht das konkret aus?
Keferstein: Die Basis aller unserer Geschäftsmodelle ist die Informationsverarbeitung- und Aufbereitung für die diversen Zielgruppen. Wir erhalten heute die Daten von über 75 Börsenplätzen weltweit. Dazu kommen nochmals über 100 außerbörsliche Kursquellen. Das sind mehr als 2,6 Mio. Instrumente. Die Anzahl der Daten steigt kontinuierlich an. Heute verzeichnen bis zu 1,8 Milliarden Updates pro Tag.
Die gesammelten Daten und Informationen werden von uns verarbeitet, veredelt und in verschiedenen Applikationen Finanzdienstleistern, Investoren und Medien strukturiert zur Verfügung gestellt. Als Full-Service-Anbieter unterstützen wir das Wertpapiergeschäft von der Emission über die Distribution, Analyse und den Handel bis hin zur Beratung und Verwaltung.
GSC Research: vwd ist thematisch in drei Geschäftsfelder gegliedert. Könnten Sie kurz erklären, was Sie in den einzelnen Bereichen jeweils machen?
Keferstein: Das Geschäft der vwd group ist in die drei Geschäftsfelder“ Market Data Solutions“ (MDS), „Technology Solutions“ (TS) und „Specialised Marketing Solutions“ untergliedert. Im Geschäftsfeld MDS bieten wir ein breit gefächertes Angebot an Marktdatensystemen, browserbasierten Applikationen und Portfoliomanagement-Lösungen in Form von standardisierten Produkten an. Im Bereich TS geht es vorwiegend um Informations-, Technologie- und Transaktionslösungen, die kundenindividuell entwickelt werden. Hinzu kommen Hosting- und diverse Beratungs-Dienstleistungen. Im Geschäftsbereich SMS konzentrieren wir uns auf multimediale Veröffentlichungs-und Kommunikationskonzepte in Finanzmedien, durch die beispielsweise Fondsgesellschaften ihre Zielgruppen direkt ansprechen können.
GSC Research: Die Bereiche Technology Solutions (TS) und Specialised Marketing Solutions (SMS) sind für den mit vwd noch nicht so vertrauten Anleger schwer zu unterscheiden. Könnten Sie die beiden Bereiche für uns noch etwas schärfer gegeneinander abgrenzen Herr Keferstein?
Keferstein: Wie der Name schon andeutet, geht es im Bereich TS vorwiegend um Technologielösungen. Dazu gehören unter anderem die Konzeption und Realisierung professioneller Internetpräsenzen für Banken, Online-Broker und Medien. Auf Wunsch übernimmt die vwd group auch das Hosting und die Administration der entsprechenden Weblösungen im eigenen Rechenzentrum.
Dagegen geht es im Bereich SMS um zielgruppengenaue und medienübergreifende Veröffentlichungs- und Kommunikationskonzepte im Internet, in Tageszeitungen und Wirtschaftsmedien. In diesem Zusammenhang können wir unseren Kunden die Präsenz in definierten Zielgruppen garantieren. Als umfassender Dienstleister, der sämtliche Produktionsschritte aus einer Hand kontrolliert, sorgen wir zudem für höchste Qualität. Hinzu kommen Sonderwerbeformen für die Produkte von Emittenten und die werbetreibende Industrie sowie die Verbreitung wichtiger Finanz- und Preisinformationen von Finanzdienstleistern über klassische Printmedien, online oder per Teletext.
GSC Research: Welche Rolle spielt dabei das Internet, hier ist vwd ja mit dem Portal finanztreff.de vertreten?
Keferstein: Mit „finanztreff.de“ verfügen wir über das größte redaktionelle bankenunabhängige Finanzportal im deutschsprachigen Raum. Im Monat nutzen durchschnittlich 320.000 User das umfangreiche Informationsangebot, die kostenlosen Services sowie die Vielzahl an innovativen Tools rund um Themengebiete wie Aktien, Anleihen, Fonds und Zertifikate.
Dabei erzielt „finanztreff.de“ zwischen 50 und 60 Mio. Seitenaufrufe bzw. 5 bis 6 Mio. Besuche im Monat. Sämtliche Erfahrungen, die wir mit „finanzreff.de“ sammeln, werden adaptiert und fließen bei der Konzeption und Realisierung professioneller Internetpräsenzen unserer Kunden ein. Das Internet gewinnt als Veröffentlichungsmedium immer mehr an Bedeutung.
GSC Research: Der Konzernumbau scheint zunächst zum Abschluss gekommen zu sein. Welche Aufgaben stehen zurzeit im Fokus der Unternehmensplanung?
Keferstein: In den letzten drei Jahren sind wir stetig gewachsen und haben die vwd group auf weiteres Wachstum ausgerichtet. Neben dem organischen Wachstum werden wir weiterhin auch anorganisch wachsen. Unser Ziel heißt dabei Europa!
Mit der Übernahme der FIDES Information Services AG Schweiz im Jahr 2006 haben wir uns den Schweizer Markt erschlossen. Mit der aktuellen Akquisition der Tijd Nederland B.V. (TBM) sind wir jetzt in den Niederlanden und Belgien durch den regionalen Marktführer vertreten.
GSC Research: Sind Übernahmen nicht riskanter als das organische Wachstum ins Ausland?
Keferstein: Nein. Unsere Übernahmen zeichnen sich dadurch ab, dass wir auf bereits regional etablierte Unternehmen setzen. Hierdurch ersparen wir uns teure Erschließungskosten und können durch die Hebung von Synergien Kosten sparen.
GSC Research: Planen Sie noch weitere Akquisitionen?
Keferstein: Wir halten weiterhin Ausschau nach geeigneten Targets. Sollte ein Unternehmen in die Struktur der vwd group passen und dazu der Übernahmepreis noch realistisch sein, werden wir nicht lange zögern und entsprechend handeln. Die vwd group wird eine aktive Rolle bei der Marktkonsolidierung spielen.
GSC Research: Ihnen scheint entgegenzukommen, dass die Banken im Zuge der Subprimekrise das Privatkundengeschäft wiederentdeckt haben. Können Sie uns ihre Angebote in diesem Bereich etwas näher erläutern?
Keferstein: Allgemeine Faktoren wie die verstärkte Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge beeinflussen die Entwicklung im Privatkundengeschäft nachhaltig positiv. Das Privatkundengeschäft der Banken verlangt sowohl online als auch offline immer effizientere Beratungsprozesse. Genau hier setzten wir mit unseren Markdatensystemen und den Onlinetools für den Vertrieb der Banken an. Es sind unsere Produkte die es den Banken ermöglicht ihren Kunden eine bedarfsgerechte Produktberatung anzubieten. Hier erwarten wir eine erhöhte Nachfrage nach Lösungen aus den Bereichen MDS und TS.
GSC Research: Neben dem Ausbau der Zusammenarbeit mit der DZ BANK haben Sie jetzt auch einen großen Vertrag mit der Credit Suisse abgeschlossen. Können Sie uns die Hintergründe hierzu näher erläutern?
Keferstein: Zunächst möchte ich hervorheben, dass die derzeit verhandelte Erweiterung der Geschäftsbeziehung mit der DZ BANK das bisherige Geschäft mit diesem Kunden mehr als verdreifachen wird. Bedenkt man, dass die DZ BANK bereits heute zu den größten Kunden der vwd group zählt, können wir hier sicherlich einiges erwarten.
Das Projekt mit der Credit Suisse ist etwas anders strukturiert. Die strategische Partnerschaft beinhaltet die Lieferung einer Portfolio-Komplettlösung, die speziell auf die Anforderungen der unabhängigen Vermögensverwalter, die mit der Credit Suisse zusammenarbeiten, zugeschnitten ist. Die Credit Suisse wird ihren zahlreichen unabhängigen Vermögensverwalter diese Lösung zu attraktiven Konditionen anbieten. Wir freuen uns sehr, dass es uns in dieser Ausschreibung gelungen ist uns gegen die internationale Konkurrenz durchzusetzen und sind sicher, dass die Partnerschaft langfristig sehr deutlich beim Umsatz und Ergebnis sichtbar werden wird.
GSC Research: Nachdem Sie einen umfassenden Überblick über vwd gegeben haben, würden die Leser sicherlich interessieren, wer Ihre Wettbewerber in den verschiedenen Segmenten sind?
Keferstein: Wir sind der größte deutsche Anbieter von Finanzinformationsdienstleistungen. In den von uns belegten Teilmärkten im Bereich MDS und TS konkurrieren wir nur mit einem multinationalen Konzern, nämlich Thomson Reuters oder mit mittelgroßen Unternehmen wie GLTrade oder IDC. Keines der Unternehmen kann in Deutschland in der Bandbreite Dienstleitungen anbieten, wie es die vwd group täglich unter Beweis stellt.
Im Bereich SMS stehen wir im Wettbewerb mit überregionalen Tageszeitungen wie der Börsenzeitung oder der Süddeutschen Zeitung, die ihre Kurs- und Fondslistings noch selbst vermarkten. Unser Finanzportal finanztreff.de konkurriert mit Anbietern wie Onvista oder wallstreet-online. Aufgrund unseres umfassenden Zugangs sowohl zu Print- als auch zu Online-Medien verfügen wir aber über erhebliche Vorteile bei der Reichweite und Distribution zielgruppenspezifischer Kommunikations- und Marketingmaßnahmen.
GSC Research: Können wir Ihre Aussagen dahingehend verstehen, dass es „den“ Wettbewerber für vwd im engeren Sinne also nicht gibt?
Keferstein: Richtig! Wir verstehen uns als regionaler Spezialist für die von uns erschlossenen Märkte. Unsere Kernkompetenz liegt gerade darin, dass wir uns in jedem Markt auf die jeweiligen regionalen Bedürfnisse einstellen. Auch wenn unser Geschäftsmodell große Skaleneffekte besitzt, so besitzen wir keine Standardlösung, die weltweit für alle Märkte eingesetzt wird. Unsere Lösungen sind flexibel und werden marktgerecht angepasst.
GSC Research: Was bedeutet diese Erkenntnis für die weitere Unternehmensentwicklung von vwd?
Keferstein: Wir werden nur in den europäischen Märkten aktiv werden, in denen wir uns als Spezialist etablieren können. Dabei konzentrieren wir uns auf Kontinentaleuropa. Nicht in allen Ländern müssen wir immer durch eine erneute Akquisition expandieren. Eine enge partnerschaftliche Zusammenarbeit kommt durchaus auch in Betracht, vor allem wenn es um Märkte geht, die wir selbst nicht direkt bearbeiten wollen.
GSC Research: Kommen wir zur jüngeren Vergangenheit. Sie hatten im vergangenen Jahr eine Kapitalerhöhung angesetzt, diese dann aber verschoben. Könnten Sie uns noch einmal kurz die Hintergründe schildern?
Keferstein: Die geplante und dann verschobene Kapitalerhöhung hatte zwei wesentliche Ziele. Zum einen wollten wir den Free Float der vwd-Aktie erhöhen und zum anderen unseren Spielraum für mögliche Akquisitionen erhöhen, wobei wir bereits gezeigt haben, dass wir auch ohne Kapitalerhöhung aus eigener Kraft weiter akquirieren und wachsen können.
Die geplante Kapitalerhöhung fiel leider genau in den Zeitraum, als die erste Welle der Hiobsbotschaften der Banken über Milliardenabschreibungen hereinbrach. Aufgrund des negativen Bankenumfeldes waren die Investoren sehr zögerlich bei der Zeichnung. Das gezeichnete Volumen und der zu erwartende Emissionspreis entsprachen daher nicht unseren Vorstellungen und hätten zu einer Verwässerung der Aktie geführt. Im Interesse unserer Aktionäre haben wir dann unser Vorhaben zurückgezogen.
Auch wenn das Marktumfeld weiterhin schwierig ist, so ist es trotzdem denkbar, dass wir kurzfristig kleinere Kapitalerhöhungen zur Portfoliobereinigung und zur Erhöhung des Free Float durchführen werden. Derzeitig sehen wir die Kapitalmärkte aber nicht in der Lage, eine größere Kapitalerhöhung aufzunehmen. Wir werden dieses Vorhaben jedoch zu gegebener Zeit wieder aufgreifen.
GSC Research: Hat das auch die Zahlen für 2007 belastet?
Keferstein: Die Kosten zur Durchführung einer Due Diligence und für Beratungsleistungen für die verschobene Kapitalerhöhung sind erheblich gewesen und haben uns rund 1,4 Mio. Euro gekostet. Bei einer geglückten Kapitalerhöhung wäre dieser Betrag mit dem neu gewonnen Eigenkapital verrechnet worden und hätte das Ergebnis nicht belastet. Hinzu kamen Einmalbelastungen aus der außergerichtlichen Einigung zur Beilegung der Einsprüche zur Verschmelzung in Höhe von 1,1 Mio. Euro. Dieser Aufwand war aber einmalig und wird im laufenden Jahr nicht mehr anfallen.
GSC Research: Damit sollte die Vergangenheit genug gewürdigt sein, lassen Sie uns gemeinsam in die Zukunft schauen. Wie sieht Ihr Ausblick für das laufende Geschäftsjahr aus?
Keferstein: Wir werden in 2008 weiterhin sowohl beim Umsatz als auch beim Ergebnis wachsen. Nach einem Umsatz von 65 Mio. Euro in 2007 gehen wir für das laufende Jahr von einem Umsatz deutlich über 70 Mio. Euro aus. Auch beim Ergebnis werden wir wieder stark zulegen können. Wir erwarten, dass das EBIT nach 5,3 Mio. Euro in 2007 im laufenden Jahr bei über 8 Mio. Euro liegen wird. Mit unseren Vorgaben möchten wir auch noch einmal unterstreichen, dass die vwd group wie in der Vergangenheit nachhaltig profitabel wächst.
GSC Research: Trotz Ihrer schlüssigen Unternehmensstrategie ist die Börse im übertragenen Sinne noch nicht auf den vwd-Zug aufgesprungen. Wie wollen Sie das ändern?
Keferstein: Unsere Achillesverse für größere institutionelle Investoren ist weiterhin der eindeutig zu niedrige Free Float der Aktie. Wir sind davon überzeugt, dass wir ein stimmiges Geschäftsmodell besitzen und dass unser rasantes Wachstum in der Vergangenheit sich auch weiter fortsetzen wird. Wir werden alles daran setzen, den Fokus der Financial Community stärker auf die vwd-Aktie zu lenken. Beispielsweise werden wir uns auf der SCC_Small Cap Conference der DVFA im August und auf dem Eigenkapitalforum der Deutschen Börse im November den Investoren und Analysten präsentieren.
Wie bereits angesprochen werden wir auch über gezielte kleinere Kapitalerhöhungen die Aufmerksamkeit auf uns lenken. Daneben wurde das Sentiment zur vwd-Aktie durch die Nähe zu Banken negativ beeinflusst. Dies ist auf Grund unserer Positionierung ungerechtfertigt, was ja auch die Ergebnisentwicklung der vwd group beweist. Als „Energieversorger“ für das Privatkundengeschäft unserer Kunden sind wir schon heute für auf Small- und Midcaps spezialisierte institutionelle Anleger ebenso wie den klassischen Kleinanleger ein attraktives Anlageziel.
GSC Research: Wo sehen Sie sich mit der vwd heute und wo wollen Sie in zehn Jahren stehen?
Keferstein: Die vwd group ist einer der leistungsstärksten und am schnellsten wachsenden Finanzinformationsdienstleister in Europa. Und das in einem Markt, in dem es immer weniger Anbieter gibt. Stellvertretend sei hier nur die Fusion von Thomson und Reuters genannt. Unsere Kunden wünschen aber leistungsfähige Alternativen.
Die vwd möchte nach Beendigung der Konsolidierungsphase in Europa und der eigenen Ausbauphase in ihrem Marksegment in Europa der größte und profitabelste Anbieter für Finanzinformationsdienstleistungen sein. Hierzu wird es notwendig sein – und das ist realistisch erreichbar – das jetzige Geschäftsvolumen nochmals mehr als zu verdoppeln.
GSC Research: Herr Keferstein, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und wünschen der vwd und Ihnen viel Erfolg bei der Bewältigung der zukünftigen Aufgaben.
Veröffentlichungsdatum:
23.06.2008
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13:31
Redakteur:
msc