Zu ihrer diesjährigen ordentlichen Hauptversammlung hatte die Koblenzer net AG für den 8. April 2008 in die Räume der deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt eingeladen.
Bereits im Vorfeld hatten Aktionäre ihren Unmut mit der Verwaltung der Gesellschaft in Internetforen kundgetan und angekündigt, auf der Hauptversammlung zu opponieren. Das Interesse schlug sich bei der Veranstaltung allerdings nicht in der Präsenz nieder, denn diese belief sich auf unter 20 Prozent des Grundkapitals. Hingegen hatten sich rund 70 Teilnehmer zu der Veranstaltung eingefunden, darunter auch Hans-Hermann Mindermann für GSC Research.
Auch die Mitglieder der Organe waren vollzählig anwesend, als der Aufsichtsratsvorsitzende Dirk Niebergall die Veranstaltung um 14 Uhr eröffnete. Neben der Erläuterung der üblichen Formalien erstattete dieser auch den Bericht des Aufsichtsrats, ehe er dem Alleinvorstand Dr. Stefan Immes das Wort erteilte.
Bericht des VorstandsIn seinem Bericht konnte der Vorstand auf das seit der Börsennotierung der Gesellschaft bisher erfolgreichste Geschäftsjahr zurückblicken. (
Anm. des Verfassers: Die Gesellschaft hat ein gebrochenes Geschäftsjahr zu Ende September. Entsprechend war Gegenstand der Ausführungen das Geschäftsjahr 2006/2007.) So konnten die Umsatzerlöse um rund 25 Prozent gesteigert werden, während das Ergebnis vor Steuern von 1,1 auf 2,99 Mio. Euro verbessert wurde. Auch zu Beginn des laufenden Geschäftsjahres hielt der positive Trend an. Entsprechend zeigte sich Dr. Immes zuversichtlich, im laufenden Geschäftsjahr die Vorjahresergebnisse übertreffen zu können.
Für die Gesellschaft war der Kauf der spanischen Micronet S.A. von großer Bedeutung, durch den insbesondere der Unternehmensbereich Publishing durch den Zugang zur Spanisch sprechenden Welt deutlich gestärkt wurde. Zuvor war man hier zu stark auf Deutschland fixiert, während die Kunden und Softwarepartner eine internationale Präsenz erwarten. Entsprechend soll auch weiteres internationales Wachstum folgen. Alle Unternehmen des Bereichs Publishing waren im vergangenen Geschäftsjahr erfolgreich, und ebenso zeigten die Unternehmen des Geschäftsbereichs IT-Solutions starke Resultate, fasste Dr. Immes den Blick auf die beiden Unternehmensbereiche zusammen.
Der net AG-Konzern zeigt eine exzellente Bilanz mit einer hohen Eigenkapitalquote. Die erfolgreich realisierte Akquisition der Micronet erforderte eine Finanzierung von insgesamt rund 7,5 Mio. Euro. Davon wurden 2 Mio. Euro durch Schuldscheindarlehen aufgebracht, während der Rest durch einen Konsortialkredit von Deutscher und DZ Bank abgedeckt wird. Der Kredit ist mit den Anteilen von Tochtergesellschaften besichert und wird mit 1 Prozent über Euribor verzinst. Die Besicherung entspreche marktüblicher Praxis, griff der Vorstand im Folgenden die Kritik von Aktionären hieran auf und zeigte anhand von Beispielen anderer Unternehmen die dort gewählten Vorgehensweisen.
Im Anschluss an eine detaillierte Vorstellung der beiden Unternehmensbereiche folgte der Ausblick, der eine anhaltend positive wirtschaftliche Entwicklung signalisiert. So sollen die Umsatzerlöse im laufenden und kommenden Jahr die Marken von 60 und 70 Mio. Euro übersteigen, und das Ergebnis vor Steuern soll weiter zulegen. Ebenso wird ein Rückgang der Nettoverschuldung bei steigender Liquidität angestrebt.
Die Aktie hat diese Signale und Ergebnisse allerdings nicht nachvollzogen. Dr. Immes bezeichnete den Aktienkurs als enttäuschend und geht davon aus, dass sich die Aktienbewertung von den Fundamentaldaten gelöst hat. Als Ursache machte er unter anderem die generelle Marktzurückhaltung gegenüber Small Caps aus. Zusammen mit dem aktuell schwierigen Marktumfeld haben daher die eigenen intensiven Investor Relations nicht die gewünschten Ergebnisse gezeigt, führte der Vorstand weiter aus.
Wie Dr. Immes abschließend ausführte, hatten Aktionäre im Vorfeld der Hauptversammlung Gegenanträge zu Punkten der Tagesordnung vorgetragen, aber keinen Nachweis der dafür erforderlichen Aktionärseigenschaft erbracht. Daher wurden diese Anträge auch nicht veröffentlicht.
Allgemeine DiskussionDie Diskussion eröffnete Herr Hoffmann als Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Die Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahrs bezeichnete dieser als erfreulich, wollte aber zugleich erfahren, inwieweit diese organisch oder akquisitionsgetrieben entstanden sind. Weitere Fragen betrafen den Margendruck im IT-Geschäft und eventuelle Vorleistungen bei Projekten in diesem Bereich. Im Geschäftsbereich Publishing hingegen waren ihm die langen Forderungslaufzeiten aufgefallen, wobei er sich nach deren Ursachen und Möglichkeiten eines Gegensteuerns erkundigte.
Herr Möst stellte einen Antrag auf Sonderprüfung zu den TOPs 1, 2 und 3. Zur Sonderprüferin sollte Frau Marion Kostinek bestellt werden. Gegenstand der Prüfung sollten Details zu den Liquiditätsabflüssen aus der Gesellschaft im vergangenen Geschäftsjahr, dem Risikomanagementsystem in der Gesellschaft und den Auswirkungen von Ereignissen der Vergangenheit auf das Ergebnis des Geschäftsjahres 2006/2007 sein. Ferner sollten verschiedene Verträgen und gesellschaftsrechtliche Veränderungen, die strategische Ausrichtung der Gesellschaft und des Konzerns sowie die Höhe von Vergütungen geprüft werden. Weiterhin sollte über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und die Bestellung eines besonderen Vertreters befunden werden.
Ebenso stellte Herr Frank einen Gegenantrag gegen den zur Bestellung vorgeschlagenen Abschlussprüfer und wollte stattdessen die BDO gewählt haben. Zu den weiteren von ihm gestellten Fragen zählt auch jene nach dem Stand der von der Gesellschaft vor längerer Zeit angekündigten Prüfung eines Börsengangs einer der beiden Unternehmensbereiche.
Herr Köhler vermisste den AG-Abschluss, den er auf der Homepage der Gesellschaft nicht ausfindig machen konnte. (
Anm. des Verfassers: Der Geschäftsbericht enthält lediglich den konsolidierten Abschluss.) Zudem erinnerte er die Verwaltung an die gesetzliche Verpflichtung zur Auslage des Abschlusses.
In der Folge befassten sich auch weitere Redner mit dem AG-Abschluss. So war aufgefallen, dass in dem in der Veranstaltung ausgelegten Exemplar des Abschlusses die Unterschrift des Vorstands fehlte, und es gab auch Kritik aufgrund nicht erfolgter Zusendungen des Abschlusses auf Anforderung durch einen Aktionär. Weiterer Diskussionspunkt war die Finanzierung der Akquisition Micronet, zu der sich unter anderem auch mit Herrn Hock ein ehemaliges Aufsichtsratsmitglied zu Wort meldete. Dieser hatte nach seinem Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat die Gesellschaft bei der Beschaffung der Finanzierung beraten. Herr Hock erläuterte die mit der Finanzierung verfolgten Ziele und führte aus, dass die erreichten Ergebnisse für die Gesellschaft vorteilhaft seien.
Zahlreiche weitere Fragen anderer Aktionäre sowie mehrere der vorstehend aufgeführten Redner bezogen sich auf Themen des Corporate Governance-Kodex.
Im Anschluss an die erste Fragerunde unterbrach die Verwaltung die Veranstaltung für rund eineinhalb Stunden zur Vorbereitung der Antworten auf die gestellten Fragen.
AntwortenGegen 17:20 Uhr wurde die Hauptversammlung fortgesetzt.
Bei den Investor Relations wird man nach Aussage von Dr. Immes bei der Gesellschaft neue Wege gehen. Die klassischen Small Cap-Investoren stehen derzeit im Käuferstreik, folglich wird man sich verstärkt Spezialinvestoren und Family Offices zuwenden. Das aktuelle Umfeld ist allerdings dafür nicht förderlich, dämpfte der Vorstand zugleich die Erwartungen.
Das um die Effekte von Akquisitionen bereinigte Umatzwachstum wurde mit 5,9 Prozent genannt. Im Bereich IT-Solutions fallen bei den Projekten keine nicht weiterberechenbaren Aufwendungen an, sieht man einmal von den Akquisitionskosten ab. Insbesondere gibt es auch keine Aufwendungen für eine Vorfinanzierung. Der Margendruck in diesem Bereich betrifft vor allem Router und Switches, während höherwertige und innovative Produkte kaum betroffen sind und daher auch im Fokus der Gesellschaft stehen.
Die Akquisition Micronet erfolgte mit Blick auf den Eintritt in den spanisch sprechenden Markt. Die Gesellschaft ist im sogenannten non-games-Bereich tätig, der stagniert. Allerdings hat sie ihren Schwerpunkt in Sicherheitsthemen, die wiederum ein gutes Marktwachstum zeigen. Die Gesellschaft hat sich im Übrigen positiv entwickelt, zum 31.3.2008 lagen die Ergebnisse über Plan, und die Integration in den Konzern ist zwischenzeitlich abgeschlossen.
Die langen Forderungslaufzeiten im Bereich Publishing gehen vor allem auf die Marktmacht des Handels zurück und sind faktisch nicht verhandelbar. Effektiv sind über 100 Tage Forderungslaufzeit marktüblich. Die Gesellschaft prüft daher die Alternative Factoring.
Der Abschluss der AG lag den weiteren Angaben zufolge seit der Einberufung der Hauptversammlung bei der Gesellschaft zur Einsicht aus. Gespräche mit potenziellen Investoren für den Fall eines Börsengangs eines Unternehmensbereichs erbrachten eine gemischte Resonanz. Die damit einhergehende Profilschärfung wurde begrüßt, doch wären die beiden Bereiche bei isolierter Betrachtung für den Kapitalmarkt zu klein. Entsprechend erscheint das Vorhaben der Verwaltung derzeit noch verfrüht.
Weitere DiskussionIn einer zweiten Fragerunde beantragte unter anderem Frau Kostinek die Einzelabstimmung zur Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder. Herr Köhler erkundigte sich nach dem in der Tagesordnung fehlenden Gewinnverwendungsvorschlag. Immerhin habe die AG einen Gewinn erzielt, und in deren Abschluss werde ausdrücklich die Vorlage eines Gewinnverwendungsvorschlags an die Hauptversammlung erwähnt. Daher wollte er wissen, warum heute nicht darüber beschlossen werden soll und wann dies dann erfolgen soll.
Nach einer erneuten Unterbrechung gab Dr. Immes zunächst weitere Details zur Finanzierung der Micronet-Akquisition bekannt. Sodann räumte er ein, dass in der Einberufung der Hauptversammlung aufgrund des fehlenden Tagesordnungspunkts zur Gewinnverwendung ein Formfehler enthalten ist, der auch nicht geheilt werden kann. Sofern über die anderen Tagesordnungspunkte Beschluss gefasst würde, wäre dies mit dem Risiko der Anfechtung verbunden. Daher habe sich die Verwaltung entschlossen, die Vertagung der Hauptversammlung zur Abstimmung zu stellen. Zeitnah hernach soll dann zu einem neuen Hauptversammlungstermin einberufen werden, der noch vor Ablauf der gesetzlichen Acht-Monats-Frist liegen soll.
Im Folgenden gab es hierzu eine kurze Diskussion, in der Dr. Immes bestätigte, dass die Gesellschaft auch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in diesem Zusammenhang prüfen wird. Sodann wurde der Vorschlag der Verwaltung zur Abstimmung gestellt.
AbstimmungAbgestimmt wurde auf Vorschlag der Verwaltung im Subtraktionsverfahren lediglich über die Vertagung der Hauptversammlung wegen eines unheilbaren Formfehlers in der Einberufung. Vertreten waren hierbei 4.107.965 Aktien entsprechend 18,67 Prozent des Grundkapitals. Die Abstimmung erbrachte 7.915 Gegenstimmen bei 314.637 Enthaltungen. Damit wurde der Vorschlag der Verwaltung mit über 99 Prozent der Stimmen angenommen.
Fazit und eigene MeinungDer Abbruch der Hauptversammlung der net AG war eine zwangsläufige Konsequenz des Formfehlers in der Einberufung, die Verwaltung hatte keine Wahl zu diesem Vorschlag. Als Ergebnis kann man daher festhalten, dass die Beteiligten in einigen Wochen Gelegenheit zu einem Wiedersehen haben werden.
Auffällig ist der scharfe Kontrast zwischen dem Aktienkurs und dem Stimmungsbild auf der Hauptversammlung zur wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens. Ob sich daran bis zur nächsten Hauptversammlung etwas ändern wird, ist allemal zu bezweifeln.
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Veröffentlichungsdatum:
14.04.2008
-
18:03
Redakteur:
hmi