Am 12. Februar 2008 fand um 15 Uhr in den Räumlichkeiten von GSC Research in Düsseldorf ein Investorenmeeting der Balda AG statt. Matthias Schrade, Geschäftsführer von GSC Research, begrüßte den Leiter Investor Relations bei der Balda AG, Herrn Clas Röhl, und rund zwanzig Anleger, Analysten und Pressevertreter, die sich hierzu eingefunden hatten.
Besonders dankte Herr Schrade dem Vertreter von Balda für die Bereitschaft, sich trotz der schwierigen Nachrichtenlage bei dieser Gesellschaft einer Diskussion mit Investoren zu stellen. Zudem führte er aus, dass sich wohl alle Teilnehmer von der heutigen Veranstaltung Aufschlüsse erhoffen, wo Balda steht, wenn sich „die Staubwolken verzogen haben“, nachdem derzeit vor allem die Diskussion um Gehaltsrückstände bei der verkauften Ex-Tochter Balda Solutions die Schlagzeilen beherrscht.
Über die Veranstaltung, welche sich im Laufe der Zeit immer mehr zu einer lebhaften Diskussion entwickelte, berichtet nachfolgend Investmentanalyst Klaus Kränzle.
Bericht des Firmensprechers und DiskussionSeine Ausführungen begann Herr Röhl mit einem kurzen Überblick über die heutige Balda AG. Bevor er auf die aktuelle Entwicklung einging, wollte er zunächst den Anwesenden einige Hintergrundinformationen zu dieser Gesellschaft präsentieren. Das Unternehmen wurde demnach bereits im Jahre 1908 in Dresden gegründet und feiert somit in diesem Jahr sein 100-jähriges Firmenjubiläum.
Leider überschatten derzeit aktuelle Entwicklungen den Kern der Unternehmensstory, führte Herr Röhl weiter aus. So hob er hervor, dass Balda einen rasanten Wandel vollzogen hat und in Deutschland lediglich noch eine Minderheit von circa 200 Mitarbeitern in der Sparte Balda Medical und in übergeordneten Steuerungs- und Spezialfunktionen verblieben ist, während das Gros der in der Produktion tätigen Mitarbeiter in China und Malaysia arbeitet. Hier sind ungefähr 8.500 Mitarbeiter für Balda tätig.
Erstes Produkt bei der Unternehmensgründung war den Angaben von Herrn Röhl zufolge eine Kamera. Im Laufe der Zeit konzentrierte sich das im ostwestfälischen Bad Oeynhausen beheimatete Unternehmen immer mehr in Richtung Kunststoffprodukte. Insofern lag es nahe, im Zuge der rasanten Entwicklung des Mobilfunks diese Kompetenz bei der Produktion von Handyschalen zu nutzen. Im Jahr 1999 ging die Balda AG an die Börse, in 2001 wurde die Produktion in China aufgenommen. Heute produziert Balda dort an drei Standorten. Zudem besitzt das Unternehmen noch jeweils eine Anlage in Malaysia, Indien und Brasilien.
Mit dem Verlust des Großkunden BenQ Siemens im Zuge dessen Insolvenz im Jahre 2007 geriet auch Balda in große Turbulenzen mit drastischen Auswirkungen auf das Unternehmen. Im Rahmen einer umfassenden Bestandsaufnahme kamen die Entscheidungsträger zu dem Ergebnis, dass die Zukunft von Balda nicht darin liegen kann, ein austauschbarer Zulieferer - auf neudeutsch „Commodity“-Produzent - zu sein. Andere Elemente außerhalb der Produktion von Kunststoff-Handyschalen sollten in Zukunft im Fokus der Unternehmensstrategie stehen, konkret metallische Komponenten und Touch-Sensoren.
Im Folgenden ging Herr Röhl dann auf die Zusammensetzung des derzeitigen Umsatzes von Balda sowie auf die wichtige Frage nach der Abhängigkeit von Großkunden ein. Demnach realisiert Balda momentan noch einen Großteil des Umsatzes im Bereich Infocom, unter dem die Produktion der Kunststoffgehäuse firmiert, mit dem Großkunden Sony Ericsson. Diese Abhängigkeit ist nach Aussage von Herrn Röhl jedoch nicht so schlimm, wie man bei dieser hohen Quote befürchten könnte, da Balda den Status eines sogenannten Entwicklungspartners besitzt, der nicht ohne Weiteres kurzfristig ausgetauscht werden kann. Er räumte jedoch ein, dass dieser Sachverhalt langfristig durchaus eine Schwäche darstellt, die man bei Balda perspektivisch abstellen will.
Wie Herr Röhl weiter ausführte, geschieht dies unter anderem auch mit der Ausweitung des margenstarken Bereichs Balda Medical, der derzeit erst 10 Prozent zum Konzernumsatz beisteuert. Hier werden unter anderem spezielle Lösungen im Bereich Pharma und Diagnostik wie z.B. Blutzuckermessgeräte produziert.
Weiterhin äußerte sich Herr Röhl zu den sogenannten Touch-Produkten und dem iPhone von Apple, das kurzfristig für positive Nachrichten im eher negativen Gesamtszenario bei Balda gesorgt hatte. Hierzu führte er aus, diese gesamte Thematik sei sehr politisch und sensibel und „auf höchster Ebene“ bei beiden Unternehmen angesiedelt. Die Anwesenden bat er aus diesem Grund auch um Verständnis, dass er sich zu diesem Kontext nur in Form von Analystenzitaten äußern könne, da er als Balda-Vertreter keinen offiziellen Kommentar zu dieser von vielen Beobachtern als Fakt betrachteten Lieferbeziehung geben könne.
Wie Herr Röhl erklärte, erfolgt die Fertigung der Touch-Produkte in einem Joint Venture mit dem taiwanesischen Unternehmer Michael Chiang, der sich im Zuge dieser strategischen Partnerschaft zudem auch mit über 15 Prozent an der Balda AG beteiligt hat. In diesem Zusammenhang erkundigte sich Herr Gabriel vom Bankhaus Lampe nach den durchschnittlichen Umsatzbeiträgen der von Balda produzierten Komponenten. Diese Frage beantwortete Herr Röhl dahingehend, dass ein Gehäuse etwa einen Umsatzbeitrag von 2,50 US-Dollar ausmacht, während ein Tochscreen ungefähr mit 25 US-Dollar zu Buche schlägt. Ein kombiniertes Display und Touchscreen werden von Balda mit circa 50 US-Dollar angesetzt.
Eine weitere Frage von Herrn Schrade bezog sich auf die Markteintrittsbarrieren für die von Balda bearbeiteten Märkte; insbesondere fragte er, wie lange ein derzeit im Massenmarkt für Touch-Produkte tätiges Unternehmen brauchen würde, um in den von Balda bearbeiteten „High End“-Sektor vorzustoßen. Hierzu erklärte Herr Röhl, da gebe es sehr unterschiedliche Vorgehensweisen in den verschiedenen Segmenten, und diese durchaus berechtigte Frage könne nicht pauschal beantwortet werden.
Danach erkundigte sich Herr Gabriel nach genaueren Details eines Großauftrags von sechs bis acht Millionen Headsets, worauf Herr Röhl erwiderte, er dürfe leider aus vertragstechnischen Gründen keine weiteren Details dazu bekannt geben und müsse somit an dieser Stelle bei den bekannten Details bleiben. Er führte jedoch aus, dass die Saisonalität mit der Tendenz einer Umsatzverlagerung in das zweite Halbjahr an Dynamik gewonnen hat. An dieser Stelle wiederholte er auf Nachfrage von Herrn Schrade die bekannte Guidance, die für das abgelaufene Geschäftsjahr einen Umsatz in Höhe von 414 und ein EBIT von plus 24 Mio. Euro vorsieht. Weitere Details wollte Herr Röhl an dieser Stelle mit Verweis auf den gegenwärtigen Prozess der Erstellung des Jahresabschlusses 2007 nicht nennen und bat um Geduld bis zur Bekanntgabe des Zahlenwerks am 19. März 2008.
Frau Palmen von der Nachrichtenagentur Reuters wollte wissen, welche Belastungen sich aus dem Verkauf der Balda Solutions ergeben könnten und ob gegebenenfalls in einem Worst-Case-Szenario sogar eine Rückabwicklung dieses Geschäfts droht. Diesbezüglich vertrat Herr Röhl die Position, dass die Balda Solutions mit Wirkung zum 31.12.2007 aus dem Konzern ausgeschieden ist. Obwohl dem Management von Balda das Schicksal der dort beschäftigten Kollegen in menschlicher Hinsicht natürlich nicht egal sein könne, müsse er dennoch auf diese formaljuristische Position hinweisen.
Auf die Nachfrage, ob dies Nachzahlungen von Balda bedeuten könnte, entgegnete Herr Röhl, dass die vereinbarten Zahlungen, die im Zuge der Übernahme der Balda Solutions durch Aurelius mit Hilfe einer Zwischengesellschaft K+S Plastics zugesagt wurden, auch geleistet worden sind und dass diese auch in Zukunft - sofern vertraglich vereinbart - weiterhin geleistet werden.
In diesem Zusammenhang fragte Herr Schrade nach, ob er die in der Presse teilweise durcheinander gebrachten Begriffsebenen insoweit richtig verstehe, dass sich aus dem Verkauf zwar ein Aufwand von rund 30 Mio. Euro in der Gewinn- und Verlustrechnung ergab, aber lediglich ein Liquiditätsabfluss von 10 bis 12 Mio. Euro. Herr Röhl bestätigte dies vom Prinzip her, wobei er die konkreten Zahlen noch nicht nennen könne. Daraufhin hakte Herr Schrade nach und erkundigte sich, ob Balda ein Rücktrittsrecht habe oder ob Herr Röhl nähere Details zu den Vertragsinhalten ausführen könne. Dies verneinte Herr Röhl, betonte aber, er gehe nicht davon aus, dass es über die in normalen Verträgen hinausgehenden Inhalte etwaige Nebenabreden gibt.
Herr Gabriel wollte wissen, ab wann die Balda AG in ihrer noch vergleichsweise jungen Sparte Medical Geld verdienen wird und wie hier die Kundenstruktur aussieht. Diese Frage beantwortete Herr Röhl dahingehend, dass man bei Balda davon ausgeht, in 2008 das erste Mal Geld im Segment Medical zu verdienen. Auf die Nachfrage nach Details zu der Abhängigkeit von Großkunden erklärte er, dass es neben dem Großkunden Roche im Bereich Medical derzeit auch schon andere Kunden gibt. Zugegebenermaßen müsse in diesem Bereich aber noch weiter diversifiziert werden.
Auf die Nachfrage, wie sich die Aufteilung der Umsätze im gesamten Konzern gestaltet, ergänzte Herr Röhl seine Ausführungen noch um weitere Informationen. Demnach generiert die Medizinsparte bislang 10 Prozent der Konzernumsätze, während jeweils rund 45 Prozent auf die Segmente Touch und Gehäuse entfallen. Im Segment Touch werden circa 80 Prozent der Umsätze mit vier Kunden erzielt. Für 2009 hat es sich Balda als Ziel gesetzt, den prozentualen Anteil des größten Kunden unter 50 Prozent zu drücken. Im Bereich Gehäuse entfallen laut Herrn Röhl ungefähr 60 bis 70 Prozent der Umsätze auf die fünf größten Kunden, wobei sich die Überschneidungen mit den Umsätzen in anderen Segmenten in Grenzen hielten. Gerade dies solle aber im Zuge der Hebung von Synergien langfristig geändert werden.
Eine weitere Frage bezog sich auf die Kundenbindung bei einem Massenprodukt. Nach Aussage von Herrn Röhl ist dies natürlich bei einem „Commodity“-Hersteller ein wichtiges Anliegen, weshalb man sich seitens Balda in Richtung des Entwicklungspartnerstatus bewege, um hier eben das Risiko der Austauschbarkeit herabzusetzen.
Herr Schendekehl erkundigte sich dann nach der Aktionärsstruktur. Nach Auskunft von Herrn Röhl liegen derzeit - teilweise nach den Schätzungen von Balda - 15,3 Prozent der Aktien bei Michael Chiang, über 10 Prozent bei Audley Capital und 8,4 Prozent bei Sapinda. 6,3 Prozent der Balda-Aktien hält Georg Kofler, weitere 6,3 Prozent Morgan Stanley. Herr Röhl wies jedoch darauf hin, dass die Aktionäre bekanntlich nur bei Über- bzw. Unterschreiten der einschlägigen Marken verpflichtet sind, eine Meldung gegenüber der Gesellschaft abzugeben, so dass die genannten Größen nur geschätzte Orientierungsgrößen darstellen können.
Diese Aufstellung nahm Herr Schrade zum Anlass, um zu fragen, ob man denn zum Beispiel von Seiten des Aktionärs Audley Capital oder anderer Anteilseigner Übernahmefantasie sehe. Hierauf erklärte Herr Röhl, dass eine solche natürlich bei einer derartigen Aktionärsstruktur immer besteht, dass ihm aber keine konkreten Fakten bekannt sind.
Grundsätzlich sei eine Übernahme jedoch denkbar, da Balda inzwischen der einzige noch unabhängige Zulieferer von Kunststoffgehäusen für Mobiltelefone weltweit sei und im Markt entsprechende Begehrlichkeiten denkbar seien. Angesichts der aktuell laufenden strategischen Neupositionierung hält Herr Röhl eine Übernahme jedoch zumindest kurzfristig für eher unwahrscheinlich. Auf eine Nachfrage nach dem Status des in der Vergangenheit lancierten Übernahmeangebots durch Audley Capital antwortete er, dass ein solches zwar mehrmals angekündigt wurde, letztlich allerdings nicht erfolgt ist. Wolfgang Barrenbrügge stellte in diesem Zusammenhang die Nachfrage, ob denn ein Vertreter der Großaktionäre im Aufsichtsrat sitzt, was Herr Röhl verneinte.
Die abschließende Fragerunde leitete Herr Schrade ein, der sich nach dem voraussichtlichen Finanzergebnis in 2008 im Zuge der durch den Verkauf von Balda Solutions und die durchgeführte Kapitalerhöhung verbesserten Bilanzstruktur erkundigte. Laut Auskunft von Herrn Röhl wird sich das Finanzergebnis natürlich verbessern, er bat jedoch um Verständnis dafür, dass er dies noch nicht konkretisieren könne.
Auch zur Frage nach der künftigen Steuerquote vermied Herr Röhl konkrete Aussagen, rang sich jedoch zu der Formulierung durch, dass man bei Balda hier von der Tendenz her aufgrund des zunehmenden Engagements in Asien eher sinkende Quoten erwartet. Auf die in den Raum geworfenen Quoten in einer Bandbreite von 20 bis 30 Prozent erhielt der Wert von circa 20 Prozent die eheste Zustimmung von Herrn Röhl, der jedoch diese Zahl lediglich als „sehr grobe“ und inoffizielle Indikation verstanden haben wollte.
Nach zwei Sunden angeregter Diskussion beendete GSC-Geschäftsführer Matthias Schrade die Debatte, dankte Herrn Röhl für seine interessanten Ausführungen und lud die Teilnehmer des Investorenmeetings zu einem Imbiss in den Räumlichkeiten von GSC Research ein.
Fazit und eigene MeinungIm Zuge der derzeit schwierigen Nachrichtenlage, in der sich die Balda AG befindet, ist es alles andere als selbstverständlich, dass sich ein Unternehmen einer solch unangenehmen Diskussion stellt. Auch wenn Herr Röhl von der Balda AG nicht alle Fragen zur Zufriedenheit der Anwesenden beantworten konnte, so ist allein die Bereitschaft, sich diesen zu stellen, doch positiv zu werten. Zudem zeigte das Teilnehmerinteresse, welch große Aufmerksamkeit die Aktie des Unternehmens nach wie vor am Kapitalmarkt genießt.
Nach unserem Eindruck scheint aus Sicht der Teilnehmer eine abschließende Beurteilung der Balda AG aus Kapitalmarktperspektive erst wieder möglich zu sein, wenn sich die „Staubwolken“ im Zuge des Konzernumbaus verzogen haben. Erst wenn der Verkauf der Balda Solutions endgültig für Balda abgeschlossen ist und dies die Kapitalmarktteilnehmer auch so wahrnehmen, kann der Blick auf die Zukunft ohne hohe Risikoabschläge in den Bewertungsmodellen vorgenommen werden.
Bis dahin ist ein Engagement in Balda-Aktien eher etwas für sehr spekulativ eingestellte Investoren, auch wenn wir die vom Unternehmen geschilderten Chancen mit Interesse zur Kenntnis genommen haben.
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Veröffentlichungsdatum:
20.02.2008
-
12:52
Redakteur:
ala