In Deutschland kommt noch ein sehr wichtiger Punkt hinzu, der ganz entscheidend für den leichten Einstieg kleinerer Anbieter war: die noch immer bestehende Buchpreisbindung, die den Margenverfall und Preiskämpfe unmöglich machten, so daß die Markteintrittsbarrieren niedrig waren und auch heute noch sind. Allerdings ist dadurch zum einen das Auftauchen weiterer Konkurrenz vergleichsweise leicht möglich, zum anderen tummeln sich bereits eine ganze Reihe weiterer Anbieter (z.B. amazon.de, bol.de, buch.de) ebenfalls im Markt, weitere sind im Kommen, beispielsweise booxtra.de und buecherwurm.de, hinter denen mit der Deutsche Telekom bzw. Metro/Daimler überaus kapitalstarke Konzerne stehen.
Schwer einschätzbar ist aber auch, wie lange die Buchpreisbindung noch Bestand haben wird; im Zuge der Europäischen Einheit dürfte dieses "deutsch-österreichische Relikt" ebenfalls wegfallen, auch wenn der Zeitpunkt momentan noch ungewiss ist. Auf jeden Fall ist zu befürchten, daß mit dem Ende der Buchpreisbindung ein massiver Preiskampf einsetzen wird, was sich in hohen Anfangsverlusten niederschagen dürfte, durch die vor allem kleinere und kapitalschwächere Anbieter Probleme bekommen werden.
Nach eigenen Angaben ist buecher.de hinter amazon.de derzeit die Nummer 2 im Markt, die anderen Anbieter seien keine echte Konkurrenz. In einem Vergleichstest im Frühjahr kam buecher.de dabei noch vor Amazon auf den ersten Platz, unter anderem aufgrund schnellerer Lieferzeiten, kostenlosem Versand innerhalb der EU und einer sehr guten Internetseite. Neben rund 1,6 Mio. verschiedenen Titeln aus 9 Ländern und in 5 verschiedenen Sprachen können über buecher.de auch CDs und Videos bestellt werden. Die Bestellung wird von buecher.de lediglich weitergeleitet, die Auslieferung übernehmen Libri bzw. KNO als Grossisten.
Mit einem Umsatz von nur 3 Mio. DM im letzten Jahr ist es noch ein weiter Weg bis zur Profitabilität. Im laufenden Jahr erwartet das Unternehmen etwa 14 Mio. Umsatz, im Jahr 2000 sollen es dann schon 37 Mio. und 2001 68 Mio. DM sein, wobei erstmals Gewinne erzielt werden sollen. Inwieweit diese Zahlen realistisch sind, ist aus heutiger Sicht schwer abzuschätzen, da neben dem speziellen Faktor Buchpreisbindung weitere Unwägbarkeiten, vor allem die Konkurrenzsituation, eine Prognose erschweren.
Interessant erscheint aus diesem Grund vor allem, daß sich das Konzeot des "virtuellen Einkaufskorbs" nach Unternehmenangaben auch auf andere Produkte ohne Schwierigkeiten übertragen lasse; somit könnte der Buchhandel mittelfristig als Portal zum Einstieg in den riesigen Ecommerce-Markt dienen. Ähnliches wird vom US-Giganten Amazon ebenfalls schon ins Auge gefaßt. Langfristig wird somit der Buchmarkt wohl nur noch ein Teilbereich des Geschäftes sein, wodurch sich völlig neue Perspektiven eröffnen.
Unter diesem Aspekt ist wohl auch die Bewertung zu sehen; bei einer Emissionsbewertung von etwas unter 300 Mio. DM, also gut dem 4fachen des für 2001 erwarteten Umsatz, sind durchaus noch Chancen auf Kurssteigerungen gegeben, auch wenn dazu ein wenig Phantasie gehört. Allerdings kann man in Anbetracht der jüngsten Kursexplosionen anderer Internetwerte durchaus davon ausgehen, daß schon bei oder kurz nach der Erstnotiz das Doppelte des Ausgabepreises oder noch mehr erreicht wird. Positiv hervorzuheben ist, daß seitens der Altaktionäre keine Stücke abgegeben werden.
Die Zeichnung ist schon allein aufgrund der Story auf jeden Fall ratsam, allerding sollten Käufe an der Börse nur von sehr spekulativ ausgerichteten Anlegern mit guten Nerven getätigt und immer beachtet werden, daß in der Bewertung schon eine Menge Phantasie enthalten ist. Käufe unter 25 Euro erscheinen noch im Rahmen des Vertretbaren, sind aber nur unter dem Aspekt der hohen Bewertungen für Internetaktien als attraktiv zu verstehen.