Im Rahmen der diesjährigen CeBIT in Hannover lud die infor business solutions AG am 13. März 2003 zu ihrer diesjährigen Bilanzpressekonferenz ein. Über die Veranstaltung, auf der Vorstandschef Prof. Dr. Joachim Hertel sowie Finanzvorstand Ludwig Augustin die Wirtschaftspresse über den Verlauf des Geschäftsjahres 2002 informierten, berichtet Alexander Langhorst für GSC Research.
Der Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Hertel begrüßte die Erschienenen und berichtete einleitend über die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im vergangenen Geschäftsjahr, die in nahezu allen Branchen zu entsprechend zurückhaltenden Investitionen in neue Software- und IT-Projekt geführt haben und der sich auch die infor business solutions AG nicht entziehen konnte.
Die infor AG zählt nach Vorstandsangabe mit ihren mehr als 3.500 überwiegend mittelständischen Kunden zu den führenden europäischen Softwarehäusern auf dem Gebiet der betriebswirtschaftlichen Komplettlösungen, sogenannter ERP-Software. Mit dem eigenen Flagschiff infor:COM wird dem Kunden eine Lösung angeboten, die alle in einem fertigungsorientierten Unternehmen anfallenden Prozesse unterstützt und vollkommen plattformunabhängig eingesetzt werden kann.
Neben der Möglichkeit einer individuellen Zusammenstellung einzelner Komponenten bietet infor auch branchenspezifische Lösungen an. Die Hauptzielgruppe hierfür sind Unternehmen aus den Bereichen Automobilzulieferer, Möbelhersteller, Steinverarbeiter, Schmuckindustrie sowie aus der Kunststofffertigung.
Potential durch neue Produkte und Wegfall von Wettbewerbern
Die Erschließung neuer Kundengruppen verspricht sich infor vom neuen Produkt infor:MES, das als sogenanntes Manufacturing-Execution-System die Lücke zwischen den klassischen ERP- bzw. PPS-Systemen und der Produktion schließt. Hauptvorteile dieser Vernetzung für den Kunden sind eine effizientere Kostenkontrolle durch den sofort möglichen Soll-/Ist-Vergleich von Herstellungskosten und Mengen, eine verbesserte Ressourcenplanung, eine effizientere Werkzeugverwaltung, eine Rückverfolgbarkeit der Abläufe für das Qualitätsmanagement sowie transparente und jederzeit verfügbare Betriebsdaten.
Mit dieser auch in ihren einzelnen Bausteinen erwerbbaren Lösung will infor als Zielgruppe vor allem kleineren und mittleren Unternehmen ansprechen, um ihnen ausgehend von der zumeist vorhandenen ERP- oder PPS-Lösung mit infor:MES den Einstieg in ein betriebsübergreifendes Produktionsmanagement zu ermöglichen.
Weitere Chancen in der Adressierung neuer Kunden ergeben sich für infor nach Aussage von Prof. Dr. Hertel durch die Insolvenz der beiden Wettbewerber Bäurer und Brain International. Insbesondere die ehemaligen Kunden der zuletzt genannten Gesellschaft sollen durch die Zusammenarbeit mit ehemaligen Mitarbeitern von Brain International gezielt angesprochen und von der Leistungsfähigkeit der infor-Produkte überzeugt werden.
Finanzentwicklung im abgelaufenen Geschäftsjahr unbefriedigend
Im Berichtszeitraum konnte die Gesellschaft einen Umsatz von 74,2 Mio. Euro erwirtschaften, der sich damit etwa in der Höhe des Vorjahres (74,5 Mio. Euro) bewegte und im Rahmen der im Jahresverlauf 2002 revidierten Umsatzprognose lag. Zu berücksichtigen sind nach Vorstandsangabe insbesondere der schwache Geschäftsverlauf im dritten Quartal 2002 sowie Aufwendungen für Restrukturierungen und einmalige Wertberichtigungen im Beteiligungskreis, die sich belastend ausgewirkt haben.
Bereits im vierten Quartal 2002 hat sich das Geschäft nach Vorstandsausgabe jedoch wieder belebt. In den letzten drei Monaten des Jahres lag der Umsatz mit 20,4 Mio. Euro zwar um 4 Prozent unter dem letzten Quartal des Vorjahres (21,2 Mio. Euro), stieg aber im Vergleich zum schwachen Vorquartal (3. Quartal 2002: 15,8 Mio. Euro) um 29 Prozent an. Der Auslandsumsatz lag in 2002 mit 19,8 Mio. Euro knapp über dem Vorjahreswert von 19,5 Mio. Euro und erreichte einen Anteil von 26 Prozent am Gesamtumsatz.
Mit dem Ergebnis des Gesamtjahres zeigte sich der Vorstrand trotz der wirtschaftlich widrigen Rahmenbedingungen nicht zufrieden. Das Ergebnis vor Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) verschlechterte sich gegenüber dem Jahr 2001 von 0,6 Mio. Euro auf minus 0,9 Mio. Euro. Ohne die Restrukturierungsaufwendungen beträgt das EBITDA 0,7 Mio. Euro und bewegt sich damit knapp über dem Vorjahreswert. Das EBT des Jahres 2002 ist von den bereits erwähnten Restrukturierungen und Abschreibungen belastet und lag mit minus 16,95 (Vj.: minus 8,6) Mio. Euro im deutlich negativen Bereich.
Ebenfalls rückläufig entwickelte sich der Bestand an liquiden Mitteln, der sich zum Bilanzstichtag von 6,2 Mio. Euro Ende 2001 auf 3,2 Mio. Euro zum Jahresende 2002 reduzierte. In den ersten Wochen des laufenden Quartals habe sich der Bestand an liquiden Mittel bereits wieder erhöht und liege deutlich über den budgetierten Werten. Auf der Grundlage dieser Planung ist die Liquidität der Gesellschaft nach wie vor gesichert. Die infor AG verfügt nach Vorstandsangabe nach wie vor über eine sehr solide Eigenkapitalquote von 78 (Vj.: 80) Prozent sowie eine sehr niedrige Verschuldung.
Verhaltener Ausblick
Auch für das laufende Geschäftsjahr erwartet infor keine nachhaltige konjunkturelle Erholung, so dass die daraus resultierende Investitionszurückhaltung, insbesondere in der wichtigen Kundengruppe der mittelständischen Fertigungsindustrie, in 2003 weiter andauern wird. In den Planungen für das laufende Jahr wurden diese Umstände entsprechend berücksichtigt. Nach dieser konservativen Planung geht der Vorstand für 2003 von einem Umsatz auf Vorjahresniveau aus. Auf der Ergebnisseite sollen sich die durchgeführten Restrukturierungsmaßnahmen positiv auswirken.
Mit einer Belebung auf der Nachfrageseite rechnet Prof. Dr. Hertel frühestens im Jahre 2004. Bis dahin werde man eine „Strategie des Überwinterns“ einschlagen, um die Kostenbasis entsprechend gering zu halten. Auf der Entwicklungsseite werde man jedoch - wenngleich in kleinerem Umfang - weiter voranschreiten, um für den zu erwartenden Nachfrageschub in der Zukunft gerüstet zu sein und den Kunden auch weiterhin die gewohnt hochwertigen Lösungen anbieten zu können.
Fazit
infor konnte sich trotz eines vielversprechenden Starts ins Jahr 2002 im zweiten Halbjahr dem schwachen konjunkturellen Umfeld und der daraus resultierenden Investitionszurückhaltung auf der Kundenseite nicht entziehen. Insbesondere das dritte Quartal hat sich mit deutlichen Wertberichtigungen auf Firmenwerte und Rückstellungen für Restrukturierungsaufwendungen im vorliegenden Jahresergebnis niedergeschlagen.
Entscheidend für die weitere Entwicklung wird sein, ob die vom Vorstand angekündigte Strategie des Überwinterns die prognostizierten Erfolge bringt und bei anziehender Nachfrage, mit der die Verwaltung im Laufe des Jahres 2004 rechnet, wieder ein entsprechendes Wachstum generiert werden kann. Bis dahin ergeben sich Chancen aus dem Kundenpotential der insolventen Mitbewerber Bäurer und Brain, das bereits in den vergangenen Monaten verstärkt und zum Teil unter Mitwirkung ehemaliger Mitarbeiter dieser Unternehmen adressiert wurde.
Die Entwicklung im vierten Quartal 2002 bietet Anlass zu vorsichtigem Optimismus, scheint doch eine Rückkehr in die operative Gewinnzone im laufenden Jahr möglich. Wichtig für die weitere Kursentwicklung der infor-Aktie wird sein, diesen positiven Trend trotz der widrigen Rahmenbedingungen in den kommenden Quartalen zu verstetigen. Auf Basis der aktuellen Kurse um 1,22 Euro beträgt die Marktkapitalisierung nur knapp 11 Mio. Euro, woraus bei einer nachhaltigen Rückkehr in die schwarzen Zahlen entsprechendes Kurspotential resultieren kann.
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