Am 30. Oktober 2006 hielt die Marseille-Kliniken AG in Berlin ihre Bilanzpressekonferenz für das am 30. Juni 2006 zu Ende gegangene Geschäftsjahr 2005/2006 ab. Rund zehn Teilnehmer, unter ihnen auch Thorsten Renner von GSC Research, hatten sich im Regent Hotel eingefunden, um sich die Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahres und die weiteren Zukunftsaussichten der Gesellschaft erläutern zu lassen.
Bericht des Vorstands
Nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden Axel Hölzer fühlt sich das Unternehmen in der Altenpflege den Grundsätzen Kundennähe, Wirtschaftlichkeit und soziale Verantwortung verpflichtet. Mit dem Filialgedanken wird die Gesellschaft den Gesundheitsmarkt aktuell und auch zukünftig prägen. Dies ist der Grundpfeiler für das Ziel, größter börsennotierter Betreiber von Pflegeeinrichtungen zu werden. Nachdem in Deutschland schon die Marktführerschaft erreicht worden ist, liegt der Fokus nun stärker auf den internationalen Wettbewerbern.
Das letzte Geschäftsjahr war wieder von der gegensätzlichen Entwicklung der Geschäftsfelder Rehabilitation und Altenpflege geprägt. Laut Herrn Hölzer hat sich der Pflegebereich mit einem Bettenzuwachs von 1.233 auf 7.134 wiederum positiv entwickelt. Dagegen verzeichnete der Reha-Bereich eine schwächere Auslastung und musste erneut Verluste hinnehmen. Im Bereich Pflege sind drei Einrichtungen in Düsseldorf, Hamburg und Halle mit 1.187 Betten hinzugekommen, zudem wurde zum 1. Januar 2006 eine gerentologische Fachklinik in Büren erworben.
Im Zuge der abgeschlossenen Sale-and-lease-back-Verträge konnte die Gesellschaft eine deutliche Verbesserung der Eigenkapitalquote erreichen. Insgesamt wurden nun schon 14 Bestandsimmobilien veräußert und direkt für 25 Jahre zurückgepachtet. Damit hat die Gesellschaft die angestrebte Zielgröße von 30 Prozent eigenen und 70 Prozent gepachteten Einrichtungen erreicht, betonte Herr Hölzer. Mit diesen Transaktionen hat die Marseille-Kliniken AG den Freiraum erhalten, um die weitere Expansion im Segment Altenpflege beschleunigt umsetzen zu können.
Das vergangene Geschäftsjahr brachte eine Umsatzsteigerung auf 210,4 Mio. EUR, wobei der Pflegebereich um 7,8 Prozent auf 162,7 Mio. EUR zulegte. Dagegen sank der Umsatz im Bereich Reha bei rückläufiger Kapazität um 5,5 Prozent auf 47,7 Mio. EUR. Nach DVFA/SG kletterte das Konzernergebnis von 8,9 auf 9,3 Mio. EUR, was einem Ergebnis je Aktie von 0,76 EUR entsprach.
Bezogen auf die 8.703 Betten im Unternehmen konnte die Belegungsquote um 0,8 Prozentpunkte auf 88,2 Prozent ausgeweitet werden. Während der Bereich Pflege bei den Bestandsimmobilien einen Anstieg auf 91,6 Prozent verzeichnete, sank die Auslastung im Bereich Rehabilitation auf 74,2 Prozent. Derzeit befinden sich mehrere Einrichtungen im Bau, und in Berlin wird in Kürze die erste Einrichtung nur für türkische Kunden eröffnet. Wie Herr Hölzer weiter ausführte, betreibt die Gesellschaft seit dem 1. Januar 2006 auch ein Fachkrankenhaus in Büren.
Im vergangenen Jahr wurde im Segment Pflege die vorhandene Regionalstruktur durch eine neue, zentralisierte Managementstruktur ersetzt. Dadurch wird eine koordiniertere Steuerung aller Pflegeeinrichtungen ermöglicht, betonte der Vorstandsvorsitzende. Neben der erstmaligen internen Ausbildung von Pflegeschülern und Pflegedienstleistern zu examinierten Fachkräften legt die Führung der Marseille-Kliniken auch ansonsten großen Wert auf die Weiterbildung der Mitarbeiter. So muss im Schnitt jeder Mitarbeiter fünf Kurse über das konzernweite E-Learning absolvieren, erklärte Herr Hölzer.
Auch im vergangenen Geschäftsjahr hat die Bedeutung des Bereichs Rehabilitation weiter nachgelassen. Während bei den fünf somatischen Kliniken wenigstens ein ausgeglichenes Ergebnis erwirtschaftet wurde, resultierte der Verlust aus den vier psychosomatischen Kliniken. Größter Verlustbringer war hier die Klinik Schömberg, wobei dort zur Verbesserung der Profitabilität ein Umbau hin zu einer Pflegeklinik erfolgt. Aber auch bei den anderen Kliniken werden Optimierungsmaßnahmen verfolgt, erklärte der Vorstandsvorsitzende. Trotzdem sollen diese Kliniken sukzessive veräußert werden.
Als Folge des deutschen Gesundheitssystems wird sich die Konzentration am Markt weiter fortsetzen. Raum für weitere Kostensenkungen sah Herr Hölzer vor allem bei den Immobilienkosten, was im Endeffekt durch eine geringere Inanspruchnahme der Sozialhilfe auch den Kommunen eine Entlastung bringt. Bis zum Jahr 2020 rechnete Herr Hölzer mit einem Anstieg der privaten Betten auf über 1 Million, was einem Zuwachs von 250.000 Betten entspricht.
In der Produktpalette verfügt die Marseille-Kliniken AG über 2-, 3- und 4-Sterne-Häuser. Besonderes Augenmerk legt die Unternehmensführung auf die 2-Sterne-Häuser, um auch unteren Einkommensschichten gerecht zu werden. Hier versprach sich Herr Hölzer noch hervorragende Wachstumschancen. Wichtig für den Erfolg ist nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden aber ein hoher Qualitätsstandard, und zusammen mit der hohen Effizienz und der Profitabilität hebt sich die Gesellschaft von den Wettbewerbern ab. Des Weiteren geht das Unternehmen mit Marketingaktivitäten gezielt auf die Kunden zu.
Bis Ende 2008 will die Marseille-Kliniken AG ihre gebundene Bettenanzahl auf 12.000 ausweiten, nachdem im Geschäftsjahr schon über 1.000 Betten gebunden werden konnten. Laut Herrn Hölzer wird bei der Gesellschaft bei der Übernahme von Bestandsobjekten eine sorgfältige Auswahl getroffen, da zwar ausreichend Kandidaten zur Verfügung stehen, bei vielen Objekten ist jedoch die Preisforderung zu hoch. Trotzdem bleibt der Pflegemarkt ein von der Konjunktur unabhängiger Wachstumsmarkt, meinte Herr Hölzer. Als Ziele nannte er eine Auslastung von 95 Prozent, eine Eigenkapitalquote von 30 Prozent und eine Eigenkapitalrentabilität von 15 Prozent. So rechnete Herr Hölzer im laufenden Geschäftsjahr auch wieder mit einem überdurchschnittlichen Wachstum.
Auch wenn das Wachstum im vergangenen Jahr durch den Bereich Rehabilitation etwas gebremst wurde, befindet sich die Gesellschaft auf dem richtigen Weg, zeigte sich Herr Hölzer überzeugt. Trotz sinkender Belegung konnte der Verlustanteil des Bereichs Rehabilitation aufgrund des Kostensenkungsprogramms stabilisiert werden. Im abgelaufenen Jahr steigerte die Marseille-Kliniken AG den Konzernumsatz von 201,5 auf 210,4 Mio. EUR.
Das um Sondereinflüsse bereinigte Ergebnis kletterte um 0,4 auf 9,3 Mio. EUR, was einem Ergebnis je Aktie von 0,76 EUR entsprach. Beim Jahresüberschuss verzeichnete das Unternehmen im vergangenen Jahr einen Zuwachs von 6,3 auf 9,7 Mio. EUR. Während im Bereich Pflege das Ergebnis trotz Vorlaufinvestitionen um 0,4 auf 12,9 Mio. EUR ausgebaut werden konnte, erzielte der Bereich Rehabilitation einen unveränderten Verlust von 3,6 Mio. EUR.
Der Umsatz im Segment Pflege legte um 7,8 Prozent auf 162,7 Mio. EUR zu, und dieser Bereich zeichnete für 77 Prozent des Konzernumsatzes verantwortlich. In der Rehabilitation war dagegen ein Umsatzrückgang von 5,6 Prozent auf 47,7 Mio. EUR zu beklagen. Nach Meinung von Herrn Hölzer ist das EBITDAR aus operativer Sicht am aussagekräftigsten, und diese Kennzahl verbesserte sich um 2,5 auf 58,0 Mio. EUR.
Aufgrund des höheren Mietaufwands nach dem Abverkauf der Immobilien verringerte sich das EBITDA von 37,4 auf 30,9 Mio. EUR. Im Zuge der Sale-and-lease-back-Transaktionen sanken die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten um rund 78 auf 129,5 Mio. EUR, wodurch die Fremdkapitalquote auf 79,3 Prozent sank. Beim Butto-Cashflow aus operativer Tätigkeit konnte ein Anstieg auf 21,2 Mio. EUR realisiert werden, und auch der Personalaufwand erhöhte sich um 2,2 auf 106,7 Mio. EUR.
Wie Herr Hölzer weiter berichtete, hat der Großaktionär, die Familie Marseille, im letzten Jahr rund 15 Prozent der Aktien abgegeben und so den Free Float auf 40 Prozent erhöht, was von den Marktteilnehmern sehr positiv aufgenommen wurde. Der Aktienkurs hat so auch seinen erfreulichen Trend fortgesetzt und konnte im Geschäftsjahr von 10,24 EUR auf 15,75 EUR zulegen. Der am 6. Dezember 2006 stattfindenden Hauptversammlung wird die Ausschüttung einer Dividende von 0,45 EUR je Papier vorgeschlagen, wovon 0,20 EUR als Sonderdividende aus dem Sale-and-lease-back-Verkauf anzusehen ist. Die Familie Marseille als Großaktionär wird dabei auf ihre Dividende verzichten, um über das Verbleiben der Mittel im Unternehmen die Expansion zu beschleunigen.
Für die beiden kommenden Jahren erwartete der Vorstandsvorsitzende eine deutliche Verbesserung der operativen Ergebnisse, wozu beide Bereiche beitragen sollen. So unterstützen die Entwicklungen im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres diese Einschätzung, betonte Herr Hölzer. Auf der Umsatzseite prognostizierte er ein jährliches Wachstum von 8,5 Prozent, was in zwei Jahren einen Umsatz von 246 Mio. EUR bedeutet.
Beim Ergebnis versprach sich der Vorstandsvorsitzende ein überproportionales Wachstum auch aufgrund der kräftigen Kapazitätsausweitung. Für den Bereich Pflege peilt das Unternehmen eine Vorsteuerrendite von 8,5 Prozent an, und im Bereich Rehabilitation soll der Verlust deutlich reduziert werden. Insgesamt soll bis Ende 2008 die Gesamtbettenkapazität auf 12.000 ausgeweitet werden, meinte Herr Hölzer zum Ende seiner Ausführungen.
Allgemeine Diskussion
Die erste Frage beschäftigte sich mit ausländischen Playern im Markt und möglichen Auslandsbestrebungen der Marseille-Kliniken AG. Nach Aussage von Herrn Hölzer interessieren sich sehr viele ausländische Investoren für den deutschen Markt, das größte Hindernis stellt jedoch die Suche nach geeigneten Managern für die Kliniken dar, denn entscheidend für den Erfolg ist, wie das Change Management umgesetzt werden kann. Bei der Gesellschaft schaut man sich zwar derzeit Westeuropa sehr genau an, jedoch gibt es noch keine vergleichbaren Systeme wie in Deutschland. Durch den Zugriff auf Rente und Sozialhilfe besteht in Deutschland nur ein sehr geringes Ausfallrisiko, das in anderen Ländern so nicht gegeben ist. Allerdings wollen einige Länder ihr System nun auch anpassen, allerdings frühestens bis Ende dieses Jahrzehnts, so dass diese Märkte eher auf mittlere Sicht interessant sind.
Der nächste Teilnehmer erkundigte sich nach den Kosten für einen Platz in den verschiedenen Häuserkategorien. Laut Herrn Hölzer ist bei einem 4-Sterne-Haus mit einem Preis von etwa 100 EUR pro Tag zu rechnen. Bei einem 3-Sterne-Haus reduziert sich dieser Aufwand auf rund 85 EUR, und das 2-Sterne-Haus ist noch einmal rund 10 EUR günstiger. Insgesamt sah Herr Hölzer für die Zukunft Einsparmöglichkeiten eigentlich nur im Bereich der Immobilie, während beim Personaleinsatz kaum noch ein Spielraum bestehe.
Nähere Auskünfte erbat der nächste Fragesteller zu dem nur um 0,4 Mio. EUR verbesserten Ergebnis im Pflegebereich, zudem wollte er wissen, weshalb zwar die Bettenzahl um 15 Prozent, der Umsatz aber nur um 8,5 Prozent zulegen soll. Das Ergebnis im Pflegebereich legte laut Herrn Hölzer "nur" um 0,4 Mio. EUR zu, weil in einigen Häusern eine Spezialisierung vorgenommen wurde, was mit Investitionen verbunden war. Dies hatte natürlich kurzfristig einen negativen Ergebniseffekt, wird aber vermutlich schon in den Zahlen des ersten Quartals erste Früchte tragen, betonte Herr Hölzer. Auch beim Aufbau der Bettenzahl gibt es zunächst einen Verzögerungseffekt, da ein Haus mindestens zwölf Monate Anlaufzeit benötigt. Erst seit dem letzten Jahr hat die Gesellschaft die Bettenzahl signifikant erhöht, währen in früheren Jahren der Ausbau der Pflegebetten mit einem Abbau im Bereich Rehabilitation einherging.
Weitere Fragen betrafen die Ergebnisplanung im Bereich Rehabilitation und eine Ausweitung des Free Floats. Das Ergebnis im Bereich Rehabilitation hängt nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden vor allem davon ab, wie schnell man mit dem Umbau in Schömberg vorankommt. Auf jeden Fall soll dieses Jahr der Verlust deutlich abgebaut werden, wobei mehrere hunderttausend bis 1 Mio. EUR eine gute Zielgröße für das Jahr wären. Eine weitere Erhöhung des Free Floats machte für Herrn Hölzer erst Sinn, wenn im Reha-Bereich deutliche Fortschritte erzielt worden sind.
Einer der Anwesenden sah den Dividendenverzicht des Großaktionärs eher kritisch, was Herr Hölzer aber nicht nachvollziehen konnte. Ganz im Gegenteil hielt er diesen Verzicht für eine sehr positive Entscheidung für die weitere Entwicklung des Unternehmens, da die Eigenkapitalquote trotz Wachstums weiter ausgebaut werden soll.
Die letzten Fragen bezogen sich auf die Aktionärsstruktur und den starken Anstieg der übrigen Aufwendungen. Insgesamt hat sich nach Aussage von Herrn Hölzer nach der Ausweitung des Free Floats eine Verschiebung hin zu ausländischen Investoren ergeben. Anteilsbesitz über 5 Prozent haben bisher Union Investment und DWS gemeldet. Der starke Anstieg der übrigen Aufwendungen war vor allem auf Veräußerungsverluste bei zwei Sale-and-lease-back-Transaktionen zurückzuführen, so der Vorstandsvorsitzende.
Fazit und eigene Meinung
Die Marseille-Kliniken AG kann auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2005/2006 zurückblicken, in dem vor allem neben einer Ergebnisverbesserung auch die Verbindlichkeiten deutlich zurückgeführt werden konnten. Auslöser hierfür waren die Sale-and-lease-back-Transaktionen, die der Gesellschaft nun eine klar verbesserte Bilanzstruktur eingebracht haben.
Auf dieser Basis erfolgte auch die Anhebung der Dividende auf 0,45 EUR je Aktie. Ganz klar positiv ist hier der Dividendenverzicht des Großaktionärs zu werten, der mit diesem Schritt das Unternehmen weiter stärkt, auch wenn die Gesellschaft aktuell immerhin schon einen Cashbestand von 32 Mio. EUR aufweist. Mit dem geplanten weiteren Bettenwachstum werden die Mittel aber auch ihre Verwendung finden.
Für das laufende Jahr ist mit einer Fortsetzung des Umsatzwachstums durch eine deutliche Steigerung der Bettenzahl zu rechnen. Aber auch auf der Ergebnisseite sollten sich eine kräftige Verbesserung ergeben, vor allem, wenn der Bereich Rehabilitation wie geplant einen deutlichen Verlustabbau erfährt. So dürfte das Ergebnis je Aktie im laufenden Jahr die Grenze von 1 EUR überspringen, womit die Aktie ein KGV von 14 aufweisen würde. Zudem können sich die Aktionäre noch über eine Dividendenrendite von gut 3 Prozent freuen, was der Aktie zusätzliche Attraktivität verleiht.
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