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HV-Bericht ESCOM AG i.A. - Dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen?
Dem endgültigen Tod vorerst noch einmal von der Schippe gesprungen zu sein scheint die ESCOM AG. Am Freitag, den 24. März, trafen sich die Aktionäre der in Konkurs befindlichen Gesellschaft im Haus der Patriotischen Gesellschaft in Hamburg. GSC Research war dabei, um von der schon im Vorfeld viel Wirbel erzeugenden potentiellen Wiederauferstehung zu berichten.


Einleitung

Offiziell eingeladen war für die erste Hauptversammlung vier Jahre nach dem Konkurs für 10.00 Uhr. Der mit rund 300 Aktionären angeblich unerwartet große Andrang (hätte man eigentlich anhand der Einladungen abschätzen können) führte dann aber dazu, dass die HV erst mit 45-minütiger Verspätung vom Notvorstand Maselewski eröffnet werden konnte.

Dieser erläuterte zunächst, dass er neben Herrn Nico Stehr vom Gericht in Bochum am 1.12.1999 zum Notvorstand der ESCOM bestellt wurde. Um sich nicht eventuellen Vorwürfen von Altaktionären auszusetzen, wies er darauf hin, keinerlei Verantwortung für die Vergangenheit der Gesellschaft zu tragen. Er sei Anwalt aus Hamburg und seine einzige Verbindung zur Gesellschaft sei, dass er gebürtig auch aus Bochum stamme.

Einige sehr ungeduldige Aktionäre forderten lautstark, die anschließend im TOP 4 vorgesehene Diskussion über die Wiederbelebung der Gesellschaft vorzuziehen und über die Hintergründe zu berichten. Nur so sei für den uninformierten Kleinaktionär eine Behandlung der Tagesordnungspunkte 1-3 möglich.

Zunächst trat Bernd Günther (Vorstand der börsennotierten Hamburger Getreide Lagerhaus AG und Aufsichtsrat der Beuttenmüller AG sowie der WASAG Chemie AG, Anm. d. Red.) an das Rednerpult und stellte sich als Berater der Menzel Vermögensverwaltungs AG aus Hamburg vor, die die Wiederbelebung der ESCOM betreibe.

Er beschrieb kurz, dass die Gesellschaft vollkommen überschuldet sei und die Menzel AG die Initiative ergriffen habe, um die ESCOM AG wiederzubeleben. Es gäbe bis zu drei Interessenten für die ESCOM AG, für die man die Maßnahmen ergreife. Man habe dafür schon viele Vorleistungen erbracht (Porto, Organisation der HV, etc.) und fordere nunmehr die Unterstützung der Kleinaktionäre für das Vorhaben.

Mangels eines Aufsichtsrates mußte dann zunächst ein Versammlungsleiter gewählt werden. Vorgeschlagen wurde der erfahrene Aufsichtsrat und in Nebenwertekreisen nicht ganz unbekannte Klaus Hahn aus Essen. Er stellte sich als Unternehmensberater aus Essen mit langjähriger Aufsichtsratserfahrung (AG Bad Salzschlirff, Baumwollspinnerei Gronau, etc.) vor und betonte auffällig stark, keine Aktien der ESCOM zu besitzen. Die Wahl erfolgte per einfachem Handaufheben, ohne sich um die Stimmrechtsverhältnisse zu kümmern, da das Präsenzverzeichnis noch nicht fertiggestellt war.


Vorstellung der Aufsichtsräte

Nunmehr sollte in die Tagesordnung eingetreten werden, die die Reduzierung der Vorstände auf eine Person (bisher 2) und der Aufsichtsräte auf 3 sowie deren Wahl vorsah. Da die für die Abstimmungen erforderliche Präsenz noch immer nicht festgestellt werden konnte, wurde die Vorstellung der neu zu wählenden Aufsichtsräte vorgezogen.

Heiner Seibt stellte sich als Dozent an der Uni Hamburg mit Schwerpunkt Statistik und Informatik vor. Nebenbei sei er noch beratend mit dem Schwerpunkt Informatik tätig. Auch er besitze keine ESCOM-Aktien, habe nie welche gehabt und plane auch keinen Erwerb.

Theo Schulte als dritter vorgeschlagener Aufsichtsrat stellte sich als 54 jähriger Rechtsanwalt und Geschäftsleiter eines Einzelhandelsunternehmens vor. Er habe Aufsichtsratserfahrung, sei auch kein Aktionär der ESCOM und plane dies ebenfalls nicht zu werden.

Ein Aktionär stellte fest, alle drei Herren seien in der Vergangenheit schon mehrfach zusammen mit Herrn Bernd Günther aufgetaucht, und wollte wissen, ob und welche Beziehungen es zur Hamburger Getreide Lagerhaus AG (HGL) und/oder Herrn Günther gibt. Klaus Hahn kenne zwar Herrn Günther und die HGL, unterhalte aber keine Beziehungen; er sei vor nicht allzu langer Zeit von Herrn Günther gefragt worden, für den Posten zu kandidieren. Die beiden anderen AR-Kandidaten und der Notvorstand Maselewski kannten Herrn Günther schon sehr lange, so haben Günther und seine Söhne bei Herrn Seibt studiert. Keiner unterhalte jedoch Beziehungen zur Hamburger Getreide Lagerhaus.

Die angesprochene Spekulation, die Neuausrichtung habe mit dem Hamburger Immobilienunternehmer Albert Büll zu tun, wurde sofort dementiert. Dann wurde dargestellt, die Versammlung vier Jahre nach dem Konkurs der Gesellschaft mit dem Zweck einer Wiederbelebung sei ein Novum, wobei aus dem Unterton deutlich wurde, dass man vielmehr ein Experiment meine.

Die Kritik eines Aktionärs, es sei ja nicht gerade vertrauenerweckend, dass keiner der Aufsichtsräte ESCOM Aktien kaufen würde, wurde mit der unsicheren Lage und den weit überzogenen Kursen zurückgewiesen. Man müsse bedenken, dass es mehr als 30 Mio. Aktien gebe. Es sei vollkommen irrational, wenn eine Gesellschaft, die außer 580 Mio. DM Schulden nichts besitze, so hoch bewertet werde.


Abstimmungen

Dann stand schließlich die Präsenz mit rund 7,9 Mio. Stimmen oder 26,02 Prozent fest und es konnte nun wirklich in die Abstimmungen eingetreten werden.

Die aus Kostengründen vorgeschlagene Reduktion des Vorstands auf eine Person wurde mit nur 74,02 Prozent Ja-Stimmen abgelehnt, da die für eine Satzungsänderung gesetzlich erforderliche Mehrheit von 75 Prozent nicht erreicht wurde. Daraufhin drohte der Notvorstand Maselewski, die Menzel AG sei nicht bereit, die Wiederbelebung fortzusetzen, wenn bei der nächsten Abstimmung wieder ein solches Ergebnis erzielt werde, die Gesellschaft sei dann endgültig verloren.

Auch aus dem Aktionärskreis regte sich Unmut, man habe doch nichts zu verlieren und man müsse doch froh sein, dass sich jemand gefunden habe, der eine letzte Rettung versuche. Der Tagesordnungspunkt 2, Reduktion des Aufsichtsrats auf 3 Personen wurde in der Folge problemlos mit fast 100 % angenommen.

Nun hieß es plötzlich, die erste Abstimmung müsse wiederholt werden. Ein Bankenvertreter habe falsch abgestimmt. Im zweiten Durchgang ging dann auch der TOP 1 bei wenigen Nein-Stimmen und 1,1 Mio. Enthaltungen durch. Wie zu hören war, hatte der Vertreter der Hamburger Landesbank sich gemäß Empfehlung seines Hauses zunächst enthalten. Beim TOP 2 und der Wiederholung habe er dann aber mit seinen rund 1 Mio. Stimmen doch kurzfristig seine Meinung geändert und zugestimmt.

Die vorgeschlagenen Aufsichtsräte wurden mit großer Mehrheit gewählt, womit nun der sehnlichst erwartete Tagesordnungspunkt 4 mit der Diskussion um die Wiederbelebung der Gesellschaft anstand. Ein Aktionär gab zu allen Punkten der Tagesordnung Widerspruch zu Protokoll.


Diskussion um die Wiederbelebung der Gesellschaft

Inhaltlich neue Erkenntnisse konnte das anwesenden Konkursverwalterteam, bestehend aus 3 Personen, liefern. Der ehemalige Konkursverwalter sei im August verstorben. Danach habe man den Fall übernommen, der ursprünglich allerdings nicht mehr lange dauern sollte. Bei Verbindlichkeiten von 580 Mio. DM und Aktiva (Vermögensgegenständen) von maximal 500.000 DM sei der Antrag auf Einstellung des Verfahrens mangels Masse bereits für November 1999 gestellt gewesen.

Nunmehr wurde ein neuer Termin für die Einstellung des Verfahrens für Dezember 2000 gesetzt, wenn bis dahin keine Fortschritte erzielt werden. Es seien aus Kostengründen noch nicht einmal alle nachgemeldeten Forderungen eingetragen worden, da man selbst dafür kein Geld habe. Insgesamt gibt es aber schon so mehr als 1.000 Gläubiger.

Auch den Namen ESCOM könne man nicht mehr verwerten, da die Rechte daran bereits vor Jahren von der Firma Comtech erworben wurden.

Für eine Wiederbelebung sei ein Kapitalschnitt notwendig. Auch deshalb sei aus Sicht des Konkursverwalters, der die Lage überschauen könne, die Wertentwicklung völlig überzogen. Man bewerte die ESCOM mit fast 100 Mio. DM, was angesichts der Situation und eines erforderlichen Kapitalschnitts vollkommen irreal sei.

Einige Aktionäre hatten sich die Lage wohl nicht so schlimm vorgestellt und offensichtlich auch nicht die Kapitalisierung errechnet, jedenfalls griffen einige Aktionäre nach diesen Ausführungen zum Handy und gaben eiligst Verkauforders an ihre Banken durch.

Zur Höhe des Verlustvortrags konnte man nicht viel sagen, da man mangels finanzieller Mittel noch nicht einmal den ganzen Konzern habe durchleuchten können.

Dann trat Herr Menzel von zwei Partner begleitet an das Pult und stellte kurz sein Unternehmen vor. Man sei seit 9 Monaten an der ESCOM AG dran. Auch er betonte nochmals, dass es für die Aktionäre bei dem derzeitigen Kursniveau nicht gut ausgehen könne, da es dafür keine Rechtfertigung gebe und so für seine Mandanten ein Einstieg unmöglich werde.

Bernd Günther übernahm nach den dürftigen Ausführungen wieder das Wort und erläuterte, dass es nicht um den Verlustvortrag gehe, den werde man nach den rechtlichen Anforderungen ohnehin nicht verwenden können. Vielmehr spare man sich bei der Verwendung eines Börsenmantels die Emissionskosten. Wirtschaftlich sei deshalb geplant, die ohnehin abgeschriebenen Forderungen aufzukaufen. Die Banken zeigen sich in ersten Gesprächen dieser Möglichkeit aufgeschlossen. Ein Kapitalschnitt sei auf jeden Fall notwendig. Dieser solle aber „aktionärsfreundlich“ vielleicht im Verhältnis 10 oder 20:1 erfolgen.

Zu konkreten Interessenten wollte man sich nicht äußern, Spekulationen über eine Neuausrichtung im IT Bereich wurden aber dementiert. Ein Neuausrichtung auf Immobilien oder Beteiligungen könne eher sein. Dann war noch herauszubekommen, dass die Menzel AG inklusive Umfeld knapp 5% des Kapitals halten. Weitere Maßnahmen und erste Ergebnisse werden frühestens im Dezember auf einer weiteren Hauptversammlung bekannt gegeben.

Man lud alle interessierten größeren Aktionäre ein, gemeinsam am Erfolg der Aktion zu arbeiten, man sitze schließlich im gleichen Boot. Nach Beendigung der nur gut 2-stündigen HV gegen 13.00 Uhr fand daraufhin ein fleißiger Tausch von Visitenkarten statt.


Fazit

Die HV war eine der ungewöhnlichen Art. Der Versuch der Rettung ist sicherlich zu begrüßen. Fraglich ist die Attraktivität der ESCOM-Aktie für Aktionäre. Sind fundamental zu hohe Kurse bei Mantelspekulationen wegen der potentiell günstigen Einbringung von Vermögensgegenständen oder Aktivitäten durch Großaktionäre manchmal gerechtfertigt, stellt sich die Lage bei der ESCOM doch ganz anders dar. Diese Chance dürfte aufgrund des hohen Anteils freier Aktionäre nicht bestehen. Wenn neue Aktivitäten eingebracht werden, wird die Gesellschaft diese zu marktgerechten Konditionen erwerben müssen. Einem so hohen Anteil an freien Aktionären wird man nichts schenken. Auch eine Nutzung des Verlustvortrags ist wohl nicht möglich.

Auf die Aktionäre wartet bis zu neuen Aktivitäten ein Kapitalschnitt. In welchem Verhältnis dieser ausfällt ist eigentlich nebensächlich, man hält in jedem Fall den gleichen Teil an einem Unternehmen ohne inneren Wert. Dafür auf aktueller Basis von 1,6 Euro fast 100 Mio. zu zahlen, um später bei einer Aufkapitalisierung noch einmal Geld hinlegen zu müssen, erscheint wirklich irrational.

Die Angabe der Menzel AG, man halte lediglich 5 Prozent, bleibt zweifelhaft. Die Quelle Schickedanz AG, die nach jüngsten Meldungen ihren Anteil genau wie Siemens auf 8,2 Prozent reduziert hat, war laut Präsenzliste auf der HV vertreten. Die größte Stimmenanteile wurden von der Hamburgischen Landesbank und anderen Banken vertreten, so dass die wahren Besitzverhältnisse unklar bleiben. Ohnehin lag die Präsenz bei nur etwa 26 Präsenz. Es bleibt die Frage, ob der Rest wirklich Streubesitz ist, da bei den historischen Tiefstkursen in der Gegend von 0,1 bis 0,4 Euro massive Käufe zu sehen waren.

Ohne der Menzel AG solches unterstellen zu wollen, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die das Ganze für die Initiatoren attraktiv machen könnte; für die Aktionäre wären solche Lösungen aber allesamt mit erheblichen Nachteilen verbunden. Nach einem Kapitalschnitt, Rückkauf der Verbindlichkeiten und erneuter minimaler Kapitalisierung könnte beispielsweise eine Verschmelzung mit einem anderen Unternehmen stattfinden.

Welche Wertverhältnisse ein Wirtschaftsprüfer für einen solchen Fall bestimmen würde, kann man sich sicherlich vorstellen. ESCOM-Aktionäre dürfte dies nicht unbedingt erfreuen. Auf die auffällig häufigen Warnungen, der Kurs sei vollkommen überzogen, könnte man sich dann geschickt berufen.

Dies ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Was genau geplant ist, bleibt ungewiß. Wesentliche neue Erkenntnisse, die über den Informationsstand aus der Presse und den wenigen sachlich fundierten Beiträgen der Boards hinausgehen, konnte die HV nicht vermitteln. Engagements in der ESCOM-Aktie sollten auf Basis der aktuellen Kurse aus diesem Grund keinesfalls erfolgen.



Veröffentlichungsdatum: 25.03.2000 - 15:28
Redakteur: swi
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