Am 24. Mai 2002 fand die dritte ordentliche Hauptversammlung der infor business solutions AG in Saarbrücken statt. Über 300 Aktionäre hatten sich in der Congresshalle eingefunden, um sich über das Neueste aus ihrer Gesellschaft zu informieren. Auch ein Mitarbeiter von GSC Research war vor Ort und erstellte diesen Bericht. Das Unternehmen wurde 1979 gegründet und entwickelte damals Leitstandsysteme. Über die Jahre vollzog sich die Entwicklung von den PPS-Systemen hin zu den ERP-Systemen. Im Jahr 1999 erfolgte dann der Gang der Gesellschaft an den Neuen Markt.
Der Aufsichtsratsvorsitzende Herr Huttner eröffnete die Hauptversammlung und entschuldigte das fehlende Aufsichtsratsmitglied Prof. Dr. Krafft. Nach dem Verlesen der üblichen Formalien übergab er das Wort an den Sprecher des Vorstands, Prof. Dr. Hertel.
Bericht des Vorstands
Prof. Dr. Hertel erläuterte den Anwesenden, infor sei ein Softwarehaus, das Produkte für die mittelständische Fertigungsindustrie herstellt. Das Hauptprodukt infor:COM könne dabei bei der Produktionsplanung und -steuerung eingesetzt werden. Zudem bilde das System mit ERP und CRM eine hoch integrierte Gesamtlösung. Nach Aussage des Vorstandssprechers zeigt infor internationale Präsenz, wobei das Unternehmen aber vor allem in Deutschland flächendeckend vertreten ist. Insgesamt 3.500 Kunden in ganz Europa spiegelten die Erfahrung und Kompetenz der Gesellschaft wider.
Das Jahr 2001 habe als externe Faktoren die allgemeine schwache Konjunkturlage, verzögerte Entscheidungszyklen und einen harten Wettbewerb gebracht. Intern mussten das schnelle Wachstum bis 2000, die Expansion in Europa und die Investition in infor:COM verkraftet werden.
Der Umsatz stieg in 2001 um 16 Prozent auf 74,5 Mio. Euro, wobei dieser von Quartal zu Quartal habe zulegen können. Während der Umsatz in Deutschland um 27 Prozent auf 55,0 Mio. Euro anstieg, verringerte er sich im Ausland um 8 Prozent auf 19,5 Mio. Euro. Durch den eingeleiteten Personalabbau erhöhte sich der Umsatz je Mitarbeiter um 33 Prozent auf 101.000 Euro. Auf Basis EBITDA habe das Unternehmen bereits im dritten Quartal 2001 den Break-even erreicht.
Nach den Worten von Prof. Dr. Hertel ist der Aktienoptionsplan von 1999 aufgebraucht. Allerdings liege die Ausübungshürde in weiter Ferne, so dass der Plan für die Mitarbeiter nicht mehr als Motivation diene. Beim neuen Optionsplan solle deshalb eine geringere Ausübungshürde eingeführt werden. Durch die zeitliche Straffung der Ausübung könne zudem eine langfristige Bindung erzielt werden.
Die Initiativen von SAP und Microsoft zielten nach Ansicht von Prof. Dr. Hertel eher auf das untere Marktsegment. Das Programm infor:COM könne dagegen für die Einzel-, Serien- und Variantenfertigung eingesetzt werden. Dabei verfüge die Gesellschaft im Bereich der diskreten Fertigung über klare Wettbewerbsvorteile. Der wichtigste Bereich für infor sei das Segment Automotive, in dem fast 50 Prozent des Neukundengeschäfts generiert werde.
Das Programm infor:COM laufe unter dem Motto "Alles läuft leichter". Das zukunftsorientierte Programm mit seiner umfassenden Funktionalität sei dabei auf dem besten Weg zu einem ERP II-System. Zudem verfüge das Programm über eine hohe Qualität und sei international einsetzbar. Als weiteren Vorteil besitze das System eine strukturelle Einfachheit, verdeutlichte der Vorstandssprecher.
In Zukunft wolle infor das Partnergeschäft weiter ausbauen, um einen zusätzlichen Vertriebskanal zu erlangen. Dabei strebe die Gesellschaft sowohl Vertriebs- und Beratungs- als auch Entwicklungspartnerschaften an, wobei der Fokus auf die "größeren" Branchen gelegt werde. Auch zukünftig werde infor Wert auf das Kostenmanagement legen. Zur weiteren Verschlankung strebe die Gesellschaft eine Reduzierung der Wartungsaufwendungen und eine Steigerung der Effizienz bei den Anpassungen an. Als übergeordnetes Ziel nannte Prof. Dr. Hertel jedoch die Ausschöpfung des Umsatzpotenzials.
Die Highlights des vergangenen Jahres waren nach den Worten von Prof. Dr. Hertel der Abschluss des Großauftrags mit Allgaier und die Erringung des Oracle Award als bester Lösungsanbieter. Des Weiteren wurde die internationale Distribution durch Verträge mit EpicRus und Gruppo SESA ausgeweitet.
Wie der Vorstandssprecher ausführte, verlief das erste Quartal 2002 sehr erfreulich. Der Umsatz erhöhte sich um 16 Prozent auf 18,6 Mio. Euro, und das EBT verbesserte sich von minus 4,4 Mio. Euro auf plus 0,1 Mio. Euro. Auch das EBITDA konnte von minus 2,0 Mio. Euro auf 2,2 Mio. Euro gesteigert werden. Während der Inlandsumsatz um 12 Prozent auf 13,6 Mio. Euro zulegte, stieg der Auslandsumsatz um 25 Prozent auf 5,0 Mio. Euro.
Nach den Worten von Prof. Dr. Hertel ist infor ein gesundes Unternehmen mit einer Eigenkapitalquote von rund 80 Prozent. Zudem benötige die Gesellschaft fast keine Fremdfinanzierung und die Trendwende sei in den vergangenen Monaten geschafft worden. Das Ziel von infor sei eine weitere Steigerung der Effizienz, wobei eine steigende Rentabilität absolute Priorität besitze.
Abschließend bezeichnete das Vorstandsmitglied Herr Augustin die Tagesordnungspunkte 4 und 6 zum Erwerb eigener Aktien als routinemäßigen Beschluss. Im vergangenen Jahr habe das Unternehmen keine weiteren eigenen Aktien erworben. Von den bisher erworbenen Aktien habe infor im Rahmen einer kleineren Übernahme 38.832 Aktien eingesetzt, so dass die Gesellschaft noch über 125.813 eigene Aktien verfüge.
Allgemeine Diskussion
Herr Heinz von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) lobte zunächst das rege Interesse der Kleinaktionäre auf der Hauptversammlung. Danach kritisierte er die Kursentwicklung der vergangenen 3 Jahre, innerhalb derer die Aktie vom Ausgabekurs von 31 Euro auf nur noch 4 Euro gefallen sei. Er habe beim Vortrag des Vorstands eine detaillierte Stellungnahme zu diesem massiven Wertverlust der Aktie vermisst.
Das Unternehmen verfüge über eine Marktkapitalisierung von rund 35 Mio. Euro und einen Free Float von 46 Prozent. Allerdings seien die Umsätze an der Börse zu gering, kritisierte Herr Heinz. Der SdK-Vertreter bemängelte zudem den Rückgang der flüssigen Mittel innerhalb der letzten 2 Jahre von 52 Mio. Euro auf 6 Mio. Euro. Deshalb wollte er wissen, wofür die 46 Mio. Euro eingesetzt worden sind.
Weitere Fragen von Herrn Heinz bezogen sich auf die Werthaltigkeit der Firmenwerte in Höhe von 22 Mio. Euro, die getätigten Investitionen und den abgeschlossenen Vertrag mit Allgaier. Zudem forderte er eine detaillierte Segmentberichterstattung mit Kapitalallokation und mit den Ergebnissen der einzelnen Regionen. Außerdem wollte er die Ergebnisse der einzelnen Auslandsgesellschaften wissen.
Im Anschluss kritisierte er allgemein das DVFA-Ergebnis als Maßstab, da dieses Ergebnis nicht den Stand des Unternehmens zeige. Nach seiner Meinung ist der Kurs der Aktie auf Basis der bisherigen Ergebnisse noch zu hoch. Um die Bewertung zu rechtfertigen, müsse die Gesellschaft nun Ergebnisse bringen. Danach bat er noch um Zielvorstellungen des Unternehmens für die Jahre 2003 und 2004. Da das Produkt von infor nach allgemeiner Aussage sehr gut sei und Europa speziell gegenüber den USA einen riesigen Nachholbedarf im Bereich dieser Produkte habe, zeigte sich Herr Heinz durchaus zuversichtlich für die weitere Entwicklung der Gesellschaft.
Als nächster Redner kritisierte Herr Ziegler, das Unternehmen habe sich seit dem Börsengang nicht positiv entwickelt. Zudem hielt er einen Großteil der getätigten Akquisitionen für ineffizient. Er verlangte vor allem vom Vorstand eine klarere und offenere Informationspolitik gegenüber dem Aktionär. Zudem interessierte ihn, wie sich die Umsätze im ersten Quartal regional verteilten und ob die meisten ausländischen Umsätze aus Österreich und der Schweiz stammten.
Wie Herr Ziegler weiter erläuterte, hat er am 28. Februar 2002 ein Schreiben an den Vorstand gesandt mit der Bitte, ihm mitzuteilen, wer die damals im Verkaufsprospekt erwähnte Freistellungserklärung unterzeichnet hat. Allerdings habe er nur eine sehr unbefriedigende Antwort erhalten, die auch sehr unfreundlich verfasst gewesen sei. Zudem verlangte er eine beglaubigte Kopie der unterzeichneten Erklärung. Weitere Aktionäre erkundigten sich noch nach der Wettbewerbsfähigkeit der Software und wollten wissen, ob mehrere Produkte im Portfolio nicht zu teuer in der Entwicklung sind.
Prof. Dr. Hertel meinte in seiner Antwort, er wolle keineswegs die Aktienkursentwicklung beschönigen, und er meinte, für die Aktionäre, die seit dem Börsengang dabei sind, sei die Kursentwicklung ein "Desaster". Allerdings habe er nur die letzten 12 Monate im Chart dargestellt, da die Hauptversammlung nur über das Jahr 2001 gehe.
Nach Aussage von Prof. Dr. Hertel ist das Auslandsgeschäft absolut notwendig, da die Gesellschaft ohne ein nachhaltiges Investment im Ausland keine Zukunft habe. Bei einer Konzentration nur auf das Inland könne sich der Entwicklungsaufwand nicht amortisieren.
Wie der Vorstandssprecher erklärte, hat SAP schon mehrere Mittelstandsoffensiven gestartet, die aber meist an der Komplexität des Programms gescheitert seien. Mit der übernommenen israelischen Gesellschaft trete SAP nun aber eher in den Markt für kleine Kunden ein und sei so keine Konkurrenz für infor. Insgesamt habe infor durch die Übernahmen mehrere Produkte "geerbt", die zwar Gewinn erwirtschafteten, in den nächsten Jahren aber ausliefen.
Zu den Konditionen beim abgeschlossenen Vertrag mit Allgaier konnte Prof. Hertel nichts sagen. Allerdings sei der Auftrag zu normalen Konditionen abgeschlossen worden und nicht zu überaus niedrigen. Das Produkt von infor sei überaus konkurrenzfähig, betonte der Vorstandssprecher. Wie Herr Augustin berichtete, hat infor bisher 87 Mio. Euro verbraucht, wobei 30 Mio. Euro auf Akquisitionen, 30 Mio. Euro auf die Neuentwicklung von Produkten, 14 Mio. Euro auf die Ausweitung des internationalen Geschäfts, 3 Mio. Euro auf den Schuldenabbau und 10 Mio. Euro auf Verluste entfielen.
Für die nächsten 2 Jahre habe sich das Unternehmen als Zielgröße eine EBIT-Rendite von mindestens 5 Prozent bei einem jährlichen Wachstum von 10 bis 15 Prozent gesetzt. Der Anfrage von Herrn Ziegler auf eine beglaubigte Abschrift erteilte Herr Augustin eine Absage. Allerdings verlas er die Namen sämtlicher 27 Personen, die die Freistellungserklärung unterzeichnet haben.
Auch das Vorstandsmitglied Herr Reinicke meinte, zur internationalen Expansion gebe es keine Alternative. In den Ländern, in denen infor keine Niederlassung hatte, wurde der Markteintritt durch Akquisitionen vorgenommen. Er gab zu, dass in der Vergangenheit vor allem beim Umfang und bei der Schnelligkeit der Expansion auch Fehler gemacht worden sind.
Im ersten Quartal 2002 entfielen 40 Prozent der Auslandsumsätze auf Österreich und die Schweiz und 60 Prozent auf die restlichen Länder. Durch die Expansion habe infor in einigen Ländern aber auch Synergieeffekte erschließen können. Im ersten Quartal habe der gesamte Bereich Ausland ein positives Ergebnis erwirtschaftet. Lediglich die Niederlassungen in Frankreich und in den Niederlanden schrieben noch rote Zahlen, betonte Herr Reinicke.
Auf die Nachfrage von Herrn Heinz erklärte Herr Augustin, die Ergebnisse der Beteiligungen und Auslandsgesellschaften seien im AG-Abschluss veröffentlicht. Die Werthaltigkeit der Firmenwerte sei in jedem Jahr überprüft worden, und in 2000 habe infor auch Wertkorrekturen vorgenommen. Da die Firmenwerte der Gesellschaften in Frankreich und in den Niederlanden sehr gering seien, bestehe dort auch keine große Gefahr auf außerordentliche Abschreibungen. Außerdem habe die Gesellschaft im vergangenen Jahr auch keine aktivistischen Steuerposten gebildet, meinte Herr Augustin.
Abstimmungen
Vom Grundkapital der Gesellschaft in Höhe von 9.000.000 Euro waren 5.454.973 Euro entsprechend 60,61 Prozent vertreten. Die Beschlussfassung zu den Tagesordnungspunkten Entlastung von Vorstand (TOP 2) und Aufsichtsrat (TOP 3), Bericht des Vorstands zum Erwerb eigener Aktien (TOP 4, keine Beschlussfassung), Ermächtigung zur Schaffung eines Aktienoptionsplans 2002 (TOP 5), Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien (TOP 6) und Wahl des Abschlussprüfers (TOP 7) erfolgte jeweils mit über 99 Prozent Zustimmung.
Fazit und eigene Meinung
Die Hauptversammlung der infor business solutions AG verlief auch in diesem Jahr in einem angenehmen Rahmen und war gut organisiert. Nachdem das Unternehmen in den vergangenen 2 Jahren mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, scheint die Gesellschaft wieder in die Erfolgsspur zurückzufinden.
Im ersten Quartal 2002 drehte das Ergebnis vor Steuern erstmals wieder in den positiven Bereich. Erfreulich ist auch die Entwicklung der Auslandsgesellschaften, die insgesamt schon einen positiven Beitrag geleistet haben. Auch wenn das erste Quartal traditionell eher zu den schwachen zu rechnen ist, muss zunächst einmal die Nachhaltigkeit der positiven Daten im nächsten Quartal abgewartet werden.
Außerdem liegt das derzeitige Eigenkapital bei rund dem doppelten der Marktkapitalisierung der Gesellschaft. Dieser Abschlag erscheint keinesfalls gerechtfertigt, wenn infor den Aufwärtstrend in den kommenden Quartalen bestätigen kann. Insgesamt sollten auf dem derzeitigen Kursniveau die Chancen auf einen nachhaltigen Kursanstieg nicht schlecht stehen.
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