Die PSI Aktiengesellschaft für Produkte und Systeme der Informationstechnologie lud ihre Aktionäre am Freitag, dem 7.Juni 2002, zu ihrer ordentlichen Hauptversammlung in das Hotel Intercontinental Berlin. Karsten Busche war als Vertreter von GSC Research bei dieser turbulenten Veranstaltung, die eine ungewöhnliche Wendung nahm.
Die PSI AG hatte Anfang Mai 2002 die Erweiterung des Vorstandsteams gemeldet. Dr. Harald Schrimpf (37) wurde mit Wirkung zum 1. August 2002 zum Vorstand der PSI AG berufen. Er war zuletzt als Center-Leiter für Softwareentwicklung bei der Volkswagen-Tochter gedas tätig. Davor war er als Hauptabteilungsleiter bei DaimlerChrysler und EADS für IT-Großprojekte verantwortlich. Mit der Erweiterung des Vorstands leitet PSI gleichzeitig den Generationswechsel auf Top-Management-Ebene ein.
Der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Warner eröffnete kurz nach 10:00 Uhr die Hauptversammlung mit der Begrüßung der rund 350 Anwesenden und der Abhandlung der üblichen Formalitäten, bevor er das Wort an den Vorstand übergab.
Bericht des Vorstands
Der Finanzvorstand, Herr Stein, begann mit einer detaillierten Erläuterung der Bilanzveränderungen und der Geschäftsentwicklung. Das letzte Jahr sei ein schwieriges Jahr gewesen und habe einen Einbruch des eBusiness-Geschäfts mit sich gebracht. Ein Investitionsstopp bei den Kunden führte zu einem niedrigeren Auftragseingang. Das Mitarbeiterwachstum habe man daraufhin stark gebremst.
Die Bilanzsumme sei von 141,5 auf 152,9 Mio. Euro angestiegen, wohingegen die liquiden Mittel um 6,3 Mio. Euro abgenommen hätten. Der Umsatz stieg auf 164,9 Mio. Euro (+ 12,4 Prozent), wobei die Umsatzkosten sich um 20,6 Prozent erhöhten. Das Bruttoergebnis sank um 7,5 Prozent, das EBIT fiel um 77,6 Prozent auf minus 2,2 Mio. Euro, der Fehlbetrag lag bei 5,1 Mio. Euro. Die Bruttogewinnmarge im Systemgeschäft reduzierte sich auf 23,7 (Vj.: 30,2) Prozent. Des Weiteren seien die Ergebnisse hinter den Erwartungen zurückgeblieben und die Vertriebskosten hätten sich aufgrund der Internationalisierung sowie verstärkten Marketingaufwendungen erhöht.
Das Maßnahmenpaket zur Verbesserung des operativen Ergebnisses umfasse organisatorische bzw. strukturelle Veränderungen, eine Personalanpassung an den Auftragsbestand sowie Kosteneinsparungen durch Zusammenlegung und die Optimierung der Beschaffungsvorgänge. Das Einsparungspotenzial liege summa summarum bei 12 Mio. Euro. Man wolle die Beteiligungsstruktur verbessern, Partnerschaften aufbauen und sich zukünftig auf das Netz-, Produkt- und Informationsmanagement konzentrieren.
Im ersten Quartal 2002 habe man aufgrund einer Reduzierung des Hardwaregeschäfts sowie eines geringeren Lizenzgeschäfts einen Umsatzrückgang verzeichnen müssen. Die Entwicklung des EBIT zeige aber wieder in die richtige Richtung, denn man konnte mit 0,51 Mio. Euro in die Gewinnzone zurückkehren. Die liquiden Mittel verbesserten sich um 7,48 auf 20,36 Mio. Euro. Das Ziel einer Ergebnisverbesserung vor Wachstum bleibe bestehen, so Herr Stein.
Herr Jaeschke, Firmengründer und Mitglied des Vorstands der PSI AG, ergriff nun das Wort und betonte, dass er die Verantwortung für die Kapitalvernichtung trage. Ergebnis und Aktienkurs hätten sich in 2001 miserabel entwickelt und er werde einem schnellen Generationswechsel nicht im Wege stehen. Er werde kämpfen, bis der neue Vorstand eingearbeitet sei, und dankte dem Aufsichtsrat, der die Geschäftsentwicklung mit Augenmaß kontrolliert habe.
Der Aktienkurs stehe in keinem Verhältnis zum echten Wert der Gesellschaft. Die traditionsreiche und hochspezialisierte PSI verfüge über Qualität und Spezialwissen. ManI wachse schneller als der Markt, habe genug Substanz, Gestaltungskraft sowie langjährige Kundenbeziehungen. Der Zusammenbruch des eBusiness Marktes habe eine Kapazitätsanpassung und eine Integration in den Bereich Informationsmanagement notwendig gemacht.
Im Logistikbereich fiel der Auftragseingang und ließ eine Integration ins Produktmanagement sinnvoll erscheinen. Außerdem kam es bei den Kunden zur Verschiebung von Investitionsentscheidungen für Großprojekte. Das Jahr 2002 sei eine Konsolidierungsphase, in der die Profitabilität verbessert und der Cash-Flow gesteigert werden soll. Man werde sich auf Nischenmärkte konzentrieren und den Vertrieb stärken.
Eine Falschmeldung im Consors-Board habe dem Aktienkurs geschadet; man habe nun Strafanzeige gestellt sowie den Vorgang an das Bundesaufsichtsamt gemeldet. Verschiedene renommierte Analystenhäuser (u.a. Deutsche Bank, DZ Bank, HVB) würden den fairen Wert der Aktie zwischen 7 und 16 Euro sehen. Das Kurs-Umsatz-Verhältnis von 0,2 sei eine absurde Bewertung und man werde dieser durch eine aktive Pressearbeit entgegenwirken.
Mit der Gontard&Metallbank sei ein Designated Sponsor ausgefallen, aber man habe bereits 12 Angebote erhalten und werde sich ein renommiertes Institut heraussuchen. Trotz der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Neuen Marktes werde man außerdem ein Verlassen des Marktsegments gründlich in Erwägung ziehen.
Die Verwendung der Mittel aus den Kapitalerhöhungen zeige, dass man mit dem Geld der Aktionäre vorsichtig umgegangen sei. Von den 56 Mio. Euro habe man 17 Mio. Euro in die Entwicklung, 10 Mio. Euro in die Wachstumsfinanzierung und 5 Mio. Euro in ein Bürogebäude gesteckt. Unter dem Strich blieben 20 Mio. Euro zuzüglich 4 Mio. Euro in Wertpapieren übrig. Man wolle den Fokus schärfen und die Kräfte konzentrieren. Die PSI AG werde die Substanz stärken, sich für strategische Allianzen öffnen und bei der Financial Community in die Offensive gehen.
Nach einer Studie von Deloitte&Touche seien folgende Bereiche im Softwaremarkt aussichtsreich: Realtime Software, End-to-end-Integration sowie Branchenlösungen. Genau hier sei die PSI gut positioniert, so Herr Jaeschke, und unterstrich die Darstellung des westeuropäischen Marktes für Software und Services, der ein stabiles Wachstum erwarten lässt, mit dem Slogan von Prof. Dr. Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, "Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert der Software!". PSI sei Marktführer bei Energie und Stahl, aber auch in der Telekommunikation und beim Maschinenbau liege man in einer guten Position.
Erfolgsfaktoren seien die Differenzierungsstrategie sowie der Nischenansatz. Als Alleinstellungsmerkmale nannte er die Kern-/Geschäftsprozesse, die Software, die Kundenbeziehungen und das Angebot an Komplettlösungen. Man werde das Portfolio straffen und die Komplexität reduzieren. Die Kerngeschäfte wolle man in der AG konzentrieren und den Rest outsourcen bzw. dort in die Minderheit gehen. Außerdem schaffe die Deregulierung neue Märkte für Software, dabei sei PSI mit von der Partie.
Die Zuversicht, dass man ein gutes Wachstum erfahren werde, begründete er anschließend mit der Auflistung von Großaufträgen aus 2002 für Kunden wie Dräxlmeier, Fifa World Cup, Henkel, RWE und Vattenfall. Auch das neue Leitsystem bei der S-Bahn in Hamburg komme von PSI. Strategische Allianzen habe man unter anderem mit Varial, Büsing+ Buchwald sowie PK Software abschließen können. Im Ausland erhoffe man sich durch die Verbindung mit SMS Demag, Compaq sowie dem Joint-Venture mit VA Tech zusätzliche Auftragseingänge und einen umfassenden Zugang zum internationalen Markt. In der Zwischenzeit habe man einen LOI aus China erhalten, der den Stahlbereich betreffe.
Dank des zusätzlichen Geschäftsvolumens werde man positive Effekte durch Größenvorteile nutzen können. In 2002 werde man die Problemfelder bereinigen, die neue Struktur schaffe die Voraussetzungen für eine bessere Profitabilität. Durch nachhaltige Gewinne könne man das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen, was die Voraussetzung für steigende Kurse sei. Man werde eine aktive Kommunikation fahren und eine verstärkte Investorenansprache betreiben.
Allgemeine Diskussion
Als erster Redner ergriff Herr Weigert von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) das Wort. Alles solle einfacher werden und die Holdingstruktur scheine nicht ins Bild zu passen. Ihn interessierte, was man langfristig mit der Tochter UBIS vorhabe, nachdem der Börsengang nicht durchgeführt wurde, und ob ein Verkauf realistisch sei. Des Weiteren erkundigte er sich nach dem Vergütungsmodell, weiteren Mandaten des Wirtschaftsprüfers und mit welchem Liquiditätspolster sich das Unternehmen wohlfühle.
Außerdem fragte er nach der Aktionärsstruktur und dem Anteil, den Gold-Zack noch hält. Der SdK-Sprecher wollte wissen, ob man mit der derzeitigen Aktionärsstruktur nicht zufrieden ist, und führte aus, dass es sehr schmerzen könne, wenn sich Institutionelle von ihren Beständen trennen würden. Die Erweiterung des Aufsichtsrats sei nicht das richtige Signal, da es nicht in die aktuelle Situation passe.
Weiter monierte Herr Weigert die negative Kursentwicklung und fehlende Shareholder-Value Orientierung des Finanzvorstandes, der kein Wort über die Kursentwicklung verloren habe und scheinbar die Prioritäten falsch setze. Herrn Jeschke bezeichnete er als "Berufsoptimisten", da seine bisherigen Einschätzungen auch nicht sonderlich glaubwürdig waren. Abschließend bemerkte er, dass die grundsätzliche Positionierung von PSI stimme und die Aktie bei einer Markterholung überproportional partizipieren sollte.
Herr Jaeschke entgegnete, dass PSI ein Hightech-Unternehmen mit Substanz, guten Kunden und Perspektiven sei und er fühle sich unterbewertet sowie zu stark abgestrafft. Die Holdingstruktur wäre nicht die richtige Antwort gewesen, da diese das Gefüge verfestige und zu viel Geld kosten würde. UBIS habe man zurück ins Unternehmen geholt und werde es integrieren, um Synergieeffekte zu nutzen. Er sei höchst zufrieden mit dem Aktionärskreis, aber man habe nur 20 Prozent Institutionelle Anleger und er wünsche sich einen besseren Mix. Da Kleinstorder den Kurs nach unten gedrückt hätten, erwarte er von Fonds eine stabilisierende und positive Wirkung. Gold-Zack halte keine Anteile mehr.
Der Finanzvorstand erläuterte, dass man UBIS unter CRM gruppiert und im Rahmen der Arbeitsteilung die Analyse der Kursentwicklung dem Vorstandsvorsitzenden überlassen habe. Schön wäre ein Liquiditätspolster in Höhe von 20 Prozent des Umsatzes, aber zwischen 10 und 20 Prozent sollten es schon sein. Der Wirtschaftsprüfer habe kein weiteres Mandat neben der Prüfung des Jahresabschlusses erhalten.
Herr Alizadeh-Saghati erläuterte, dass man ein neues Vergütungsmodell in der Überlegung habe und auch einen variablen Bestandteil plane. Anschließend rechtfertigte Dr. Warner die Erhöhung des Aufsichtsrats mit den großen Veränderungen, die das Unternehmen in den nächsten drei Jahren durchlaufen werde. Diese hohen qualitativen und quantitativen Herausforderungen würden eine vorübergehende Erweiterung erfordern.
Als nächster Redner sprach Herr Dr. Wonnemann von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Er monierte die spärliche Ausführungen zu den Risiken im Geschäftsbericht und die zu späte Revision der Planzahlen sowie deren erneute Verfehlung. PSI habe noch kein klares Profil, eine unübersichtliche Organisation und sei nicht gestrafft ins neue Jahr gegangen, wie im Geschäftsbericht behauptet. Man habe diese Änderungen erst jüngst entwickelt. Er bezweifelte, ob Minderheitsbeteiligungen wie bei der Varial GmbH sinnvoll sind und die Ausrichtung auf die drei geplanten Bereiche so einfach ist. Des Weiteren erkundigte er sich nach den Beteiligungen, die abgebaut werden sollten, und dem Zeitpunkt des Verkaufs.
Herr Jaeschke antwortete, dass man die Anregungen gerne aufnehme und berücksichtigen werde. Wenn er gewusst hätte, dass die revidierten Planzahlen nicht erreicht werden konnten, wäre im Oktober 2001 eine schärfere Gewinnwarnung erfolgt. Das vierte Quartal sei normalerweise das stärkste bei Lizenzen, aber es kam zu dramatischen und nicht absehbaren Verschiebungen. PSI habe ein klares Profil und man werde an diesem Kommunikationsproblem arbeiten. Eine Kapitalverflechtung in Form von Minderheitsbeteiligungen erleichtere den gemeinsamen Marktauftritt und habe auch eine symbolische Bedeutung für die Kunden. Man wolle Tochtergesellschaften zusammenfassen und werde den Verkaufsprozess quasi ab morgen starten.
Herr Karsten Trippel begann seine Ausführungen mit der Bemerkung, dass er eigentlich angetreten sei, "um den Verantwortlichen die Köpfe herunterzureißen". Er sei sprachlos über die Wertigkeit der Aktie und den Kursverfall durch Kleinstorder. "Der Markt ist wohl doof", so Herr Trippel. Vorstand und Aufsichtsrat hätten sich eine gelbe Karte verdient, da man die Zeichen der Zeit verschlafen habe. Er bat um Aushändigung der gezeigten Folien, um im nächsten Jahr einen Soll-Ist-Vergleich anstellen zu können.
Er würde gerne noch nachkaufen, aber er habe den typischen Anfängerfehler gemacht und ins fallende Messer gegriffen. Nun sei kein Geld mehr da, um die Position aufzustocken. Der Aufsichtsrat Herr Walter trage entscheidende Schuld am Kursverfall, den er durch den Verkauf von Aktien unterstützt habe. Ihn interessierte, ob dies von Herrn Walter angezeigt wurde und mit welchem Recht er eine Entlastung verdient habe. Er bat die Kandidaten für den Aufsichtsrat um eine detailliierte Vorstellung und begrüßte die Initiative von PSI, neue Institutionelle Anleger zu gewinnen, die den Kurs stützen könnten.
Herr Bauer, Geschäftsführer eines Pools von PSI-Mitarbeitern, dem sogenannten Konsortium, ergriff als nächster das Wort. Das Konsortium halte knapp 10 Prozent der PSI-Aktien und er könne versichern, dass Mitarbeiter aus diesem Umfeld Aktien ge- und nicht verkauft hätten. Dieser Zusammenschluss solle dem Markt ein positives Signal geben, da auch höhere Bindungsfristen eingegangen wurden. Man habe ein hohes Interesse an der Wertentwicklung des Unternehmens und sei sehr unzufrieden mit dem Kursverlauf.
Das Konsortium sei gegen eine Vergrößerung des Aufsichtsrats, denn man brauche mehr Qualität als Quantität. Er fragte, in welchen Zeitraum die neue Strategie umgesetzt werden soll und wie viel Aktien Herr Walter privat hält. Seitens des Konsortiums sei ein Verfahrensantrag gegen die Wahl des Aufsichtsrats anhängig, da ein Gegenantrag nicht fristgerecht eingereicht werden konnte.
Herr Jaeschke entgegnete, dass man die neue Strategie in 3 bis 4 Monaten umsetzen wolle und ein Hinderungsgrund die Autonomie der einzelnen Tochterunternehmen sein werde. Die Kandidaten für den Aufsichtsrat stellten sich nun vor.
Herr Trippel hakte erneut ein und sagte, dass es ein "Armutszeugnis" für Herrn Walter sei, da er mit Nichtanwesenheit glänze. Er forderte die Einzelentlastung des Aufsichtsrats, da dieser Stil eine gelb-rote Karte und somit die Nichtentlastung verdiene. Nach Vorstellung der Kandidaten habe er nicht das Gefühl, dass der angekündigte Generationswechsel durchgeführt werde und beantragte, die Wahl des Aufsichtsrats von der Tagesordnung zu streichen. Der Versammlungsleiter solle es nicht auf eine Kampfabstimmung ankommen lassen und er werde die "Konsorten" unterstützen.
Abstimmungen
Nun wurde die Präsenz mit 3.128.097 Stimmen bzw. 28,93 Prozent festgestellt und die Abstimmung über die ersten fünf Tagesordnungspunkte durchgeführt, bei der die Beschlüsse zur Vergrößerung des Aufsichtsrats und die Entlastung von Herrn Walter jeweils mit großen Mehrheiten abgeschmettert wurden.
Nun kam es zu einem kleinen Disput zwischen der Notarin Frau Arnold und Herrn Trippel, bei der ein möglicher Interessenkonflikt im Raum stand, da die Notarin auch in der Sozietät des Rechtsberaters von PSI, Betzenberger Berlin, arbeitet (Anmerkung: Herr Betzenberger ist Vizepräsident des DSW). Herr Trippel kündigte an, dass er der Notarkammer einen Hinweis zukommen lassen werde und gab vorsorglich zu allen Tagesordnungspunkten Widerspruch zu Protokoll.
Er fragte nach dem Volumen der Beratungsleistungen seitens Betzenberger für die PSI AG in 2001 und den Rechtsberatungskosten für diese HV. Anschließend erkundigte er sich, ob jemand eine Mitteilung gemäß Paragraph 20 Aktiengesetz abgegeben hat und von wem die letzte Meldung stamme. Herr Jaeschke warf ein, dass man eine solche Mitteilung nicht erhalten habe und die Notarin ergänzte, dass die angefragten Kosten bei 11.000 bzw. 5.000 Euro liegen.
Herr Trippel führte daraufhin aus, dass das Konsortium mangels der Anzeige eines Anteiles von mehr als 5 Prozent auf dieser HV nicht stimmberechtigt sei, da der zutreffende Paragraph auch für gepoolte Aktien gelte. Es dürften derzeit von dieser Partei keine Stimmrechte ausgeübt werden. Ignoriere man dies, so wäre nur eine weitere Hauptversammlung fällig, da die jetzigen Beschlüsse im Rahmen dieses "Possentheaters" unwirksam seien.
Der Aufsichtsratsvorsitzende meinte, dass man diesen Sachverhalt zu diesem Zeitpunkt nicht prüfen könne. Nachdem Herr Trippel auch eine parallele Abklärung sowie Abstimmung ablehnte, entschloss sich Dr. Warner zu einer sofortigen eingehenden Prüfung und einer längeren Pause. Während dieser Unterbrechung gönnten sich die anwesenden Aktionäre einen kleinen Imbiss und verfolgten die WM-Begegnung Argentinien gegen England auf einer Leinwand im Foyer.
Da das Konsortium seinen knapp 10prozentigen Aktienbesitz nicht nach Paragraph 20 Aktiengesetz gemeldet hatte, wurden diese Stimmen wegen des Formfehlers aus der Präsenz genommen und die Abstimmung wiederholt. Zu Beginn wurde eine Präsenz von nur noch 1.406.016 Stimmen bzw. 13,0 Prozent des Grundkapitals festgestellt. Die Entlastung des Vorstands bzw. Aufsichtsrats (bis auf Herrn Dietrich Walter), die Wahl des Wirtschaftsprüfers sowie der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages mit der Nentec Gesellschaft für Netzwerktechnologie mbH, Karlsruhe wurden mit mindestens 85 Prozent angenommen.
Herr Dietrich Walter, bekannt aus seiner Tätigkeit bei der Gold-Zack AG, wurde im Rahmen einer Einzelabstimmung für seine Aufsichtsratsarbeit bei der PSI AG nicht entlastet. Diese mit 48,89 Prozent sehr knappe Entscheidung (581.762 Nein- gegen 556.704 Ja-Stimmen) wurde mit großem Beifall begrüßt. Außerdem wurde der Vorschlag der Verwaltung für eine Erhöhung des Aufsichtsrats von 6 auf 9 Personen von den Anwesenden bei 629.781 Nein-Stimmen abgelehnt. Dieser Antrag fand somit nur 44,9 Prozent Ja-Stimmen.
Herr Trippel betonte, dass er den HV-Verlauf sehr betrüblich finde. Es zeigte sich über den Versuch eines "unfriendly takeover" durch die Mitarbeiter verwundert und man solle interne Streitigkeiten doch nicht auf der Hauptversammlung austragen. Für die Wahl des Aufsichtsrates schlage er die Herren Niedermaier, Kasch, Brunke und Linke vor, lehne aber Herrn Dr. Warner ab.
Die Herren Niedermaier und Kasch erklärten sich nicht bereit, bei dieser Einzelwahl zu kandidieren. Herr Trippel zeigte sich erschüttert, dass diese beiden Kandidaten nicht in Konkurrenz zu Herrn Dr. Warner treten wollten, und meinte, die Gesellschaft solle die Wahl für den Aufsichtsrat auf eine außerordentliche HV verschieben. Dies wurde von Dr. Warner abgelehnt, da die Amtszeit des Aufsichtsrats mit Ablauf der Hauptversammlung ende und der Aufsichtsrat nur mit den beiden Arbeitnehmervertretern nicht beschlussfähig sei.
Der Versammlungsleiter ordnete eine Einzelabstimmung zur Wahl des Aufsichtsrats an. Die Herren Brunke, Linke, Dr. Warner sowie Tekes (Mitgeschäftsführer des Konsortiums) und Dedner (Konsortium) stellten sich zur Wahl. Herr Trippel schlug sich selbst ebenfalls als Kandidat vor, da er finde, dass Mitarbeiter im Aufsichtsrat nichts zu suchen hätten. Er sei selbständiger Vermögensverwalter und Aufsichtsrat bei zwei Beteiligungsgesellschaften. Diese AR-Position wolle er nur übergangsweise wahrnehmen und seine ganze Kraft in die Suche nach einem kompetenten Nachfolger setzen. Nachdem ein Aktionär mehr "Frauenpower" im Gremium gefordert hatte, stellte sich auch die Augenärztin Frau Dr. Höhne als Kandidatin für die Wahl zur Verfügung.
Herr Weigert von der SdK schaltete sich ein und erläuterte, dass er die Situation sehr problematisch finde. Er bezweifelte, ob es sinnvoll wäre, den gesamten Aufsichtsrat durch Mitarbeiter zu besetzen, da man einen renommierten Aufsichtsrat mit Kontakten brauche. Herr Hoffmann, ein Mitarbeiter von PSI, äußerte sich sehr skeptisch über die Absichten von Herrn Trippel und dass seine Aktion mit Widerspruch bzw. Klage zu drohen, so "überflüssig wie ein Kropf sei". Er wisse nicht, was Herr Trippel genau bezwecke, aber er finde, dass er sich nur profilieren wolle.
Bei der anschließenden Einzelwahl wurden folgende Aufsichtsräte für die Dauer von drei Jahren gewählt: Herr Linke (828.824 Stimmen), Herr Brunke (780.380 Stimmen), Herr Dedner (605.729) sowie der Aktionär Karsten Trippel (392.067). Der derzeitige Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Warner scheiterte mit 350.600 Stimmen. Anschließend beendete der scheidende Aufsichtsratsvorsitzende die Veranstaltung nach knapp acht Stunden.
Fazit
Der Verlauf dieser Hauptversammlung war schlichtweg sensationell. Die Erhöhung des Aufsichtsrats und die Entlastung von Herrn Walter wurden von den anwesenden Aktionären abgelehnt. Dies war ein Schlag ins Gesicht der Verwaltung. Die extrem niedrige Präsenz ermöglichte es, dass die Herren Bauer, Dedner und Trippel mit ihren Stücken die Abstimmung entscheiden konnten. Schussendlich wurde auch noch der umtriebige und gut informierte Aktionär Karsten Trippel in den Aufsichtsrat gewählt.
Angesichts dieser überraschenden Entwicklung trat die vom Vorstand vorgestellte neue Strategie in den Hintergrund. Diese enthält eine Vielzahl von aussichtsreichen Elementen, sowohl was die Entwicklung als auch die Expansion betrifft. Trotz alledem binden die vom Vorstand verteidigten Minderheitsbeteiligungen nur finanzielle Mittel und sollten zukünftig unterlassen werden. Die Liquiditätssituation konnte durch den Verkauf der Mehrheit an den Tochterunternehmen GSI und Integral entscheidend verbessert werden, wobei man dies mit einem Umsatzrückgang von 12,74 Mio. Euro im ersten Quartal 2002 bezahlen musste.
Bei entsprechender Realisierung der ehrgeizigen Ziele dürften sich für PSI gute Chancen ergeben, auf einem aussichtsreichen Absatzmarkt den Marktanteil weiter auszubauen und auch dem Aktienkurs wieder etwas mehr Glanz zu verleihen. Der interne Machtkampf zwischen Verwaltung und Mitarbeitern dürfte aber die Kursentwicklung negativ beeinflussen und viele interessierte Anleger abschrecken.
Der neue Aufsichtsrat verfügt zwar über das nötige Fachwissen, aber nicht über die erforderlichen Kontakte. Der designierte Vorstand Dr. Schrimpf kann sich auf einiges gefasst machen, da das Konsortium nun die Kontrolle im Aufsichtsrat erlangt hat. Es bleibt zu hoffen, dass dieses nicht zu stark in das operative Geschäft eingreift.
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