Bei der GIVAG - Gesellschaft für Immobilien- und Vermögensanlagen AG - handelt es sich um ein Unternehmen, das sich sowohl im Bereich Bestandshaltung von Wohn- und Gewerbeimmobilien als auch als Anleger an der Börse betätigt. Lange Jahre wurde die Gesellschaft abfällig als Verschiebebahnhof der WCM AG bezeichnet, welche über eine Zwischenstation namens Getreideheber an der GIVAG beteiligt ist.
Auch wenn es am Markt Gerüchte gibt, dass sich die WCM von ihrer indirekten Beteiligung an der GIVAG trennen möchte, so beherrschte vor allem das Verhältnis der WCM die Diskussion auf der Hauptversammlung der GIVAG am 29. Mai 2002 im altehrwürdigen Industrieclub in Düsseldorf. Neben etwa 50 teilweise recht prominenten Aktionären war auch Philipp Steinhauer für GSC Research anwesend.
Nachdem der Aufsichtsratsvorsitzende Dietrich Nill (er ist auch Aufsichtsrat bei der Jeserich AG) die Anwesenden begrüßt hatte, ging er auf den Ablauf der Versammlung und die weiteren Formalien ein. Hiernach übergab er das Wort an den Alleinvorstand Thomas Göbel.
Bericht des Vorstands
Dieser begann seine Rede mit den Worten, die GIVAG schaue zehn Jahre nach ihrer Gründung positiv nach vorn. Hiernach bot er einen Überblick auf die wichtigsten Kennzahlen der Gesellschaft. Die Umsatzerlöse habe man von 7 auf 30,9 Mio. Euro steigern können, das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit habe sich von 2,3 auf 6 Mio. Euro erhöht und der Jahresüberschuss von 1,7 auf 2,8 Mio. Euro. Das Ergebnis pro Aktie stieg von 16 auf 31 Cents.
Nachdem man in den ersten Jahren der Geschäftstätigkeit vor allem Erträge im Beteiligungsgeschäft erwirtschaftet habe, stamme inzwischen der größte Teil der Erträge aus dem Immobiliengeschäft. Einen großen Teil der Immobilienbestände habe man aufgrund des langfristigen Anlagehorizonts vom Umlauf- in das Anlagevermögen umgebucht. Das Eigenkapital reduzierte sich von 22 auf 21 Mio. Euro, das Fremdkapital von 225 auf 219 Mio. Euro. Die Eigenkapitalquote betrug zum 31. Dezember 2001 8,7 Prozent.
Herr Göbel betonte, die Bilanz weise eine der Situation der Gesellschaft nun besser entsprechende Struktur auf. Über das erzielte Ergebnis sei man sehr froh, zeige dies doch, dass man ein Ergebnis erwirtschaften konnte, welches vom Gesamtumfeld losgelöst ist. Da sich die Lage am Kapitalmarkt zwangsläufig bessern werde, wolle man nun auch vom Kapitalmarkt profitieren.
Laut Vorstand möchte sich die Gesellschaft nun markt- und sozialverträglich von Beständen trennen, welche nicht mehr in das Konzept passen. Zwischen 1996 und 2001 habe man knapp 200 Mio. Euro in den Immobilienbestand investiert, wovon man nun werde profitieren können. 81 Prozent der Wohnungsbestände befänden sich in Nordrhein-Westfalen, der Rest in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Dabei lagen die meisten Wohnungen mit 2.359 Wohneinheiten in Aachen, gefolgt von Hilden mit 669 und Bonn mit 301 Einheiten.
Das Wertpapierportfolio setzt sich nach den Worten von Herrn Göbel aus Anteilen an der WCM AG mit 69 Prozent des Depotvolumens und an der Commerzbank mit 20 Prozent sowie an der Maternus Kliniken AG, an welcher auch die WCM AG nennenswert beteiligt ist, mit 11 Prozent zusammen. All diese Wertpapiere befänden sich zwar unter dem Einstandsniveau, dieses sei jedoch ungerechtfertigt.
Bezüglich des Aktienkurses erklärte Herr Göbel, dieser habe nicht zu begründende starke Verluste erlitten. Die Kursentwicklung von 2,12 Euro im Hoch auf 0,85 Euro im Tief sei vollkommen losgelöst von der Unternehmensentwicklung erfolgt. Angesichts der Tatsache, dass der Kurs insbesondere den Dividendenabschlag nicht aufgeholt hat, stelle sich die Frage nach der künftigen Ausschüttungspolitik. Ab dem nächsten Jahr wolle man an die Aktionäre Gratisaktien ausgeben, für dieses Jahr sei keine Dividendenausschüttung vorgesehen.
Dann kam Herr Göbel auf das laufende Geschäftsjahr 2002 zu sprechen. Im ersten Quartal wurde ein EBIT von 3,1 Mio. Euro erzielt, das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit lag bei 1,2 Mio. Euro. Mit diesen Zahlen signalisiere man ein "glaubwürdiges Leistungsversprechen", und die Gesellschaft verfüge über mehr Entwicklungspotenzial denn je.
Allgemeine Diskussion
Im Anschluss an die Ausführungen von Herrn Göbel meldete sich Herr ten Doornkat von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) zu Wort, der den Geschäftsbericht lobte und seinen Unmut darüber kundtat, dass die Börse die positive Geschäftsentwicklung nicht honoriert hat. Ferner erkundigte er sich nach der Aktionärsstruktur sowie nach Details des installierten Frühwarnsystems.
Als nächster Redner sprach dann Herr Dr. Pluta von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), welcher erklärte, er befinde sich zum ersten Mal auf einer Hauptversammlung der GIVAG. Hätte er schon im Vorfeld erfahren, dass die Gesellschaft in WCM investiert ist, so hätte er nicht an der Hauptversammlung teilgenommen, da er im Aufsichtsrat der WCM AG vertreten sei. Herr Dr. Pluta kritisierte den Geschäftsbericht, welcher an vielen Stellen Fragen offen lasse. Auch der Vortrag von Herrn Göbel zeichne sich vor allem durch wohl gesetzte Worte aus. Insgesamt vermisse er Informationen über die Immobilien der Gesellschaft.
Dr. Pluta nannte die GIVAG eine "Veranstaltung der Kreditgeber", deshalb interessiere ihn, wer die Kreditgeber der Gesellschaft sind und wie die Konditionen der Kredite lauten. Zudem fragte er nach den Plänen für die Reduzierung der Verbindlichkeiten. Für ihn sehe der Transfer großer Teile des Immobilienvermögens in das Anlagevermögen danach aus, als wolle man Abschreibungen vermeiden.
Im Anschluss erkundigte sich Herr Alfred Schneider aus Köln nach dem Ergebnis der Betriebsprüfung und nach den Konditionen der gewährten Kredite. Außerdem wollte er den Grund wissen, weshalb sich die Wertpapiere im Anlagevermögen befinden. Insbesondere interessiere ihn in diesem Zusammenhang die Frage, welche Geschäftsbeziehungen man mit den drei Unternehmen des Portfolios pflegt. Danach erkundigte sich noch Herr Schwertfeger nach der Höhe der Vorstandsbezüge.
Antworten
Die Fragen beantwortete hiernach Herr Göbel, der zunächst das Risikomanagement der Gesellschaft erläuterte, welches nach seinen Angaben kontinuierlich weiterentwickelt wird. In den letzten Jahren habe man die Öffentlichkeitsarbeit kontinuierlich verbessert, jedoch sei eine direkte Kurspflege der Aktie nur sehr schwer möglich. Die Aktionärsstruktur kenne man nicht, hier gebe aber die Präsenzliste einen Aufschluss. Das Immobilienvermögen habe man nicht in das Anlagevermögen gebucht, um so Abschreibungen zu vermeiden, betonte Herr Göbel.
In Bezug auf die Fremdverbindlichkeiten erklärte er, zum Teil seien öffentliche Schulden übernommen worden, es seien aber auch Hypothekenkredite gewährt worden, außerdem habe der Verkäufer des großen Wohnungsbestands im Jahr 2000 einen Teil des Kaufpreises gestundet. Die Wertpapiere, die über die Börse erworben worden seien, befänden sich mit 4,5 Mio. Euro im Minus, Abschreibungen halte man aber nicht für notwendig. Die Betriebsprüfung habe eine Steuernachzahlung in Höhe von 50.000 Euro nach sich gezogen. Auf die Frage nach dem Vorstandsgehalt erklärte Herr Göbel, er habe in 2001 148.000 Euro bezogen.
Weitere Wortmeldungen
Nach Beantwortung der Fragen meldete sich Herr Brandes zu Wort, der die Meinung vertrat, es seien nur verhältnismäßig geringe Abschreibungen auf die im Anlagevermögen befindlichen Immobilien vorgenommen worden. Zudem wollte er wissen, ob die sich im Anlagevermögen befindlichen Objekte positive Deckungsbeiträge erwirtschaften. Er komme zu dem Ergebnis, dass die Immobilien der Gesellschaft durchschnittlich 30 Jahre alt sind.
Des Weiteren verlangte Herr Brandes Auskunft über den Käufer der Immobilien und stellte die Frage, ob dieser in Verbindung mit dem damaligen Verkäufer der Immobilien steht, welcher über mehrere Zwischenstationen die WCM AG gewesen ist. Er frage sich auch, warum die Gesellschaft dies zu verheimlichen versucht. An dieser Stelle gab es von Seiten der freien Aktionäre Applaus.
Hierauf antwortete Herr Göbel, man habe mitgeteilt, wer der Verkäufer der Immobilien gewesen ist. Dies sei eine Presto genannte Gesellschaft gewesen (deren Geschäftsführer vor der Übernahme der RSE AG durch die WCM AG Herr Dr. Lutz Ristow war). Die Immobilien seien dann an verschiedene Adressen verkauft worden. Die Immobilien im Anlagevermögen erwirtschaften laut Vorstand einen positiven Deckungsbeitrag.
Hiernach meldete sich Herr Schneider nochmals zu Wort und fragte, ob die Presto tatsächlich "im weitesten Sinne" dem WCM-Konzern zuzurechnen ist und in welcher Höhe man beim WCM-Konzern Verbindlichkeiten hat. Außerdem wollte er wissen, ob Mitarbeiter "von der Payroll der WCM" übernommen wurden. Des Weiteren interessierte Herrn Schneider, ob man angesichts der mit Kredit finanzierten Wertpapierkäufe "ins Schwimmen" kommt. Hierauf erwiderte Herr Göbel, die Wertpapiere seien nicht über Kredite finanziert worden. Die Mitarbeiter seien von Presto übernommen worden, und insgesamt schulde man dem WCM-Konzern 54,2 Mio. Euro.
Abstimmungen
Nachdem die Präsenz mit 28,73 Prozent bekannt gegeben worden war, wurde über die Tagesordnungspunkte abgestimmt. Im Einzelnen waren dies die Verwendung des Bilanzgewinns, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, die Beschlussfassung über die Aufhebung des Beschlusses über die Erhöhung des Grundkapitals, die Beschlussfassung über die Aufhebung des Beschlusses zur Schaffung eines genehmigten Kapitals, die Beschlussfassung über die Schaffung eines neuen genehmigten Kapitals, die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien, Wahlen zum Aufsichtsrat und die Wahl des Abschlussprüfers.
Während bei den ersten Tagesordnungspunkten jeweils nur wenige Neinstimmen und Enthaltungen zu verzeichnen waren, enthielt sich der zur Wahl in den Aufsichtsrat stehende Herr Götz Oliver Blum beim vorletzten Tagesordnungspunkt mit rund 500.000 Stimmen, bei der Wahl des Abschlussprüfers votierte er gar mit diesen Stimmen für "Nein". Schlussendlich wurden jedoch aufgrund der Stimmenverhältnisse (es gibt knapp 12 Millionen Aktien) alle Tagesordnungspunkte beschlossen.
Zur Wahl in den Aufsichtsrat stand neben Herrn Blum auch der Vorstand der SPARTA AG und der Falkenstein AG, Herr Dr. Olaf Hein, sowie der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende Herr Dietrich Nill. Herr Blum, Vorstand der Jeserich AG (Näheres zur Gesellschaft finden Sie im HV-Bericht von GSC Research), erläuterte seine Beweggründe für die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der GIVAG damit, dass er als Experte aus dem Bereich Gewerbeimmobilien der Gesellschaft beim weiteren Wachstum helfen möchte. Zudem wolle er der Gesellschaft dabei helfen, eine bessere Kommunikation mit den Aktionären zu betreiben.
Fazit
Die Hauptversammlung der GIVAG hat gezeigt, dass bei einigen Aktionären akuter Aufklärungsbedarf besteht. Insbesondere der tatsächliche Bezug der Gesellschaft zur derzeit unter Druck stehenden WCM AG scheint die freien Aktionäre zu bewegen, und die Verwaltung löste keine Freude bei den Aktionären aus, indem sie sich gerade in diesem Punkt zugeknöpft gab. Dies zeigte unter anderem der große Applaus nach den Ausführungen von Herrn Brandes.
Unabhängig hiervon muss man der Aktie der GIVAG angesichts eines bilanzierten Eigenkapitals von 21 Mio. Euro und eines Ergebnisses von 31 Cent pro Aktie sowie einer Marktkapitalisierung von nur wenig mehr als zehn Mio. Euro eine Unterbewertung konstatieren. Dennoch ist ein Engagement in der GIVAG aufgrund der niedrigen Eigenkapitalquote mit erheblichen Risiken verbunden, da viel davon abhängt, dass die in der Bilanz ausgewiesenen Wertansätze der Immobilien marktfonform sind.
Kontaktadresse
GIVAG AG
Frankenstraße 7
97980 Bad Mergentheim
Tel.: 07931 / 9018 - 0
Fax: 07931 / 9018 - 90
Email: [email protected]
Internet: www.givag-ag.de