Die etwa 45 Aktionäre, die sich zur unchristlichen Zeit von 9:00 Uhr im Treffhotel in Wernigerode eingefunden hatten, befürchteten allerdings, dass das Schiff, auf das sie gesetzt haben, im dichten Nebel auf Grund gelaufen sei, da der Funkkontakt mit den Aktionären zuletzt ins Stocken geraten war. GSC Research hat das Schiff geortet und in Oliver Wiederhold einen Lotsen an Bord gebracht, der gewohnt ausführlich berichtet.
Bericht des Vorstands
Marc-Oliver Nieraad eröffnete in seiner Funktion als Vorsitzender des Aufsichtsrates die Versammlung um 9:25 Uhr, bat trotz der aktuellen Lage um einen ruhigen Verlauf der Veranstaltung und übergab nach Erläuterung der Formalien das Wort an das Aufsichtsrats-Mitglied Rony Vogel, der zwei Personalien zu verkünden hatte. Man befinde sich in Verhandlungen um die Einstellung eines zweiten Vorstandes, könne aber den Namen noch nicht nennen.
Es handele sich um eine US-Amerikanerin mit 20-jähriger Bankerfahrung unter anderem bei Merrill Lynch, die der Gesellschaft viele Türen - auch im Ausland - öffnen werde. Der Arbeitsbeginn werde bei erfolgreichem Abschluß der Vertragsverhandlungen am 1. Januar 2001 sein. Wie im späteren Verlauf der Versammlung geäußert wurde, erfolgt diese Bestellung eines weiteren Vorstands auf Anregung des jetzigen Alleinvorstands Nick Daniel. Die zweite Veränderung betrifft den Aufsichtsrat, in welchen ein Vorstandsmitglied von Macropore weiteres Know-how im Bereich Going Public einbringen wird.
Nach dieser Erklärung begann Alleinvorstand Nick Daniel seinen Bericht und stellte das aktuelle Beteiligungsportfolio vor. Bei der BelleNet AG, einem Dienstleister für die internetbasierte Präsentation und Vermittlung von Fotomodellen, haben sich bei der zweiten Kapitalerhöhung unerwartete Probleme ergeben. Die Kapitalerhöhung konnte nicht geschlossen werden. Einen Liquiditätsengpass bei BelleNet habe man seitens VUB bis zu einem gewissen Grad mit Darlehen überbrückt, um dem Vorstand die Möglichkeit zu eröffnen, einen weiteren strategischen Investor zu finden. Der aktuelle Sachstand sei aufgrund der restriktiven Informationspolitik seitens BelleNet nicht bekannt.
Die 100prozentige Tochtergesellschaft B.I.G. Business Ideas GmbH (bisher MC Management und Consulting GmbH) ist als Inkubator tätig, berät junge Unternehmen und wertet Geschäftsmodelle im Auftrag von Beteiligungsgesellschaften, auch der VUB aus. Der Jahresüberschuss 1999 betrug 155 TDM, wird aber nicht ausgeschüttet.
Bei der pagedown Software AG (VUB-Anteil 68,5%) wurden Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung aufgedeckt. Herr Andreas Damke, Geschäftsführer der B.I.G. Business Ideas GmbH hat den Vorstand übernommen, Sonderermittler sind beauftragt worden, die Vorgänge zu prüfen. Die VUB AG und die pagedown Software AG haben sich im 1. Halbjahr 2000 mit zusammen 99% an der Nova Media Verlag GmbH beteiligt. Nach Aussagen des Vorstands handelt es sich hierbei um ein kerngesundes und außerordentlich ertragreiches Unternehmen mit einem Jahresumsatz 1999 in Höhe von 2 Mio. DM, der im laufenden Geschäftsjahr voraussichtlich noch um 2,5 Mio. DM übertroffen werden wird.
Die strategische Vision des Geschäftsführers der Nova Media Verlag GmbH, Herrn Sven Kurschus, ist der Ausbau des Unternehmens vom deutschen Verlagshaus zum internationalen Medienhaus. Noch im Oktober 2000 soll die Umwandlung in eine AG erfolgen. Anschließend soll die pagedown Software AG noch in diesem Jahr auf die Nova Media Verlag AG verschmolzen werden. Ein Bewertungsgutachten zur Ermittlung des Umtauschverhältnisses und der eventuell baren Zuzahlung werde derzeit durch externe Wirtschaftsprüfer erstellt. Der Geschäftsbetrieb von pagedown sei bereits nach Iserlohn an den Sitz von Nova Media verlagert worden.
Auf die Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahres ging der Vorstand nur kurz ein. Die Gesellschaft weist für 1999 einen Jahresüberschuss von 84 TDM aus, der den Bilanzverlust aus dem Vorjahr in einen Bilanzgewinn von 21 TDM wandelt. Zum Verlauf des ersten Halbjahres 2000 nannte der Vorstand einen Umsatz von 1,74 Mio. DM und ein Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von 546 TDM, was einer Steigerung um 200% entspricht. Dieses Ergebnis wurde durch nicht näher erläuterte Teilverkäufe von Beteiligungen erzielt. Als Ziele für die Zukunft nannte er die Aufdeckung von weiteren stillen Reserven, was unter anderem durch den Börsengang der Nova Media Verlag AG erfolgen solle. Die Aktie der VUB bezeichnete der Vorstand als unterbewertet.
Allgemeine Aussprache
Ein Aktionär fragte, warum man den Jahresabschluss nicht habe prüfen lassen, obwohl die letzte HV einen Abschlussprüfer gewählt hatte. Der AR-Vorsitzende berief sich auf den Status der VUB als kleine Kapitalgesellschaft, bei der eine Prüfung nicht erforderlich sei. Der Geschäftsbericht nennt Kosteneinsparungen als Beweggrund für diese Entscheidung.
Als nächstes meldete sich Herr Rohrdrommel, früherer Vorstand der pagedown Software AG zu Wort. Er merkte an, dass für die pagedown ein Kaufpreis von 1,2 Mio. DM vereinbart worden sei, von dem lediglich 800 TDM bezahlt worden seien. Dementsprechend hätten im Jahresabschluss TDM 400 als Verbindlichkeiten ausgewiesen werden müssen. Hierauf antwortete der AR-Vorsitzende, dass sich die genannten 400 TDM auf einen Zusatzvertrag über eine Kaufpreiserhöhung beziehen, der aber nicht rechtswirksam sei. Dies sei durch Anwälte bestätigt worden. Man sei darauf vorbereitet, es in dieser Sache zu einem Rechtsstreit kommen zu lassen, und wolle daher die Gründe für die vermeintliche Unwirksamkeit des Vertrages nicht öffentlich nennen.
Herr von Alvensleben, Rechtsanwalt von Herrn Rohrdrommel, bezweifelte die satzungsgemäße Durchführung der HV, da der Sitz der Gesellschaft München sei und die HV dort stattfinden müsse. Er verlangte, dass ihm die Satzung im Original zugeleitet wird, aus der die Möglichkeit der HV-Durchführung am Ort einer Zweigniederlassung hervorgeht. Dies wurde ihm von der Verwaltung zugesichert.
Ein Aktionär fragte nach der Aufschlüsselung der sonstigen betrieblichen Aufwendungen in Höhe von 811 TDM. Dieser Posten setzt sich nach Aussage von Vorstand und Aufsichtsrat aus Kosten der Kapitalbeschaffung, Bürokosten und Reisekosten zusammen. Ein ganzes Bündel von Fragen stellte ein weiterer Aktionär. Diese Fragen wurden teilweise erst später im Zusammenhang mit den weiteren Tagesordnungspunkten beantwortet. Sie bezogen sich unter anderem auf den geplanten Börsengang, die Liquiditätssituation und die Aktionärsstruktur.
Als Marktsegment für den Börsengang der VUB nannte der Vorstand den Geregelten Markt. Die Liquidität sei gesichert. Zur Aktionärsstruktur sagte der Vorstand, es gebe einige Aktionäre mit größeren Stückzahlen, es sei aber nur ein Aktionär mit einem Anteil von knapp über 10% bekannt. Der Aufsichtsrat liege zusammen unter 10%, ebenso wie der Vorstand Nick Daniel, der nach eigener Aussage bislang keine Aktien verkauft hat.
Abstimmungen
Die Beschlussfassung zu TOP 1 sah vor, den Jahresabschluss festzustellen (dieses wurde wegen der nicht durchgeführten Abschlussprüfung vom Aufsichtsrat an die HV übertragen). Hierzu stellte der Aktionär Rohrdrommel den Antrag, den Jahresabschluss wegen fehlender Rückstellung für die Restzahlung von 400 TDM für den Kauf von pagedown nicht in der vorgelegten Fassung festzustellen. Der Versammlungsleiter ließ zuerst über den Antrag der Verwaltung abstimmen, da sich bei Annahme der Gegenantrag erübrige. Die Präsenz wurde bei TOP 1 mit 60,94% festgestellt. Für den Antrag der Verwaltung stimmten 91,71%, dagegen 8,29% (= 48.000 Aktien). Unter TOP 2 wurde bei wenigen Gegenstimmen beschlossen, den Bilanzgewinn auf neue Rechnung vorzutragen.
Zur Entlastung des Vorstands, gab es weitere Wortmeldungen. Ein Aktionär forderte, die Situation der Beteiligungen genauer darzustellen. Der Vorstand ergänzte daraufhin seine Aussagen aus dem Vorstandsbericht. Bei pagedown sei 1999 ein Verlust von etwa 1 Mio. DM angefallen. BelleNet erwirtschafte geplante Anlaufverluste, die aktuelle Situation sei nicht darstellbar. fns-trading.com AG sei in 1999 nur 3 Monate operativ tätig gewesen, B.I.G. erwirtschafte ein positives Ergebnis und bei net-paradise sei eine schwarze Null zu erwarten.
Zu diesen Zahlen meldete sich Herr Walter Lippl zu Wort, der eine Vielzahl von Aktionären vertrat. Er sei aus allen Wolken gefallen, als für pagedown statt des angekündigten Jahresüberschusses ein deutlicher Verlust vermeldet wurde. Er verwies auf die Zahlen des Verkaufsprospektes der pagedown-Kapitalerhöhung und warf implizit die Frage der Prospekthaftung auf.
Eine weitere Nachfrage betraf die Beteiligung an Belle Net. Vorstand und Aufsichtsrat bestätigten, dass ein Informationsfluss derzeit nicht stattfindet. Man strebe die Einberufung einer außerordentlichen HV an. Ein Aktionär warf ein, der mit auf dem Podium sitzende Rechtsanwalt Nicolai Klute sei doch im Aufsichtsrat von BelleNet. Dies wurde bestätigt, doch könne sich dieser zu den Sachverhalten nicht äußern, da er sich ansonsten schadenersatzpflichtig mache. Die Entlastung des Vorstands wurde schließlich mit 15% Neinstimmen und 8% Enthaltungen angenommen. Auffällig dabei war die unveränderte Präsenz von 60,94%.
TOP 4 betraf die Entlastung des Aufsichtsrates. Hier unterbreitete Herr Lippl den Vorschlag, die Entlastung des alten Aufsichtsrates (die Herren Rauh, Füchsel und Andag sind zum 8. September 1999 ausgeschieden) und des neuen Aufsichtsrates (die Herren Nieraad, Vogel und Kürten ab 8. September, wobei letztgenannter zum 28. Juni 2000 bereits wieder ausgeschieden ist) zu trennen. Dieser Vorschlag wurde angenommen. Der alte AR wurde bei einer Präsenz von 60,68% mit 76% Ja- und 24% Neinstimmen entlastet. Bei der Entlastung des neuen AR verminderte sich die Präsenz auf 54,51% (es wurde bekanntgegeben, dass das AR-Mitglied Vogel über 60.000 Aktien verfügt); die Entlastung erfolgte mit 90% Ja- und 10% Neinstimmen.
Als fünfter Punkt der Tagesordnung wurde die Vergütung des Aufsichtsrates für das abgelaufene Geschäftsjahr einstimmig auf 2.500 Euro festgesetzt (Vorsitzender das Doppelte, Stellvertreter das Eineinhalbfache). TOP 6 sah die Wahl eines Ersatzmitgliedes für den Aufsichtsrat vor. Dieser Punkt wurde nicht zur Abstimmung gebracht, da er nach § 101 AktG so nicht beschlussfähig ist (ein Ersatzmitglied kann nur im Zusammenhang mit der Wahl eines Aufsichtsratsmitgliedes gewählt werden).
TOP 7 betraf die Erhöhung des Grundkapitals gegen Bareinlagen im Verhältnis 19:3. Der Beschlußvorschlag sah einen Bezugspreis von mindestens 6,10 Euro vor, was naturgemäß zu Diskussionen führte, da der aktuelle vorbörsliche Kurs erheblich darunter liegt. Ein Aktionär stellte den Antrag, den Bezugspreis mit mindestens 2 Euro festzulegen. Die Verwaltung zeigte sich dagegen optimistisch, die Aktien für mindestens 6,10 Euro zu platzieren, und erhielt in diesem Punkt Unterstützung von Aktionär Rohrdrommel, der dem Vorstand dieses Unterfangen ebenfalls zutraut. Abgestimmt wurde zuerst über den Vorstand der Verwaltung, der mit großer Mehrheit angenommen wurde. Der Gegenantrag hatte sich damit erübrigt.
TOP 8 sah ein genehmigtes Kapital gegen Bar- und Sacheinlage mit möglichem Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre vor. Hiergegen regte sich erheblicher Widerstand. Viele Aktionäre waren allenfalls bereit, den Bezugsrechtsausschluss im Falle der Sacheinlage zuzulassen. Die Verwaltung erklärte sich bereit, den Beschlussvorschlag zu überarbeiten. Zu diesem Zweck wurde die Versammlung unterbrochen. Nach Wiederaufnahme wurde über den ursprünglichen Beschlussvorschlag abgestimmt, der mit 64% Neinstimmen abgelehnt wurde. Ein Aktionär trug daraufhin den Gegenvorschlag vor, nach dem der Bezugsrechtsausschluss nur im Falle der Sacheinlage zulässig ist. Dieser Vorschlag wurde angenommen.
Mit TOP 9 sollte die Gesellschaft zum Rückkauf eigener Aktien ermächtigt werden. In der Beschlussvorlage war von Börsenkurs und Marktsegment die Rede, so dass sich die Frage ergab, ob der Rückkauf auch im außerbörslichen Handel erfolgen solle. Dies wurde von der Gesellschaft bejaht. Der Vorstand führte auf Nachfrage von Aktionären aus, dass der private Handel zwischen Aktionären in den letzten Wochen reger als bei Valora gewesen sei. Nach Aussage von Aktionären habe sich in den letzten Wochen eine regelrechte Verkaufspanik ergeben. Der Vorstand verwies darauf, dass es immerhin auch Käufer gegeben haben müsse. Es habe sich dadurch aber kein neuer Großaktionär ergeben. TOP 9 wurde schließlich angenommen.
TOP 10 betraf die Teilnahmebedingungen an der Hauptversammlung und TOP 11 den Übergang der Aktien in Girosammelverwahrung. Beiden Punkten wurde zugestimmt. Die Versammlung endete nach sechs Stunden mit einem Imbiss und weiterem Meinungsaustausch.
Fazit
Die zwei problematischen Beteiligungen pagedown Software AG und BelleNet AG prägen das aktuelle Portfolio des Unternehmens. Insbesondere bei BelleNet ist die Lage unklar und es überrascht, dass VUB seinen Einfluss als größerer Aktionär nicht aktiv nutzen kann. Durchaus positive Ansätze wie die Beteiligung an der EWIS AG und die strategische Beteiligung an einem börsennotierten Unternehmen (unseren Informationen zufolge handelt es sich dabei um Valora) treten dadurch in den Hintergrund.
Käufe drängen sich derzeit nicht auf, insbesondere da viele Aktionäre der ersten öffentlichen Kapitalerhöhung zu 1,30 Euro die erste Möglichkeit zur steuerfreien Gewinnrealisierung nutzen würden und dadurch die schmerzlich vermissten Geldkurse im vorbörslichen Handel bei Valora vermutlich nicht von großer Dauer wären.
Von Investments raten wir daher zunächst ab; es bleibt abzuwarten, wie die aktuellen Probleme gelöst werden. Der nächste Meilenstein wird die Hauptversammlung der pagedown Software AG sein. Vielleicht ist bis dahin besser sichtbar, ob man in VUB das "Ei des Columbus" gefunden hat oder eine Fortsetzung der Odyssee bevorsteht.
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