Den Mantelspekulanten freuts, vergrößert sich dadurch mittelfristig doch unweigerlich die Zahl der denkbaren und tatsächlichen Börsenhüllen. Eine jener Gesellschaften, die in Rekordzeit die nahezu vollständige Vernichtung ihres Aktionärsvermögens bewerkstelligte und nunmehr in den Kreis wahrscheinlicher Mantelaktien aufrückte, ist die Trion Technology AG.
Das Unternehmen wurden im vergangenen Jahr von der New York Broker Deutschland AG an die Börse gebracht. Das damit verbundene schlechte Omen sollte sich rasch bewahrheiten, wies das Unternehmen doch 1999 einen Verlust von fast 10 Mio. DM aus. Der Emissionserlös von 6 Mio. US$, der durch die Platzierung von rund 1,2 Mio. Aktien zum Kurs von je 5 US$ in die Kasse des Unternehmens gespült wurde, war somit in weniger als einem Jahr weggeputzt. Rekordleistung, meinte ein Beobachter anerkennend, selbst bei einer Emission von New York Broker Deutschland hätten wir nicht mit einem so raschen wirtschaftlichen Niedergang gerechnet.
Während sich die vermeintlich bevorzugten Depotkunden eines bestimmten Düsseldorfer Brokerhauses wohl noch die Wunden lecken, haben erste Mantelspekulanten bereits Fährte aufgenommen. Denn mittlerweile zeichnet sich ab, dass der an die Wand gefahrenen Aktiengesellschaft eine neue Zukunft in einem wachstumsstarken Bereich bevorstehen könnte. Neues Spiel, neues Glück.
Mit 9,09 Prozent Aktienanteil hat sich das erfolgreiche Neue Markt-Unternehmen Lintec bei Trion eingekauft. Die Lintec-Manager unternahmen mittlerweile Versuche, den Anteil auf eine Mehrheit aufzustocken. Ein rund 10%iges Paket aus dem Besitz der BMP wurde an Lintec veroptioniert, zudem sollte das rund 40%ige Paket des Unternehmensinitiators Sami Tabbara übernommen werden. Während davon auszugehen ist, dass die Option auf den BMP-Anteil tatsächlich noch besteht, gab es beim Anteil von Sami Tabbara wiederholt Unklarheiten. Zunächst hieß es im Oktober vergangenen Jahres, Lintec werde die Anteile übernehmen und für die Sanierung des Unternehmens gerade stehen. Dann schien es jedoch Schwierigkeiten mit zwei Banken zu geben, die die Trion-Aktion von Sami Tabbara als Sicherheit verpfändet hatten und die Stücke nicht herausgeben wollten. Seither erfolgte zu diesem Komplex keine offizielle Meldung mehr.
Aufschluss über die aktuelle Situation könnte dagegen die mittlerweile zwei Mal erfolgte Einladung zu einer Hauptversammlung des Unternehmens geben. Eine zunächst auf den 29. Februar terminierte Hauptversammlung wurde wieder abgesetzt und durch eine neue Versammlung am 15. März ersetzt, weil Lintec mit Hilfe des 9,09-Prozent-Pakets die Tagesordnung erweitern wollte. Auf der neu einberufenen Hauptversammlung stellt Lintec nun den unter Tagesordnungspunkt 4 zusammengefassten Antrag, den alten Aufsichtsrat komplett abzuberufen und durch drei neue Mitglieder zu ersetzen. Lintec schlägt neben dem Lintec-Aufsichtsratvorsitzenden Dr. Gerhard Köhler auch Sami Tabbara vor, woraus geschlossen werden kann, dass sich Lintec und Sami Tabbara mittlerweile zusammengeschlossen haben und vereint marschieren. An der Mehrheitsfindung für diesen Beschluss kann insofern kaum noch Zweifel bestehen.
Was genau der neue Plan für die Sanierung oder Neuausrichtung des Unternehmens ist, war bei unseren Recherchen bis jetzt noch nicht herauszufinden. Bekannt ist, dass das Unternehmen den Mitarbeiterbestand von 60 auf 12 abgebaut hat. Das in einer Unternehmensmeldung vom 2. Februar 2000 angekündigte Restrukturierungsprogramm des Unternehmens, auf dessen Grundlage der wirtschaftliche Turnaround zu schaffen und die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft zu sichern ist, kann mithin wohl kaum auf die Sanierung des angestammten Telematik-Geschäfts zielen, sonst hätte man die Know-how-tragenden Mitarbeiter nicht zum größten Teil entlassen.
Was auch immer der neue Geschäftsbereich sein wird, vorsorglich oder zur Vorbereitung einer größeren Maßnahme will das Management das Grundkapital um 5,61 auf 7,48 Mio. DM aufstocken und allen Aktionären den Bezug von jungen Aktien im Verhältnis 1:3 zum Nominalwert anbieten. Gleich mitgeliefert wird die in der Tagesordnung der Hauptversammlung unter Punkt 3 festgehaltene Drohung, dass bei einem Scheitern der Kapitalerhöhung die Liquidation des Unternehmens folge. Dass jedoch ein Unternehmen wie Lintec, das in einer eigenen Tochtergesellschaft Venture Capital-Gesellschaften züchtet und spätestens durch den eigenen erfolgreichen Börsengang den Wert einer Börsennotiz kennen dürfte, einen AG-Mantel so einfach liquidiert, erscheint indes eher unwahrscheinlich. Viel eher dürfte Lintec darauf abzielen, den eigenen Anteil durch Übernahme von Bezugsrechten verunsicherter Aktionäre noch einmal aufzustocken, bevor dann die eigentliche Neuausrichtung beginnt. Lintec dürfte einer Beteiligungsgesellschaft kaum eine Kapitalerhöhung finanzieren, wenn damit nicht konkrete Pläne verbunden wären.
Zu den mit dem Trion-Mantel verbundenen Plänen kursieren bislang in Börsenkreisen nach unseren Informationen keine Gerüchte. Angaben erhielten wir lediglich aus der IT-Branche, wo von einer Einbringung einer Gesellschaft aus dem Linux-Bereich ausgegangen wird. Wir konnten jedoch bislang noch keine Hinweise darauf finden, dass Lintec an einem Linux-Unternehmen beteiligt wäre, weshalb wir diese Information als reines Branchengerücht weitergeben. Sollten Leser hierzu weitergehende Hinweise haben, freuen wir uns über Emails und Boardbeiträge.
Was auch immer mit Trion geschehen wird, es riecht tatsächlich nach einer Mantelneuausrichtung klassischer Art: Beträgt der Verlust den bisherigen Angaben entsprechend im Geschäftsjahr 1999 tatsächlich knapp 10 Mio. DM, wie es die Börsen-Zeitung meldete, wurden dadurch wohl lediglich die Eigenmittel aufgebracht, nicht aber eine Überschuldung hervorgerufen. Zudem würde Lintec u.E. kaum den eigenen Aufsichtsratvorsitzenden entsenden, gäbe es nicht konkrete Überlegungen für die Gesellschaft. Auch die Androhung einer Liquidation und die Durchführung einer Kapitalerhöhung zu pari passt ins Bild einer Mantelverwertung. Interessanterweise wäre dabei auch ein Rückgriff auf das Mantel-Know-how der SPARTA Beteiligungen AG denkbar, ist diese doch nach letzten Informationen noch immer an Trion beteiligt (siehe das Wallstreet-Online Chat-Protokoll).
Klar gesagt werden muss jedoch auch, dass der letzte Beweis für ein solches Vorhaben, nämlich die entsprechende Bestätigung des Unternehmens, bislang aussteht. Zudem ist die Informationslage bei Trion bislang eher dürftig gewesen, in Datenbanken finden sich nur wenige Artikel mit überwiegend knapp gehaltenen Informationen. Auch das Auftauchen neuer Altlasten in der Trion AG, das Aufkommen von Streitigkeiten zwischen den Großaktionären oder Störmanöver wie Kursaussetzungen lassen sich bei einem solchen Wert nicht vollständig ausschließen. Anders ausgedrückt, sollten sich bei diesem Wert im jetzigen Stadium nur hochspekulative Anleger engagieren. Bei 4,488 Mio. ausstehenden ADRs (12 ADRs = 1 Aktie zu 5 DM Nennwert, Grundkapital 1,87 Mio. DM) wird die Gesellschaft an der Börse bislang mit 14,58 Mio. US$ bewertet (Basis: Schlusskurs New York bei 3,25 US$ am 7.2.2000). Für einen leeren Mantel ein hoher Wert, für eine eventuelle Linux-Gesellschaft gemessen an den Börsenwerten amerikanischer Linux-Firmen dagegen ein Klacks. Eine fundamentale Bewertung ist im jetzigen Stadium praktisch nicht, maßgeblich ist derzeit alleine die Phantasie. Die gestrigen Umsätze in New York, immerhin über 300.000 Aktien bei nur 1,2 Mio. Aktien freefloat, zeigen deutlich, dass bereits die Spekulation in den Titel gekommen ist, die möglicherweise sogar in Amerika ihren Ursprung haben könnte. Bemerkenswert ist hierbei, dass am gestrigen Tage im Internet nach unseren Recherchen keine nennenswerten Diskussionen zu Trion zu finden waren, sich insofern die Frage stellt, inwiefern die großvolumigen Käufe eventuelle aus gutinformierten Kreisen stammen. All dies muss sich erst noch zeigen und lässt breiten Raum für Spekulationen. Anleger sollten sich der Risiken eines solchen Titels immer bewusst sein und maximal 1% des Depotswertes in einen einzelnen Titel investieren. Wer auf die sichere Seite gehen möchte und den bei Mantelspekulationen mittlerweile bekannten Risiken wie Kursaussetzungen, mangelnde Informationsversorgung, lange Wartezeit oder extreme Volatilität aus dem Weg gehen möchten, kann auch erst die nächsten Unternehmensmeldungen oder die Hauptversammlung am 15. März abwarten, wird dann jedoch im Erfolgsfall nur noch zu deutlich höheren Kursen zum Zuge kommen. Alle anderen Anleger kaufen mit der Aktie eine Option, die sich im besten Fall vervielfachen kann, im schlimmsten Fall aber wertlos wird.
Als besonderen Hinweis sei noch auf die teilweise enormen Kursdifferenzen zwischen der Nasdaq und Berlin hingewiesen. So hätte es sich gerade am gestrigen Tag gelohnt, Stücke in New York zu kaufen, wo die Aktie bei 3 US$ notierte, also in Berlin bereits Kurse von über 3,50 Euro gezahlt wurden.