Vor Eröffnung der Hauptversammlung in der Kongresshalle Augsburg wurde in einer durch die Konzerntochter Infomatec Media AG erstellten Videopräsentation im Raumschiff Enterprise-Stil die Aufstellung von Infomatec als Global Player dargestellt. Die Vision von Infomatec ist es, jedermann jederzeit den Internetzugang zu ermöglichen. Ein Moderator führte durch die dreißigminütige Präsentation und stellte das neue Aushängeschild von Infomatec vor, einen Avatar mit dem Namen JaneT. JaneT ist ein "Software-Modul mit unbegrenzten Möglichkeiten." Diese weibliche Figur soll zum einen als Identifikationsfigur für Infomatec dienen, aber dem Nutzer auch auf der Website www.jane-t.de Dienste wie Navigation und Virensuche anbieten.
Der zwischenzeitliche Auftritt der Entertainerin und Schauspielerin Sissi Perlinger wurde von den Anwesenden mit Beifall honoriert. Nach diesem kleinen Exkurs begann die eigentliche Veranstaltung, von der GSC Research wieder gewohnt ausführlich berichtet.
Einleitung
Um 11:03 eröffnete der Aufsichtsratsvorsitzende Volker Müller-Scheessel die mit ca. 400 Anwesenden gut besuchte Hauptversammlung und stellte das neue Vorstandsmitglied, Herrn Karl-Heinz Gruns, vor. Herr Gruns war sechs Jahre bei KPMG als Wirtschaftsprüfer tätig und seitdem selbständiger Prüfer in München, bevor er am 26.Juni 1999 in den Vorstand der Infomatec eintrat.
Bericht des Vorstands
Der Vorstandsbericht wurde durch alle drei Vorstände nacheinander vorgetragen.
Alexander Häfele
Der stellvertretene Vorstandsvorsitzende Häfele ging zunächst auf die Struktur und Tätigkeit des Unternehmens ein. Infomatec ist ein Softwarehersteller für Internetanwendungen, der alle Dimensionen des Internets abdecken will von der Softwareentwicklung (GIS) über die Bereitstellung (ASP) bis zur Zugangstechnologie (IAS).
Im Geschäftsbereich GIS (Globale Informationssysteme) wird die modulare e-business-Lösung CAP (Core Applikation) entwickelt. @shop ist das Internetshop-Modul. Im Inter@archiv werden die Bilder, Videos und sonstige Informationen zu den Produkten z.B. von BMW bereitgehalten. Die durch eine Bestellung ausgelösten Arbeitsprozesse werden durch @enterprise verarbeitet, parallel dazu wird der notwendige Briefverkehr über @message abgewickelt. Das zugehörige Redaktionstool @press ermöglicht das Content Management für CAP. Ein Regelinterpreter ermöglicht die Verwaltung der verschiedenen Zusammenstellungsmöglichkeiten bei komplexen Produkten wie z.B. Autos. Die Berechnung der Finanzierung erfolgt durch den Core Calculator. Schnittstellen besitzt CAP mit mySAP, Sun Star Office und der unternehmenseigenen WAP-Zugangslösung WAP@me.
Im Bereich ASP (Application Service Providing) stellt Infomatec die entwickelten Anwendungen sowie Standardprodukte den Kunden in einem Rechenzentrum per Internet zur Verfügung. Die Datenübertragung erfolgt über die Partner UUnet und MCI Worldcom. Das Verhältnis bei den Kunden zwischen ASP-Lösungen und eigenen Installationen ist 4 :1. Da für ASP-Lösungen in der Regel spezielle Zugangsgeräte benutzt werden, ist der Bedarf an Spezialgeräten größer als der an PC-Systemen.
Diese Spezialgeräte (Surfstations, Webpads, Handys und sonstige Geräte) werden im Bereich IAS (Internet Appliance Systems) mit der JNT-Technologieplattform an das Internet angeschlossen. Nach der Zeit der Surf Stations und Thin Clients ist nun die Zeit der Webpads gekommen. Daraufhin zeigte Herr Häfele ein Gerät, das im Grunde aus einem Flachbildschirm mit Touchscreen-Technologie bestand. Dieses WebPAD ist per Funk mit 300m Reichweite mit dem Internetzugang verbunden. Die Hardware stammt zu 100 Prozent von anderen Herstellern wie National Semiconductor, allein das JNT-Betriebssystem wird Infomatec bereitgestellt.
Im Bereich FCS (Future Convergence) hat Infomatec "drei Eisen im Feuer". Die Wapme Systems AG befasst sich mit m-commerce und wird noch im laufenden Jahr an den Neuen Markt gehen. Die Infomatec Media AG entwickelt interaktives Fernsehen in Verbindung mit dem Internet. Unter www.t-start.de entwickelt Infomatec ein Internetportal für ASP-Services, das ebenfalls als Spin-Off bald an die Börse gebracht werden soll.
Karl-Heinz Gruns
Wie der Finanzvorstand berichtete, ergab sich für das abgelaufene Geschäftsjahr bei einem Umsatz von 50,6 Mio. Euro ein Fehlbetrag von 16,35 Mio. Euro nach IAS und 14,54 Mio. Euro nach DVFA. Abschreibungen auf Anlagevermögen wurden in Höhe von 12 Mio. Euro vorgenommen, davon Abschreibungen auf Firmenwerte in Höhe von 9 Mio. Euro. Der Verlust beträgt 0,61 Euro pro Aktie und ist Ausdruck des erfolgten Wachstums.
Die Investitionen im Entwicklungsbereich stiegen von 1,35 auf 3,62 Mio. Euro. Das Wachstum bei den Gesamtinvestitionen betrug 409 Prozent. Die Bilanzsumme wuchs von 41 auf 145 Mio. Euro, beim Umsatz verzeichnete man einen Anstieg um 335 Prozent. Der Umsatz stammte zu 70 Prozent aus Dienstleistungen und Lizenzen. Regional wurden 60 Prozent der Umsätze außerhalb Deutschlands erzielt. Die Mitarbeiterzahl stieg von 141 auf 443, davon waren nur 65 durch Akquisitionen zu Infomatec gekommen. 44 Prozent der Beschäftigen arbeiten in der Forschung & Entwicklung, 33 Prozent in der Dienstleistung, 12 Prozent im Marketing und Vertrieb und 11 Prozent in der Verwaltung.
Auf die einzelnen Geschäftsbereiche bezogen wurde bei GIS ein Ergebnis vor Abschreibungen und Steuern von minus 2,6 Mio. Euro erzielt bei einem Umsatz von 8,1 Mio. Euro. 135 Mitarbeiter waren hier zum Ende 1999 beschäftigt, davon 80 in der Entwicklung. Entwicklungskosten entstanden in Höhe von 2,9 Mio. Euro, davon wurden 1,1 Mio. Euro aktiviert. Im ASP-Bereich wurden mit 267 Mitarbeitern 22,9 Mio. Euro umgesetzt, davon 48 Prozent durch Lizenzen, 5 Prozent durch Dienstleistungen und der Rest durch den Vertrieb von Hardware. Nach 7 Mio. Euro in 1999 sollen weitere Investitionen im laufenden Geschäftsjahr getätigt werden.
18,4 Mio. Euro setzte der IAS-Bereich um mit einem EBITDA von 6,9 Mio. Euro. Die Abschreibungen auf den Firmenwert in Höhe von 8,7 Mio. Euro in 1999 erfolgten nach den US-GAAP-Regeln (fünfjährige Abschreibungsfrist), obwohl nach den International Accounting Standards 5 bis 20 Jahre zulässig wären. 40 Mio. Euro wurden in diesen Bereich investiert, in dem 96 Mitarbeiter tätig sind. Der FCS-Bereich mit 26 Mitarbeitern und Gesamtinvestitionen von 11 Mio. Euro enthält die stillen Reserven des Konzerns, d.h. die Neugründungen, Allianzen und Partnerschaften.
Im ersten Quartal 2000(1999) wurden 17,7 (2,8) Mio. Euro umgesetzt, dabei war der IAS-Bereich mit 12,5 Mio. Euro erwartungsgemäß Hauptumsatzträger. 3,1 Mio. Euro entfielen auf den ASP-Bereich, davon wurde rund eine Million mit Hardware umgesetzt. Der überwiegende Restanteil von ca. 2 Millionen Euro entfällt auf GIS.
Da die betrieblichen Kosten 23,2 Mio. Euro betrugen, ergab sich ein negatives EBITDA von 4,7 Mio. Euro. Die Kosten entstanden zu 46 Prozent durch Hardwarebeschaffung und zu 33 Prozent durch Löhne, Gehälter und Sozialabgaben. Zum 31.März 2000 waren 628 Mitarbeiter beschäftigt. Die Kosten für Forschung & Entwicklung betrugen 1,2 Mio. Euro, wovon 0,9 Mio. Euro aktiviert wurden. Die verbleibenden 3,8 Mio. Euro entfallen auf Verwaltugs-, Vertriebs- und Marketingkosten und zu einem Drittel auf den FCS-Bereich. Die Kosten für Abschreibungen auf den Firmenwert betrugen 2,5 Mio. Euro. Für das Jahr 2000 werden insgesamt 10 Mio. Euro Abschreibungen auf den Firmenwert erwartet.
Der Konzernumsatz soll in 2000 auf 90 bis 100 Millionen Euro gesteigert werden. Dabei soll sich das EBITDA im GIS-Bereich deutlich verbessern, was abhängig ist von der Gewinnung leistungsstarker Partner für die Implementierung der Software. Im ASP-Bereich wird eine Ausweitung des negativen EBITDA aufgrund weiterer Investitionen und Anlaufkosten erwartet. Im IAS-Bereich wird in der zweiten Jahreshälfte der Durchbruch erfolgen und deshalb das EBITDA deutlich verbessert werden. Der operative Bereich des FCS wird sein negatives EBITDA ausbauen, allerdings ist durch den Börsengang einer Beteiligung auch ein positives Ergebnis möglich.
Abschließend gab Herr Gruns seiner Überzeugung Ausdruck, dass ein starkes Wachstum durch Investititonen in Management-Fähigkeiten beherrschbar ist.
Gerhard Harlos
Der Vorstandsvorsitzende ließ keinen Zweifel daran, dass Infomatec "über kurz oder lang" Marktführer in den Bereichen Internet-Applikationen und Internet-Lösungen wein wird. Er begründete dies mit der Fähigkeit von JNT, absolut jedes Endgerät (Consumer Appliances) internetfähig zu machen. Bereits 2002 werden laut IDC in den USA mehr Consumer Appliances als PCs hergestellt werden.
Durch die Neuausrichtung des Konzerns wurde der Vorstand operativ entlastet und kann sich nun vermehrt strategischen Aufgaben widmen. Teil der Strategie ist eine Notierung der Aktie an der NASDAQ und, bei einer Beteiligung an einem Unternehmen in Asien, an der Singapore Stock Exchange. Im Bereich FCS werden zwei IPOs vorbereitet. Dabei wird die Wapme Systems AG mit ca. 200 Mio. Euro bewertet, die Marktbewertung von Infomatec liegt momentan bei 500 Mio. Euro. Bei einem IPO werden Infomatec-Aktionäre Vorzugsrechte erhalten.
Im Bereich GIS sieht Herr Harlos die Infomatec-CAP e-business-Lösung als konkurrenzlos durch den Ansatz einer Komplettlösung, die nicht allein den e-commerce erfasst, sondern alle Bereiche abdeckt, um effektiv internetbasiert arbeiten zu können. Die zweistelligen Zuwachsraten in den größten Zielmärkten Europa, Asien und USA bestätigen dies. Durch den "stetigen Ausbau höchst leistungsstarker Internet-Rechenzentren" wird der Leistungsumfang im ASP-Bereich erweitert. Der Vertrieb in Europa und den USA erfolgt durch starke Partner, in China sind bereits erste Erfolge erreicht worden.
Die Kernkompetenz des Unternehmens, die JNT-Technologie des IAS-Bereichs, konnte bereits in einer Vervielfachung der Lizenzumsätze realisiert werden. Der weltweite Vertrieb ist einfach und erfolgreich. Dieses "absolut perfekte Betriebssystem für alle Geräte" ist konkurrenzlos und setzt einen" weltweiten Standard". Auf Basis der CAP-Technologie werden weitere neue Geschäftsfelder im FCS-Bereich entwickelt und per Spin-Off wie die anvisierten zwei IPOs an den Neuen Markt entlassen werden.
Nach einer kurzen Vorstellung der Partner (SAP, Sun Microsystems, blaxxun, Citrix, Oracle, National Semiconductor, TechniSat, Netscape, Lucent) ging Herr Harlos auf die aktuelle Kurssituation ein. Zunächst gab er Defizite in der Investor-Relations-Arbeit als Grund für die Kursentwicklung an. Diese Defizite habe man nun durch die Einstellung von fachkundigem Personal korrigiert.
Allgemeine Diskussion
Den Reigen der Kritiker eröffnete Frau Karin Messer von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) mit der Feststellung, dass die Aktionäre "herb enttäuscht" wurden, indem aus dem beim Börsengang anvisierten Millionengewinn ein Fehlbetrag von 12 Millionen Euro wurde. Da eine derartige Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit jegliche Dimension einer normalen Planungsunsicherheit verlässt, fragte Frau Messer, inwieweit ein Risikomanagement bestehe. Ihr sei angesichts einer im April 1999 erfolgten Bestätigung der ursprünglichen Planzahlen der Gedanke gekommen, dass angesichts des Ablaufs der Lockup-Frist Altaktionären Gelegenheit zum Ausstieg gegeben wurde. Deshalb erbat sie Auskunft darüber, inwieweit Verkäufe stattfanden und wie die aktuelle Verteilung zwischen Streubesitz und Altaktionären ist.
In der Generalantwort ging Herr Gruns auf die Risikovorsorge ein. Ein Konzept wurde bereits erarbeitet, und der Beschluss zur Einrichtung ist gefasst. Außerdem ist ein internes Risiko-Handbuch geplant. Eine Kostenplanung existiert bereits und wird ständig aktualisiert. Die Töchter berichten monatlich an Infomatec. Zu dem Aktienbesitz versicherte Herr Häfele, dass das Management keine Aktien abgegeben hat.
Auf nochmalige Nachfrage seitens Frau Messer benannte Herr Gruns als Grund für die Abweichung des Ergebnisses von der Prognose zum einen eine schnellere Einführung der Kernprodukte und zum anderen unerwartete Kosten bei Pilotprojekten. Die Vertriebsstrategie sei es, über das Produkt JNT Kontakte zwecks Vertrieb der CAP-Produkte aufzubauen. Hauptgrund für die Abweichung im dritten Quartal 1999 war der frühe kostenintensive Eintritt in die Auslandsmärkte.
Die Bewertung der IGEL GmbH mit 39,2 Millionen Euro erschien Frau Messer sehr hoch. Sie interessierte sich deshalb dafür, wer das Unternehmen bewertet hat. Außerdem bat sie um Auskunft, ob die Infomatec-Aktien, welche die IGEL-Eigentümer erhielten, immer noch in deren Besitz sind. Herr Häfele gab zu bedenken, dass die Anzahl der Entwickler endlich ist. Namentlich bei der IGEL-Übernahme gab es Bieterkonkurrenz. Die Bewertung erfolgte durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer, aber das Personal musste ebenfalls überzeugt werden. Nach Informationen des Vorstands haben die IGEL-Alteigentümer die erhaltenen Infomatec-Anteile bis dato behalten.
Bei der BOCA-Beteiligung (16,6 Prozent) erhob sich die Frage, warum eine Minderheitsbeteiligung erforderlich war. Die Beteiligung wurde nach Aussage von Herrn Gruns eingegangen, weil BOCA Erfahrung im Software-Design von Settop-Boxen hat. Durch die Minderheitsbeteiligung erhielt Infomatec zwei Aufsichtsratssitze und konnte somit Einfluss ausüben, dass das Modemgeschäft bei BOCA abgestoßen wurde und eine Konzentration auf das Software-Design erfolgte. Im letzten Jahr erwirtschaftete BOCA einen Verlust in zweistelliger Millionenhöhe.
Da "nahezu alle" verbundenen Unternehmen Verluste schreiben, erbat Frau Messer Auskunft über den Zeitpunkt des Eintritts in die Profitabilität der einzelnen Töchter. Da bei einer Verfünffachung des Umsatzes das EBITDA nur von 5,9 Mio. Euro auf 9,3 Mio. Euro gestiegen ist, kann der Verlust in 1999 nicht auf die außerplanmäßigen Abschreibungen auf Software und Firmenwerte zurückgeführt werden, Infomatec erreicht nicht einmal im operativen Geschäft die Gewinnschwelle.
Herr Gruns erwartet, dass cybermatec noch im laufenden Jahr profitabel wird, der IAS-Geschäftsbereich und die IGEL GmbH arbeiteten bereits 1999 gewinnbringend. Die Integration einer neuen Tochter dauert ca. 1 bis 2 Jahre. Herr Harles erläuterte auf Nachfrage, dass 2001 der GIS-Bereich den break even erreichen soll. Dies hängt jedoch von den erreichten Partnerschaften ab. Die Verluste im FCS-Bereich richten sich nach den weiteren Investitionen.
Im ersten Quartal 2000 sind die Kosten für den Materialaufwand erneut gestiegen, dagegen sollten sie nach Aussagen des Managements abnehmen. Insbesondere kritisierte Frau Messer die Informationspolitik von Kleindienst, gerade auf Hauptversammlungen reichen Visionen nicht aus. Hauptversammlungen sind dafür da, Zahlen zu erläutern und die neuen Beteiligungen vorzustellen.
Herr Häfele erklärte, dass Infomatec zeitweise Herstellerfunktionen wahrnehmen musste, da keine Produzenten z.B. für das webPAD zu finden waren. Herr Gruns ergänzte, dass bereits 65 Prozent der Aufträge abgewickelt wurden. Im zweiten Quartal werden noch 15.000 Boxen verkauft. Zukünftig wird Infomatec keine Generalunternehmerstellung mehr einnehmen, deshalb nehmen die Hardwareumsätze im zweiten Halbjahr ab.
Bezüglich der Kapitalmaßnahmen bemerkte Frau Messer, dass "Aktionäre keine Melkkühe" seien. Das Wachstum sei nicht allein über die Börse zu finanzieren, sondern es müsse auch aus Unternehmensgewinnen bezahlt werden. Dazu bemerkte Herr Häfele, dass eine Kapitalerhöhung keine Geldvernichtung sei. Durch die Möglichkeit, eigene Aktien anzubieten, erhalte man eine Währung. Außerdem möchte das Management die Menge der gehandelten Aktien erhöhen. Da offenbar Langfristanleger investiert sind, werden nur durchschnittlich 30 bis 35.000 Stück pro Woche gehandelt.
Die durch den DSW vertretenen Aktionäre werden dem Vorstand und dem Aufsichtsrat keine Entlastung erteilen. Angesichts der Ankündigung großer Gewinne und Realisierung großer Verluste seien die Risiken nicht ausreichend dargestellt worden. Infomatec sei noch weit davon entfernt, der Vision zu entsprechen, eines der weltweit größten Internetunternehmen zu werden. "Bisher säen Sie das Geld der Aktionäre, hoffentlich geht die Saat auch auf."
Der Vertreter der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) Herr Dr. Friedemann stimmte "fast ausschließlich" der Meinung von Frau Messer zu. Im Bereich Markt und Marketing merkte Herr Friedemann an, dass er die verständliche und effiziente Darstellung der Produkte positiv bewerte, negativ sei allerdings, dass es nicht absehbar sei, wann sich die Produkte rentieren. "Verunsichert" war er allerdings über die fehlende Benennung von Konkurrenzunternehmen, was auf einen fehlenden Durchblick auf dem Markt hinweisen könnte.
Angesichts der eher technischen Qualifikationen im Vorstand fehlte Herrn Friedemann der Kaufmann und Vertriebsprofi. Die Darstellung von steigenden Bilanzsummen und Personalbeständen sei kein Wachstum, sondern nur die Möglichkeit des Wachstums. Herr Häfele benannte nun als Konkurrenten die Firmen Liberate, QNX, Metabox, Microsoft(WindowsCE) und Psion. "Sehr interessant" fand Herr Friedemann die Kundenstruktur von Infomatec. Er fragte, welches Ausmaß die Partnerschaften haben und welche Abhängigkeiten von großen Partnern bestehen.
Die Darstellung des Finanzvorstands befand Herr Friedemann im Gegensatz zu Frau Messer für "recht gut", er findet jedoch, dass Begriffe wie Hoffnung und Glaube nicht in die Wirtschaft gehören, sondern eine Schilderung der Erwartungen wird gefordert. Der Konzernabschluss sei "verheerend", im operativen Bereich gibt es keinerlei Erläuterungen. Ebenso fiel negativ auf, dass kein Maßnahmenkatalog zur Reduzierung der Verluste vorgestellt wurde.
Herr Häfele erläuterte, dass man von SUN Microsystems und SAP Vertriebsleute angeworben hat, so dass durch diese zweite Führungsebene kurzfristige Erfolge zu erwarten sind. In der Bilanz stehen den Forderungen aus Lieferung und Leistung in Höhe von 25,4 Mio. Verbindlichkeiten in Höhe von 15,8 Mio. gegenüber, es erhebt sich deshalb die Frage, wie das debitor management aussieht. Hierzu erläuterte Herr Gruns, dass Infomatec Zahlungsziele bis zu einem Jahr vereinbart, um gegenüber großen Konkurrenten im Vorteil zu sein. Man steht jedoch in Verhandlungen mit der Deutschen Leasing AG zwecks anderer Finanzierungsmodelle.
Da auch im ersten Quartal 2000 ein Fehlbetrag von 4,5 Mio. DM erwirtschaftet wurde und Mittel in Höhe von 10,3 Mio. DM abgeflossen sind, besteht anscheinend keine Hoffnung auf eine Ertragswende. Welches Ergebnis wird für das laufende Jahr erwartet? Ein "besser" oder "schlechter" reicht nicht als Antwort. Unter Beifall der Anwesenden forderte Herr Friedemann die Benennung des break even. Herr Gruns erwartet, dass im laufenden Jahr die Verluste halbiert und in 2002 Gewinne geschrieben werden, wenn das ASP-Segment gut etabliert ist. Herr Harlos nannte als Voraussetzung der Verlusthalbierung im laufenden Jahr, dass der Marktdurchbruch im IAS-Bereich gelingt.
Herr Friedemann erbat Aufklärung über den Wechsel des Abschlussprüfers. Der Vorstand führte den Wechsel auf die Internationalisierung von Infomatec zurück, der bisherige Prüfer konnte kein internationales Netzwerk vorweisen. Darauf berichtigte Herr Gruns, dass der bisherige Prüfer zwar internationale Präsenzen hat, jedoch erst mit dem Aufbau eines internationalen Netzes von Prüfern befasst ist. Man habe daher gewechselt, da die Strukturen noch nicht gefestigt waren.
Ebenso war der Wechsel des Designated Sponsors(Betreuer) am Neuen Markt Thema des Vortrags von Herrn Friedemann. Der Wechsel von der Dresdner Bank zu Salomon Oppenheim erfolgte nach Aussage von Herrn Harlos, weil die Dresdner Bank Kapazitätsprobleme hatte und die neue Bank flexibler ist.
Der Aktionär Herr Ziegler merkte die Abhängigkeit von Lizenzumsätzen an und fragte, wie diese durch Patente abgesichert sind. Da Infomatec LINUXbasierte Software entwickelt, steht man vor dem Problem, dass der Quellcode nicht schutzfähig ist (Open Source Prinzip). Herr Häfele antwortete darauf, dass JNT auf LINUX aufsetzt und deshalb zum Teil der Quellcode offengelegt werden muss. Allerdings gibt es im LINUX-Umfeld anstatt der Lizenzen den Service, denn bezahlt wird ein lauffähiges Programm und nicht eine Basistechnologie. Bezüglich der Qualifikationsverteilung wollte Herr Ziegler eine Aufgliederung des Personals nach Ausbildung, woraufhin Herr Harlos die prozentuale Aufteilung nach Tätigkeit aus dem Vortrag wiederholte.
Herr Altenberger fragte, warum Infomatec sich aus dem Settop-Boxen Bereich zurückziehen will. Der 500 Millionen DM Auftrag, den der Konkurrent Metabox akquiriert hat, zeige doch die Größe des Marktes. Insbesondere interessierte ihn der Absatz der Mobilcomboxen in Europa. Herr Gruns stellte klar, dass Infomatec sich nicht aus dem Markt zurückzieht, sondern sich auf den Bereich Software für Settop-Boxen konzentriert. Herr Harlos berichtete, dass Mobilcom das Marketing für die Settop-Boxen ausbaue.
Herrn Altenberger fiel auf, dass das Management Ankündigungen macht, die dann wieder "im Sande verlaufen". So benannte er das Schicksal einer angekündigten großen Übernahme 1999. Herr Harlos bestätigte die Gerüchte, dass Siemens Nixdorf übernommen werden sollte und dass Infomatec den Zuschlag nicht bekommen hat.
Abstimmungen
Der Vortrag des Bilanzverlusts in Höhe von 18.230.557,66 DM auf neue Rechnung wurde bei einer Präsenz von 71,62 Prozent des Grundkapitals bei 21.472 Enthaltungen gegen 330 Stimmen mit 2.530.513 Stimmen beschlossen. Die Entlastung des Vorstands erfolgte bei 21.472 Enthaltungen gegen 12.552 Stimmen. Der Aufsichtsrat wurde gegen 5.045 Stimmen bei 21.805 Enthaltungen entlastet. Der Wirtschaftsprüfer für das Geschäftsjahr 2000 wurde gegen 70 Stimmen bei 20.522 Enthaltungen bestellt. Die Erweiterung des genehmigten Kapitals II auf 10,2 Mill. Euro, die Erweiterung des genehmigten Kapitals IV auf 2,55 Mill. Euro sowie die Ermächtigung zur Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen im Nennbetrag von bis zu 100 Mill. Euro wurden jeweils gegen ein- bis dreitausend Stimmen bei jeweils zwanzig bis einundzwanzigtausend Enthaltungen mit der notwendigen Dreiviertelmehrheit bewilligt. Des Weiteren wurde der Vorstand gegen 525 Stimmen und bei 20.252 Enthaltungen ermächtigt, bis zum 30. September 2001 eigene Aktien zu erwerben.
Fazit und eigene Meinung
Eine Hauptversammlung zu einem sehr unrühmlichen Geschäftsjahr mit einer nicht unbedingt faktengespickten oder detailgenauen Werbe-Präsentation zu beginnen, zeugt von erheblichen Defiziten in der Anlegerkommunikation. Nach dem desaströsen Jahresendergebnis nahmen einige Besucher die Darstellung allgemeiner Marktaussichten und Visionen eher als Provokation auf. Visionen werden bei einem Internet-Unternehmen gefordert, treten aber bei Geldvernichtungsaktionen in den Hintergrund.
Der Vorstand wiederum machte den Eindruck, über die Angriffe wegen des Geschäftsverlaufs 1999 überrascht zu sein. Es gelang dem Management nicht, überzeugend darzulegen, dass die Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahres ein Einzelfall bleiben werden. Den Eindruck einer Planungskompetenz vermochte der Vorstand nicht zu erwecken. Die Beantwortung der gestellten Fragen machte einen unkoordinierten Eindruck. Den Gesamteindruck abrundend wurde die Hauptversammlung um 15:00 Uhr zwei Stunden später als geplant beendet.