Bei unseren weitergehenden Recherchen zu atmed in Fachkreisen stießen wir allerdings auf einige mögliche Problemfaktoren, auf die wie wir Euch an dieser Stelle ebenfalls hinweisen möchten, da sie zur Beurteilung der Chancen und Risiken der Aktie mit entscheidend sein dürften.
Der atmed-Spacer
Unseren Recherchen zufolge stehen Fachärzte dieser Neuerung eher skeptisch gegenüber. Insbesondere aufgrund des mit 49 DM relativ hohen Preises bestehe das Risiko eines Scheiterns der Markteinführung, da die Verschreibung durch die Kassen aufgrund der fehlenden Notwendigkeit für den Einsatz des atmed-Gerätes, der im Vergleich zum meist mit den Medikamenten kostenlos mitgelieferten "herkömmlichen Spacer" sehr viel teurer ist. Es dürfte darum als wahrscheinlich anzusehen sein, dass die Geräte vom Patienten selbst bezahlt werden müssen, sofern sie diese benutzen möchten.
Hier liegt jedoch eine andere Problematik verborgen: wie wir seitens Fachleuten erfuhren, wird der herkömmliche Spacer von Asthmatikern fast ausschließlich für die Einnahme von Kortison-Spray als regelmäßige Medikamentierung verwendet, nicht jedoch für den Notfall-Einsatz bei akuten Atemproblemen, während man unterwegs ist. Die Nutzung des Spacers erfolgt darum meist zu Hause, wo für Patienten die Problematik der Unhandlichkeit sowie die schwere Transportierbarkeit des Geräts nicht so sehr ins Gewicht fallen würde. Es steht daher zu befürchten, dass sich die Mehrzahl der Asthmatiker aus Kostengründen auch weiterhin des kostenlosen herkömmlichen Produktes bedienen wird.
Der atmed-Peakflowmeter
Auch das Potential des zweiten Produktes der atmed, des sogenannten Peakflowmeters, stellt sich bei genauerer Betrachtung und Befragung von Brancheninsidern als eher begrenzt dar. Soll die Neuentwicklung mit der elektronischen Speichermöglichkeit auf dem Markt rund 200 DM kosten, so kommen die bereits auf dem Markt vorhandenen Geräte ohne diese Funktion lediglich auf Anschaffungskosten von etwa 50 DM, die bislang in der Regel durch die Kassen getragen oder von Pharma-Unternehmen "gesponsored" wurden.
Auch hier stellt sich die Problematik, dass die Patienten möglicherweise zur Zahlung der teureren Innovation gezwungen wären, da den Krankenkassen der konkrete Nutzen der elektronischen Messung und Speicherung nicht plausibel genug für die Erstattung eines derartigen Aufpreises erscheinen könnte (siehe Gesundheitsreform und Sparmaßnahmen) und die Pharma-Firmen die sehr viel höheren Ausgaben scheuen dürften. So wird ein bereits seit Jahren im Markt eingeführtes Produkt mit anscheinend fast identischen Funktionen, das allerdings etwa doppelt so teuer ist, in Deutschland nur einige hundert Mal verkauft, obwohl es von einer marktführenden Firma vertrieben wird.
Grund dafür könnte neben dem hohen Preis die Überzeugung von Fachärzten sein, dass die handschriftliche Notierung der Asthma-Werte auf bestimmten Notizblöcken und das Ablesen der Werte mittels einfachem Durchblättern (etwa wie im Daumenkino) zur Kontrolle des Gesundheitszustandes eines Patienten über längere Zeiträume bereits ausreichen würde, da erfahrenen Ärzten eventuelle Abweichungen der Messwerte direkt ins Auge fallen. Es steht daher zu befürchten, dass die erhoffte Zeit- und Geldersparnis für die Dateneingabe in vielen Fällen gar nicht anfällt, wohingegen verglichen mit dem günstigen Standartprodukt erheblich höhere Kaufkosten für das atmed-Gerät zu Buche stehen würden. Hinzu kommt der Vorteil handschriftlicher Notizen, besondere Vorfälle als Erläuterung beifügen zu können, was bei der elektronischen Speicherung nicht möglich wäre.
Zuletzt stellt sich für Ärzte das allgemeine Problem, dass als Ziel der Behandlung letztlich die Selbstmedikamentierung gesetzt ist, also der Patient anhand des Peakflowmeters seinen Gesundheitszustand selbst kontrollieren und im Bedarfsfall bei vom Normalwert abweichenden Messungen direkt reagieren kann. In dieser Phase ist die Speicherung der Daten nicht mehr notwendig.
Insgesamt scheint der Einsatz eher zur gezielten Ursachenforschung (etwa Messung am Arbeitsplatz o.ä.), zu Studienzwecken und der Therapieanpassung als für den Massenvertrieb sinnvoll zu sein.
Fazit
Die Produkte der atmed AG erscheinen von der technischen Entwicklung her auf den ersten Blick als sinnvoll, stellen sich bei genauerer Betrachtung für die massenhafte Praxisanwendung jedoch als relativ teuer heraus. Die geplante breite Markteinführung birgt darum aus unserer Sicht erheblich höhere Risiken, als dies zunächst abschätzbar war. Obwohl die Produkte technische Innovationen darzustellen scheinen, könnte sich die Durchsetzung im Markt darum deutlich schwieriger als erhofft gestalten und zumindest erheblich höhere Kosten mit sich bringen als geplant.
Als weitläufig vergleichbares Beispiel für mögliche Probleme junger Medizintechnik-Unternehmen wie der atmed AG kann die in Schwierigkeiten geratene Broncho-Air Medizintechnik AG dienen, die trotz eigentlich offenkundiger Marktpotentiale den Einstieg in den Massenvertrieb mit dem "Broncho-Inhaler", eine andere Erfindung des atmed-Vorstandes Christian Klein, der damals auch beratend für das Unternehmen tätig war, nicht schaffte.
Somit steht den durchaus vorhandenen Chancen ein vergleichsweise großes und für medizinische Laien sehr schwer kalkulierbares Risiko gegenüber, weshalb wir vor einem Kauf der Aktie zu intensiveren Nachforschungen über die von unabhängigen Experten eingeräumten medizinischen und wirtschaftlichen Chancen der Produkte raten würden. Da bislang keine Studien zum wirtschaftlichen Potential und der medizinischen Wirkung der Geräte existieren, sollten Nicht-Fachleute zunächst einmal abwarten.
Unter diesen Aspekten erscheint ein Investment unserer Ansicht nach unter Chance-Risiko-Aspekten derzeit verfrüht. Erst sobald nach einem erfolgreichen Markteintritt auch tatsächlich die geplanten Umsätze ausgewiesen werden, können hochspekulative Anleger mit einem kleinen Depotanteil den Einstieg wagen, auch wenn dann vielleicht höhere Kurse in Kauf genommen werden müssten.