Die hohe Bewertung der Aktie wohl kennend bereitete der Vorstand mit einem Einstieg von knapp 25 Prozent in den ehemaligen Shooting Star Advanced Medien AG einen Coup vor, welcher zu einer Mehrheitsbeteiligung an der im Kurs stark gefallenen Advanced führen sollte. Ziel hiervon sollte unter anderem eine Vervielfachung des Umsatzes sein. Doch Advanced erreichte nur ein Drittel ihrer Planzahlen bei einem Vielfachen an Verlust.
Entsprechend entwickelte sich auch die Aktie der Advanced, und schlussendlich rückte die Gesellschaft von ihrem Plan einer Mehrheitsübernahme ab. Dennoch kostete diese "Eskapade" einen Großteil der Einnahmen aus dem Börsengang. Und auch Aktie der die e-m-s konnte sich der im Geschäftsbericht als "massive Bereinigung" bezeichneten gnadenlosen (Teil-) Korrektur einer abstrusen Überbewertung der Medienaktien nicht entziehen.
Dennoch gelang es der Frohnatur Werner Wirsing-Lüke, die meisten Aktionäre auf der Hauptversammlung am 25. Juni 2001 gütlich zu stimmen, herrschte doch eine gute Atmosphäre auf der HV vor. Philipp Steinhauer war für GSC Research neben etwa 300 Aktionären in Dortmund anwesend.
Bericht des Vorstands
Nachdem der Aufsichtsratsvorsitzende Herr Dr. Konrad Schily die Hauptversammlung eröffnet hatte, ging er auf die üblichen Formalien ein, um hiernach das Wort an den Vorstandsvorsitzenden Herrn Werner Wirsing-Lüke zu übergaben.
Dieser betonte, er verstehe seinen Bericht als Rechenschaftsbericht. Das abgelaufene Geschäftsjahr 2000 sei ohne die Abschreibung auf die Aktien der Advanced über Plan verlaufen. So konnte man den Umsatz um 107 Prozent auf 14,5 Mio. DM steigern, und das EBIT betrug minus 1,3 Mio. nach 168.000 DM. Die Eigenkapitalquote belief sich auf 56 Prozent, insgesamt konnte man das Eigenkapital um 90 Prozent auf 57 Mio. DM steigern. Zum Jahresende beschäftigte die Gesellschaft 54 Mitarbeiter.
Anschließend erläuterte Herr Wirsing-Lüke, warum sich die Gesellschaft für ein Investment in Advanced-Aktien entschieden hat. Es sei eine Tatsache, dass auch Wachstumsunternehmen weiter wachsen müssen, um an der Börse ihre Bewertung halten zu können. Da die Medienbranche selber nicht zu den stark wachsenden Branchen gehört, könne man nicht allein aus organischer Kraft stark genug wachsen.
Als Konsequenz hieraus habe man sich für die Übernahme der Mehrheit an der Advanced Medien AG entschieden. Diese habe Zugriff auf die Filmproduktion und verfüge über einen sehr guten Lizenzeinkauf sowie über gute Partnerschaften. Dies alles sei nicht die Stärke von e-m-s, so dass man sich ideal ergänzt hätte. Insgesamt 23 Mio. Euro haben die Aktien der Advanced gekostet, was einen großen Teil der zum Börsengang eingenommenen Mittel verschlungen hat. Die weiteren Aktien wollte man auf andere Weise finanzieren.
Nach dem Kauf von 24,7 Prozent habe man mit der Gesellschaft Kontakt aufgenommen. Man habe sich zuerst mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden getroffen, woraufhin dieser seinen Rücktritt erklärt habe. Über dieses Vorgehen sei man verwundert gewesen. Bei einem Treffen mit dem Vorstand habe dieser gefragt, ob man der Gesellschaft Finanzmittel zur Verfügung stellen könne, da man ein Finanzierungsproblem habe. Der neue Vorstand arbeite aber gut, und man beobachte die Entwicklung sehr genau. Mit einem aktuellen Kurs von 0,70 Euro werde die Advanced inzwischen unter dem Eigenkapital gehandelt.
Nach dem Börsengang wurden laut Herrn Wirsing-Lüke für 33 Mio. DM Filmrechte gekauft. Hiervon seien schon 18 Mio. DM bezahlt worden, weitere 5 Mio. DM müssten noch in diesem Jahr folgen. Inzwischen habe sich die Stimmung in der Filmbranche geändert, man rede mehr über Risiken als über Chancen. Die e-m-s habe jedoch nie in teure Hollywood-Produktionen investiert.
Da man auf das Quartalsergebnis von Advanced wartet, welches nach IAS-Regeln konsolidiert werden muss, könne man derzeit noch keinen Quartalsbericht publizieren, dies unabhängig davon, dass die Beteiligung an Advanced keinen Einfluss auf die Liquidität hat. Herr Wirsing-Lüke teilte jedoch mit, man habe im ersten Quartal einen Bruttoumsatz von 3,5 Mio. DM erzielen können und somit über 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Nettoumsatz betrug unter anderem wegen Stornierungen 2,7 Mio. DM. Das EBITDA belief sich auf minus 759.000 DM. Insgesamt könne man sagen, dass man sich im ersten Quartal gut behaupten konnte.
Nach den Worten von Herrn Wirsing-Lüke ist die Kernkompetenz des Unteernehmens die DVD, und er führte einen Imagefilm und eine DVD von e-m-s vor, um die Features der Produkte von e-m-s zu demonstrieren. Viele Mitbewerber seien der Meinung, dass die DVD nur eine plattgewalzte VHS-Videokassette ist. Angesichts des Zusatznutzens stimme dies aber nicht.
Er selber habe 1997 die erste DVD in Deutschland hergestellt, und er sei von Anfang an vom Potenzial dieses Produkts überzeugt gewesen. Im selben Jahr habe er die e-m-s gegründet und die ersten DVD vertrieben. Der Markt für DVD's sei nach wie vor ein großer Wachstumsmarkt, und 2004 werden in Deutschland über 5 Millionen Abspielgeräte verkauft.
Nach diesen Ausführungen erläuterte Herr Wirsing-Lüke die strategischen Ziele der Gesellschaft. So möchte man die Internationalisierung vorantreiben, sich auf den margenstarken Sektor der Lizenzverwertung beschränken, an einer neuen Abspielplattform beteiligt sein, die Marktposition durch Kooperationen stärken und Marktführer im Bereich Edutainment werden. Dann erklärte er, Herr Georg Steimel habe die Gesellschaft erfolgreich als Vorstand beim Börsengang begleitet. Nun werde dieser aus dem Vorstand ausscheiden, und man danke ihm für seine Dienste.
Ende April habe man zusammen mit anderen Firmen des Neuen Markts diesen in den Vereinigten Arabischen Emiraten präsentiert. Nun wolle man sich mit dort ansässigen Fonds treffen. Nach einem starken Verlust der Aktie habe es einen Tagesanstieg von 70 Prozent gegeben, woraufhin Übernahmegerüchte die Runde gemacht haben. Hierzu betonte Herr Wirsing-Lüke, auch wenn eine Übernahme möglich sei, gebe es dennoch keine konkreten Gespräche.
Allgemeine Diskussion
Im Anschluss an die Ausführungen von Herrn Wirsing-Lüke meldete sich Herr Heise für die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) zu Wort. Dieser sagte, ein Umsatz der Gesellschaft von 15 Mio. DM sei unbedeutend, wenn die Gesellschaft ein Vielfaches hiervon durch das Engagement bei Advanced verliert. Für ihn stelle sich die Frage, warum man sich überhaupt an der Firma beteiligen wollte, und er sei erstaunt darüber, dass man sich erst nach dem Kauf des Aktienpakets mit dem Management getroffen hat. Diese Chronologie passe nicht zum Ziel der Zusammenarbeit.
Des Weiteren fragte Herr Heise, wie man die Aktien der Advanced gekauft hat, und er wollte wissen, ob vorher eine Due Dilligence durchgeführt wurde oder ob man eine Gewährleistung des Verkäufers erhalten hat. Nach den Worten von Herrn Heise ist nun der Emissionserlös "fast weg", alleine der Börsengang habe die stolze Summe von acht Millionen DM gekostet.
Nach Ansicht von Herrn Heise hätten die Aktionäre bei einer Hauptversammlung über die Beteiligung entscheiden müssen, schließlich sei eine Höhe von 24,7 Prozent kein externes Wachstum, so wie es auch im Emissionsprospekt dargelegt wurde. Zum Zeitpunkt der Abschreibung am Jahresende lag der Kurs der Advanced-Aktie bei 2 Euro, heute stehe er bei 0,70 Euro. Daher fragte Herr Heise, ob der Gesellschaft hieraus zusätzliches Abschreibungspotenzial entsteht.
Die Gesellschaft habe nur noch 600.000 DM verfügbare Mittel bei Verbindlichkeiten in Höhe von 7 Mio. DM. Hinzu komme, dass man in diesem Jahr noch erhebliche Zahlungen für Lizenzen leisten muss. Hieraus stellte sich für Herrn Heise die Frage, ob die Gesellschaft nicht ein Liquiditätsproblem hat. Zudem bat er um Erläuterung der DVD-Spiele und inwiefern das Internet Einfluss auf das Geschäft der Gesellschaft hat. Außerdem wollte er wissen, wann die Gesellschaft schwarze Zahlen schreibt.
Hiernach meldete sich ein als Promoter der e-m-s Aktie bekannter Schreiber einschlägig bekannter Internetboards zu Wort. Dieser meinte, zum Zeitpunkt des Einstiegs bei Advanced sei diese durchaus interessant gewesen. So habe sich diese an einer Firma des deutschen Regisseurs Wolfgang Petersen beteiligt. In diesem Zusammenhang erkundigte er sich, was mit dieser Beteiligung an Redcliff geschehen soll. Dann lobte er noch den Vorstand und die Öffentlichkeitsarbeit, welche auch einen Kleinaktionär wie ihn ernst nehmen.
Antworten
In seiner Antwort erklärte Herr Wirsing-Lüke, es gehöre zur Philosophie des Unternehmens, jeden Aktionär wichtig zu nehmen. Hinsichtlich der Beteiligung an der Advanced meinte er, man könne Fehler machen, man dürfe diese aber nicht wiederholen. Bezüglich Redcliff könne er wegen seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat der Advanced AG nichts sagen.
Im vergangenen Jahr sei gefordert worden, mehr als Produzent tätig zu sein, was man mit Advanced erreichen wollte. Man arbeitete mit der Firma seit Mai 1999 zusammen und kannte daher einzelne Personen. Es habe auch im Vorfeld der Beteiligung Gespräche gegeben, man habe die Beteiligungsabsicht von e-m-s damals aber nicht ernst genommen.
Da der Vorstand der Advanced damals andere Beteiligungspläne hatte, sei dieser auch gegenüber der Beteiligung "feindlich" eingestellt gewesen, so dass man auch keine Due Dilligence durchführen konnte. Allerdings sei aufgrund der Kapitalerhöhung im Frühjahr 2000 bei Advanced eine eingehende Prüfung durchgeführt worden. Herr Wirsing-Lüke las dann von Banken genannte Kursziele für die Advanced-Aktie vor, welche bei einem Vielfachen des derzeitigen Kurses lagen. Die Aktien habe man von einem Großaktionär gekauft.
Nach Meinung von Herr Wirsing-Lüke sind die Aktionäre von Advanced getäuscht worden, und es sei nicht verkehrt gewesen, durch die Mehrheitsübernahme in diesem Jahr ein Umsatzvolumen von 200 Mio. DM generieren zu wollen. Man wollte durchaus Einfluss auf die Firma ausüben, heute sei man aber nur mit zwei Personen im Aufsichtsrat vertreten. Man habe Advanced zum Eigenkapital bewertet, so dass aus diesem Engagement kein weiterer Abwertungsbedarf resultieren wird. Ziel sei es gewesen, in diesem Jahr schwarze Zahlen zu schreiben, und an diesem Ziel halte man auch fest.
Das Internet sei vor allem eine Informationsquelle, so dass hieraus keine direkte Konkurrenz zur DVD entstehe. Im Bereich Interactive TV habe man sich an der get AG beteiligt, welche derzeit eine von der Fachzeitschrift "Börse Online" stark kritisierte Privatplatzierung mit Kapitalgarantie durchführt. Zur Liquiditätssituation erklärte Herr Wirsing-Lüke, man müsse sehr viele Filme vorfinanzieren. Derzeit spreche man mit Banken, er selber habe der Gesellschaft im Frühjahr diesen Jahres ein Darlehen in Höhe von 8 Mio. DM zu Verfügung gestellt. Hiermit habe er ein Zeichen setzten wollen.
Nun ergriff noch der Vorstand Eugen Boss das Wort und betonte, bei einer vollständigen Übernahme von Advanced hätte man eine HV einberufen. Im Hinblick auf die DVD-Spiele erklärte er, ein DVD-Abspieler stehe vor allem im Wohnzimmer im Gegensatz zu den Videospielkonsolen. Man wolle vor allem kleinere Spiele für DVD bringen. Derzeit vertreibe die Gesellschaft das fast zehn Jahre alte Laser Disc Spiel "Dragons Lair".
Abstimmungen
Nachdem die Präsenz mit 86,23 Prozent bekannt gegeben worden war, wurde über die Tagesordnung (Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und Wahl des Abschlussprüfers) abgestimmt. Bei der Entlastung des Vorstands enthielt sich der DSW-Vertreter der Stimmen. Dennoch wurden alle Tagesordnungspunkte bei jeweils unter 1.000 Neinstimmen fast einstimmig beschlossen.
Fazit
Auch wenn es der Frohnatur Herrn Wirsing-Lüke gelungen ist, auf der Hauptversammlung die Aktionäre in eine gute Stimmung zu versetzen, haben diese wegen der Lage des Unternehmens keinen Grund zur Freude. Die Gesellschaft hat fast ihre gesamten zum Börsengang eingenommenen Mittel in die fragwürdige Beteiligung an der Advanced investiert.
Zudem hat die Gesellschaft inzwischen erhebliche Fremdmittel aufnehmen müssen. Es stellt sich die Frage, warum der Vorstand der Gesellschaft die 8 Mio. DM nicht als Eigenkapital zur Verfügung gestellt hat. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass die ausgeübte Mehrzuteilungsoption beim Börsengang aus Beständen der Altaktionäre stammte.
Die e-m-s ist eine produktgetriebene Firma, und das Produkt heißt DVD, es geht weniger um die Filme, welche man vertreibt. Bei der Markteinführung und "Orientierungsphase" einer neuen Medientechnologie ist der Markt noch stark in Bewegung, so dass auch Produkte der zweiten Wahl stark nachgefragt werden können.
Hat sich der Markt für DVD's aber erst einmal zum Massenmarkt gewandelt, dann ist es unwahrscheinlich, dass dieser von zweit- oder drittklassigen Filmen wie "3D Megahaie" dominiert wird und nicht von Hollywood-Produkten der großen Studios. Diese hat e-m-s aber nicht. Es ist zu hoffen, dass die Gesellschaft für ihre Rechte nicht die damals vorherrschenden "Hype-Preise" gezahlt hat.
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