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HV-Bericht ORBIS AG - Erstmals Verluste in 15jähriger Firmengeschic
Am 1. Juni 2001 um 10:30 Uhr fand in Saarbrücken in der Saarlandhalle die erste ordentliche Hauptversammlung der ORBIS AG statt, zu der sich etwa 200 Aktionäre einfanden. Trotz der sehr unerfreulichen Performance der ORBIS-Aktie war die Stimmung unter den Aktionären überraschend gut. Timo Bauer von der GSC Research war bei der Hauptversammlung dabei und berichtet nachfolgend über den Verlauf dieser Veranstaltung.


Bericht des Vorstands

Herr Prof. W.-J. Schieffer, Vorsitzender des Aufsichtsrates der ORBIS AG, eröffnete gegen 10:36 Uhr die Hauptversammlung und erledigte zunächst besonders ausführlich die üblichen Formalitäten. Prof. Schieffer erwähnte, dass die erste ordentliche Hauptversammlung der ORBIS AG für ihn ein spannendes und aufregendes Ereignis sei. Vorstand und Aufsichtsrat seien vollzählig anwesend. Auch meinte er, es sei wichtig, den Aktionären das Potential und das Leistungsvermögen des Unternehmens aufzuzeigen. Anschließend übergab Herr Schieffer das Wort an Klaus Kieren, den Vorstandssprecher der ORBIS AG.

Herr Kieren ging zunächst auf die Unternehmensgeschichte ein; er erläuterte, dass die ORBIS AG bereits seit 15 Jahren in Saarbrücken ansässig ist und sich mittlerweile sogar in ganz Deutschland etabliert hat. Die ersten Anfänge machte das Unternehmen 1986 im SITZ, dem Saarbrücker Innovations- und Technologiezentrum. Als die ORBIS AG größer wurde, zog das Unternehmen in ein neues eigenes Gebäude auf die Saarterrassen, nur wenige Jahre später wurde sogar ein zweites Gebäude errichtet.

Danach zählte Herr Kieren die Tätigkeitsfelder der ORBIS AG auf; diese umfassen die Beratung bei der Optimierung von Geschäftsprozessen, die Einführung von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware (SAP), die Entwicklung von Software für das Kundenbeziehungsmanagement (CRM) sowie Gesamtlösungen (Beratung + Software) für e-business.

Die zunehmende Globalisierung und der Wettbewerb verändern die Geschäftswelt rasant, fuhr Herr Kieren fort. Es reiche heute nicht mehr, nur die innerbetrieblichen Abläufe zu verbessern und intern kostengünstiger und schneller zu arbeiten. Die Unternehmen stünden vor dem Problem, dass die Produkte immer vergleichbarer werden und dabei die Margen sinken. Die entscheidende Frage werde zukünftig sein: „Wie differenziere ich mich trotz dieser Situation von meinem Wettbewerber?“ fuhr Herr Kieren fort.

Zugleich werde der Wettbewerb zunehmend global, es finde ein starker Verdrängungswettbewerb findet statt. Herr Kieren sieht den Schlüsselfaktor zum Erfolg künftig in der Qualität der Kundenbeziehungen. Die Unternehmen müssten zukünftig zwei Hauptziele verfolgen: zum einen profitable und langfristige Kundenbeziehungen, zum anderen die Gewinnung von Neukunden

Dies führe, laut Herrn Kieren, zu einer Umsatz- und Gewinnsteigerung und insgesamt zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. ORBIS habe als Pionier diese Entwicklung frühzeitig erkannt und entwickele bereits seit 12 Jahren Software für das Management von Kundenbeziehungen, auch CRM-Software (Customer Relationship Management-Software) genannt.

Es genüge heute nicht mehr, nur die innerbetrieblichen Prozesse unter Zuhilfenahme einer ERP-Software (Enterprise Resource Planing) zu optimieren, erläuterte Herr Kieren weiter. Es gelte, die Beziehungen zu Kunden und Partner unter Zuhilfenahme einer CRM-Software zu optimieren und gleichzeitig die Lieferantenbeziehungen unter Zuhilfenahme einer SCM-Software (Supply Chain Management) zu optimieren.

Laut Herrn Kieren hat sich die ORBIS AG als eBusiness-Lösungsanbieter auf diese integrierte Gesamtlösung aus Beratung und Software bestehend spezialisiert. ORBIS berät das Management bei der Definition ihrer e-business-Strategie und setzt im CRM-Teil die eigenentwickelte Software iC Solutions ein. Anschließend ging Herr Kieren auf die Unternehmensgeschichte der ORBIS AG ein und erzählte, dass ORBIS 1986 von den heutigen Vorständen sowie den Professoren Prof. Schieffer und Prof. Koetz, beide sind im Aufsichtsrat vertreten, sowie Herrn Prof. Groh gegründet wurde.

1986 führte ORBIS das erste SAP-Projekt bei dem saarländischen Unternehmen HYDAC durch. 1989 wurden die ersten Aktivitäten im CRM-Bereich aufgenommen, 1992 wurde schließlich eine eigene Standardsoftware für CRM entwickelt, die dann ab 1994 unter dem Namen ORVIS S/3 vermarktet wurde.

1994 wurde ORBIS offizieller Beratungspartner der SAP AG. Im Januar 2001 wurde das Unternehmen als eines der ersten von der SAP AG zum „mySAP.com“ Alliance Partner Service benannt, erwähnte Herr Kieren weiter. ORBIS wuchs in den ersten Jahren langsam, dafür aber kontinuierlich, und konnte von 1994 an sogar mit Wachstumsraten zwischen 40 und 100 Prozent aufwarten.

Danach erläuterte Herr Kieren den anwesenden Aktionären die Entwicklung der ORBIS AG im vergangenen Geschäftsjahr. Zu den Höhepunkten zählte der Börsengang im September 2000, durch den das Kapital für weiteres Wachstum beschafft wurde. Von der Gesamtaktienzahl von 9,1 Mio. Stück wurden 2,1 Mio. plaziert, die vollständig aus einer zuvor erfolgten Kapitalerhöhung stammten. Herr Kieren betonte hierbei, dass die Altaktionäre keine Aktien abgegeben haben. Der Emissionspreis lag bei 14 Euro, was zu einem Emissionserlös von 57,5 Mio. DM führte.

Nun wurde die Aktionärsstruktur der ORBIS AG näher beleuchtet. Vor dem Börsengang und der Kapitalerhöhung hielten die vier Vorstände und die aktuellen Aufsichtsratsmitglieder Prof. Schieffer und Prof. Koetz gemeinsam mit ihren Ehefrauen und Lebenspartnerinnen jeweils 15 Prozent der Anteile. Darüber hinaus waren zwei leitende Mitarbeiter mit jeweils 5 Prozent beteiligt.

Nach dem Börsengang hält der Vorstand 30,5 Prozent der Anteile, die Aufsichtsratsmitglieder Prof. Schieffer und Prof. Koetz halten zusammen 15,2 Prozent. Die Ehefrauen und Lebenspartner der Vorstände und der beiden Aufsichtsratsmitglieder sowie die beiden leitenden Mitarbeiter halten 31,2 Prozent. Der Anteil der im Streubesitz befindlichen Aktien liegt bei 23,1 Prozent.

Die Entwicklung des Aktienkurse bezeichnete Herr Kieren als überraschend und enttäuschend. Die negative Kursentwicklung sei unter anderem auf den ungünstigen IPO-Zeitpunkt sowie auf den drastischen Kursverfall am gesamten Neuen Markt zurückzuführen. Außerdem sei die ORBIS AG am Kapitalmarkt noch ein relativ unbekanntes Unternehmen, fuhr Herr Kieren fort. Zukünftig sollen die Investor-Relations-Aktivitäten sukzessive ausgebaut und der Beziehungsaufbau mit den Aktionären intensiviert werden.

Die Markteinführung der neuen, internetbasierten CRM-Software iC Solutions war ebenfalls einer der Höhepunkte im abgelaufenen Geschäftsjahr. Hier konnte die ORBIS AG schon kurz nach der Markteinführung mit der Deutschen Post Global Mail einen namhaften Referenzkunden gewinnen. Neu gegründet wurden die ORBIS Hamburg und die ORBIS Strategy GmbH. Darüber hinaus erwarb ORBIS die Mehrheit an dem Saarbrücker Multimediahaus 3DW und integrierte diese Gesellschaft unter dem Namen ORBIS eMedia in den Konzern. ORBIS eMedia erweitert das Leistungsangebot um professionelles Web- und Multimedia-Consulting.

Auch wurde zum Jahresende eine Mehrheitsbeteiligung an dem e-Learning-Softwareunternehmen SaNET erworben, welches in ORBIS communications umfirmiert wurde. Das Unternehmen entwickelt und vertreibt hauptsächlich internetfähige Lernsoftware. Auch ging die ORBIS AG eine Vertriebskooperation mit T-Systems ein, womit die Vertriebsaktivitäten im Bereich CRM verstärken werden sollen. Als letzter Höhepunkt des Jahres 2000 wurde das starke Mitarbeiterwachstum angeführt. Die Anzahl der Mitarbeiter konnte von 243 um 50 Prozent auf 364 Mitarbeiter gesteigert werden.

Danach ging Herr Kieren auf die starke Verbundenheit der ORBIS AG mit dem Saarland ein und erwähnte, dass ORBIS aktiv den Strukturwandel im Saarland begleitet. Die ORBIS AG habe durch mutige Bauinvestitionen 1994 auf dem Gelände der ehemaligen Burbacher Hütte, heute Saarterrassen, Signale gesetzt.

Viele Arbeitsplätze in zukunftssicheren Technologien seien für Menschen aus der Saar-Region geschaffen worden. Außerdem sei die ORBIS AG sehr aktiv in der Ausbildung junger Menschen und startete zusammen mit anderen saarländischen Softwarehäusern wie der IDS Scher AG und der Infor Business Solutions AG die bundesweit einmalige IT-Qualifizierungsoffensive für Geistes-, Rechts-, Sozial- und Naturwissenschaftler. Außerdem bestehen durch die beiden im Aufsichtsrat vertretenen Professoren enge Verbindungen zu den saarländischen Hochschulen.

Anschließend wurde der Jahresabschluss 2000 vorgestellt. Im Geschäftsjahr 2000 konnte die ORBIS Gruppe Gesamtumsätze in Höhe von 47,2 Mio. DM generieren. Dies entspricht einem Umsatzplus in Höhe von 11 Prozent. Die Planzahl von 52,4 Mio. DM konnte allerdings nicht erreicht werden. Auf den Geschäftsbereich Consulting entfielen 31,9 Mio. DM und auf Solutions 15,3 Mio. DM.

Die Planzahl für den Bereich Consulting von 32,8 Mio. DM konnte damit fast erreicht werden, im Geschäftsbereich Solutions wurde die Planzahl von 19,6 Mio. DM aufgrund geringerer Lizenzumsätze hingegen deutlich verfehlt. Das Verfehlen der Planzahlen wurde weiter damit begründet, dass das sonst so starke 4. Quartal in der Softwarebranche weltweit äußerst schwach ausfiel.

Die nicht erzielten Lizenzerlöse schlugen sich leider auch direkt auf das EBIT nieder, welches dadurch mit minus 11,4 Mio. DM ebenfalls deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb. Im Vorjahr wurde noch ein positives EBIT von 2,9 Mio. DM erwirtschaftet. Das negative EBIT stehe in Zusammenhang mit den deutlich erhöhten Kosten, so Herr Kieren. Dem Umsatzwachstum von 11,4 Prozent steht ein Kostenanstieg von 49,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gegenüber.

Die erhöhten Kosten resultieren hauptsächlich aus einmaligen Mehraufwendungen des Börsengangs, den Gründungs- und Anlaufkosten der neuen Tochtergesellschaften sowie den erhöhten Kosten in die Systementwicklung des neuen webbasierten Software-Produktes iC Solutions und den damit verbundenen Markteinführungskosten. Ebenfalls kräftig um 53,5 Prozent stiegen die Herstellungskosten, die Vertriebskosten um 48,5 Prozent und die Verwaltungskosten um 33,5 Prozent an.

Wie Herr Kieren weiter erläuterte, belief sich das Jahresergebnis der ORBIS AG auf einen Fehlbetrag von minus 6,9 Mio. DM. Im Vorjahr wurde noch ein Plus von rund 0,5 Mio. DM erzielt. Geplant war ein Verlust in Höhe von rund 4,9 Mio. DM. Das Ergebnis je Aktie lag bei minus 0,76 DM gegenüber 0,06 DM im Vorjahr. Hier Kieren bezeichnete das vergangene Jahr jedoch als „Ausreißerjahr“, da die ORBIS AG von den 15 Jahren des Bestehens 14 Jahre lang profitabel gewesen war.

Von den 57,5 Mio. DM Mittelzufluss aus dem Börsengang waren am Stichtag 31. Dezember 2000 noch 32,5 Mio. DM an flüssigen Mitteln im Unternehmen vorhanden. Zu Beginn des Jahres 2001 konnte ein Auftrag vom größten europäischen Leiterplattenhersteller Ruwel bezüglich der Einführung von mySAP.com gewonnen werden. Das Volumen liegt hier bei 5 Mio. DM und stellt damit den größten Einzelauftrag in der Unternehmensgeschichte dar.

Auch wurde die ORBIS AG im Januar 2001 als eines der ersten Unternehmen zum „mySAP.com“ Alliance Partner nominiert; außerdem konnte ORBIS auf der diesjährigen CeBIT im März mit Integrata einen Partnervertrag abschließen. Dieser stelle einen wichtigen Schritt zur Forcierung des Lizenzgeschäftes dar, erklärte Herr Kieren. Zudem konnte die europäische Ausrichtung im ersten Quartal 2001 weiter verstärkt werden. Mit der italienischen Performer als Kooperationspartner sei die Voraussetzung für den Marktzugang in Italien geschaffen worden.

Im ersten Quartal 2001 verzeichnete der Geschäftsbereich Consulting einen Zuwachs von 93 Prozent auf 12,8 Mio. DM und liegt damit im Rahmen der Planungen. Der Geschäftsbereich Solutions entwickelte sich mit einer Steigerung von 34 Prozent auf 4,1 Mio. DM ebenfalls plangemäß.

Das EBIT betrug im 1. Quartal minus 2,529 Mio. DM, im Vergleich zu minus 2,075 Mio. DM im Vorjahreszeitraum. Herr Kieren machte hierfür den deutlichen Anstieg der allgemeinen Verwaltungskosten und börsenspezifische Kosten verantwortlich. Das Ergebnis nach Steuern konnte um 19 Prozent auf minus 1,49 Mio. DM verbessert werden. Das Bruttoergebnis verbesserte sich sogar um 325 Prozent auf 2,7 Mio. DM. Hierbei betonte Herr Kieren, dass sich die Steigerung der Herstellungskosten im Verhältnis zur Umsatzsteigerung unterproportional entwickelt hat.

Für das Gesamtjahr 2001 wurde eine Umsatzplanzahl von 78 Mio. DM genannt, wobei zwei drittel im Bereich auf den Bereich Consulting und ein Drittel auf den Bereich Solutions entfallen. Das EBIT soll wieder positiv werden, fuhr Herr Kieren fort. Zudem sei eine schrittweise Internationalisierung ins europäische Ausland geplant. Die Konzentration im laufenden Geschäftsjahr soll im Wesentlichen auf folgenden Punkte liegen:

1. Stabilisierung der neuen Unternehmensstrukturen
2. Systematische Integration der neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
3. Moderates Mitarbeiterwachstum um 17 Prozent
4. Fokussierung auf kontrolliertes Wachstum

Zum Abschluss seiner Rede betonte Herr Klaus Kieren noch die Stärken der ORBIS AG, diese lägen zum einen in der frühzeitigen Erkennung der Anforderungen des Marktes, da man seit 15 Jahren im Markt etabliert sei, über langjährige und namhafte Kundenbeziehungen sowie qualifizierte und hochengagierte Mitarbeiter verfüge, bei einer branchenuntypisch niedrigen Fluktuationsrate von nur 5 Prozent, und sei 14 Jahre lang profitabel gewachsen.


Allgemeine Aussprache

Herr Stefan Hertel von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) trat als erster Redner vor die anwesenden Aktionäre und bezeichnete die Ergebnisse des vergangenen Geschäftsjahres als eine missglückte Generalprobe. Die Ergebnisse seien um so verwunderlicher, wenn man betrachtet, dass das Unternehmen 14 Jahre Gewinne erwirtschaften konnte, fuhr Herr Hertel fort. Der negative Cash-Flow, der Investitionen schwierig mache, bereitete Herrn Hertel ebenfalls Sorgen.

Anschließend fragte er nach den geplanten Investitionen und danach, warum am 29.11.2000 in einer Pressemitteilung der ORBIS AG die Planzahlen bestätigt wurden. Hierzu wollte er auch wissen ob nach Unternehmensmeinung das betriebswirtschaftliche Berichtswesen versagt habe. Dann fragte Herr Hertel, ob ein funktionierendes Risk-Management-System errichtet worden sei, und bezeichnete zugleich den drastisch gefallenen Aktienkurs von 14,00 auf 1,40 Euro im Tief als eine herbe Enttäuschung für die Anleger.

Auch wollte er wissen, bei welchem Kurs das Unternehmen die faire Bewertung der Aktie sehe. Die Prognose für 2001 sei optimistisch, fuhr Herr Hertel fort und fragte noch nach dem Auftragsbestand im Solutions-Bereich.

Als nächster Redner kam Herr Heinz von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) an die Reihe und bezeichnete die Aktienkursentwicklung der ORBIS AG als ein Desaster. Der Zeitpunkt für das Going-Public sei einer der schlechtesten überhaupt gewesen, fuhr er fort. Zudem sei der Emissionspreis mit einer 5,5fachen Umsatzbewertung beim IPO viel zu hoch gewesen. Nach Ansicht von Herrn Heinz ging es den Banken hier nicht mehr um eine vernünftige Beratung, sondern nur noch ums Geldverdienen.

Danach sprach er den großen Vertrauensverlust an, den die am Neuen Markt gelisteten Unternehmen in der vergangenen Zeit hinnehmen mussten. Bei dem zur Zeit herrschenden scharfen Ausleseprozess hätte die ORBIS AG als eines der stärkeren Unternehmen in ihrem Segment noch relativ gute Chancen, fuhr Herr Heinz fort, wollte aber wissen, wie viel von dem beim IPO vereinnahmten Kapital aktuell noch vorhanden sei. Zudem fragte er, wo das Unternehmen den Mindestbestand an Liquidität sehe, um das Geschäft reibungslos fortzuführen.

Anschließend wurde danach gefragt, wie lange die ORBIS AG noch Geld verbrennen werde und ab wann ein positiver Cash-Flow erzielt wird. Bezüglich des hohen Forderungsbestandes wollte Herr Heinz wissen, ob die Zahlungsmoral bei den Kunden schlecht sei. Zudem interessierte ihn die Zielgröße bei der Eigenkapitalquote. Die Kursentwicklungen müssten laut Herrn Heinz in Anbetracht des geringen Free-Float fast schon als zufällig bezeichnet werden. An dieser Stelle fragte er nach, ob und wann der Free-Float erhöht werden soll.

Weiter interessierte Herrn Heinz der Zinssatz für Fremdkapital und die geplante Umsatzverteilung von Solutions und Consulting. Abschließend erkundigte sich Herr Heinz noch nach den Aktivitäten der ORBIS AG in den USA und meinte, die Unternehmensentwicklung hätte sich trotz allem positiver gestaltet, als es die Kursentwicklung ausdrückt.


Antworten des Vorstands

Herr Klaus Kieren begann nun mit der Beantwortung der gestellten Fragen und meinte zugleich, dass der Consulting-Bereich im Gegensatz zum Solutions-Bereich keine Periodität aufweise. Da die ORBIS AG aufgrund der Erfahrungen der vergangenen 14 Jahre von Abschlüssen am Jahresende ausgehen konnte, sei das Festhalten an den Planzahlen gerechtfertigt gewesen, begründete Herr Kieren die negative Überraschung. Die ORBIS AG stand im Solutions-Bereich zwar mit vielen Unternehmen in aussichtsreichen Gesprächen, aber leider konnten nicht genügend Verträge abgeschlossen werden.

Trotz positiver Unternehmensmeldungen konnte sich die ORBIS AG dem Sog des Neue-Markt-Gefälles nicht hinziehen, fuhr Herr Kieren fort. Die Aktie sei morgens nach der Bekanntgabe einer positiven Nachricht gestiegen und abend gleich wieder gefallen. Nach Ansicht von Herrn Kieren ist die Aktie eindeutig unterbewertet, Kurse im 2stelligen Bereich sollten mittelfristig wieder möglich sein. Auch wurde erwähnt, dass die ORBIS AG im Consulting-Bereich 60 Prozent des Umsatzes mit Bestandskunden erzielt.

Herr Kieren meinte zudem, dass die Wachstumsraten von Marktforschungsinstituten zu hoch angesetzt worden seien und das die Umsatzverteilung von Consulting und Solutions mittelfristig bei zwei Drittel zu ein Drittel liegen soll. Der Markttrend sei eine Kombination aus Beratung und Lösungen. Ein durchgängiger Prozess müsse gewährleistet werden, fuhr Herr Kieren fort. Außerdem sei bei den Unternehmen ein hoher Beratungsbedarf vorhanden.

Nun erläuterte Herr Stefan Mailänder (Vorstand Finanzen), dass die ORBIS AG Investitionen grundsätzlich über Fremdkapital finanziert. Zudem könne die Produktoptimierung durch ausreichend vorhandene finanzielle Mittel sichergestellt werden. Auch habe das betriebliche Berichtswesen nicht versagt. Die Entwicklung in der Softwarebranche sei nun einmal sehr schwierig zu prognostizieren, erklärte Herr Mailänder.

Die Planung und das Berichtswesen seien durch die Einführung von SAP R3 optimiert worden. Auch werde das Rechnungswesen und das Controlling gezielt ausgebaut, hieß es weiter. Herr Mailänder erläuterte, dass im letzten Geschäftsjahr noch kein richtiges Risk-Management-System vorhanden war. Diesbezüglich wurde aber noch in 2000 ein Projekt gestartet, auch fand eine Risikoinventur statt. Außerdem werde regelmäßig an den Aufsichtsrat berichtet, fuhr Herr Mailänder fort. Auch würden die zu beobachtenden Risiken ständig den Veränderungen angepasst.

Im Jahr 2001 seien keine größeren Investitionen geplant, vielmehr stehe die Integration der neuen Tochtergesellschaften im Vordergrund. Die liquiden Mittel der ORBIS AG beliefen Ende Mai 2001 auf 27,1 Mio. DM. Der Mindestbestand an Liquidität werde bei 10 bis 12 Mio. DM gesehen. Für das Gesamtjahr werde von einem Mittelabfluss in Höhe von 17,5 Mio. DM ausgegangen. Ende 2001 sollen noch ca. 15 Mio. DM an Liquidität vorhanden sein, berichtete Herr Mailänder.

Erst im 4. Quartal würde kein Geld mehr „verbrannt“ werden, ab 2002 sei dann mit einem positiven Cash-Flow zu rechnen. Die Eigenkapitalquote liege aktuell bei 63 Prozent und solle sich im Laufe der Zeit auf 40 bis 50 Prozent einpendeln, wurde den anwesenden Aktionären weiter erklärt.

Bezüglich der Zahlungsmoral räumte Herr Mailänder Optimierungsmöglichkeiten beim Forderungsmanagement ein. Die Automatisierung der Mahnverfahren sei allerdings schwierig, da die ORBIS AG viele große Kunden habe. Laut Herrn Mailänder sollen sich einige Kunden auch über ihre Forderungsbestände finanzieren. Der durchschnittliche Zinssatz für langfristige Kredite liege bei 5,36 Prozent, im Kontokorrent-Bereich bei 7 Prozent. Exakte Angaben wollte bzw. konnte Herr Mailänder hierzu nicht machen.

Herr Kieren übernahm nun wieder das Wort und erklärte, dass ursprünglich die Emission von 2,78 Mio. Aktien anstatt 2,1 Mio. Aktien geplant gewesen sei. Aktuell bestünden keine konkreten Planungen bezüglich der Erhöhung des Free-Float, allerdings wäre dies in etwa 2 bis 3 Jahren denkbar, fuhr er fort.

Die Markteroberung sei in den USA nicht das Ziel gewesen. In den USA sei nur eine Zweigstelle für Consulting vorhanden. Zudem werde der USA-Markt für einen „Know-How-Tansfer“ genutzt um Erfahrungen über technologische Entwicklungen zu erhalten. Abschließend betonte Herr Mailänder, dass die USA-Zweigstelle schwarze Zahlen schreibe.

Nun kam ein weiterer Kleinaktionär zu Wort und erkundigte sich danach, warum im Geschäftsbericht die Rede von Telefonaten zwischen dem Vorstand und Aufsichtsrat war. Er forderte, dass sich Aufsichtsrat und Vorstand persönlich treffen sollten. Außerdem beantragte er bezüglich Punkt 4 der Tagesordnung die Einzelwahl der Aufsichtsratsmitglieder.

Prof. Schieffer stellte nun klar, dass regelmäßige Treffen und intensive Gespräche stattgefunden hätten. Aufgrund dessen, dass Herr Dr. Spörl in Tübingen wohnt hätte ergänzend zu den Treffen noch Telefongespräche stattgefunden. Herr Schieffer betonte auch, dass er sogar schon im November kritische Fragen bezüglich des Geschäftsverlaufs gestellt und sich der Aufsichtsrat sogar in Karlsruhe getroffen habe. Danach stellten sich noch die zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder Dr. Uwe Spörl, Prof. Werner Koetz und Prof. W.-J. Schieffer den anwesenden Aktionären vor.


Abstimmungen

Die Präsenz blieb während der Abstimmungen nahezu unverändert bei 81,49 Prozent (7.415.998 Stimmen) des Grundkapitals in Höhe von 9,1 Mio. Euro. Die Abstimmungen über alle Tagesordnungspunkte erfolgten mit großer Mehrheit mit unwesentlichen Enthaltungen und Neinstimmen.


Persönlicher Eindruck und Fazit

Die Hauptversammlung der ORBIS AG war eine perfekt organisierte Veranstaltung. Sowohl das Management als auch der Aufsichtsrat machten einen kompetenten und seriösen Eindruck, was in Anbetracht des drastischen Kursverfalls der Aktie nicht zwangsläufig zu erwarten war. Der hohe Anteilbesitz von Vorstand und Aufsichtsrat sprechen ebenfalls für das Unternehmen.

Das Verfehlen der Planzahlen ist in der Softwarebranche aktuell auch keine Seltenheit. Allerdings lassen der negative Cash-Flow und die relativ geringe Liquidität des Unternehmens keine allzu großen Sprünge bezüglich weiterer Akquisitionen zu. Mit einem Umsatz von 47,2 Mio. DM im vergangenen Geschäftsjahr zählt die ORBIS AG weltweit zu den „Zwergen“ im Softwarebereich und dürfte trotz des namhaften und etablierten Kundenstamms keinen einfachen Weg vor sich haben.

Positiv zu werten sind allerdings das geringe 2000er-KUV von 1,2 hervorzuheben und die niedrige Marktkapitalisierung in Höhe von ca. 56,9 Mio. DM. Zum Vergleich: ein anderes saarländisches Softwareunternehmen, die IDS Scheer AG, weist ein 2000er-KUV von 4,03 und eine Marktkapitalisierung von fast einer Milliarde Mark auf. Allerdings kann die IDS Scheer AG im Gegensatz zu ORBIS schwarze Zahlen vorweisen.

Der geringe Free-Float, der schon bei geringem Handelsvolumen für starke Kursausschläge sorgt, könnte die ORBIS-Aktie für spekulativ orientierte Börsianer interessant machen. Im Falle des künftigen Einhaltens der Planzahlen und positiver Unternehmensmeldungen könnte der Kurs der ORBIS AG zu einem explosiven Höhenflug ansetzen. Allerdings muss man sich bei diesem spekulativen Investment jederzeit vor Augen führen, dass im Gegenzug selbst der absolute Ernstfall, die Insolvenz, relativ schnell eintreten kann.


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Investor Relations
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Veröffentlichungsdatum: 06.06.2001 - 16:54
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