1. Goodwill
In einer verkürzten Art und Weise wird diese sehr komplexe Thematik im Fall Kamps polemisch überhöht dargestellt, hieß es in einer Pressemitteilung der Kamps AG. Der Autor kommt dabei für den bilanztheoretisch unkundigen Leser zum Teil zu mißverständlichen und eventuell irreführenden Aussagen. Die Darstellung Kütings läßt einen angemessenen und ausgewogenen Umgang mit dieser Thematik vermissen, die zudem für eine verkürzende journalistische Bearbeitung ungeeignet ist.
a) "Kamps hat keine Rücklagen mehr"
Die Aussage, die "Kamps AG" verfüge über "keinerlei Rücklagen" mehr, dies sei "ein Novum in der deutschen Bilanzierungspraxis", ist eine deutliche Überzeichnung des Sachverhalts mit potenziell irreführendem Gehalt, denn sie ist geeignet, den Aktionär und das allgemeine Publikum grundlegend über die wahren Eigenkapitalverhältnisse der Kamps AG zu täuschen.
Am 31.12.2000 weist die Bilanz der Kamps AG - Einzelabschluss - Rücklagen in einer Gesamthöhe von 1.066 Mio. Euro aus. Das Eigenkapital beläuft sich insgesamt auf 1.197 Mio. Euro. Es ist, laut Angaben der Kamps AG, durch ein Portfolio aus ertragskräftigen Beteiligungen gedeckt. Der Aktionär sei durch die nachfolgend dargestellte, hiervon abweichende Bilanzierung im Konzernabschluss in keiner Weise in seinen erworbenen Rechten beeinträchtigt, die sich allein auf den Einzelabschluß der Kamps AG beziehen.
Im Konzernabschluss führt die weitestmögliche erfolgsneutrale offene Verrechnung von Firmenwerten, die sich bei der Kapitalkonsolidierung von Tochtergesellschaften ergeben, mit den Rücklagen zwar dazu, das die Rücklagen per Saldo auf "0" reduziert sind. Diese Verrechnung ist eine - wie Küting selbst in seinem Artikel betont - nach deutschem Bilanzrecht zulässige Maßnahme, die dem kaufmännischen Vorsichtsprinzip und darüber hinaus den Grundsätzen klassischer Bilanzanalyse entspricht.
Der Fall, daß die Rücklagen im Konzernabschluss den zu verrechnenden Betrag nicht decken, damit im Ergebnis "0" betragen, mag nicht alltäglich sein, wird in der Kommentarliteratur aber erörtert und ist u.a. Gegenstand einer speziellen Stellungnahme des Berufsstands.
b) "Nach IAS- und Gaap-Regeln muss der Geschäfts- oder Firmenwert erfolgswirksam abgeschrieben werden"
Zunächst ist festzuhalten, dass Kamps nach HGB bilanziert und diese Grundsätze neben der erfolgswirksamen Abschreibung auch die erfolgsneutrale Verrechnung erlauben (s.o.).
Zwar ist es zutreffend, daß die genannten internationalen Grundsätze derzeit allein eine Abschreibung zulassen und die Verrechnung nicht gestatten. Die intellektuelle Redlichkeit hätte es jedoch an dieser Stelle geboten, darauf hinzuweisen, daß die von Küting so nachhaltig und vehement vertretene Dogmatik der "Zwangsabschreibung" des Goodwill aus Konsolidierung in den USA auf den "Prüfstand" gekommen ist und insoweit grundlegende Änderungen unmittelbar bevorstehen.
Es ist nämlich damit zu rechnen, dass am 1.1.2002 ein US GAAP - Standard in Kraft treten wird, der die Nicht-Abschreibung von Goodwill statuiren wird. Lediglich in Fällen, wo Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Wert der betreffenden Unternehmenseinheiten gemindert ist, soll eine Überprüfung des diesbezüglichen Firmenwerts nach bestimmten Regeln erfolgen ("impairment test"). In Anbetracht der großen Bedeutung der US GAAP für die Entwicklung des Bilanzrechts sowohl auf nationaler (Deutschland) als auch auf internationaler Ebene (IAS) wird dieser Meinungswechsel in den USA, der auf gründliche Vorüberlegungen zurückgeht, nicht ohne Einfluss auf die Bilanzierung in Europa bleiben.
c) "Wäre der Geschäfts- oder Firmenwert erfolgswirksam abgeschrieben worden, hätte Kamps einen tiefroten Jahresfehlbetrag ausgewiesen"
Hier wird, laut Angaben der Kamps AG, einseitig ein Aspekt (Ergebnisauswirkung) polemisch überhöht, ohne ihn in einen korrekten bilanziellen Gesamtzusammenhang zu stellen. Zunächst ist zu kritisieren, dass Küting bei dieser hypothetischen Betrachtung eine Abschreibungsdauer für Firmenwerte von 10 Jahren als "beispielhaft" unterstellt. Eine derart kurze Abschreibungsdauer ist in der Küting vertrauten Bilanzierungspraxis eher selten. Die üblichen Abschreibungsdauern erstrecken sich - wie z.B. eine eigene Recherche in den USA ergab - in vergleichbaren Fällen üblicherweise auf Zeiträume von 20 - 25 Jahren.
Völlig außer Acht gelassen werde bei dieser einseitigen Darstellung der Abschreibungshypothese, dass in einem solchen Fall das Konzerneigenkapital - anders als im Fall Kamps - die ungeminderten Rücklagen von 1.066 Mio. Euro umfassen würde, den - zugegeben - schlechteren Jahresergebnissen daher ein vergleichsweise hochdotiertes Eigenkapital im Konzernabschluss gegenüberstände.
Andererseits würde der Konzernabschluss aber auf der Aktivseite Geschäfts- oder Firmenwerte in Milliarden-Euro-Höhe (!) ausweisen - mit allen denkbaren Unwägbarkeiten und Bewertungsrisiken, die solchen Posten naturgemäß eigen sind, ein Aspekt, den Küting übrigens bei anderer Gelegenheit ausdrucksvoll zu beklagen neigt.
d) "die Verrechnung verringerte die Eigenkapitalquote um 87 Prozent"
Insbesondere diese Aussage sei im Fall Kamps in geradezu grober Weise irreführend. Auch hier werde ein besonderer Umstand polemisch betont, ohne dass der sachliche Hintergrund sauber herausgearbeitet wird.
Es sei nämlich zu beachten, dass Kamps zum Vorjahresstichtag eine aufgrund besonderer Umstände atypisch hohe Eigenkapitalquote aufwies, ein Umstand, der Küting bekannt sein musste, was u.a. seine vorjährige Bilanzanalyse von Kamps in der gleichen Publikation belegt.
Diese besondere Situation war dadurch bedingt, dass die Beteiligung an Wendeln zu diesem Stichtag bereits bilanziert war, aber nicht in die Konsolidierung einbezogen werden konnte. Diese Konsolidierung wurde im Geschäftsjahr 2000 nachgeholt und wirkt sich aufgrund der Verrechnung von Firmenwerten grundlegend auf die Eigenkapitalsituation aus. Deshalb hatte Kamps bereits im Geschäftsbericht 1999 darauf hingewiesen, dass sich zukünftig die Eigenkapitalquote wieder auf die bisherige Größenordnung verringern würde.
e) Einbeziehung der in Einzelabschlüssen von Tochterunternehmen bilanzierten Firmenwerte in die für Unterschiedsbeträge vorgesehene Verrechnung mit den Rücklagen
Küting bemängelt erneut die Tatsache, dass die oben beschriebene erfolgsneutrale Verrechnung von Goodwill mit den Rücklagen auch diejenigen Firmenwerte einbezieht, die in den Abschlüssen der Tochtergesellschaften ausgewiesen und dort abgeschrieben werden. Die Begründung dieser Maßnahme hält er nicht für überzeugend und erweckt, laut Angaben der Kamps AG, bewusst den Eindruck, die - als Folge der von Kamps angewandten Methodik zwangsläufig vorgenommene - Eliminierung der in den Einzelabschlüssen gebuchten Firmenwertabschreibung auf Ebene des Konzerns diene allein der Ergebnisverbesserung.
Die fraglichen Firmenwerte stammen aus Erwerbsvorgängen vor Konzernzugehörigkeit. Es wäre bei dieser Ausgangslage zulässig oder sogar naheliegend gewesen diese Firmenwerte vor Erstkonsolidierung im Rahmen einer zu Konsolidierungszwecken erstellten "Handelsbilanz II" der Tochtergesellschaft gegen deren Eigenkapital zu kürzen (Neubewertung).
In einem solchen Fall wäre der auf Konzernebene entstehende Firmenwert (Unterschiedsbetrag) aus der Kapitalkonsolidierung dieser Tochtergesellschaft um exakt diesen Einzelabschluss-Firmenwert höher als im vorliegenden Fall. Dieser höhere Goodwill wäre dann mit den Rücklagen zulässigerweise zu verrechnen gewesen.
Die Abschreibungen im Einzelabschluss wären auf Konzernebene zu eliminieren gewesen. Zu keinem anderen Ergebnis führt die von Kamps angewandte Methodik.
2. Behandlung des Disagios
Die Behandlung des Disagios bei Kamps entspricht, laut Angaben des Unternehmens, einer zulässigen und völlig gebräuchlichen Bilanzierung. Sie biete keinerlei Anlass zur Kritik.
3. Partielle Änderung der Abschreibungsmethode und der Nutzungsdauern
Küting rügt ferner eine Durchbrechung der Bewertungsstetigkeit bei Sachanlagen aufgrund der in 1999 und 2000 erfolgten Änderungen bei der Methodik der Abschreibungen. Zuzugeben seit, dass Änderungen der Abschreibungsmodalitäten, die eine Minderung der Abschreibungshöhe zur Folge haben, zwangsläufig im Rufe stehen, allein zum Zwecke der Ergebnisverbesserung vorgenommen worden zu sein, selbst wenn - wie hier - objektiv nachvollziehbare Gründe für diese Maßnahmen sprechen (konzerneinheitliche Bewertung, True and Fair View).
Der Übergang von der degressiven auf die lineare Abschreibungsmethode (geschehen in 1999) und die Verlängerung der Nutzungsdauern (geschehen in 2000) seien - unabhängig von dem tatsächlichen Umfang gesetzlicher Angabepflichten - schon aus diesem Grunde erläuterungsbedürftig.
§ 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB gebietet, dass Abweichungen von den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden anzugeben und zu begründen sind; ihr Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage "ist gesondert darzustellen".
Bei dem (vorzeitigen bzw. generellen) Übergang von der degressiven auf die lineare Abschreibungsmethode und einer Änderung der Nutzungsdauern liege nach wohl herrschender Kommentarmeinung eine Angabepflicht hinsichtlich der hierin zum Ausdruck kommenden Änderung von Bewertungsmethodenwahlrechten nach obiger Vorschrift vor. Diese Angabe wurde in beiden Geschäftsjahren entsprechend gemacht.
4. Entwicklung der sonstigen betrieblichen Erträge und Aufwendungen
Die dargestellten Entwicklungen enthalten keine konkreten Anmerkungen; Küting greift lediglich zu generellen Unterstellungen, die nicht näher substantiiert oder begründet werden, hieß es in der Pressemitteilung der Kamps AG weiter.
5. Patronatserklärungen
Der Hinweis auf die Patronatserklärungen sei geeignet, unterschwellige Besorgnisse zu wecken, ohne zur Klärung beizutragen. Zu rügen ist, dass es der Autor nicht für erforderlich hielt, die Angaben zum Anteilsbesitz im Anhang des Konzernabschlusses vollständig auszuwerten.
Dort sei das Eigenkapital und das Jahresergebnis aller in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen zu ersehen; hieraus lassen sich - z.B. auch unter Heranziehung der entsprechenden Angaben im Geschäftsbericht des Vorjahres - konkrete Schlussfolgerungen ableiten, ohne dass zu düsteren Mutmaßungen gegriffen werden muß.
Hinzuweisen sei auf den Umstand, dass diese "harten" Patronatserklärungen (Ausstattungsgarantien) zur Abwendung der insolvenzrechtlichen Folgen einer bestehenden bilanziellen Überschuldung erteilt wurden, da nach den einschlägigen Vorschriften bereits eine Überschuldung grundsätzlich Antragspflichten begründet.
Die Überschuldungen rühren in erster Linie aus einmaligen Restrukturierungsaufwendungen her und lassen für sich gesehen keinen Rückschluss auf die aktuelle Ertragslage der betroffenen Gesellschaften zu, konnte man der Pressemeldung abschließend entnehmen.