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HV-Bericht Sanochemia Pharmazeutika AG - Kursentwicklung im krassen Gegensatz zur Geschäftsentwicklung

Am 21. Januar 2003 lud die Sanochemia Pharmazeutika AG zu ihrer diesjährigen Hauptversammlung nach Eisenstadt in die Wirtschaftskammer Burgenland. Rund 70 Aktionäre und Gäste folgten der Einladung, darunter auch Mario-David Balda für GSC Research.



Kurz nach 14 Uhr eröffnete Dr. Werner Frantsits in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender die Versammlung und begrüßte die erschienenen Teilnehmer. Nach einigen einleitenden Bemerkungen zum Umfeld der Pharmabranche und nach der zügigen Abhandlung der üblichen Formalitäten übergab er dann das Wort an den Vorstandssprecher Dr. Josef Böckmann für dessen Lagebericht.


Bericht des Vorstands



Dieser erläuterte nach seinem ersten vollen Geschäftsjahr als CEO zu Beginn seines Vortrags das Geschäftsmodell der Sanochemia. Dieses unterteilt sich in die Geschäftsbereiche Forschung & Entwicklung, Synthese und Humanpharma. Im F&E-Bereich beschäftigt man sich mit der Wirkstofferforschung für Therapien im Bereich des zentralen Nervensystems. Das bereits Ertrag bringende Segment Synthese zur Wirkstoffproduktion beinhaltet die Synthese von komplexen pharmazeutischen Wirkstoffen im Industriemaßstab



Der Bereich Humanpharma stand 2002 im Zeichen der Zusammenführung aller Aktivitäten zur SDI Sanochemia Diagnostics International GmbH in Neuss bei Düsseldorf als internationaler Pharmaplattform. Diese betreibt Entwicklung, Zulassung, Herstellung, Vertrieb und Marketing von Arzneimitteln, insbesondere von Diagnostika und Kontrastmitteln für die Radiologie. Zusammenfassend bezeichnete Dr. Böckmann die Sanochemia als "forschungsintensives pharmazeutisches Unternehmen mit voller Wertschöpfungskette".



Als wesentlichen Unterschied zu Start-Up‘s der Biotechnologie mit hoher Burn-Rate nannte Dr. Böckmann das hybride Geschäftsmodell, welches die Finanzierung von hohen F&E-Leistungen aus Ergebnissen der Synthese und des diagnostisch-pharmazeutischen Geschäfts ermöglicht. Highlights im vergangenen Geschäftsjahr 2001/2002 waren beim Hauptprodukt Galantamin die Indikationsausweitung für postoperatives Delirium, wozu eine Studie gestartet wurde. Für das Muskelrelaxans SPH 3047 erhielt man das US-Patent. Bei Umsatz und Ergebnis konnte man ein zweistelliges Wachstum verzeichnen.



Im Synthesebereich verfügt die Gesellschaft mit der Pilotanlage im Up-Scaling, der Mehrzweck-Syntheseanlage und den analytischen Labors bei der industriellen Produktion von eigenen und fremden Wirkstoffen Kapazitäten für eine "tonnenweise" Produktion. Somit etablierte man sich als Partner internationaler Pharmakonzerne in EURpa, den USA und Japan. Bei der Galantamin-Synthese ist man in der Lage, die eigene Innovation auch technisch umzusetzen und somit die Wertschöpfungskette abzuschöpfen.



Das hierauf basierende Medikament Reminyl ist nach Angaben von Dr. Böckmann mit einem Marktanteil von 10 Prozent eines der drei führenden Alzheimerpräparate auf dem Weltmarkt und bereits in 32 Ländern zugelassen, wobei weitere in 2003 folgen werden. Der Markt für solche Produkte betrug in 2002 weltweit 1,5 Mrd. US-$, nachdem dieser vor sieben Jahren noch bei Null lag. Da man das Synthesepatent bis mindestens 2014 besitzt, erwartet man für die kommenden Jahre weitere stabile und stetig ansteigende Umsätze.



Nun gab Vorstand Dr. Eberhard Pirich einen Einblick in die drei wichtigsten Projekte der F&E-Abteilung. Beim Galantamin läuft an vier Zentren in Österreich eine Studie für die Indikationserweiterung "Postoperatives Delirium". Die klinische Phase läuft hier bisher sehr viel versprechend, und ein Dossier ist für Mitte 2004 geplant. Auch beim Muskelrelaxans SPH 3047 läuft die klinische Phase, eine Studie für die Indikation Rückenschmerzen. Hier soll ein Dossier Ende 2004 folgen.



Noch in der vorklinischen Phase befinden sich die Galantamin-Derivate SPH 1371, SHP 1373 und SPH 1285. Der Start der klinischen Phase I soll bereits im ersten Quartal 2003 erfolgen. Bei den Derivaten konnte allerdings der Zeitplan nicht ganz eingehalten werden, denn die Erwartungshaltung an die Penetration in die Kliniken war zu hoch. Sanochemia besitzt aber als einziger der drei Hersteller von Alzheimerpräparaten viel versprechende Derivate, die besser als das Ausgangsprodukt sein sollen.



Im Anschluss äußerte sich CFO Herbert Frantsits zu den "finanziellen Aspekten" und vermeldete "Prognosen erfüllt". Dies zeige sich in einer Verdoppelung der Syntheseleistung, der Steigerung im Bereich Pharma von zehn Prozent und der deutlichen Ergebnisverbesserung. Die Betriebsleistung wurde im Vergleich zum Vorjahr um 53 Prozent auf 24 Mio. EUR erhöht, die Umsätze legten um 40 Prozent auf 18,3 Mio. EUR zu. Wie angesprochen wurde im Bereich Synthese eine Verdoppelung auf 7,4 Mio. EUR verzeichnet, der Bereich Humanpharma legte trotz der großen Umstrukturierung 17 Prozent auf 10,9 Mio. EUR zu.



Beim EBIT konnte eine Verbesserung um 67 Prozent auf minus 1,6 Mio. EUR erreicht werden, und ohne die Restrukturierungskosten bei der Tochter Goldham in Verbindung mit der Übersiedlung des Pharmageschäfts nach Neuss in Höhe von 1,2 Mio. EUR hätte es hier noch deutlich besser ausgesehen. Wie angekündigt konnte man nach einem Vorjahresverlust von 3,8 Mio. EUR einen Gewinn von 654 TEUR erzielen, was einem Ergebnis je Aktie von 0,06 EUR entspricht.



Die Bilanzsumme erhöhte sich von 70,8 auf 77,2 Mio. EUR, die Sachanlagen wegen der neuen Syntheseanlage von 12,6 auf 14,4 Mio. EUR. Die Eigenkapitalquote sank von 80 auf 73 Prozent, und die aktuelle Cash-Position bezifferte Herr Frantsits mit 23,6 Mio. EUR.



Den Ausblick übernahm dann wieder CEO Dr. Böckmann, der mitteilte, dass der weltweite Pharmamarkt, gemessen an den Apothekenverkäufen im Zeitraum Oktober 2001 bis September 2002, um 13 Prozent auf 144 Mrd. US-$ anstieg. Auf Europa entfallen hierbei knapp 58 Mio. EUR, wobei hier die Steigerungen in den größten Märkten von 3 in Frankreich bis 12 Prozent in Großbritannien betrugen. Mit einem jährlichen Zuwachs von 16 Prozent ist der Markt der ZNS-Therapien der zweitstärkste, besonders wachstumsstark ist der Markt für Demenzpräparate, bei dem die Behandlungskosten je Patient bei jährlich 1.200 bis 1.500 US-$ liegen. Die WHO schätzt diesen Markt auf 30 Millionen Patienten im Jahr 2010.



Die F&E-Abteilung hat rund 1.000 Substanzen im Grobscreening, von denen beim Synaptica-Screen in Oxford circa 80 Potenzial zeigen. Aus diesen werden dann 40 gewählt, die potenziell besser als Galantamin sind, und für die Vorklinik bestimmt. Forschungsziele sind dabei Therapien kognitiver Störungen, vor allem "Minimal Cognitive Impairment" (MCI). Weitere Bereiche sind Kernspin-Kontrastmittel für die Radiologie und neue Diagnostika für wichtige infektiöse Erkrankungen.



Für die kommenden Geschäftsjahre prognostizierte Dr. Böckmann "sehr moderat" ein Umsatzwachstum von jährlich 10 bis 20 Prozent. Diese Umsatzsteigerungen sollen durch organisches Wachstum und Marktausweitungen, durch neue Zulassungen und Lizenzen und durch aktives "Outlicencing" erzielt werden. Hinzu kommt eine Margenverbesserung durch Prozessoptimierung im Bereich Humanpharma und eine aktive Suche nach einem strategischen Partner, wo in "nächster Zeit" eine Akquisition zu erwarten ist. Neben dem kontinuierlichen Wachstum auf 50 bis 55 Mio. EUR im "3-Jahresplan" soll auch die Profitabilität gesteigert werden.



Zum Abschluss der Ausführungen des Vorstands ging CFO Frantsits auch auf die neue Segmentierung des Aktienmarkts nach dem Ende des Neuen Markts ein. Die Sanochemia hat bei der FWB den Antrag auf Zulassung zum Prime Standard gestellt. Bei den Unterindizes erwartet man die Einteilung zu "Pharma & Healthcare", also in den klassischen Pharmabereich und nicht in den Bereich Biotech.


Allgemeine Diskussion



Als Erster ergriff der Aktionär Dr. Werner das Wort und dankte dem Vorstand für das "umfassende Statement". Die Aussichten und Tätigkeitsberichte waren nach seinen Worten sehr positiv, was aber auch in den Vorjahren nicht anders gewesen sei. Trotzdem notiere die Aktie trotz eines Kassenbestands von 2 Mio. EUR nahe dem Tiefststand. Im Zusammenhang mit den drei vorliegenden Analysen von Wertpapieranalysten wollte er wissen, ob diese Forecasts mit dem Unternehmen abgesprochen wurden.



Das Segment Humanpharma bezeichnete Dr. Werner als "Klotz am Bein", und er regte dessen Schließung an. Angesichts der schwachen Zahlen der Tochter Goldham wunderte er sich über die Bewertung in der Bilanz mit über 7 Mio. EUR. Die Verflechtung mit dem Alt- bzw. Vorgängerkonzern sehe einfach nicht gut aus und sei auch nicht notwendig. Weitere Fragen betrafen die Zulassung von Reminyl in Japan, die von SPH 3047 in den USA und die Bedrohung durch einen weiteren Wettbewerber. Den Prime Standard bezeichnete Dr. Werner abschließend als "keine gute Wahl".



Ein weiterer Aktionär wollte wissen, ob bei den Prognosen der Margenverfall in den USA berücksichtigt worden ist. Dann erinnerte er an die Kursprognose von 25 EUR auf Sicht von 12 Monaten im letzten Jahr und verwies darauf, dass man heute bei 5,20 EUR steht. Daher verlangte er eine "persönliche Kurserwartung" des Vorstands.


Antworten



Zunächst erwiderte CFO Dr. Böckmann, bei Analystengesprächen gehe es eher um die qualitative Komponente der Geschäftsentwicklung. Fehleinschätzungen bei den Prognosen seien dabei immer möglich, so wie auch er selbst mit der Einschätzung von vor 12 Monaten falsch gelegen sei. Das hybride Geschäftsmodell sei der Garant für die Zukunft des Unternehmens, und das Pharmageschäft werde hier einen wesentliche Beitrag leisten, da es exakt zu planen sei. Mit der Kursentwicklung sei man natürlich auch nicht zufrieden, man fördere aber die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt durch eine mit großer Aufmerksamkeit arbeitende Investor Relations-Abteilung.



CFO Frantsits teilte mit, man habe sich Goldham zusammen mit dem Wirtschaftsprüfer angesehen, und nach der Umstrukturierung sei die Bewertung mit 7,3 Mio. EUR gerechtfertigt. Bezüglich der Situation mit der Altgesellschaft führte er aus, gewachsene Strukturen seien schwer zu zerschlagen, man sei aber ebenfalls daran interessiert, dies zu verbessern.



Im Zusammenhang mit den Zulassungen äußerte sich Vorstand Pirich dahin gehend, dass die Zulassung in Japan, die durch den Partner Johnsen & Johnsen betrieben wird, leider von den Behörden in der derzeitigen Rezession des Gesundheitssystems verschleppt wird. In den USA laufen die Verhandlungen, die Zulassung ist hier aber noch in "weiter Ferne". Das Präparat des Konkurrenten Merz ist für sehr schwere Fälle konzipiert, somit wäre dies eigentlich eher ein idealer Partner denn ein Konkurrent. Der Preisverfall in den USA folge dem schlechten Beispiel aus Europa. Dort haben die hohen Defizite die hohen Preisniveaus bei innovativen Produkten gedrückt, und nun sei eine Reaktion der USA erfolgt.


Weitere Diskussion



Der Aktionär Salchenegger regte eine Kapitalerhöhung im Rahmen einer Akquisition an, um den Streubesitz zu erhöhen. Zudem sprach er sich für einen Wechsel des Börsenplatzes von Frankfurt nach Wien aus und für ein Aktienrückkaufprogramm. Hierzu entgegnete der Aufsichtsratsvorsitzende, ein Aktienrückkauf würde den Markt noch mehr verengen. Durch den geringen Aktienkurs wäre eine derartige Akquisition sehr teuer und nicht im Sinne der Aktionäre. Man spreche auch mit anderen Börsenplätzen wie London oder Wien und hole weitere Angebote ein. Als einzige Pharma-Aktie in Wien notiert zu sein, bezeichnete er allerdings als "unrealistisch".



Der nächste Anteilseigner erkundigte sich nach der Möglichkeit, den Wert eines Patents abzuschätzen. Weiter wollte er wissen, ob man bereits jetzt "tonnenweise" Synthesen für andere Unternehmen durchführt, ob der Partner in England noch existiert, was passiert, wenn dem Oxforder Labor Synaptica das Geld ausgeht, und wie die Aktionärsstruktur beschaffen ist.



In seiner Antwort führte Aufsichtsratschef Dr. Frantsits aus, man könne den Patentwert mit Hilfe der Reminyl-Umsätze bis 2014 inklusive eines Produktionsabschlages berechnen. Den Partner in England gibt es nach wie vor, und dieser erziele im Jahr Umsätze von 870 Mio. EUR. Reminyl halte in England sogar einen Marktanteil von 50 Prozent, daher überlege man weitere gemeinsame Projekte. Synaptica ist als Spin-Off der Universität Oxford eine Forschungsplattform für Sanochemia. Der Streubesitz der Sanochemia-Aktien liegt bei 30 Prozent, den Rest halten Altaktionäre.



Als Letzter ergriff der Aktionär Berger das Wort und fragte nach den Market Makern in Frankfurt und der Gefahr einer Heilung von Alzheimer durch die Genforschung. Er riet zudem zu einer Wandelanleihe und dem Gang an die Wiener Börse wegen des neuen Pensionsvorsorgemodells in Österreich.



Ihm wurde geantwortet, Genforschung werde bei jeder Krankheit betrieben. Vom Einsatz einer Gentherapie bei Alzheimer sei man jedoch noch "viele Jahre entfernt". Eine Kapitalerhöhung oder Anleihe sei dann nötig, wenn man Geld benötigt, was derzeit jedoch nicht der Fall sei. Die Market Maker sind nach Angaben der Verwaltung die RZB, Sal. Oppenheim und die West LB, und die Kosten belaufen sich auf insgesamt 140 TEUR. Bei einem möglichen Wechsel nach Wien müsste man auch bedenken, dass der Großteil der Aktionäre aus Deutschland stammt.


Abstimmungen



Die Präsenz wurde zu Beginn der Abstimmungsvorgänge mit 39 Aktionären, die 6.782.405 Stückaktien angemeldet hatten, bekannt gegeben. Alle Tagesordnungspunkte wurden einstimmig im Sinne der Verwaltung verabschiedet, auch Enthaltungen waren nicht zu verzeichnen.



Somit konnte der Versammlungsleiter die diesjährige Hauptversammlung bereits um 16:40 Uhr offiziell beenden.


Fazit



Das Abstimmungsergebnis ist ein gutes Indiz für das sehr gute Klima, in dem die diesjährige HV der Sanochemia AG stattfand. Trotz des doch drastischen Kursverfalls gab es für die Aktionäre wenig Kritikpunkte am Management, das trotz der Konjunkturflaute auch und gerade im Pharmamarkt sehr gute Ergebnisse präsentieren konnte. Dass die Aktie trotz Erfüllung der Planzahlen an der Börse erneut gnadenlos abgewertet wurde, ist also hier dem katastrophalen Umfeld an den Weltbörsen und am Neuen Markt zuzurechnen.



Somit wäre die Sanochemia also ein geeigneter Kandidat für erhebliches Aufholpotenzial bei verbessertem Börsenumfeld. Negativ bewerten wir jedoch das wirtschaftliche Umfeld. Sicherlich sind die Gesundheitssysteme nicht überall so marode wie in Deutschland, dennoch ist die Bereitschaft für die Kassenzulassung aufwendiger neuer Therapien allgemein eher gering, auch wenn die Folgekosten später einmal viel schwerer zu Buche schlagen. Hier haben das Unternehmen bzw. seine Vertriebspartner noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.



Da aber letztendlich doch die sehr guten fundamentalen Wachstumsaussichten in Verbindung mit der Zuverlässigkeit der Planzahlen überzeugen, zählen wir die Sanochemia zu den interessantesten Werten aus dem Pharma- und Biotechsektor für die kommenden Jahre.


Kontaktadresse



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Margarita Hoch



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Veröffentlichungsdatum: 28.01.2003 - 21:50
Redakteur: mba
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