Am 4. Dezember 2002 hat die Advanced Medien AG per Ad-hoc-Mitteilung bekannt gegeben, dass eine Korrektur der Umsatzangaben bei der US-Tochtergesellschaft Unified Film Organization L.L.C (kurz: U.F.O.) erforderlich wird und dass daher die veröffentlichten Zahlen für das dritte Quartal 2002 entsprechend angepasst werden müssen. Infolgedessen werden sich die Umsatzerlöse bis zum 30.9.2002 laut dieser Ad-hoc-Mitteilung auf voraussichtlich 9,8 Mio. Euro belaufen, nachdem im Rahmen des Berichts für das dritte Quartal noch von einem Umsatzvolumen in Höhe von 16,2 Mio. Euro ausgegangen wurde (Vj.: 12,5 Mio. Euro).
GSC Research nahm diese Meldung zum Anlass, um sich vom Vorstand Otto Dauer über die genauen Hintergründe dieser Meldung sowie weitere Neuigkeiten der letzten Wochen und Monate informieren zu lassen. Für GSC Research führte Alexander Langhorst das vorliegende Interview.
Dauer: "Umsatzkorrektur bei U.F.O. ist eine rein optische Maßnahme und ergebnisneutral"
GSC Research: Herr Dauer, Sie mussten die Umsatzzahlen für das dritte Quartal revidieren. Können Sie unseren Lesern erklären, wie es zu dieser Korrektur kam?
Dauer: Zuallererst möchte ich darauf hinweisen, dass es sich bei den vorgenommenen Korrekturen um eine rein optische Maßnahme handelt, die sich nicht auf das Ergebnis der Advanced Medien AG auswirkt. Wesentlicher Grund ist die Verzögerung bei der Produktion von Filmen für einen Medienfonds, die entgegen der ursprünglichen Planung nicht bereits im Sommer 2002 fertig gestellt wurden, sondern erst im vierten Quartal 2002 sowie im kommenden Geschäftsjahr.
Die Umsatzkorrektur wurde erforderlich, da mit für den Filmfonds produzierten Filmen anders zu verfahren ist als mit den sonstigen Produktionen von U.F.O. Es war falsch, die Zahlungen des Medienfonds für Produktionskosten an die U.F.O. als Umsatzerlöse und die Produktionsaufwendungen von U.F.O. als Kosten dort zu verbuchen. Da die U.F.O als Dienstleister für den Fonds auftritt, die Produzentenstellung jedoch vom Fonds eingenommen wird, handelt es sich bei den getätigten Zahlungen lediglich um durchlaufende Posten, die auf ein Verrechnungskonto zu buchen gewesen wären.
U.F.O. wird die für den Fonds produzierten Filme von diesem erwerben und anschließend als Filmrechtehändler auftreten und den Vertrieb übernehmen. Umsätze aus diesen Fonds-Produktionen entstehen bei U.F.O. also erst dann, wenn die Filme in den verschiedenen Territorien weiterlizensiert und ausgeliefert sind. Würde man nun auch die eingangs beschriebenen durchlaufenden Posten auf der Umsatz- und der Kostenseite mit berücksichtigen, fiele der Umsatz bei U.F.O. gleich zwei mal an.
GSC Research: Soweit so gut - aber warum ist das dem von ihnen beauftragten Wirtschaftsprüfer in den Vereinigten Staaten nicht bereits während der von Ihnen beauftragten Prüfung aufgefallen?
Dauer: Das ist eine gute Frage. Offenbar war das Problembewusstsein hinsichtlich der Besonderheiten deutscher Filmfonds nicht im nötigen Maße vorhanden. Seitens der Advanced Medien AG arbeiten wir mit der im Medienbereich renommierten und erfahrenen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Kleeberg & Partner zusammen. Diese WP-Gesellschaft hat in der Vergangenheit bereits Unternehmen wie TeleMünchen und Helkon Media geprüft. Vor diesem Hintergrund sind wir davon ausgegangen, dass das amerikanische Partnerunternehmen von Kleeberg & Partner über die notwendige Expertise verfügt.
GSC Research: Planen Sie angesichts dieser Ereignisse einen Wechsel der amerikanischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft?
Dauer: Wir sind ein kleines Unternehmen, und somit sind unsere Möglichkeiten in diesem Punkt sicherlich nicht die eines Großkonzerns. Wir gehen allerdings davon aus, dass die WPs in Amerika jetzt für die Schwierigkeiten sensibilisiert sind und solch unerfreuliche Ereignisse nicht mehr vorkommen werden.
GSC Research: Herr Dauer, Sie führten eben aus, dass ein wesentlicher Grund für die fehlerhafte Umsatzerfassung eine Verzögerung bei der Fertigstellung der Filme war. Sind derartige Verzögerungen üblich und wann wurden Sie über diese Tatsache in Kenntnis gesetzt?
Dauer: Grundsätzlich sind Verzögerungen bei der Fertigstellung von Filmprojekten ein häufiges Phänomen in der Branche. Auch bei sehr professionellen Produzenten oder Dienstleistern wie der U.F.O. lassen sich derartige Verzögerungen nicht vollständig vermeiden. Allerdings ist die Information über eine Verzögerung bei den Filmprojekten erst sehr spät und nach Veröffentlichung der Zahlen für das dritte Quartal 2002 erfolgt.
Laut Planung aus den Verkaufsprospekten des finanzierenden Filmfonds hätten die Filme bereits im Laufe des Sommers 2002 fertig gestellt werden sollen. Aus diesem Grund gab es auch keinerlei Anlass, daran zu zweifeln, dass Umsätze und Aufwendungen bei der U.F.O angefallen sind, da man von der angelaufenen Vermarktung und von Einnahmen aus der Lizenzierung ausgehen konnte.
GSC Research: Wann rechnen Sie denn jetzt mit der Fertigstellung der Filme und der Generierung von ersten Umsatzerlösen?
Dauer: Ein erster Film soll noch im vierten Quartal 2002 ausgeliefert werden, die anderen sollen im Laufe des Jahres 2003 folgen. Da Einnahmen erst erzielt werden, wenn die Filme an die Lizenznehmer für bestimmte Regionen bzw. Territorien ausgeliefert und von diesen akzeptiert worden sind, rechne ich erst im kommenden Geschäftsjahr mit nennenswerten Umsatzerlösen aus diesen Filmen.
GSC Research: Sie haben in Ihrer Ad-hoc-Mitteilung gemeldet, dass die Zahlen für das dritte Quartal nochmals überprüft und dass erst dann die korrigierten Zahlen vermeldet werden sollen. Wann dürfen Ihre Aktionäre mit dem modifizierten Quartalsbericht rechnen?
Dauer: Ich gehe davon aus, dass die Zahlen in den kommenden 5 bis 10 Tagen bekannt gegeben werden können.
GSC Research: Ein weiterer wichtiger Themenkomplex bei der Advanced Medien AG sind die von den früheren Vorständen und Großaktionären getätigten Geschäfte. Am 31. Oktober diesen Jahres hatten Sie gemeldet, dass es sich dabei nach Ansicht des Richters im laufenden Verfahren gegen die MAXXFilm um Scheingeschäfte handelte. Wie geht es in diesem Verfahren jetzt weiter?
Dauer: Unser Problem lag darin, dass wir nicht von Anfang an davon ausgehen konnten, dass es sich bei sämtlichen Geschäften mit der MAXXFilm um Scheingeschäfte handelte. Scheingeschäfte können nach Lage des Gesetzes lediglich von den beteiligten Geschäftspartnern sowie einem Gericht als solche festgestellt werden.
Angesichts dieser gerichtlichen Feststellung, die bereits durch das Anfang diesen Jahres erstellte Bilanzgutachten in den Bereich des Möglichen rückte, wird die Advanced Medien AG nunmehr versuchen, die seinerzeit mit einem Volumen von 37,5 Mio. Euro veräußerten Filmrechte zurück zu holen und selbst zu verwerten. Daneben wird auch versucht, von der MAXXFilm zu Unrecht vereinnahmte Lizenzgebühren zurück zu erlangen.
GSC Research: Sehen Sie noch Chancen, auf gerichtlichem Wege von ehemaligen Organen Schadensersatz zu erlangen?
Dauer: Die Feststellung des Gerichts, dass es sich bei den Geschäften um Scheingeschäfte handelte, hilft uns auch bei der Klage gegen die D&O-Versicherung der früheren Organe weiter. Sollte die Einschätzung des Vorliegens von Scheingeschäften auch in der nächsten Instanz vom OLG bestätigt werden, dürfte die Versicherung kaum eine Chance haben, eine Zahlung in Höhe von 4 Mio. Euro aus der Versicherungspolice an die Advanced Medien AG zu vermeiden.
Zudem stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage nach der Rechtmäßigkeit der an ausgeschiedene Vorstandsmitglieder gezahlten und noch geforderten Abfindungen. Hätte der damalige Aufsichtsrat Kenntnis von den Scheingeschäften der ehemaligen Vorstände gehabt, wäre wohl kaum eine Abfindung bewilligt worden.
GSC Research: Gibt es derzeit noch weitere anhängige Gerichtsverfahren?
Dauer: Die französische StudioCanal versucht derzeit, aus einem Vertrag mit der Advanced Licencing GmbH über insgesamt 14 Millionen US-Dollar, der im Vorfeld des IPO`s der Advanced Medien AG abgeschlossen wurde, noch Ansprüche in Höhe von 7,5 Mio. US-Dollar geltend zu machen. Ein weiterer Gerichtstermin, bei dem es um die Einsetzung eines Schiedsrichters geht, ist für den 11. Dezember 2002 in Paris anberaumt worden. Dieser Termin ist aufgrund eines Antrages der Anwälte von StudioCanal nach Erhalt des Schriftsatzes unserer Anwälte verschoben worden; mit einem neuen Termin rechnen wir frühestens im Januar oder Februar 2003.
Wir beurteilen diesen Antrag auf Verschiebung als Erkenntnis der Gegenseite, bei der Argumentation noch einmal nachlegen zu müssen. Würde StudioCanal nicht befürchten, mit der aktuellen Vorlage vermutlich zu scheitern, so hätte man den gesetzten Termin wahr genommen.
GSC Research: Noch einmal zum Stichwort Organe: Für ein gewisses Aufsehen hat im Markt auch das Ausscheiden von Herrn Wirsing-Lüke aus dem Aufsichtsrat der Gesellschaft gesorgt. Können Sie ein paar Angaben zu den Hintergründen machen?
Dauer: Es war ja bereits seit einigen Monaten bekannt, dass sich die e-m-s new media AG, deren Vorstand Herr Wirsing-Lüke ist, von ihrer Beteiligung an der Advanced Medien AG trennen wollte und dies zwischenzeitlich auch getan hat. Die ursprüngliche Beteiligung an der Advanced hat die e-m-s AG sowohl über die Börse wie auch an einen institutionellen Investor veräußert. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Rücktrittsforderungen an Herrn Wirsing-Lüke auf der diesjährigen Hauptversammlung hat man sich auf die jetzt gefundene Lösung verständigt.
GSC Research:
Ein Problem vieler Unternehmen im gegenwärtig schwachen Umfeld ist auch die Höhe der zur Verfügung stehenden Liquidität. Wie sieht es bei der Advanced Medien AG in diesem Punkt aus?Dauer:
Wir haben unsere Verbindlichkeiten gegenüber Delbrück & Co. auf unter 8 Mio. Euro reduziert. Bei einer anderen Bank verfügt die Advanced Medien AG über ein Liquiditätspolster, so dass in den kommenden Monaten mit einer jederzeit gegebenen Liquidität gerechnet werden kann. Weitere liquide Mittel sollen auch aus dem Verkauf von Filmlizenzen in den kommenden Monaten erwirtschaftet werden.GSC Research:
Seit dem Frühjahr gab es auf dem Markt für Lizenzen, bedingt durch die Insolvenz der KirchGruppe, erhebliche Verwerfungen. Zu einem früheren Zeitpunkt hatten Sie die Hoffnung geäußert, dass nach der Insolvenz dieses und anderer Marktteilnehmer, wie z.B. auch der Kinowelt AG, sich die Chancen kleiner Player wie der Advanced Medien AG verbessern könnten. Sehen Sie Anzeichen im Markt, die ihre damalige Annahme bestätigen?Dauer:
Im ersten Halbjahr ist der Handel mit Lizenzen angesichts der von Ihnen beschriebenen Ereignisse nahezu zum Erliegen gekommen. Seit dem zweiten Halbjahr können wir jedoch wieder aufkommendes Interesse bei den Fernsehanstalten feststellen, das sich durch entsprechende Nachfrage am Markt offenbart. Dabei ist es in jedem Fall richtig, dass sich die Chancen von Advanced Medien im Gegensatz zu vorher deutlich verbessert haben, wie eine Reihe aktuell laufender Verhandlungen zeigt.GSC Research:
Auf dem Wege der Neustrukturierung der Gesellschaft sind Sie in den vergangenen Monaten einen guten Schritt vorangekommen, und Sie sind seit einiger Zeit auch auf der Suche nach einem strategischen Partner. Gibt es inzwischen erste Ergebnisse, die vermeldet werden können?Dauer:
Wir stehen derzeit mit drei potenziellen Partnern in Verhandlungen, die zum Teil auch schon nahezu ein Jahr andauern. Angesichts noch offener Fragen, die sich nicht zuletzt auf die Bewertung verschiedener Assets beziehen, ist bislang noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden. Bei den genannten Adressen handelt es sich allesamt um nicht börsennotierte Unternehmen. Einen genauen Zeithorizont bis zur Bekanntgabe des strategischen Partners kann ich leider nicht angeben.Im Rahmen eines möglichen Zusammengehens kommt es jedoch zuallererst auf ein überzeugendes Konzept an. Im Rahmen einer solchen Transaktion soll neben einem eventuellen Reverse-Splitt zur Anhebung des Aktienkurses über den Pari-Wert auch eine Kapitalmaßnahme in Angriff genommen werden.
GSC Research:
Herr Dauer, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.