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Interview Roland Hartung (VVS der MVV Energie AG) - "Der Preis unserer Freiheit ist unsere Profitabilität"





In den vergangenen Wochen und Monaten war in der Presse immer wieder von den großen Deals der beiden den deutschen Markt dominierenden Stromkonzerne die Rede. Wenig zu lesen gibt es jedoch über die vielen mittleren und kleineren Firmen dieser Branche sowie über regional ausgerichtete Energieverteilungs- und Dienstleistungsunternehmen. Das einzige börsennotierte Unternehmen im letztgenannten Bereich ist die Mannheimer MVV Energie AG.



 



Hervorgegangen aus den Stadtwerken Mannheim wird die Aktie der MVV Energie AG seit dem Jahre 1999 an der Börse gehandelt und ist im SDAX enthalten. Größter Einzelaktionär ist die Stadt Mannheim mit 72,8 Prozent der Anteile, weitere 15 Prozent der Aktien werden von der Essener Ruhrgas AG gehalten. Bezogen auf das abgesetzte Stromvolumen ist die MVV die Nummer 5 im deutschen Markt. Der Konzern mit insgesamt 92 Beteiligungen erzielte im letzten Geschäftsjahr (30.09.02) bei 1,679 Mrd. Euro Umsatz ein EBIT in Höhe von 144 Mio. Euro und schüttete 0,75 Euro je Aktie aus. Bei Kursen von aktuell 14,50 EUR erreicht die Dividendenrendite damit stolze 5,2 Prozent.



 



Über den aktuellen Geschäftsverlauf sowie die weiteren Aussichten für die MVV Energie AG im deutschen und europäischen Energiemarkt sprach Alexander Langhorst für GSC Research mit dem Vorstandsvorsitzenden Roland Hartung.



 



 



Hartung: "Der Preis unserer Freiheit ist unsere Profitabilität"



 



GSC Research: Im Halbjahresbericht zum 31.03.2003 haben Sie einen Umsatz von 976 Mio. Euro und ein EBIT in Höhe von 232 Mio. Euro ausgewiesen. In diesen Zahlen ist auch ein Netto-Buchgewinn aus dem Verkauf der Anteile an der Gasversorgung Süddeutschland in einer Größenordnung von 140 Mio. Euro ausgewiesen. Was soll mit diesem stattlichen Gewinn geschehen?



 



Hartung: Einen Teil dieser Mittel wollen wir einsetzen, um die MVV Energie AG noch fitter und schlanker für die Zukunft zu machen. Daher sollen bei verschiedenen Tochtergesellschaften strukturelle Verbesserungen erzielt werden, ich denke hierbei unter anderem an Personalreduktion im Wege von Vorruhestandsregelungen. Zur Umsetzung und bilanziellen Absicherung dieser Maßnahmen wurden für die Tochtergesellschaft EVO bereits Rückstellungen in Höhe von 7 Mio. Euro gebildet.



 



Auch bei anderen Konzerngesellschaften sind derartige Maßnahmen noch für das laufende Geschäftsjahr geplant. Gegenwärtig gehen wir von einem Restrukturierungsaufwand in einer Größenordnung von 15 Mio. Euro für das Gesamtjahr aus, der dazu beiträgt, die Kostenseite in der Zukunft zu entlasten. Alle möglichen Aufwendungen und nötigen Rückstellungen für diese Maßnahmen sollen im Abschluss des laufenden Geschäftsjahres bilanziell verarbeitet werden.



 



GSC Research: Können Sie uns bereits eine erste Indikation für die Neun-Monats Zahlen der MVV Energie AG zum 30. Juni geben?



 



Hartung: Wir unterliegen als börsennotiertes Unternehmen, wie Ihnen sicherlich bekannt ist, entsprechenden Auflagen bei der Mitteilung von Umsatz- und Ergebniszahlen, so dass ich Ihnen leider an dieser Stelle noch keine Einzelheiten nennen kann. Der ausführliche Neun-Monatsbericht wird am 18. August 2003 veröffentlicht werden.



 



GSC Research: Lassen Sie mich dann etwas anders fragen, müssen sich Ihre Aktionäre auf mögliche Überraschungen einstellen?



 



Hartung: Im abgelaufenen Quartal hat sich nichts dramatisch Negatives ereignet, so dass ich zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgehe, nicht in die Situation zu kommen, die Prognosen für das Gesamtjahr revidieren zu müssen.



 



GSC Research: Können Sie unseren Lesern einen Ausblick auf die zu erwartende Dividendenhöhe für das am 30. September 2003 endende Geschäftsjahr geben?



 



Hartung: Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine konkrete Angabe hierzu machen kann. Für das letzte Jahr haben unsere Aktionäre eine Dividende von 0,75 Euro je Aktie erhalten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Dividendenvorschlag für das Jahr 2002/2003 darunter liegen wird.



 



GSC Research: Gibt es bei ihnen eine klare interne Festlegung über die Verteilung des Jahresüberschusses, etwa dergestalt dass 50 Prozent an die Aktionäre ausgeschüttet wird und der Rest im Unternehmen verbleibt, oder Ähnliches?



 



Hartung: Eine fixe Ausschüttung bzw. eine Ausschüttung nach einem Muster, wie von Ihnen genannt, ist bei der MVV Energie AG nicht vorgesehen. Der Gewinnverwendungsvorschlag orientiert sich am aktuellen Jahresabschluss und wird von Jahr zu Jahr neu festgelegt. Ebenso klar ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass es keine Vollausschüttungen des Jahresgewinns geben wird, um unser weiteres Wachstum zu finanzieren.



 



GSC Research: Fürchten Sie nicht, dass die Stadt Mannheim angesichts der immer knapperen Finanzlage in den Städten und Kommunen als größter Aktionär in dieser Hinsicht Druck auf Sie ausüben könnte?



 



Hartung: Nein, dass glaube ich nicht. Bislang hat sich die Stadt Mannheim als größter Aktionär sehr wirtschaftlich verhalten und Verständnis dafür, dass wir den Anforderungen des Marktes - und damit meine ich nicht nur den Kapitalmarkt - gerecht werden müssen. Im Übrigen denke ich, dass den handelnden Personen klar ist, dass man sich als größtem Einzelaktionär durch politisch motivierte Einflussnahmen potentiell auch den größten Vermögensschaden zufügen würde.



 



GSC Research: Um noch einmal auf die angespannte Finanzlage der öffentlichen Haushalte zurück zu kommen: ist ein Verkauf oder Teilverkauf der von der Stadt Mannheim gehaltenen Beteiligung an der MVV Energie AG denkbar?



 



Hartung: Derartige Überlegungen seitens unseres Großaktionärs sind mir nicht bekannt. Aber lassen Sie es mich auf den Punkt bringen: der Preis unserer Freiheit ist unsere Profitabilität und Ausschüttungsfähigkeit. Wenn wir profitabel arbeiten und unseren Anteilseignern eine vernünftige Dividende zufließt, wird bei unserem kommunalen Großaktionär weder eine Neigung der direkteren Einflussnahme auf die Unternehmenspolitik noch eine besondere Verkaufsneigung aufkommen.



 



GSC Research: Die MVV Energie AG ist von der strategischen Ausrichtung ein Energieverteilungs- und Dienstleistungsunternehmen. Sehen Sie möglicherweise einen Nachjustierungsbedarf bei der gegenwärtigen strategischen Ausrichtung der Unternehmensgruppe?



 



Hartung: Zur Beantwortung dieser Frage bin ich vermutlich nicht mehr der richtige Ansprechpartner für Sie, da ich, wie ja bereits seit längerem bekannt, zum 30. September 2003 aus dem Vorstand der MVV ausscheide und in den Ruhestand trete. Gern werde ich Ihnen behilflich sein, mit meinen Nachfolger diese Thematik einmal tiefergehend zu besprechen.



 



GSC Research: Wir danken für dieses Angebot und werden gern darauf zurückkommen. Dennoch wäre es schön, wenn Sie eine kurze persönliche Einschätzung zu dieser Frage geben könnten.



 



Hartung:  Grundsätzlich sehe ich aus heutiger Sicht keinen Bedarf für eine Änderung unserer strategischen Ausrichtung. Diese Aussage gilt natürlich nur unter der Prämisse, dass es dem Gesetzgeber tatsächlich ernst damit ist, die Deregulierung auf dem Strom- und Gasmarkt umzusetzen und den freien Wettbewerb durch entsprechende Beaufsichtigung mittels einer schlagkräftigen Regulierungsbehörde auch auf Dauer sicherstellt.



 



GSC Research: Apropos Wettbewerb: die aktuellen Diskussionen lassen den interessierten Beobachter eher daran zweifeln, dass es dem Gesetzgeber mit der Durchsetzung und Sicherung des freien Wettbewerbs tatsächlich ernst ist. Wie beurteilen Sie die Situation?



 



Hartung: Mit dieser Einschätzung liegen Sie leider richtig. Gegenwärtig haben wir eine Struktur, in der im Wesentlichen zwei Erzeugergruppen den Markt in Deutschland im Großen und Ganzen unter sich aufteilen. Gegen diese Macht der Stromerzeuger muss etwas getan werden und es muss ebenfalls sichergestellt werden, dass der Wettbewerb auch auf Dauer angelegt ist. Derzeit bestehen geeignete Regelungen hierfür erst ansatzweise. Dennoch ist die MVV gut positioniert.



 



Wichtig zur Erreichung und dauerhaften Absicherung eines wirklichen Wettbewerbs ist nach meiner Einschätzung das Vorhandensein großer und unabhängiger Verteiler wie der MVV Energie AG, da diese die natürlichen Gegenspieler der großen Energieerzeuger sind.



 



GSC Research:  Rechnen Sie mit negativen Wirkungen auf Ihr Geschäft durch fehlenden oder zurückgehenden Wettbewerb?



 



Hartung: Unser Geschäftsmodell ist klar auf ein wettbewerbsorientiertes Marktumfeld ausgerichtet. So gesehen kann man die MVV Energie AG und deren Entwicklung auch als Indikator für geeignete Rahmenbedingungen heranziehen. Fest steht jedoch, dass ein Abschied von der Liberalisierung der Energiemärkte nicht spurlos an der Entwicklung unseres Unternehmens und des Zahlenwerkes vorbeigehen würde.



 



GSC Research: Sie hatten im vergangenen Jahr den verstärkten Einstieg in den Bereich der erneuerbaren Energien verkündet. Wie ist hier der aktuelle Stand?



 



Hartung: Derzeit befinden sich 3 Biomassekraftwerke in Bau, die noch in diesem Kalenderjahr ans Netz gehen werden. Hintergrund unseres Einstieges bei den erneuerbaren Energien ist unsere Überzeugung, dass die Energieversorgung der Zukunft viel stärker als heute dezentral erfolgen wird. Mit den Biomassekraftwerken stellen wir uns frühzeitig auf diese Entwicklung ein.



 



Neben dem Trend zur Dezentralität ist natürlich auch die grundsätzliche Frage nach dem zukünftigen Brennstoffmix für diese unsere Investition ausschlaggebend. Da man ja aus der Kernenergie aussteigen möchte und bei der Verbrennung fossiler Energieträger wie Öl und Kohle, die zudem auch nicht in unbegrenztem Umfang vorhanden sind, die Kohlendioxid-Problematik zu beachten ist, führt an den erneuerbaren Energien kein Weg vorbei.



 



GSC Research: So weit so gut, allerdings stellt sich bei derartigen Investitionen immer die Frage nach der Wirtschaftlichkeit und danach, ob diese auch ohne die maximale Inanspruchnahme der Förderungsmöglichkeiten erreicht werden kann.



 



Hartung: Das ist sicherlich eine berechtigte Fragestellung. Bei den von uns errichteten Biomassekraftwerken ist eine wirtschaftliche Tragfähigkeit nur durch die Förderung nach dem EEG über eine Laufzeit von 20 Jahren darstellbar. Es muss bei der Beurteilung in puncto Förderung natürlich berücksichtigt werden, dass die eingesetzte Technologie noch in den Kinderschuhen steckt, es sich also mehr oder weniger um Pilotanlagen handelt.



 



GSC Research: Entgegen dem Markttrend hält die MVV Energie AG nach wie vor an der sogenannten Powerline-Technologie fest. Woher nehmen Sie die Zuversicht, diesen technologischen Ansatz zum Erfolg zu führen, wo andere Wettbewerber wie beispielsweise RWE sich längst aus diesem Feld verabschiedet haben?



 



Hartung: Wir glauben immer noch daran, dass es nicht nur technologisch möglich ist, über den Stromanschluss auch Telefon- und Datendienste anzubieten, sondern sich dies auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten rechnen kann, auch wenn die Technologie derzeit noch ihre Kinderkrankheiten hat. In einem Pilotprojekt sollen bis Ende 2003 in Mannheim knapp 100.000 potentielle Kunden an das Powerline-System angeschlossen sein. Davon wollen wir bis Jahresende 5.000 als Nutzer gewinnen, aktuell bewegt sich die Zahl bei knapp 4.000.



 



GSC Research: Ist mit spürbaren Verlusten zu rechnen, falls sich diese Technologie entgegen Ihrer positiven Einschätzung nicht durchsetzen kann?



 



Hartung: Die Powerline-Technologie zählt sicherlich nicht zu den Kernaktivitäten der MVV, bietet aus meiner Sicht aber eine interessante Chance, über den vorhandenen Endkundenzugang via Stromanschluss zusätzliches Geschäft zu generieren. Wir sind mit diesem Projekt ein vertretbares Engagement in einem vertretbaren Volumen eingegangen. Bestandsgefährdende Experimente oder Projekte werden bei der MVV Energie AG gar nicht erst angeschoben.



 



GSC Research: Kommen wir zurück auf die MVV-Aktie. In der Vergangenheit war immer wieder einmal die Rede davon, dass seitens der MVV Energie AG eine Kapitalerhöhung geplant ist. Wie ist hier der aktuelle Stand?



 



Hartung: Sie haben recht, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wird eine Kapitalerhöhung erfolgen. Ich war in den letzten Jahren davon ausgegangen, diese noch während meiner aktiven Zeit zu erleben. Angesichts des schlechten Kapitalmarktumfeldes haben wir bisher davon Abstand genommen. Ich gehe aber davon aus, dass dies in den nächsten 1 bis 2 Jahren nachgeholt wird. Wichtig ist dieser Schritt nicht zuletzt auch für die Vergrößerung unseres Free-Floats, der gegenwärtig bei nur 12 Prozent liegt.



 



GSC Research: Stichwort Free-Float, derzeit ist die MVV Aktie im SDAX gelistet. Wie sehen Sie die Chancen für eine Aufnahme in den MDAX?



 



Hartung: Eigentlich ist die MVV Energie AG ein geborenes MDAX Mitglied. Bei der Marktkapitalisierung liegen wir aktuell auf Platz 64, bei der Handelsliquidität erstmals unter 100. Entscheidend ist für eine Aufnahme in den MDAX ist eine Erhöhung des Free-Floates. Um auf die eben angesprochene Kapitalmaßnahme zurückzukommen möchte ich darauf hinweisen, dass vermutlich eine Erhöhung des Kapitals um 10 Prozent ausreichen würde, um die Aufnahmekriterien für den MDAX erfüllen zu können - vorausgesetzt, diese 10 Prozent fließen in die Berechnung des Free-Floats ein.



 



GSC Research: Herr Hartung, warum sollte ein Anleger Ihrer Meinung nach in MVV-Aktien investieren?



 



Hartung: Für eine Anlage in die MVV-Aktie sprechen aus meiner Sicht, die attraktive Dividendenrendite, unser gesundes Wachstum sowie das Alleinstellungsmerkmal, einziger börsennotierter Energieverteiler und Dienstleister zu sein. Übersehen sollten Aktionäre auch nicht die relativ konstante Kursentwicklung der MVV-Aktie in den vergangenen Jahren, die kaum von den teilweise massiven Kursrückgängen der großen Indizes beeinflusst wurde.



 



GSC Research: Herr Hartung, wir danken Ihnen herzlich für dieses Gespräch und wünschen Ihnen und auch Ihrem Nachfolger weiterhin viel Erfolg.



Veröffentlichungsdatum: 13.08.2003 - 16:57
Redakteur: ala
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