Nachdem Herr Otto Dauer in den Vorstand der Advanced Medien AG eingetreten war, sind einige Aufräumarbeiten getätigt worden. Dazu gehörte auch die Prüfung mit getätigten Geschäften der ehemaligen Großaktionärsfamilie Jovy. Die hierzu in Auftrag gegebene Sonderprüfungen brachten Scheingeschäfte an den Tag; die Zahlen der letzten drei Jahre wurden daher entsprechend drastisch korrigiert.
Philipp Steinhauer erkundigte sich für GSC Research bei der IR-Sprecherin Frau Susanne Rehm über die Ergebnisse der Sonderprüfungen und die aktuelle Situation der Gesellschaft.
Rehm: „Aufklärungsbereitschaft des Vorstands wird nicht honoriert“
GSC Research: Frau Rehm, in den letzten Wochen kamen dramatische Nachrichten von Advanced. In Sonderprüfungen ist festgestellt worden, dass ein großer Teil der Umsätze in 1999 und 2000 auf Scheingeschäften beruht. Können Sie überhaupt noch ruhig schlafen?
Rehm: Das alles waren für außenstehende Personen dramatische Nachrichten, gerade wenn man das im Umfeld der Ereignisse betrachtet, wie sie beispielsweise bei ComROAD aufgetreten sind. Es war schon abenteuerlich, was Herr Dauer da aufgedeckt hat – ganz so weit von ComROAD ist das nicht entfernt. MAXXFILM gab es auch nur als Briefkasten.
GSC Research: Für die Aktionäre kam die Nachricht über die Scheingeschäfte sehr plötzlich.
Rehm: Wir hatten schon bei der Erstellung des Abschlusses 2000 Bedenken hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit von MAXXFILM. Deswegen hatten wir auch die 90prozentige Wertberichtigung auf die Forderungen gegenüber MAXXFILM vorgenommen und im März 2001 eine Klage eingereicht. Dies schien uns damals die richtige Vorgehensweise zu sein. Das neue Management hatte keinen Grund, an den uneingeschränkt testierten Jahresabschlüssen der Vorjahre zu zweifeln.
Im Laufe des Prozesses kam jetzt Anfang dieses Jahres der Richter zu dem Schluss, dass die mit MAXXFILM getätigten Geschäfte für ihn den Charakter von Scheingeschäften hätten. Daraufhin haben wir die Sonderprüfungen über die Geschäftsjahre 1999 und 2000 in Auftrag gegeben. Es ist ja so, dass es sich hier um Verträge über den Verkauf von Filmrechten in sehr großem Stil gehandelt hat, die mit der MAXXFILM Produktions GmbH und der Media-Pixx - beides Gesellschaften, hinter denen Herr Dr. Herbert Jovy steht - abgeschlossen wurden. Die beiden Gesellschaften gab es aber gar nicht richtig, es hat zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht einmal Briefpapier existiert. Die MAXXFILM wurde erst nach den ersten Geschäften mit Advanced im Handelsregister eingetragen. Das wurde dann wohl auch alles im stillen Kämmerlein zwischen Vater und Sohn, Dr. Herbert Jovy und Hans Arndt Jovy ausgehandelt. Und schon waren die Umsätze da, die man versprochen hatte.
Die korrigierten Umsätze liegen nun bei 22 Mio. DM, ursprünglich waren Umsätze von 65 Mio. DM ausgewiesen. Das ist doch unglaublich! Im Filmrechtehandel ist es so, dass der Umsatz mit Vertragsabschluss anfällt, auch wenn die Zahlungen später getätigt werden. In diesem Fall sind die Rechte aber unabhängig von den Zahlungen übergegangen. In 2000 ging das erst einmal munter weiter, später kam dann auch noch die get AG dazu, mit der noch Ende Juni 2000 Verträge über 2,5 Mio. Euro mit Zahlungsziel Oktober 2001 geschlossen wurden, im August 2001 ging sie dann Pleite. Damit waren Umsatz und Gewinn in den Halbjahreszahlen enthalten. Die get AG wäre aber nie in der Lage gewesen zu bezahlen.
GSC Research: Und all dies ist so am Aufsichtsrat vorbei geschehen?
Rehm: Wir gehen davon aus, dass der Aufsichtsrat von Dr. Herbert Jovy getäuscht wurde. Als der Aufsichtsrat Ende 2000 aktiv wurde, hatte Herr Dr. Jovy – nachdem die Lock-up-Frist im Sommer abgelaufen war – den Verkauf seiner Aktien an die e-m-s AG schon angebahnt.
Besonders schlimm war es, dass im November 2000 noch die Neun-Monats-Zahlen mit den ganzen falschen Umsätzen veröffentlicht wurden, obwohl zwei Wochen vorher schon Umsätze und Verträge teilweise storniert wurden. Auch wurden noch große Preisnachlässe gewährt. Und all dies war nicht im Neun-Monats-Bericht enthalten – auch die e-m-s AG wusste davon zum Zeitpunkt ihres Aktienkaufs noch nichts. Deswegen mussten wir im letzten Quartal 2000 einen Minusumsatz buchen.
GSC Research: Liegen die Rechte nun immer noch bei der Maxx Film?
Rehm: Eigentlich nicht. Es steht jetzt noch das Urteil aus, wir gehen jetzt aber ziemlich sicher von einem positiven Ausgang aus. Dann ist es tatsächlich so, dass die Rechte niemals weg waren. Wir machen uns dann sofort an den Verkauf.
GSC Research: Aber diese sind jetzt sicher weit weniger wert.
Rehm: Das ist richtig. Aber der hierdurch zu erlösende Betrag ist dennoch nicht zu verachten.
GSC Research: Was für Kosten sind Ihnen durch die Sonderprüfungen entstanden?
Rehm: Sehr hohe, insgesamt rund 100.000 Euro für Gutachter und Wirtschaftsprüfer. Die Prüfer haben hohe Honorare, saßen hier auch von Montag bis Sonntag und sind nicht vor zehn Uhr abends raus gegangen. Und dann mussten wir die neuen Geschäftsberichte übersetzen und gestalten. Es hat sich aber auf jeden Fall gelohnt. Ansonsten hätten wir auch die Partnersuche nicht voranbringen können.
GSC Research: Wann rechnen Sie mit dem Ende des Prozesses?
Rehm: Das ist schwer zu sagen, Mitte Mai ist der nächste Termin, zu dem Herr Montague zum zweiten Mal geladen ist. Beim ersten Termin ist er nicht gekommen, so dass er dann beim dritten Termin zwangsvorgeladen wird.
GSC Research: Aber wird dies nicht aufgrund seines Wohnsitzes in Paris schwierig?
Rehm: Nein, dies ist aufgrund des EU-Rechts glücklicherweise nicht sehr kompliziert.
GSC Research: Was macht er jetzt?
Rehm: Meines Wissens arbeitet er bei einer französischen Bank in der Nähe von Paris.
GSC Research: Ist die Familie Jovy schon vorgeladen worden?
Rehm: Herr Dr. Jovy nimmt regelmäßig auf der Beklagtenbank Platz. Herr Hans Arndt Jovy war auch schon zur Zeugenbefragung da.
GSC Research: In den Medien ist die Thematik um die Scheingeschäfte teilweise sehr verzerrt widergegeben worden. Warum das?
Rehm: Es handelt sich hier um eine komplexe Thematik. Übrigens ist die Thematik auch in Fachpublikationen wie Entertainment Daily falsch verstanden worden.
GSC Research: Wurden Sie durch die falschen Berichte in Ihrem Geschäft behindert?
Rehm: Nein. Wir hatten uns aber eine positivere Resonanz erwartet. Immerhin sind wir die einzige Neuer-Markt-Gesellschaft, in der sich der neue Vorstand freiwillig ans Werk macht und Tag und Nacht an den neuen korrekten Zahlen arbeitet. Aber in der selben Zeit lief bei ComROAD eine viel größere Story ab. Es ist auch traurig, dass die Staatsanwaltschaft ihr Augenmarkt stark auf die öffentliche Aufmerksamkeit legt, Prozesse wie unserer also nachrangig behandelt werden.
GSC Research: Wann ist dieses Kapitel für Sie abgeschlossen?
Rehm: Auch wenn das Urteil noch aussteht, ist es so, dass diese Arbeit für uns jetzt erst einmal ein Ende hat, so dass wir uns wieder um das operative Geschäft kümmern können. Wir haben jetzt auch noch zusätzlich von der Kanzlei Nörr, Stiefenhofer, Lutz eine Prüfung in Auftrag gegeben, welche zu ähnlichen Ergebnissen kam. Es ist beruhigend zu wissen, dass wir uns nun auf andere Sachen konzentrieren können.
GSC Research: Wie der Rückführung der Verbindlichkeiten?
Rehm: Hier ist schon einiges getan worden. Herrn Dauer ist es gelungen, die Verbindlichkeiten in Deutschland von 24 auf 18 Mio. DM zu reduzieren. U.F.O. ist davon separat zu betrachten, hier gibt es eigenständige Vereinbarungen mit der Comerica Bank.
GSC Research: Am 31. Juni laufen die Kredite aus. Was dann?
Rehm: Die werden verlängert, da sind wir uns sicher. Auch werden sich die Konditionen nicht sehr nachhaltig verändern.
GSC Research: Sie haben die an Red Cliff vergebenen Darlehen in Höhe von 5,8 Mio. Euro ganz abgeschrieben. Ist hier nichts mehr zu holen?
Rehm: Es handelt sich um eine Teilabschreibung. Mehr können wir hierzu nicht sagen, da wir im Rahmen unserer Bemühungen um einen außergerichtlichen Vergleich mit Wolfgang Petersen striktes Stillschweigen vereinbart haben.
GSC Research: Sie haben einen Teil der Mitarbeiter des geschlossenen Bereichs Filmverleih übernommen. Warum das?
Rehm: Neben Frau Morawetz als Vorstand mussten wir noch zwei weiteren Mitarbeitern die Kündigung aussprechen. Die Technik konnten wir komplett integrieren, und diese Leute sind auch noch gut beschäftigt. Insgesamt lässt sich sagen, dass wir hier alle sehr gut beschäftigt sind und eher noch Leute brauchen. Und durch die übernommenen Mitarbeiter des Filmverleihs sind wir in der Lage, dass wir, wenn uns mal ein interessanter Film angeboten wird, diesen über einen Vertriebspartner herausbringen können.
GSC Research: Werden derzeit überhaupt noch Rechte verkauft?
Rehm: Es wird nach wie vor versucht, Filme zu verkaufen, und ab und zu gelingt uns auch ein Verkauf. Wir müssen jetzt auch abwarten, was sich durch die Kirch-Pleite tut. Möglich wäre, dass die Einkäufer nun eher auf kleinere Anbieter ausweichen, was natürlich positiv für uns wäre. Der Filmstock hat nach wie vor den Charakter eines Entschuldungsinstrumentes. Denn ob ein möglicher Partner großes Interesse an unserem Filmstock hat, können wir nicht sagen.
GSC Research: Wie sieht es derzeit hinsichtlich der Übernahmegespräche aus?
Rehm: Wir haben verschiedene mögliche Partner und orientieren uns sowohl auf das In- als auch auf das Ausland. Mit diesen Partnern sind wir überein gekommen, dass keine Namen genannt werden.
GSC Research: Herr Dauer hatte Anfang dieses Jahres in Amerika verhandelt. Ist dies immer noch aktuell?
Rehm: Ja. Es ist auch von den anderen konkreteren Partnern keiner abgesprungen.
GSC Research: Was sagen diese Leute zu der Sonderprüfung?
Rehm: Die Sonderprüfung wird positiv gesehen. Die Partner können sich sicher sein, dass nun keine Altlasten mehr auftauchen. Dass ist jetzt auch eine gute Basis für eine Due Dilligence. Insgesamt lässt sich sagen, dass es dadurch nicht schwieriger geworden ist.
GSC Research: Wie ist es um die Möglichkeit bestellt, ohne Partner zu überleben?
Rehm: Sicherlich sind wir hier nach wie vor bemüht, neue Wege zu finden. Mit TV-Formaten oder der Nutzung unserer Internet-Rechte zum Beispiel.
GSC Research: Gibt es in dieser Sache derzeit Gespräche mit Dolce Media?
Rehm: Dazu kann ich nichts sagen. Ich werde aber auf jeden Fall Gummibärchen zur Hauptversammlung mitbringen (lacht).
GSC Research: Wäre es vom jetzigen Stand aus möglich, eines Tages eigenständig in die schwarzen Zahlen zu kommen?
Rehm: Aus eigener Kraft würde das schon schwer werden.
GSC Research: Falls es nicht mit dem Partner klappt, müssen die Aktionäre also mit einem Totalverlust rechnen?
Rehm: Im Risikobericht in unserem Abschluss 2001 steht, dass der Fortbestand der Gesellschaft bei einem Scheitern der Partnersuche gefährdet ist.
GSC Research: Wie werthaltig ist Ihr Filmvermögen?
Rehm: Für 2001 wurden weitere außerplanmäßigen Abschreibungen getätigt. Ich gehe davon aus, dass die Wertansätze korrekt sind, zumal die Prüfer nun sehr genau geschaut haben.
GSC Research: 1999 und 2000 wurden Sie von Arthur Andersen geprüft. War Arthur Andersen auch für die neuen Abschlüsse verantwortlich?
Rehm: Arthur Andersen führte für 1999 und 2000 Nachtragsprüfungen durch. Das Geschäftsjahr 2001 wurde durch BDO geprüft.
GSC Research: Wurden Ihnen hier Steine in den Weg gelegt?
Rehm: Die Wirtschaftsprüfer von Arthur Andersen haben sehr engagiert mitgearbeitet. Dennoch schmerzt es, dass für die falschen Abschlüsse uneingeschränkte Testate und für die berichtigten Abschlüsse nun nur eingeschränkte Testate vergeben wurden. Ich finde es traurig zu sehen, dass die Aufklärungsbereitschaft des Vorstands nicht honoriert wurde.
GSC Research: Frau Rehm, die Advanced ist grade dabei, Kosten einzusparen. Könnte dies nicht auch durch ein Verlassen des Neuen Markt geschehen?
Rehm: Nein. Auch wenn man schon sagen muss, dass das eine teure Angelegenheit ist. Wir haben aber schon vor, am Neuen Markt zu bleiben, da dies für den Partner interessant sein könnte. Durch die neue Rechtssprechung ist uns jetzt auch noch etwas Zeit gegeben worden.
GSC Research: Auch in Sachen Vorstandsbezüge ist in der Vergangenheit sicher nicht sparsam gehaushaltet worden. Im vorigen Jahr wurden 604.000 Euro Vorstandsbezüge gezahlt. Ist dies nicht etwas hoch?
Rehm: In 2001 waren insgesamt vier Vorstände bei der Advanced beschäftigt. Zudem ist in den genannten Bezügen auch die Abfindung für Herrn Hans Arndt Jovy enthalten. Gerade er hat kräftig zugelangt. In diesem Jahr werden die Vorstandsbezüge sicher weit darunter liegen.
GSC Research: Frau Rehm, Hand aufs Herz. Ist ein Aktienkurs von einem Euro immer noch keine Herausforderung für Sie, wie Herr Dauer vor einem halben Jahr uns gegenüber im Interview erklärt hat?
Rehm: Ja, wenn uns alles gelingt.
GSC Research: Dies würde aber auch bedeuten, dass der faire Wert der Aktie schon jetzt bei einem Euro zu sehen ist.
Rehm: Meiner Meinung nach ist die Advanced-Aktie unterbewertet.
GSC Research: Frau Rehm, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.