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Interview Wilhelm Hecker (Vorstandsvorsitzender Marseille-Kliniken AG) - "Die politischen Aktivitäten von Herrn Marseille stehen in keinem Zusammenhang mit der Marseille-Kliniken AG"


Die Marseille-Kliniken AG kann sich zur Zeit nicht über mangelnde Aufmerksamkeit in der Presse beklagen. Kaum ein Tag verging in den letzten Wochen und Monaten, ohne dass das Unternehmen Gegenstand von Artikeln oder Berichten diverser Medien wurde. Im Vordergrund stand dabei zumeist weniger die wirtschaftliche Entwicklung des im SDAX notierten Betreibers von Seniorenheimen und Rehakliniken, sondern vielmehr das politische Engagement des Hauptaktionärs, Firmengründers und jetzigen stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Ulrich Marseille sowie die Rechtsstreitigkeiten in den neuen Bundesländern.



Nachdem die Marseille-Kliniken AG ebenso wie zahlreiche andere Unternehmen der Branche in den 90er Jahren von der Reha-Krise heftig "gebeutelt" worden war, konnte die Gesellschaft in den letzten Jahren sowohl einen Umsatzanstieg als auch eine bessere Auslastungsquote und damit letztlich auch ein verbessertes Ergebnis vorweisen. Auch die zeitweise beängstigend niedrige Eigenkapitalquote – bei zugleich sehr hohen Verbindlichkeiten – hat sich inzwischen bei etwas über 20 Prozent stabilisiert und soll durch Immobilienverkäufe weiter erhöht werden.



Philipp Steinhauer erkundigte sich für GSC Research bei Herrn Hecker nach der Haltung der Gesellschaft zu den Aktivitäten des Großaktionärs, den Rechtsstreitigkeiten mit den Ländern und den Plänen für die Zukunft der Marseille-Kliniken AG.



Hecker: „Die politischen Aktivitäten von Herrn Marseille stehen in keinem Zusammenhang mit der Marseille-Kliniken AG"



GSC Research: Herr Hecker, können Sie uns etwas zur Gründungsgeschichte der Marseille-Kliniken AG erzählen?



Hecker: Das Unternehmen wurde 1984 von Herrn Marseille und seinem Vater mit einer ersten Einrichtung in Niedersachsen gegründet. Mit der deutschen Wiedervereinigung hat Herr Marseille erkannt, welche Chancen, aber auch welche Probleme es in den neuen Bundesländern gab. Ich habe dies zu jener Zeit aus einer anderen Funktion heraus beobachtet. Damals herrschten in den Pflegeeinrichtungen der neuen Bundesländer teilweise katastrophale Zustände, z. B. waren Zimmer mit 10 und mehr Bewohnern durchaus keine Ausnahme. Die Pflegebedürftigen mussten unter teilweise menschenunwürdigen Bedingungen leben.



Das Unternehmen hat sich in den neuen Bundesländern engagiert. Dies war nicht ohne Risiko, wie das sicherlich dem einen oder anderen heute erscheinen mag. Es wurden sowohl Einrichtungen von Kommunen übernommen, als auch neue Einrichtungen gebaut. Heute hat das Unternehmen 39 Pflegeeinrichtungen – davon befinden sich 29, also rund drei Viertel, in den neuen Bundesländern.



GSC Research: Wie hat man die Expansion im Osten finanziert?



Hecker: In der Anfangsphase gab es so gut wie keine öffentlichen Zuschüsse. Das Unternehmen hat somit alle Investitionen am Kapitalmarkt finanzieren müssen. Mitte der 90er Jahre gab es dann Investitionsprogramme des Bundes und der Länder zur Finanzierung von Pflegeeinrichtungen. Durch diese Programme haben wir auch in Sachsen und Thüringen entsprechende Zuschüsse erhalten. Mit dem Land Brandenburg haben wir im Jahr 2001 einen Vergleich geschlossen, welcher u. a. die Förderung unserer Häuser in diesem Bundesland beinhaltete.



Sachsen-Anhalt verweigert den Häusern der Marseille-Kliniken AG seit Jahren die beantragten Fördermittel. Trotz einer Entscheidung des Sozialgerichts Magdeburg vom Dezember vergangenen Jahres, welche die Förderpraxis des Landes als rechtswidrig klassifiziert hat, bleibt die Landesregierung bisher jedoch bei ihrer sturen, rechtswidrigen Verweigerungshaltung.





GSC Research: Warum?



Hecker: Dies ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich habe den Eindruck, dass hier Ideologie eine maßgebliche Rolle spielt. Die Landesregierung ist an privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen auf diesem Sektor offensichtlich nicht interessiert. Man möchte den Markt wohl wie bisher den Wohlfahrtskonzernen vorbehalten. Leidtragende der unsozialen Politik der Landesregierung sind die Bewohner. Denn die Förderung ist vergleichbar mit dem Engagement des Staates im sozialen Wohnungsbau. Dort wurden Wohnungen mit der Auflage gefördert, den Mietern entsprechend weniger Miete in Rechnung zu stellen. Auch in einem Pflegeheim sind die Folgen einer Förderung, dass der Bewohner entsprechend niedrigere monatliche Zahlungen zu leisten hat.



GSC Research: Wird die Förderung nur durchgereicht?



Hecker: Ja, für das Unternehmen ist dies gewissermaßen ein durchlaufender Posten. Die Bewohner zahlen in den entsprechenden Einrichtungen deutlich weniger als vorher. Es kann hier um eine monatliche Entlastung von einigen hundert Euro gehen.



GSC Research: Einer der Kritikpunkte im Zusammenhang mit dem Engagement in Ostdeutschland war, dass die Marseille-Kliniken AG viel mehr Betten übernommen hatte als zunächst vereinbart.



Hecker: Das ist unzutreffend. Die Einrichtungen sind Bestandteil der jeweiligen Landespflegepläne. Dies gilt auch für Sachsen-Anhalt. Im Brandenburger Vergleich wurde ausdrücklich anerkannt, dass die Häuser des Unternehmens integrierter Teil der pflegerischen Versorgungsstruktur des Landes Brandenburg sind und einen Beitrag zur Sicherung der dem Land obliegenden Daseinsvorsorge leisten.



GSC Research: Kam es nicht in Brandenburg gleichzeitig zu einer Umbesetzung an den entsprechenden Stellen im Zuge des teilweisen Regierungswechsels?



Hecker: Es hat in Brandenburg nach der Wahl eine neue Koalition gegeben. Faktum ist, dass mit dem neuen Sozialminister Ziel, wie seine Vorgänger Mitglied der SPD, ein Vergleich zustande kam.



GSC Research: Wie sieht es in Sachsen-Anhalt aus?



Hecker: Hier ist die Situation so, dass die Landesregierung den Einrichtungen des Unternehmens nach wie vor die Förderung der Häuser verweigert. Im Dezember hat es vor dem Sozialgericht in Magdeburg ein Urteil gegeben, welches eindeutiger nicht hätte sein können. Das Gericht hat die Förderpraxis der Landesregierung als intransparent und rechtswidrig bezeichnet und dem Land aufgegeben, unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben unsere Anträge neu zu bescheiden. Eine Ohrfeige für die Landesregierung. Gleichwohl folgen keine Taten. Die Landesregierung bleibt bei Ihrer rechtswidrigen, sturen Verweigerungshaltung.



GSC Research: In welchem Zusammenhang mit dieser Rechtsstreitigkeit ist das Engagement von Herrn Marseille in Sachsen-Anhalt zu sehen?



Hecker: Ich sehe nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Herr Marseille hat sich aus dem operativen Geschäft des Unternehmens zurückgezogen. Er ist ein erfolgreicher Unternehmer und mit 46 Jahren sicherlich zu jung, um sich zur Ruhe zu setzen.



GSC Research: Warum hat sich Herr Marseille ausgerechnet Sachsen-Anhalt ausgesucht?



Hecker: Herr Marseille kennt das Land und seine immensen Probleme seit vielen Jahren.



GSC Research: In der Presse werden Herr Marseille, die Schill-Partei und die Marseille-Kliniken AG stets in einem engen Zusammenhang genannt. Wie ist die Haltung der Gesellschaft zu dieser Thematik?



Hecker: Leider fehlt in der Berichterstattung der Medien häufig die notwendige Differenzierung. Die Aktivitäten des Unternehmens sind eine Sache, und das politische Engagement von Herrn Marseille in Sachsen-Anhalt ist ganz allein dessen persönliche Angelegenheit.





GSC Research: Wie würde sich ein Regierungswechsel auf die Rechtsstreitigkeiten auswirken?



Hecker: Die derzeitige Landesregierung missachtet geltende Gesetze. Dies hat das Sozialgericht Magdeburg im Dezember vergangenen Jahres unbestreitbar festgestellt. Üblicherweise haben Regierungen auch eine Vorbildfunktion und handeln streng nach Recht und Gesetz. Ich habe schon die Hoffnung, dass eine andere Landesregierung Recht und Gesetz im Land Sachsen-Anhalt respektieren wird.



GSC Research: Wenn die entsprechenden Mitarbeiter ausgetauscht werden schon.



Hecker: Hierüber hat eine zukünftige Landesregierung zu entscheiden.



GSC Research: Herr Hecker, einer der Kritikpunkte an der Marseille-Kliniken AG war immer wieder die niedrige Eigenkapitalquote. Diese soll nun durch Immobilienverkäufe erhöht werden, wobei es jedoch scheinbar zu Verzögerungen gekommen ist.



Hecker: Wir sind im Zuge der Expansion dazu gekommen, dass wir nicht nur eigene Häuser bauen, sondern auch Häuser anmieten. Hierfür brauchen wir weniger Eigenkapital, so dass wir schneller expandieren können. Zudem kommen unsere regionalen Partner bisweilen an bessere Standorte als wir, da diese auch in der Lage sind, die Standorte mit einer gemischten Nutzung zu verbinden.



GSC Research: Wie wird es bei den Immobilien weitergehen?



Hecker: Unsere Strategie ist klar. Derzeit halten wir 70% der genutzten Immobilien im Eigentum und 30% sind geleast oder gemietet. Wir wollen dieses Verhältnis umkehren. Wir orientieren uns hier an großen amerikanischen und englischen Unternehmen. Langfristig wollen wir den Eigentumsanteil auf 30% reduzieren.



GSC Research: Wie sieht es bei der Trump Deutschland AG aus? Könnte diese nicht beim Immobilienverkauf helfen?



Hecker: Dies ist nicht das Geschäftsfeld der TD Trump Deutschland AG. Kernbereich dieses Unternehmens war und ist der Bau von Hochhäusern.



GSC Research: Wie passt dies zu Ihrer Branche?



Hecker: Wir sind nicht beherrschend an diesem Unternehmen engagiert.



GSC Research: Stimmt es, dass die Marseille-Kliniken AG bisher allein das Eigenkapital bereitgestellt hat?



Hecker: Dies ist zutreffend.



GSC Research: Wie wird es weitergehen?



Hecker: Es gibt einen Vertrag, aus dem hervorgeht, dass Trump zu einem bestimmten Zeitpunkt seinen Beitrag leisten wird.



GSC Research: Ist er hierzu gewillt?



Hecker: Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass er nicht gewillt ist. Ich bin zuversichtlich, dass Trump sich vertragskonform verhalten wird.



GSC Research: Werden die angedachten Aktivitäten denn realisiert?



Hecker: Ja. Das Projekt in Stuttgart läuft plangemäß.





GSC Research: Herr Hecker, kürzlich präsentierte Ihre Gesellschaft ein neues Expansionsprogramm. Können Sie uns kurz die Eckpunkte dieses Programms nennen?



Hecker: Wir wollen in einem überschaubaren Zeitraum die Zahl unserer Betten im Pflegebereich deutlich erhöhen. Der Fokus unserer Bemühungen liegt dabei auf den alten Bundesländern, denn in den neuen Ländern sind wir schon gut vertreten. Der Trend geht hin zum Einzelzimmer, wie allgemein bekannt ist. Wir wollen Einrichtungen mit Einzelzimmern mit hohem Wohnkomfort zu erschwinglichen Preisen anbieten.



GSC Research: Inwieweit könnte der Fachkräftemangel Ihre Expansionsbestrebungen erschweren?



Hecker: Dies ist sicherlich ein Problem. Wir arbeiten an diesem Thema, und ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, das erforderliche Personal einzustellen. Allerdings ist der Arbeitsmarkt nicht so ergiebig, wie es die Arbeitslosenstatistiken vermuten lassen.



GSC Research: Herr Hecker, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.



Veröffentlichungsdatum: 02.04.2002 - 13:12
Redakteur: gsc
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