Das Unternehmen
Alles begann 1995. Als Aktienkultur in Deutschland noch ein Fremdwort war und sich die Bankenlandschaft in einer innovationsfeindlichen und verkrusteten Struktur befand, startete die Commerzbank mit ihrer Direktbank- und Discount Broker-Tochter comdirect bank. Bereits im darauffolgenden Jahr startete man das Internetangebot; viele werden sich noch an die Urzeiten dieses Online-Brokings erinnern können, dessen Kinderkrankheiten die Nervenkostüme der Kunden einem Dauertest unterzogen.
1998 konnten dann sogar erstmals Gewinne erwirtschaftet werden und das Internetangebot der comdirect wurde dank des "Informers" zu einem der größten deutschen Wirtschaftsangebote im Netz. Das Wertpapierangebot steht mittlerweile klar im Blickpunkt, das hochverzinste Tagesgeldkonto, mit dem man seinerzeit eröffnete, wurde zum Nebenprodukt.
Was den Wettbewerb im eigenen Land betrifft, hat die comdirect in einem Markt, wo man sich gegenseitig bei den Gebühren nicht viel nimmt, einen unstechbaren Trumpf in der Hand - die Neuemissionen. Während Consors fast nie in den Konsortien vertreten ist und Kunden somit ganz schlechte Karten für Zuteilungen haben, war die Mutter Commerzbank bei sehr vielen der interessantesten IPOs an Bord und verteilt auch die Stücke zahlreich an die comdirect-Kunden.
Ganz anders sieht das bei der DAB aus, auch die BHV als Mutter ist in vielen Konsortien vertreten, speiste aber ihre Online-Tochter mit Mini-Tranchen ab, so dass diese unter ihnen zahlreichen Kunden meist fast nichts zu verteilen hat. Etwas besser sieht es bei der teureren DB 24 aus, aber von den Tranchen, die die Commerzbank den Kunden ihrer Tochter abgibt, ist man ebenfalls meilenweit entfernt. Und da das Zeichnen lukrativer Neuemissionen hierzulande mittlerweile zum Volkssport geworden ist, kommen die Kunden an der comdirect bank einfach nicht vorbei.
Für die Zeit nach dem IPO plant man neue Angebote wie Versicherungen und Baufinanzierungen online und vor allem die Expansions ins europäische Ausland. Denn auch die comdirect will der europäische Marktführer im Online-Banking werden, die ersten Schritte hierzu wird man Naheliegenderweise in die Schweiz und nach Österreich setzen, aber auch Frankreich, Italien und England stehen auf dem Programm. Begonnen hat man hier vor kurzem mit dem Kauf des französischen Online-Brokers Paresco.
Zahlen
28,1 Mio. Aktien werden dem Streubesitz zugeführt, hier kann man schon von einer Mega-Emission sprechen. Die Bookbuilding-Spanne reicht von 25 bis 31 Euro. Bei einer Zuteilung zu 31 Euro würde das Unternehmen mit 4,35 Mrd. Euro bewertet werden.
Dank des IPO-Rummels konnte die Kundenzahl in den letzten Wochen massiv gesteigert werden, aktuell verfügen die Quickborner über knapp 500.000 Kunden und dürfte sich somit auch in dieser Hinsicht wieder vor Consors geschoben haben. Bleibt zu hoffen, dass sich viele dieser Kunden nicht zu Karteileichen entwickeln werden, sei es wegen einer Enttäuschung bei der Zuteilung, sei es wegen der Mehrfachdepots bei den diversen Anbieter. Beim Depotvolumen ist man ohnedies die Nummer 1, eine sichere Prognose darüber, ob Consors oder comdirect sich letztendlich als der Marktführer in Deutschland durchsetzen wird, ist wohl erst Ende dieses Jahres möglich.
Für 2001 wird mit einem Gewinn von 0,50 Euro je Anteilsschein gerechnet, was ein 01er-KGV von 62 (Basis: 31 Euro) indizieren würde. Verglichen mit den Konkurrenten ist dies absolut vertretbar. Die Direkt Anlage Bank weist eine Marktkapitalisierung von 2,25 Mrd. Euro aus und wird derzeit mit einem 01er-KGV von 148 gehandelt. Auch den Vergleich mit Consors braucht man nicht zu scheuen, die Nürnberger haben auch nach den schweren Verlusten im Mai immer noch einen Börsenwert von aktuell 4,14 Mrd. Euro bei einem KGV von 96 für das kommende Jahr.
Fazit
Die Zeichnung erscheint lohnenswert, da die Bewertung zur Emission als fair anzusetzen ist. Bei 31 Euro hat man allerdings nicht viel Platz für Zeichnungsgewinne gelassen, aufgrund der Kursverluste bei der Konkurrenz in den vergangenen Woche sollte der Ausgabepreis unter 30 Euro liegen. Dies bekräftigt auch der aktuelle Graumarktkurs, hier werden die Anteilsscheine derzeit mit 31 zu 33 Euro taxiert.
Die Marktposition des Unternehmens ist zweifelsohne sehr gut, anders als die unzähligen Glücksritter, die mit dem hehren Ziel der Erlangung der Marktführerschaft an den Start gehen, halten wir dies bei der comdirect für durchaus möglich. Hier sollte insbesondere die Kapitalverflechtung mit T-Online einen guten Dienst erweisen. Was den Ausbau des comdirect-Informers zu einem Internet-Finanzportals der Sonderklasse betrifft, haben sich hier wohl die idealen Partner gefunden. Weitere Synergiepotentiale aus dieser Kooperation sollten nicht lange auf sich warten lassen, auch eine gemeinsame Eroberung des europäischen Marktes Hand in Hand erscheint uns denkbar.
Auch wenn die Papiere der comdirect bank nicht für große Zeichnungsgewinne geeignet zu sein scheinen, auf die bereits am Markt notierten Konkurrenten werden die Auswirkungen spürbar sein. Bereits in den letzten Tagen waren größere Verkäufe bei den "kleineren" Werten wie der Direkt Anlage Bank und Entrium zu beobachten, scheinbar wird hier Platz für den Co-Marktführer in manchen Depots geschaffen.
Sollte der Markt weiterhin derart instabil bleiben, können sich Schnäppchenjäger auf einen spannenden Handelsbeginn der comdirect-Papiere am 5.Juni gefasst machen. Die Zeichnung ist insbesondere aufgrund der unsicheren Marktlage jedoch nur spekulativen Anlegern zu empfehlen, angesichts der Bedeutung der Emission insbesondere für die Mutter scheint ein Flop aber kaum zu befürchten.