Am 6. August 2004 fand in den Geschäftsräumen der Gesellschaft die ordentliche Hauptversammlung der CAMERAWORK AG statt. Wie bereits im letzten Hauptversammlungsbericht erwähnt, entstand die CAMERAWORK AG aus dem Mantel der Nordhäuser Tabakfabriken. Das Unternehmen, welches sich mit dem Erwerb, der Ausstellung und Verwaltung von Photokunstbeständen beschäftigt, machte im abgelaufenen Jahr unter Nebenwertespezialisten von sich reden, als der Hauptaktionär Clemens J. Vedder über eine Widmung umfangreiches Photokunstvermögen in die Gesellschaft einbrachte.
War der Autor dieses Berichts im letzten Jahr noch der einzige Gast der Versammlung, wies eine Teilnehmerschaft von circa 30 Personen, unter denen sich auch diesmal Christian Wolff von GSC Research befand, bereits auf ein gesteigertes Interesse an der Gesellschaft hin. Nach der Begrüßung und einleitenden Abhandlung der Formalien durch den Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Vedder übergab dieser das Wort an den Vorstand. In diesem Zusammenhang berichtete Herr Vedder zuvor von personellen Veränderungen in den Organen. Mit Wirkung zum 31.12.2003 schied Herr Franz Josef Wernze aus beruflichen Gründen aus dem Aufsichtsrat aus. Herr Georg Klöcker wechselte zum 31.3.2004 vom Aufsichtsrat in den Vorstand und ersetzte so Herrn Ernst Jürgen Hasse, welcher wiederum der Hauptversammlung zur Wahl in den Aufsichtsrat vorgeschlagen wurde.
Bericht des Vorstands
Das neue Vorstandsmitglied begrüßte seinerseits die Anwesenden und stellte sich kurz vor. Herr Klöcker stammt aus Köln. Nach einer Tätigkeit als politischer Berater und als Mitarbeiter des früheren Staatssekretärs Lothar Rühl war er als selbständiger Berater verschiedener Privatkunden im Bereich der Betreuung von Beteiligungsprojekten und der privaten Vermögensverwaltung tätig. Durch seinen Eintritt in den Aufsichtsrat im Jahr 2002 habe er die wesentlichen Kernpunkte der Geschäftstätigkeit bereits detailliert kennen gelernt, was den Einstieg in die Vorstandstätigkeit erleichtert habe. Herr Klöcker dankte an dieser Stelle seinem anwesenden Vorgänger für die zusammen mit Frau Hartjen professionell erfolgte Führung des Unternehmens.
Wie Herr Klöcker dann ausführte, konnte die Gesellschaft im Berichtsjahr zu einer der international führenden "Leuchttürme" auf dem Gebiet des Erwerbs, der Pflege und der strategischen Verwertung von Photokunst, Photokunstprodukten sowie von Rechten an diesen ausgebaut werden. Heute wird alle acht Wochen eine neue Schau auf qualitativ höchstem Niveau eröffnet. Daneben sollen zusätzliche Dienstleistungen, wie z.B. die Archivierung und Inventarisierung für Dritte, angeboten werden. Das Unternehmen kann hierfür auf Räumlichkeiten im ehemaligen Salzbergwerk Heilbronn zurückgreifen, welche sich 200 Meter unter der Erde befinden.
Den Schwerpunkt der Investitionstätigkeit bildete auch im Geschäftsjahr 2003 die Ansammlung bedeutender Werke zur Archivierung und Wertschöpfung. Wie bereits auf der letzten Hauptversammlung verkündet, wurde das bisher gemietete Gebäude, in dem auch die Hauptversammlung stattfindet, als Firmensitz und Ausstellungsmöglichkeit erworben.
Der bedeutendste Vorgang im Geschäftsjahr war nach Aussage von Herrn Klöcker jedoch die Widmung einer umfangreichen Photo- und Photobuchsammlung eines Aktionärs der Gesellschaft mit erheblichen Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage der CAMERAWORK AG. So stieg das Sachanlagevermögen um 60 Mio. EUR und äquivalent die Kapitalrücklage um jeweils 60 Mio. EUR an. Grund für Letzteres ist der Wunsch des Aktionärs, die Differenz des Teilwerts zum Kaufpreis erfolgsneutral in die Kapitalrücklage einzustellen.
Herr Klöcker betonte, dass sich der Schätzwert der angeschafften Photosammlungen über dem bilanziellen Wertansatz befindet und dass so zusätzlich stille Reserven geschaffen wurden. Durch diese Einbringung stieg der Eigenkapitalanteil der Gesellschaft von 17,73 auf 93,95 Prozent. Der Anlagendeckungsgrad I stieg in diesem Zusammenhang von 18,62 auf 94,01 Prozent. Des Weiteren verwies das Vorstandsmitglied auf die Angaben zum Jahresabschluss im Geschäftsbericht.
Die Veränderungen in den Verbindlichkeiten sind im Wesentlichen auf den Erwerb der Immobilie in der Milchstraße zurückzuführen, und die außerordentlichen Erträge resultieren aus einem Forderungsverzicht eines Aktionärs gegen Besserungsschein.
Im Anschluss an diese Ausführungen ging Herr Klöcker auf das laufende Geschäftsjahr ein. Die galeristische Tätigkeit wird, wie in den Vorjahren, auf hohem Niveau fortgesetzt und durch ergänzende Veranstaltungen weiter ausgebaut. Ziel ist es, die "Leuchtturmfunktion" im europäischen Galeriegeschäft weiter auszubauen. Durch strategisch sinnvolle Zukäufe soll der bereits vorhandene Bestand weiter ausgebaut werden. Hierzu findet eine permanente Beobachtung des weltweiten Photokunstmarkts statt.
Daneben gilt es nach den Worten von Herrn Klöcker, aufgrund des erheblichen Wachstums die innere Konsolidierung der Gesellschaft zu bewerkstelligen. Hierbei stehen die Inventarisierung und Archivierung des vorhandenen Materials auf Grundlage eines Warenwirtschaftssystems unter Berücksichtigung der Vernetzung des individuellen Zugangs durch Vertreter aller Standorte der CAMERAWORK im Vordergrund. Die weltweit vorhandenen Lagerräume der Gesellschaft entsprechen höchsten klimatischen und sicherheitstechnischen Ansprüchen, die Kapazität soll mittelfristig auch im Rahmen der Ausweitung der Dienstleistungen für Dritte weiter ausgebaut werden.
Abschließend zeigte sich Herr Klöcker überzeugt, dass sich die Gesellschaft mit einer optimalen Geschwindigkeit auf dem richtigen Weg befindet. Dies, so Herr Klöcker, wird offenbar auch vom Aktionariat anerkannt, worauf die erfreuliche Kursentwicklung der Aktie hindeutet. Allerdings betonte das Vorstandsmitglied die Langfristigkeit und Nachhaltigkeit des Unternehmensziels. Die Arbeit werde sich deshalb auch zukünftig nicht nach dem Aktienkurs richten, sondern der Aktienkurs werde vielmehr die Qualität der Arbeit widerspiegeln.
Allgemeine Aussprache
Aktionär Kohnau stellte sich als langjähriger Begleiter der Gesellschaft vor und resümierte, es komme wohl ausgesprochen selten vor, dass dem Streubesitz in einem solchen erheblichen Umfang Geschenke gemacht werden. Diesbezüglich bat er anzugeben, ob mit diesem Vorgang Auflagen verbunden sind. Ferner interessierte den Aktionär die Höhe eventuell vorhandener stiller Reserven. Aufgrund der im Verhältnis zur Bilanzsumme sehr niedrigen Aktienanzahl schlug der Redner die Ausgabe von Berichtigungsaktien und die Umstellung des Kapitals auf einen Euro je Aktie vor. Weiterhin regte er die Schaffung einer eigenen Internetseite an.
Herr Bock stellte sich als Kleinaktionär vor und sprach ebenfalls seinen Dank an den Großaktionär aus. Ihn interessierte dann, inwieweit der Wert des Anlagevermögens durch Gutachten bestätigt wurde und wie weit die Archivierung des Lebenswerks von Peter Lindbergh vorangeschritten ist, und er regte ebenfalls Kapitalmaßnahmen an. Ferner interessierten Herrn Bock die näheren Konditionen der Besserungsscheine und die Aktionärsstruktur der Gesellschaft.
Auch Herr Christoph Schäfers, ein Privataktionär, dankte für die großzügige Behandlung des Streubesitzes, und auch er bat um die Nennung eventuell vorhandener stiller Reserven der dritten Photosammlung. Zudem regte er an, sich zukünftig die Zusatzkosten eines freiwilligen Prüfungsberichts zu leisten. (Anm.: Die Gesellschaft ist gemäß der gesetzlichen Definition aufgrund ihrer Größenmerkmale eine kleine Aktiengesellschaft und somit nicht zur Abgabe eines formalen Lageberichts und eines Prüfungsberichts durch einen Wirtschaftsprüfer verpflichtet.).
Antworten
Frau Ute Hartjen, neben Herrn Klöcker weiteres Vorstandsmitglied der Gesellschaft, ging ausführlich auf die Archivierungsarbeiten des Werks von Peter Lindbergh ein. Diese gehen nach anfänglichen Schwierigkeiten nun sehr zügig voran, und die Archivierungsquote liegt aktuell bei circa 30 Prozent. Zu jedem Photo werden umfangreiche Recherchearbeiten vorgenommen und dem Künstler abschließend zur Signierung vorgelegt. CAMERAWORK beschäftigt einen festen Mitarbeiter, der sich ausschließlich mit dieser Arbeit auseinandersetzt. Um die Archivierung zu strukturieren, wurde ein eigenes, speziell auf Peter Lindbergh zugeschnittenes Archivierungssystem entwickelt. Das hierdurch gewonnene Fachwissen hofft man, für zukünftige Projekte nutzen und weiter ausbauen zu können. Frau Hartjen zeigte sich optimistisch, die Archivierung der 250.000 Prints in zwei bis drei Jahren abschließen zu können.
Danach ging Herr Vedder auf die zahlreichen Fragen bezüglich der stillen Reserven ein und verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die Nennung von konkreten Werten die Verhandlungsposition der Gesellschaft am Photokunstmarkt einschränken würde. Allerdings wurden die Wertansätze sehr vorsichtig gewählt. Er empfahl dem Aktionariat, davon auszugehen, dass das, was im Geschäftsbericht steht, dem tatsächlichen Wert bei sehr konservativer Bemessung entspricht. Auf einen Prüfungsbericht habe man verzichtet, da ein Großteil des Bestandswerts durch Gutachten belegt ist.
Um den Aktionären einen Einblick zu gewähren, nannte Herr Vedder exemplarisch einige Künstler, deren Werke sich im Bestand der CAMERAWORK AG befinden. Darunter sind etwa 800 Prints von Leni Riefenstahl und 200 Prints von Helmut Newton. Um die Chancen am Photokunstmarkt zu verdeutlichen, verwies Herr Vedder auf die Preisentwicklung der Arbeiten von Peter Beard. Wurden dessen Photos vor einigen Jahren noch mit 8 bis 9 TEUR gehandelt, ist heute das 4- bis 6-fache zu bezahlen, in Einzelfällen sogar bis zu 300 TEUR. CAMERAWORK verfügt über 200 Photos dieses Künstlers. Auch die Bewertung der Arbeit von Michael Comte hat seit der Anschaffung von 36.000 Photos, darunter circa 20.000 Vintage Prints, eine erhebliche Steigerung erfahren.
Der Photokunstmarkt befindet sich in einer Phase hoher Wachstumsraten. CAMERAWORK verfügt, so der Aufsichtsratsvorsitzende, nach Bill Gates und Getty Images über den weltweit drittgrößten Bestand an Photorechten. Daneben verfügt die Gesellschaft auch über eine der größten Photobuchsammlungen.
Auf die Frage einer eigenen Internetseite eingehend, verweis Herr Vedder auf die bereits seit längerem existierende Adresse www.camerawork.de.
Der Aufsichtsratsvorsitzende bezifferte seinen Anteil am Aktienkapital auf 52 bis 53 Prozent. Nach Herausrechnung mehrerer kleinerer Pakete beträgt der echte Streubesitz 28 bis 30 Prozent. Herr Vedder zeigte sich mit der Struktur des Eigenkapitals sehr zufrieden und stellte die Frage in den Raum, warum hieran etwas geändert werden sollte. Grundsätzlich liege ihm daran, im Sinne der deutschen Aktienkultur als Hauptaktionär im Umgang mit dem Streubesitz mit gutem Beispiel voranzugehen. In Beantwortung der Frage nach Auflagen im Rahmen der Widmung und der Besserungsscheine wurde von Herrn Klöcker auf die Seite 89 des Geschäftsberichts verwiesen.
Abschließend kamen Herr Vedder und Herr Klöcker nochmals auf die hamburgischen Räumlichkeiten zu sprechen. Der Ausbau des ehemaligen Wohnhauses von Jil Sander kann voraussichtlich nicht wie geplant erfolgen, da ein Nachbar die erforderliche Baugenehmigung blockiert - vermutlich mit der Absicht, sich seine Immobilie abkaufen zu lassen. Hierauf werde die Verwaltung jedoch nicht eingehen. Deshalb wurde beschlossen, den Sitz der Gesellschaft nach Berlin zu verlegen. Die Immobilie in Hamburg soll bis circa Ende 2005 weitergeführt und anschließend untervermietet werden. Im Gegenzug ist dann der Umzug in größere Ausstellungsräume geplant.
Abstimmungen
Die Präsenz wurde mit 23.877 Stimmrechten des in 38.625 nennwertlose Stückaktien eingeteilten Grundkapitals entsprechend 61,8 Prozent festgestellt. Sämtliche Verwaltungsvorschläge wurden einstimmig angenommen. Im Einzelnen handelte es sich hierbei um den Vortrag des Bilanzgewinns auf neue Rechnung (TOP 2), die Entlastung von Vorstand (TOP 3) und Aufsichtsrat (TOP 4) sowie die Wahl von Herrn Ernst Jürgen Hasse in den Aufsichtsrat (TOP 5). Ferner wurde über Satzungsänderungen hinsichtlich der Erleichterung der Tätigkeit des Aufsichtsrats und Regelungen bezüglich der Einberufung der Hauptversammlung beschlossen (TOP 6) und die Steuerberatungsgesellschaft Bruder & Walte, Hamburg, zur Erstellung der Plausibilitätsbeurteilung für das Geschäftsjahr 2004 bestellt (TOP 7).
Fazit
Wie im letztjährigen HV-Bericht über die CAMERAWORK AG bereits in Erwägung gezogen, erfolgte die Einbringung von erheblichen Vermögenswerten in einer für den Streubesitz denkbar angenehmsten Finanzierungsform: sie wurde ihm schlicht geschenkt. Als Folge stieg der Buchwert einer Aktie von 13,42 EUR auf nunmehr 1.572 EUR. Die Seite 89 des Geschäftsberichts weist keine Hinweise auf nennenswerte Auflagen im Zusammenhang mit der Widmung hin, so dass dieses Ereignis angesichts des hohen Streubesitzes in die deutsche Börsengeschichte eingehen dürfte.
Auch wenn dem Großaktionär erklärtermaßen an möglichst wenig Aufsehen um seine Person gelegen ist, wird der CAMERAWORK AG zukünftig sicherlich eine erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit zuteil werden. Nimmt man die Preissteigerungen am Photokunstmarkt der letzten Jahre als Maßstab, dürfte sich CAMERAWORK als branchenweit einzige börsennotierte Aktiengesellschaft in einem interessanten Geschäftsfeld bewegen. Als kleines Schmankerl gibt es wiederum einen sehr lesenswerten und mit vielen Photos versehenen Geschäftsbericht, der dem Leser eine detaillierte Einführung in die Welt der Photokunst bietet. Gerüchteweise ist zu vernehmen, dass die Berichte unter eingefleischten Börsianern mittlerweile sogar gehandelt werden.
Kontaktadresse
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Internet: www.camerawork.de