Für den 19. Mai 2005 hatte die Marburger 3U Telecom AG zu ihrer diesjährigen Hauptversammlung in den Saalbau Gutleut in Frankfurt geladen. Rund 100 Teilnehmer hatten sich zu der Veranstaltung eingefunden, darunter auch Hans-Hermann Mindermann von GSC Research.
Im Vorfeld der Veranstaltung fanden markante Weichenstellungen für die Gesellschaft statt, die die geschäftliche Entwicklung des Unternehmens in den vergangenen Monaten in den Hintergrund rückten. Insbesondere erfolgte die Trennung von dem früheren Vorstandsvorsitzenden Herrn Udo Graul, dessen anschließendes Engagement ebenso wie sein früheres Wirken in der Gesellschaft den Verlauf der Versammlung dann wesentlich prägten. Vor allem hatte dieser den Verkauf einer erst kurz vor seinem Ausscheiden erworbenen Beteiligung vorgeschlagen, der Firma LambdaNet, da dies für die Aktionäre vorteilhafter sein soll als die vom Vorstand verfolgte Integrationsstrategie.
Aufsichtsrat und Vorstand waren vollzählig anwesend, als der Aufsichtsratsvorsitzende Herr Kestler die Veranstaltung um 10 Uhr eröffnete. Neben den üblichen Regularien gab es einen umfangreichen Aufsichtsratsbericht. Erläutert wurden darin die noch laufende Restrukturierung des Unternehmens und die Gründe für das Ausscheiden des ehemaligen Vorstandsmitglieds Herrn Graul, mit dem im übrigen Rechtsstreitigkeiten geführt werden.
Der Aufsichtsrat hatte daher im vergangenen Jahr ein umfangreiches Pensum zu bewältigen, was unter anderem in 17 Aufsichtsratssitzungen seinen Niederschlag fand. Angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgte eine Reduzierung der Vergütungsansprüche der bereits vor der Restrukturierung im Unternehmen tätigen Vorstandsmitglieder. Im Herbst 2004 sowie ab Anfang 2005 wurde der Vorstand um die Herren Hausmann und von Ehren verstärkt. Diese stellten sich jeweils zu Beginn ihrer eigenen Ausführungen den Teilnehmern vor. Zum Abschluss seiner Ausführungen erklärte Herr Kestler in einer persönlichen Anmerkung, dass die Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Vorstand das Unternehmen belastet, und er bat daher um eine Stimmabgabe im Sinne der Verwaltung, damit diese sich voll auf das operative Geschäft konzentrieren kann.
Bericht des Vorstands
Den Bericht des Vorstands teilten sich die Herren Hausmann und von Ehren. Herr Hausmann ist bei dem Unternehmen seit dem 1. Oktober 2004 als Finanzvorstand und Herr von Ehren seit dem 1. Januar 2005 als Vorstand für Vertrieb und Marketing tätig. Ihre Position traten sie jeweils trotz der schwierigen Situation der Gesellschaft an, da sie die Chancen für das Unternehmen als enorm erachten.
Bei Amtsantritt musste der Vorstand feststellen, dass keine solide Unternehmenssteuerung und Vertriebssteuerung vorhanden war, ein Controlling fehlte und kein optimal funktionierendes Risikomanagement vorlag. Weiterhin fand er keinen Vertriebs- und Marketingplan vor, aber der neue Vorstand hat sich diesen Aufgaben gestellt. Zugleich war es erforderlich, den Antrag von Herrn Graul auf eine außerordentliche Hauptversammlung abzuwehren. Die Gerichte haben die von Herrn Graul hierzu vorgetragene Argumentation vollumfänglich als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen.
Die operativen Missstände wurden in den vergangenen Monaten behoben, und dabei wurden deutliche Fortschritte erzielt. So führte die Vertriebs- und Marketingstrategie bereits im ersten Quartal zur Gewinnung neuer Kooperationspartner und zu Umsatzzuwächsen. Aufgrund der organisatorischen Restrukturierung verlaufen die administrativen Prozesse inzwischen deutlich effizienter, das Risikomanagementsystem wurde optimiert und eine funktionierende Unternehmensplanung und ein Controllingsystem wurden für die Unternehmenssteuerung aufgebaut. Damit wurde die Basis geschaffen, um in den kommenden Geschäftsjahren wieder profitabel arbeiten zu können. Verbliebene Defizite bei der strategischen Ausrichtung und im administrativen Bereich werden in Kürze behoben.
Im Folgenden nahm der Vorstand eine Standortbestimmung vor, wozu er zunächst die neue Konzernstruktur erläuterte. Die Übernahmen von LambdaNet in 2004 und von OneTel in 2003 haben den Konzern erheblich verändert. Um den Markt besser bearbeiten zu können, wurde das Unternehmen in zwei Segmente aufgeteilt, die Festnetztelefonie und das Segment Breitband/IP. Damit ist die 3U in zwei der drei Kernsegmente des Telekommunikationsmarkts positioniert, während der Mobilfunk nicht zu den bearbeiteten Feldern zählt.
In der Festnetztelefonie werden vor allem call-by-call und Preselection-Dienste angeboten. Mit der sekundengenauen Abrechnung unterscheidet sich die 3U im Bereich call-by-call von allen anderen Anbietern. Preselection-Kunden werden dagegen vor allem durch White-Label-Kooperationen gewonnen, so zum Beispiel mit Quelle und Neckermann. Weitere Umsatzquelle im Festnetzbereich ist das Wholesale, wo die Gesellschaft Netzinfrastruktur für andere Anbieter bereit stellt. Dies erbringt zwar hohe Umsätze bei dann allerdings nur geringen Margen.
Im Segment Breitband/IP werden Carrierleistungen, ISP-Dienste und Virtual Private Networks-Lösungen angeboten. Bei Letzterem erwartet der Vorstand ein künftiges Wachstum von 20 bis 30 Prozent pro Jahr bei hohen Margen. Dies erklärt die hohe Bedeutung der Tochtergesellschaft LambdaNet für den Konzern.
Die Bilanzstruktur hat sich insbesondere infolge der Übernahmen und Erstkonsolidierungen erheblich verändert. So kam es zur Abnahme der liquiden Mittel auf noch 39,8 Mio. EUR per Ende 2004 nach 59,1 Mio. EUR zum Vorjahresstichtag,. Eingesetzt wurden die Mittel insbesondere zur Rückführung der kurzfristigen Bankverbindlichkeiten und für die Bezahlung der Akquisition LambdaNet. Zugleich bewirkte die Aktivierung der Faserverträge im Zuge der Übernahme der LambdaNet und der Konsolidierung der carrier 24 eine Erhöhung der Bilanzsumme. Diese Aktivierung geht auf die entsprechenden Anforderungen der Rechnungslegung nach US-GAAP zurück.
Dagegen führten die Jahresverluste zu einer Verringerung des Eigenkapitals auf noch 45,5 nach 74,6 Mio. EUR zum Ende des Vorjahres, während der Aktivierung der Faserverträge eine Erhöhung der langfristigen Verbindlichkeiten gegenübersteht. Diese Effekte bewirkten den Rückgang der Eigenkapitalquote von noch 79,8 Prozent per Ende 2003 auf 28,5 Prozent zum Ende 2004. Aufgrund der EBITDA-Marge von rund 20 Prozent wird die LambdaNet die Rückführung von Krediten aus dem eigenen operativen Geschäft leisten können. In den sonstigen Verbindlichkeiten von 16,7 Mio. EUR enthalten sind vor allem Verpflichtungen aus einer von der LamdaNet dem wichtigsten Faserlieferanten GasLINE eingeräumten Wandelanleihe, worauf an späterer Stelle noch näher eingegangen wurde.
Umsatzstärkster Bereich in 2004 war die Festnetztelefonie. In den vergangenen Jahren lagen die Umsätze in diesem Bereich nahezu konstant, was allerdings auf Zukäufe zurückzuführen ist. Organisch hat die 3U dagegen gegenüber der Konkurrenz an Boden verloren. Trotz der erstmals ganzjährigen Konsolidierung der OneTel (im Vorjahresabschluss nur für ein halbes Jahr enthalten) stiegen die Umsätze lediglich um 0,8 auf 65,4 Mio. EUR. Während das EBITDA im Vorjahr noch plus 5,8 Mio. EUR betrug, musste in 2004 ein negatives Ergebnis von 2,3 Mio. EUR hingenommen werden.
Im Folgenden erläuterte Herr Hausmann eine Reihe von Besonderheiten dieses Segments im vergangenen Geschäftsjahr. So wurde zwischenzeitlich die Betriebsprüfung für die Jahre 1999 bis 2002 weitgehend abgeschlossen, aufgrund derer der Vorstand ein Steuerrisiko im niedrigen siebenstelligen Bereich erwartet. Risiken bestehen hier aber auch für die Jahre 2003 und 2004. Ursache der Probleme sind seitens der 3U Telecom AG ausgesprochene Forderungsverzichte gegenüber Auslandsgesellschaften und deren steuerliche Würdigung. Dieses Risiko, so Herr Hausmann, war den Verantwortlichen bekannt, wurde aber in den vorangegangenen Jahresabschlüssen nicht zurückgestellt.
Die OneTel GmbH wurde im Juli 2003 mit einem Monatsumsatz von über 3 Mio. EUR erworben. Im August 2004 betrug der Umsatz noch 1,1 Mio. EUR bei allerdings weiter fallender Tendenz. Die vorgesehene Integration war zunächst nicht erfolgt und wurde erst in den vergangenen Monaten vollzogen. In der Summe musste die Gesellschaft für die Probleme 7,2 Mio. EUR im Abschluss für 2004 aufwenden. In den letzten beiden Monaten des vergangenen Jahres konnte der negative Umsatztrend dann aber durch ein aktives Tarifmanagement gestoppt werden.
Im Segment Breitband/IP trug die LambdaNet in 2004 mit 27,85 Mio. EUR zum Umsatz bei. Die Gesellschaft wurde dabei ab dem zweiten Quartal in die Konsolidierung einbezogen, während die carrier 24 GmbH einen Umsatz von 6,6 Mio. EUR beisteuerte. LambdaNet musste infolge des vorläufigen Insolvenzverfahrens vor der Übernahme und des Wegfalls konzerninterner Umsätze Rückgänge hinnehmen. Ab Jahresmitte 2005 soll dieser Trend gestoppt sein. Für den konsolidierten Zeitraum wurde ein EBITDA von 4,7 Mio. EUR erzielt, in dem auch Restrukturierungsrückstellungen enthalten sind, während sich diese Kennzahl bei der carrier 24 auf 1,6 Mio. EUR belief. Aufgrund der hohen Abschreibungen auf die Netzinfrastruktur belief sich das Jahresergebnis des Segments auf minus 16,1 Mio. EUR. Die hohen Abschreibungen werden, so Herr Hausmann, auch die Ergebnisse bis 2007 belasten. Er erwartet aber spätestens ab 2008 positive Segmentergebnisse.
Mit dem Lieferanten GasLine wurde ein Termsheet vereinbart, welches eine signifikante Reduzierung der Kostenbasis für die LambdaNet und die Ablösung der Wandelanleihe durch eine Einmalzahlung und einen Forderungsverzicht vorsieht. Die Unterzeichnung der Verträge soll nach Zustimmung der Gremien bis Ende des laufenden Quartals erfolgen.
Im Folgenden ging Herr Hausmann dann auf das erste Quartal des laufenden Geschäftjahres ein. Der Umsatz wurde im Vergleich zum Vorjahr um 7,9 Prozent auf 26,7 Mio. EUR gesteigert, und die Ergebnisse liegen gleichfalls über den Vorjahreswerten. Das belegt nach Meinung von Herrn Hausmann, dass sich die Gesellschaft auf dem richtigen Weg befindet. Für das Gesamtjahr wird ein Umsatzanstieg von mindestens 10 Prozent bei einer deutlichen Verbesserung des EBITDA erwartet. Auch das Jahresergebnis soll sich verbessern. Neben den operativen Ergebnissen soll dazu auch die Einigung mit dem Lieferanten GasLine beitragen, die sowohl einen Effekt bei der Wandelanleihe als auch langfristig über verbesserte Einkaufskonditionen erbringt. Schließlich sollen die der Hauptversammlung vorgeschlagenen Gewinn- und Beherrschungsverträge die Steuerung des Unternehmens verbessern.
Im Folgenden ging Herr von Ehren noch auf seinen Aufgabenbereich und die dort vollzogenen Maßnahmen ein, ehe die allgemeine Diskussion eröffnet wurde.
Allgemeine Diskussion
Als erster Redner kam Herr Hoffmann von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) zu Wort. Einleitend hob dieser hervor, dass das Jahr 2004 für die Gesellschaft nicht sonderlich erfreulich verlief, was er and den Eckpunkten Jahresfehlbetrag 30 Mio. EUR und von 80 auf 29 Prozent gesunkene Eigenkapitalquote verdeutlichte. 17 Aufsichtsratssitzungen bezeichnete er als nicht unbedingt üblich. Die Streitigkeiten mit Herrn Graul sind nach Meinung von Herrn Hoffmann für das Unternehmen unerfreulich, zumal wenn diese von persönlichen Zwistigkeiten begleitet werden. Für die Aktionäre sei dabei schwer zu entscheiden, wer richtig oder falsch gehandelt hat. Um eine solche Entscheidung treffen zu können, benötige es einer ausreichenden Informationsbasis.
Damit leitete Herr Hoffmann seine Fragen ein. Zunächst interessierte ihn, welche Rechtsstreitigkeiten mit Herrn Graul bestehen, welche Risiken darin liegen und bis wann mit einer Erledigung gerechnet werden kann. Im Hinblick auf die Restrukturierungsmaßnahmen bat er um Konkretisierung. Vier Vorstände schienen dem DSW-Vertreter bei der Größenordnung der Gesellschaft reichlich. Nachdem sich darunter auch zwei Altvorstände befinden, regte er an, diese könnten doch ihr Mandat niederlegen, um gegebenenfalls den Weg für die Gesellschaft frei zu machen. Von besonderer Bedeutung waren für Herrn Hoffmann die Hintergründe der Fehlentwicklungen. Weitere Detailfragen betrafen die Einschätzung der künftigen Marktentwicklung im Festnetzgeschäft insbesondere mit Blick auf die Internet-Telefonie, die Probleme bei der Integration von OneTel und die dort anhaltenden Rechtsstreitigkeiten sowie die Entwicklung und Bedeutung von LambdaNet für den Konzern.
Angesichts der kritischen Situation der Gesellschaft äußerte Herr Hoffman Verständnis dafür, dass für 2004 die individuellen Bezüge der Vorstandsmitglieder noch nicht angegeben wurden. Gleichwohl stellte er Fragen zum System der Vorstandsvergütung und zur Vergütung des Aufsichtsrats und bat um die Erläuterung der Rückstellungen für Prozesskostenrisiken. Abschließend wünschte er der Gesellschaft alles Gute bei der weiteren Fortsetzung des eingeschlagenen Weges und dankte sowohl der Verwaltung als auch den Mitarbeitern.
Als nächster Redner kam Herr Kling zu Wort. Dieser ist bei Telekommunikationsunternehmen engagiert und bezeichnete den Turnaround bei der Gesellschaft als interessante Equity Story. Die erheblichen Verluste der Vergangenheit führte er maßgeblich auf den ehemaligen Vorstand Graul zurück, der damit auch Gegenstand seiner wesentlichen Fragen wurde.
So wollte Herr Kling wissen, warum konkret der Vertrag mit Herrn Graul nicht verlängert wurde. Den Vorstand bat er um eine Einschätzung, ob für die Gesellschaft die Nutzung der Synergien aus der Integration der LambdaNet sinnvoller ist als die Erzielung eines einmaligen Verkaufserlöses. Des Weiteren stellte Herr Kling fest, in der Verantwortung von Herrn Graul seien später deutlich verfehlte Prognosen erstellt und veröffentlicht worden, und in diesem Zusammenhang bat er um Erläuterung, wie diese Prognosen zu Stande kamen. Ferner wollte er wissen, ob Herrn Graul bereits zuvor einmal fristlos gekündigt worden war und warum diese Kündigung dann nicht umgesetzt wurde. Weiterhin sprach Herr Kling die von Herrn Graul geforderte außerordentliche Hauptversammlung an, die nun nach gerichtlichen Entscheidungen vom Tisch ist. An Herrn Hausmann richtete er die Frage, was dieser bei Amtsantritt in seinem Bereich vorfand und ob die jetzigen Prognosen belastbarer sind als die früheren. Auch Herr Kling erkundigte sich schließlich noch nach den Rechtsstreitigkeiten und bat um weitere Erläuterungen hierzu.
Herr Heinz vertrat nach eigener Aussage einen nennenswerten Teil des Kapitals, und erklärte, er habe vor Annahme dieses Auftrags die Sachlage genau geprüft und festgestellt, dass eingegriffen werden muss. Wenn der Vorstand so weiter gearbeitet hätte wie im ersten Halbjahr 2004, wäre die Gesellschaft jetzt pleite, stellte er fest. An den Ausführungen von Vorstand und Aufsichtsrat bemängelte er das Fehlen von Hinweisen auf eine durch die Firma Kienbaum erstellte Studie. Diese, so Herr Heinz, war unter Verschluss gehalten worden und enthält die Vorwürfe gegen Herrn Graul. Der Aufsichtsrat solle diese Vorwürfe aus der Studie vortragen, damit die Dinge auf den Punkt gebracht werden können.
Anschließend stellte Herr Heinz Fragen zu den Ursachen für die Prognoseabweichungen und zu dem der Gesellschaft durch die fehlende Integration der Firma OneTel entstandenen Schaden. Kein Verständnis hatte er dafür, dass Herr Graul nunmehr verlangt, die Beteiligung LambdaNet zu verkaufen. "Die haben Sie ja gerade erst vor einem Jahr gekauft, das geht schon in Richtung Schizophrenie", stellte der Redner diesbezüglich fest. Diese und andere Themen sollten in einer Sonderprüfung geklärt werden, forderte Herr Heinz abschließend unter dem Beifall der Anwesenden.
Nach diesen Vorgaben erfolgte der mit Spannung von den Teilnehmern erwartete Auftritt von Herrn Graul. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, die teilweise Diffamierungen durch Vorstand und Aufsichtsrat seien, wies er entschieden zurück. Zugleich machte er aber deutlich, er wolle auf der Hauptversammlung Sachthemen in den Vordergrund stellen.
Nach seiner Auffassung sollte sich das Unternehmen auf den Kern Telefonie konzentrieren. Im ersten Quartal sei die Telefonie um 15 Prozent gewachsen bei rückläufigem Breitbandgeschäft. Rechnet man das Wachstum der Telefonie auf ein volles Jahr hoch, ergibt dies 75 Prozent, und Herr Graul stellte die Frage, ob das nicht zukunftsträchtig sei. Noch ist es nicht zu spät, so Herr Graul, sich ein ordentliches Stück von diesem Zukunftsmarkt abzuschneiden, aber nicht so halbherzig wie bei DSL. Durch den Verkauf der Beteiligung LambdaNet könnte die Gesellschaft entschuldet werden und eine hohe Liquidität erzielen, während das operative Geschäft Gewinne erwirtschaftet. Dafür habe er ein Team zusammengestellt, das Erfahrung und fachliche Kenntnisse mitbringt (Anm. des Verfassers: Die Gelegenheit für eine Vorstellung des Teams wurde allerdings nicht genutzt, was eher Fragen aufwirft.)
Wie Herr Graul weiter ausführte, erfolgte der Kauf von LambdaNet vor einem Jahr in einer anderen strategischen Situation. Damals war dies für die DSL-Infrastruktur sinnvoll, heute dagegen können die erforderlichen Leistungen bei Vorlieferanten günstiger eingekauft werden. LambdaNet ist ein Spezialunternehmen von hohem Wert, aber die 3U hat nach Meinung von Herrn Graul nicht das Know-how, um dieses Unternehmen weiterzuentwickeln. Gegen die von der Verwaltung vorgeschlagene Zustimmung zu einem Unternehmensvertrag mit der LambdaNet spricht aus seiner Sicht, dass eine solche Maßnahme einen späteren Weiterverkauf der Gesellschaft erschwert, weshalb er sich dagegen aussprach.
Als letzter Redner kam Herr Pferdmenges zu Wort, der sich erkundigte, warum die Gesellschaft den Abschlussprüfer wechseln will.
Antworten
Nach Aufnahme der Fragen unterbrach der Versammlungsleiter die Veranstaltung zur Vorbereitung der Beantwortung für rund eine halbe Stunde. Dann wurde zunächst ausgeführt, die laufende Restrukturierung werde demnächst abgeschlossen sein. Bei OneTel hat diese rund 550 TEUR gekostet, wobei diese Zahl auch 300 TEUR für die Aufgabe nicht mehr benötigter Büroflächen enthält, während der Restbetrag auf einen Sozialplan entfällt. Bei der 3U selbst fielen 150 TEUR an, und bei LambdaNet wurden 300 TEUR aufgewandt, so dass die Restrukturierung insgesamt 950 TEUR in 2004 gekostet hat.
Als einer der Vorwürfe gegen Herrn Graul wurde genannt, dass dieser die Einführung einer zweiten Führungsebene versäumt hat. Dies wurde nunmehr nachgeholt, wobei die dafür vorgesehenen Mitarbeiter im Wesentlichen aus dem eigenen Unternehmen stammen. So hat die Gesellschaft erstmals im September 2004 einen Controller und einen Leiter Rechnungswesen eingestellt.
Die Kosten für externe Dienstleister beliefen sich nach Angaben der Verwaltung auf insgesamt 1,2 Mio. EUR und wurden detailliert aufgegliedert. Enthalten sind darin unter anderem auch Aufwendungen für das Büro des Aufsichtsratsvorsitzenden, Wirtschaftsprüferleistungen, Vertriebsberatung sowie Aufwendungen im Zusammenhang mit Marketings- und Vertriebsthemen, Investor Relations und customer care-Leistungen.
Die LambdaNet wurde aus einer Insolvenz heraus erworben. Synergieeffekte verspricht sich die Verwaltung weniger im administrativen Bereich, wohl aber bei der Technik, denn das Netz der LambdaNet bietet eine kosteneffiziente Plattform vor allem für VoiP-Leistungen und DSL. Ferner können über die LambdaNet auch Privatkundenprodukte der 3U bei Geschäftskunden der LambdaNet vertrieben werden. Ein Verkauf wäre klar nachteilig, da die 3U dann den Zugang zur Technologie und die eigene Netzplattform verlieren würde. Erschwert würde durch einen solchen Schritt auch der Ausbau das Großkundengeschäfts, während die angestrebten Synergien in anderen Bereichen nicht realisiert werden könnten.
Zu beachten ist den weiteren Ausführungen der Verwaltung zufolge aber auch, dass die LambdaNet derzeit mit einem Lieferanten über eine wesentliche Anpassung der Lieferkonditionen verhandelt. Das Term Sheet steht noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Gremien, soll aber in absehbarer Zeit zum Abschluss gebracht werden. Vorgesehen sind eine Anpassung der Lieferkonditionen sowie ein Teilverzicht der Lieferanten auf ein von diesen gewährtes Darlehen. Damit wird sich die Werthaltigkeit der Beteiligung wesentlich erhöhen.
Die Prognose aus dem April 2004 mit den später dann nicht erreichten Annahmen für Ergebnis und Umsatz war nicht tragfähig, da zu dieser Zeit gar keine Unternehmensplanung in der heutigen Qualität existierte. Sobald allerdings absehbar wurde, dass die Planung nicht erreicht werden würde, war sofortiges Handeln durch den Aufsichtsrat geboten. Nach Auffassung von Herrn Hausmann ist dagegen die heutige Datenbasis für die Planung belastbar.
Angesichts der laufenden Rechtsstreitigkeiten blieben die Ausführungen sowohl zu den Verfahren mit Herrn Graul als auch jenen im Zusammenhang mit dem Erwerb der OneTel zurückhaltend. Auf die Dauer der Verfahren hat die Gesellschaft aber nur geringen Einfluss, da diese sowohl vom Procedere vor Gericht als auch dem Verhalten der Gegenseite abhängig ist. Bestätigt wurde allerdings, dass Schadensersatzansprüche gegen Herrn Graul geltend gemacht werden.
Im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Herrn Graul war weiter zu erfahren, dass dieser aus Sicht der Verwaltung Managementfehler zu verantworten hat. So hat er kontinuierlichen Margen- und Umsatzrückgängen nicht gegengesteuert, Ziele signifikant verfehlt und eine angekündigte Produktinitiative nicht umgesetzt. Die Kienbaum-Studie hat aufgezeigt, dass wesentliche Instrumente fehlten. Die nicht vorgenommene Integration der OneTel zählt zu den besonders hervorgehobenen Punkten. Es wurden keinerlei Vertriebs- und Marketingaktivitäten aufgebaut, und entsprechend gab es auch kein Personal für diese Aufgabe. Weitere Kritikpunkte betrafen unter anderem die mangelhafte Steuerung der Auslandsaktivitäten und unnötige Steuerbelastungen aufgrund fehlender Unternehmensverträge mit Beteiligungen, woraus Schäden in Millionenhöhe entstanden sind.
Im Interesse einer einvernehmlichen Trennung hat die Verwaltung versucht, eine einvernehmliche Trennung von Herrn Graul zu erreichen. Insbesondere ging sie davon aus, dass eine streitige Auseinandersetzung angesichts der Situation der Gesellschaft fatal gewesen wäre.
Aufgrund der Sprünge und Verzerrungen durch die Personalveränderungen hat die Verwaltung für 2004 von der Angabe individualisierter Vorstandsbezüge abgesehen, wird dies für das laufende Jahr aber tun. Der vorgeschlagene Wechsel des Prüfers schließlich geht auf die inzwischen deutlich komplexere Struktur der Gesellschaft zurück, die zusätzliche Anforderungen an die Prüfung stellt.
Abstimmungen
Da Herr Graul keine Fragen gestellt hatte, konnte nunmehr die Abstimmung erfolgen. Zuvor erklärte der Aufsichtsrat allerdings geschlossen seinen Rücktritt und stellte sich zugleich zur Wiederwahl. Begründet wurde dieser Schritt mit der Notwendigkeit, angesichts der zu bewältigenden Aufgaben die Vertrauensbasis für den Aufsichtsrat für eine volle Amtszeit zu schaffen. Ebenso lagen Alternativvorschläge von Herrn Graul für die Besetzung des Aufsichtsrats vor, wobei leider die vorgeschlagenen Kandidaten teilweise nicht zur Versammlung erschienen waren und im Übrigen von einer Vorstellung absahen.
Die Abstimmungen erfolgten mit Hilfe des Additionsverfahrens, wobei auf Antrag eines Aktionärs die Mitglieder des Vorstands einzeln entlastet werden sollten. Die Präsenz belief sich dabei auf insgesamt 24.226.831 Stimmen entsprechend einem Anteil von 51,72 Prozent des Grundkapitals.
Zunächst wurde dann über die Entlastung der Vorstände abgestimmt (TOP 2). Dabei wurde Herrn Schmidt mit 8,6 Mio. Neinstimmen gegen 6,4 Mio. Jastimmen die Entlastung verweigert. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings die Wirkung des gesetzlichen Stimmverbots für die von diesem gehaltenen Aktien, so dass das Ergebnis zu relativieren ist. Herr Thieme wurde bei 13 Mio. Jastimmen gegen ebenfalls 8,6 Mio. Neinstimmen entlastet, während Herr Hausmann sogar 15,5 Mio. Jastimmen auf sich zog bei gleichfalls 8,6 Mio. Gegenstimmen. Für die Nichtentlastung von Herrn Graul stimmten 14,5 Mio. Aktien, dagegen 1,1 Mio. Stimmen. Auch hier ist die Wirkung des Stimmverbots zu beachten. Schließlich wurde zu diesem Tagesordnungspunkt auch der Antrag auf eine Sonderprüfung mit 3,5 Mio. Jastimmen bei 13.000 Gegenstimmen angenommen.
Dem Aufsichtsrat wurde die Entlastung mit 15,5 Mio. Jastimmen bei 8,6 Mio. Gegenstimmen erteilt (TOP 3). Ähnlich fiel das Ergebnis bei der Wahl des Abschlussprüfers (TOP 4) aus. Nicht beschlossen wurden dagegen die Ermächtigung zum Rückkauf eigener Aktien (TOP 5) und der Abschluss der Unternehmensverträge (TOP 6), da hier jeweils eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich gewesen wäre, aber jeweils nur 15,6 Mio. Jastimmen bei 8,6 Mio. Neinstimmen erzielt wurden. Im Sinne der Verwaltung fiel dann wieder die Abstimmung über die Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern aus (TOP 8). Hier sprachen sich 15,2 Mio. Stimmen für die Wiederwahl aus, während 8,6 Mio. Gegenstimmen verzeichnet wurden.
Fazit und eigene Meinung
In seinem Beitrag auf der Hauptversammlung der 3U TELECOM AG bedankte sich Herr Graul für die Unterstützung im Saal. Aus Sicht des Verfassers war diese Unterstützung nicht sonderlich erkennbar. im Gegenteil, Beifall gab es für die ihm gegenüber kritischen Beiträge anderer Redner. Auf Basis der in der Veranstaltung gegebenen Informationen erscheint es allerdings schlicht nicht möglich, den tieferen Sinn des Vorschlags eines Verkaufs der LambdaNet für die Gesellschaft zu erkennen. Dazu hätte der Vortrag von Herrn Graul über Schlagworte und Ideen hinausgehen müssen. Anders hingegen die konkret gehaltenen Vorwürfe der Verwaltung, die damit bei den Teilnehmern auch Punkte sammeln konnte.
Absehbar ist allerdings wohl auch, dass auf lange Zeit hinweg Unternehmensressourcen durch die Streitigkeiten gebunden werden. Die Sonderprüfung als formaler Vorgang mag hier ein wenig Entlastung schaffen und bis zur kommenden Hauptversammlung eine eindeutige Stellungnahme ermöglichen.
Im Anschluss an die Veranstaltung veröffentlichte die Gesellschaft eine Ad-hoc-Meldung zu den Ergebnissen, in der insbesondere auf die bereits in der Hauptversammlung angesprochenen Folgen im Falle einer Nichtgenehmigung des Abschlusses der Beherrschungsverträge hingewiesen wurde. Insbesondere wirkt sich dies in Form einer hohen und liquiditätswirksamen sechsstelligen Mehrbelastung im Geschäftsjahr 2005 aus. Für die Gesellschaft bedeutet dies einen Rückschlag, der aber die weitere Fortsetzung des erfolgreichen Restrukturierungskurses nicht aufhalten sollte.
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