Der Name des Versammlungslokals "Haus der Begegnung" mag bei den Aktionären der LVV Vermögensverwaltung Landau AG mit einem Schuss Zynismus aufgenommen worden sein, denn immerhin fand seit vier Jahren keine Begegnung mehr zwischen der Verwaltung und den Eigentümern der Gesellschaft statt. Die letzte Hauptversammlung der früher dem Einflussbereich von Hans Eberhardt Volkmann, Hochspeyer, zuzuordnenden Gesellschaft datiert vom Jahr 2000 und wurde damals wegen Rechtsverstößen ohne Beschlüsse abgebrochen: Die Einberufung der Hauptversammlung erfolgte damals terminlich früher als die angeblich bereits erfolgte Feststellung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat.
Neben der Verwaltung, die durch den Alleinvorstand Karl-Walter Freitag und die beiden Aufsichtsratsmitglieder Volker Deibert und Karsten Trippel dargestellt wurde, sowie dem Notar fanden sich zur diesjährigen Hauptversammlung am 3.11.2004 in Berlin nur drei Aktionäre bzw. Aktionärsvertreter ein. Ebenfalls anwesend war Alexander Langhorst von GSC Research. Die Präsenz wurde mit immerhin rund 74 Prozent des noch auf 3,1 Mio. DM lautenden Grundkapitals ermittelt.
Bericht des Vorstands
Aufgrund der umfangreichen Tagesordnung, bei der fünf Geschäftsjahre zu behandeln waren, war die Versammlung bereits für 08:30 Uhr angesetzt worden. Gleich zu Beginn wollte ein Aktionärsvertreter einige tausend Stimmen der Ehefrau des langjährigen Vorstands Hans Michel, Knittelheim, zur Teilnahme an der Hauptversammlung nachmelden. Die Nachmeldung der Stimmen wurde von Herrn Deibert, der als Vorsitzender des Aufsichtsrats auch die Versammlungsleitung innehatte, abgelehnt, da die Hinterlegungsfrist abgelaufen war und der Vertreter nicht glaubhaft machen konnte, dass die Aktien der Vollmachtgeberin fristgerecht hinterlegt worden sind.
Nach der Erledigung der üblichen Formalien übergab der Versammlungsleiter das Wort an den seit 17.12.2003 amtierenden Vorstand Freitag, der in seinem Referat die Geschäftstätigkeit seines Amtsvorgängers, der seit der Gründung im Jahr 1988 fast ausschließlich als Alleinvorstand fungiert hatte, mit - für eine Hauptversammlung - ungewöhnlich scharfen Formulierungen geißelte. In seinem Lagebericht tituliert Herr Freitag die LVV AG als "eine der übelsten Dilettantennummern des deutschen Kapitalmarkts."
Ebenso bemerkenswert erscheint der kombinierte Geschäftsbericht über die Jahre 1999 bis 2003, der unter anderem eine Liste über die verlustträchtigsten Aktiengeschäfte enthält. Alleine mit Engagements wie New York Broker Deutschland, ILKA Holding, INCAM, Maier & Partner, Netlife und Stolberger Telecom wurden über 250 TEUR an Firmenvermögen "verbraten", um eine Formulierung des Vorstands zu benutzen. Eine Schadenersatzklage scheint vorprogrammiert, denn immerhin sind diese Ansprüche bereits demonstrativ als Merkposten bilanziert.
Lageberichte oder Aufsichtsratsberichte für die Geschäftsjahre 2000 bis 2002 sucht der Leser des Geschäftsberichts dagegen vergeblich. Den Ausführungen der neuen Verwaltung lässt sich unter anderem entnehmen, dass der Aufsichtsrat über mehrere Jahre hinweg weder in der gesetzlich vorgeschriebenen Frequenz Sitzungen abgehalten noch Beschlüsse gefasst hat und sogar über längere Zeit nicht ordnungsgemäß besetzt war.
Allgemeine Aussprache
Angesichts der detailliert dokumentierten Vermögensvernichtung - per 31.122003 wurde bei einem gezeichneten Kapital von 1,585 Mio. EUR noch ein Eigenkapital von 6.850 EUR ausgewiesen - hatten die Anwesenden nur wenige Fragen.
So erkundigte sich Aktionärsvertreter Thiesmeyer nach den vorhandenen Aktienbeständen, die in der Bilanz mit knapp 9 TEUR Buchwert ausgewiesen sind. Deren wesentlichste Positionen sind nach den Worten des Vorstands IG Farbenindustrie i.L., ILKA Holding, Citycom, Maier & Partner sowie eine in Costa Rica domizilierende "Volkmann-Gesellschaft" namens Vivendi Turistica (Anmerkung: Für deren farbenfrohe effektive Urkunden entzündete sich sogleich das Sammlerinteresse eines Anwesenden).
Der steuerliche Verlustvortrag, nach dem sich Aktionär Hegmann erkundigte, beläuft sich nach Angaben der Verwaltung ungefähr in Höhe des Bilanzverlusts von 1,58 Mio. EUR.
Abstimmungen
Pikanterweise kam zu sämtlichen Abstimmungen Opposition von Seiten der vertretenen Ehefrau des Ex-Vorstands Michel für knapp 36 Prozent der anwesenden Präsenz, so auch zur Feststellung der Jahresabschlüsse, die ihr Ehemann selbst aufgestellt hatte, und zur Festsetzung der Aufsichtsratsvergütungen für die Jahre 1999 bis 2003 auf 0 EUR. Jeweils gegen die Stimmen des Michel-Vertreters wurden die Jahresabschlüsse 1999 bis 2003 festgestellt und sämtlichen ehemaligen Mitgliedern des Vorstands und Aufsichtsrats für diese Geschäftsjahre die Entlastung verweigert. Zu Mitgliedern des Aufsichtsrats wurden die bereits gerichtlich bestellten Mitglieder Volker Deibert (Neufahrn/b. Freising), Marc M. Malpricht (Hannover) und Karsten Trippel (Grossbottwar) gewählt.
Vor der Abstimmung über die satzungsändernden Tagesordnungspunkte, wozu neben der Umstellung des Grundkapitals auf Euro auch eine Kapitalherabsetzung auf Null bei gleichzeitiger Erhöhung auf 62.000 EUR bei vollem Bezugsrecht für die Aktionäre, die Einrichtung eines genehmigten Kapitals von 31.000 EUR, eine Sitzverlegung nach Berlin sowie eine Umfirmierung zählten, legte der Vorstand dem opponierenden Stimmrechtsvertreter von Frau Michel nahe, angesichts der Insolvenzgefahr der Gesellschaft sein Votum für die kommenden Abstimmungen nochmals zu überdenken, da sowohl ihm als auch seiner Vollmachtgeberin Haftungsrisiken entstehen könnten. Explizit verwies er hierbei auf das "Girmes-Urteil" des BGH.
Der Versammlungsleiter unterbrach die Hauptversammlung sogar, um dem Stimmrechtsvertreter Gelegenheit zu geben, mit seiner Vollmachtgeberin zu telefonieren und gegegenenfalls eine geänderte Weisung zur Ausübung des Stimmrechts zu erhalten. Der Vorstand ließ sich das "Girmes-Urteil" ins Versammlungslokal faxen und stellte es dem Stimmrechtsvertreter zur eingehenden Lektüre zur Verfügung. Nach Wiederaufnahme der Hauptversammlung - eineinhalb Stunden später - stimmte der Vertreter, wie er erklärte, "nach Rücksprache mit Herrn und Frau Michel" immerhin der Euroumstellung zu, kündigte jedoch seine Ablehnung hinsichtlich der weiteren Beschlussanträge an.
Daraufhin stellte Herr Freitag als Aktionär sowie Aktionärsvertreter einen Antrag zur Geschäftsordnung, wonach die Stimmen des Michel-Vertreters von den Abstimmungen zu den Tagesordnungspunkten 8 bis 10 wegen Treuwidrigkeit und Schädigung der Gesellschaft auszuschließen sind. Sämtliche anwesenden Stimmrechtsvertreter außer dem Vertreter der Gattin des Ex-Vorstands schlossen sich der Antragstellung an und stimmten dem Antrag auch zu. Der Michel-Vetreter erklärte daraufhin seinen "Widerspruch gegen den Geschäftsordnungsantrag" zum Protokoll des Notars.
Bei den folgenden Abstimmungen über satzungsändernde Beschlüsse stimmte der Michel-Vertreter zwar, wie angekündigt, durchgängig mit "Nein", doch befolgte der Versammlungsleiter den vorgenannten Geschäftsordnungsbeschluss der Hauptversammlung und schloss diese Stimmen darüber hinaus wegen "treuwidriger Stimmrechtsausübung zum Schaden der Gesellschaft" von den Abstimmungen aus. So wurden die Beschlussanträge mit den Stimmen der weiteren Anwesenden ohne Gegenstimmen, ohne Enthaltungen und ohne Widersprüche genehmigt, und die Hauptversammlung wurde gegen 12:10 Uhr geschlossen.
Fazit
Die Aktionäre der LVV Vermögensverwaltung Landau AG hätten wohl sehr gerne den im Dezember 2003 als Vorstand entlassenen Hans Michel persönlich vor sich gehabt, um über die so gründliche Vernichtung ihres Vermögens und die aktienrechtlichen Versäumnisse der Verwaltung während der letzten fünf Jahre Auskunft zu erhalten.
Wäre immerhin dessen Gattin Lieselotte Michel persönlich anwesend gewesen, so hätte sie vielleicht Auskunft über ihr rätselhaftes Stimmverhalten geben können, denn immerhin würde im Fall einer Insolvenz auch ihr eigener Anteil am Unternehmen von rund 26 Prozent wertlos. Der Abgesandte des Michel-Clans war offenbar mit so wenig eigenem Handlungsspielraum ausgerüstet, dass er öfters telefonisch Rücksprache halten musste, wie er denn nun abstimmen solle.
Die Verwaltung bewies mit ihrer Bereitschaft zu einer großzügigen Sitzungsunterbrechung neben einem gewissen Maß an Langmut auch ihren engagierten Einsatz für den Erhalt des Unternehmens. Die Totalverweigerung der Gattin des Ex-Vorstands stieß auch bei den weiteren Aktionären auf wenig Verständnis und war weiterhin ungeeignet, die im Saal beinahe greifbare Wut der Kapitalgeber gegenüber dem Ex-Vorstand zu mäßigen.
Wie es mit der LVV Vermögensverwaltung Landau AG weitergeht, hängt nun wohl von der Eintragung der Satzungsänderungen in das Handelsregister und der Durchführung der dringend benötigten Kapitalerhöhung ab. Wer einen Blick auf die Besetzung der Organe wirft, der ahnt, dass eine aktienrechtliche Aufarbeitung der Vergangenheit noch bevorsteht. Gelingt die Umsetzung der Kapitalmaßnahmen, so sollte die schlimmste Leidenszeit der LVV-Aktionäre vorüber sein - abgesehen davon, dass der wenig ruhmreiche Firmenname konsequenterweise abgelegt wird.
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