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HV-Bericht PSI Software SE - Cyberattacke wird 2024er Zahlenwerk belasten – ab 2025 sollte die Rückkehr auf den Wachstumspfad gelingen

Zu ihrer Hauptversammlung über das Geschäftsjahr 2023 hatte das Unternehmen seine Anteilseigner für den 26. Juli 2024 in das Ludwig Erhard Haus (IHK) in Berlin eingeladen. Die etwas verspätet abgehaltene Hauptversammlung stand auch im Zusammenhang mit einer im Februar 2024 erfolgten Cyberattacke auf das Unternehmen, welche zu erheblichen Beeinträchtigungen und Verzögerungen auch bei der Aufstellung des Zahlenwerks geführt hat.

Vor diesem Hintergrund war das Interesse von Seiten der Aktionäre sicherlich noch einmal zusätzlich höher, da sich diese auch Neuigkeiten über die Auswirkungen des Cybervorfalls und die weiteren Aussichten versprachen. Der Aufsichtsratsvorsitzende Karsten Trippel begrüßte über 200 Aktionäre, Gäste und Vertreter der Presse, darunter Alexander Langhorst von GSC Research. Die notarielle Niederschrift erfolgte durch Notar Dr. Justus Schmidt-Ott aus Berlin.

Vor Eintritt in die Erläuterung der üblichen einleitenden Hinweise und Formalien nahm Herr Trippel Bezug auf die am Vorabend der Hauptversammlung veröffentlichte Ad-hoc-Meldung der Gesellschaft. Anders als ursprünglich geplant steht er nun nicht mehr für eine Wiederwahl und eine weitere Amtszeit zur Verfügung. Als Grund verwies er darauf, dass er wenige Tage vor der Hauptversammlung erstmals davon Kenntnis erlangt hat, dass die Investmentaktiengesellschaft für langfristige Investoren TGV seine erneute Wiederwahl nicht unterstützt. Diese Einschätzung hat sich in den im Vorfeld zur Hauptversammlung geführten Gesprächen verfestigt, so dass er für sich zu dem Ergebnis gekommen ist, nicht erneut zu kandidieren, wenn die größte Schachtelaktionärin nicht hinter einer solchen Kandidatur steht. Ihm sei es stets eine Ehre gewesen, die Funktion im Aufsichtsrat der PSI Software auszuüben und daran mitzuwirken, das Unternehmen positiv weiterzuentwickeln.

Daher wird der Punkt 6.1 nicht wie in der Tagesordnung vorgesehen zur Abstimmung gestellt, sondern nur über die Wahlvorschläge unter den Punkten 6.2 bis 6.4 abgestimmt werden. Eine Nachbesetzung des dann noch vakanten Aufsichtsratssitzes wird zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Hinsichtlich des künftigen Vorsitzes des Aufsichtsrates warb Herr Trippel dafür, Prof. Dr. Uwe Hack nicht nur das Vertrauen durch erneute Wiederwahl auszusprechen, sondern diesem auch das Vertrauen zur Übernahme des Aufsichtsratsvorsitzes entgegenzubringen.

Nach Erledigung der weiteren einleitenden Hinweise und Formalien sowie der im Berichtszeitraum eingetretenen Veränderungen im Vorstand und Aufsichtsrat erteilte Herr Trippel dem Vorstandsvorsitzenden Robert Klaffus sowie dem Finanzvorstand Gunnar Glöckner das Wort.


Bericht des Vorstands

Bei Begrüßung des Auditoriums zeigte sich Vorstandschef Robert Klaffus erfreut darüber, nun erstmals in seiner neuen Rolle als CEO zu den Anteilseignern sprechen zu können, nachdem er im Vorjahr noch als Gast an der Veranstaltung teilgenommen hatte. Einleitend gab er einen kurzen Überblick zum Geschäftsmodell der PSI Software, die mit der bereitgestellten Spezialsoftware in den beiden Segmenten Energiemanagement und Produktionsmanagement aktiv ist. Der regionale Schwerpunkt der Aktivitäten liegt auf Europa, im Bereich Stahl ist man auch in den USA sowie China und Fernost erfolgreich im Markt unterwegs.

Nach seinem Amtsantritt im vergangenen Herbst und einer umfangreichen Analyse der Strukturen und Arbeitsabläufe bei PSI wurde mit „PSI reloaded“ ein umfangreiches Maßnahmenpaket entwickelt und auf den Weg gebracht, um das Unternehmen noch besser zu machen und in allen wichtigen Bereichen wieder auf einen Wachstumskurs zu kommen. Wesentliche Aspekte des Programms sind eine Optimierung der internen Abläufe sowie eine Verringerung der bestehenden Komplexität in den Strukturen und Abläufen. Ferner soll das vorhandene „Silo“-Denken verringert und eine stärkere Identifizierung als Teil von PSI erreicht werden. Hiervon verspricht sich der CEO auch zusätzliche Chancen etwa im Cross-Selling. Weitere wichtige Aspekte beinhaltet im Bereich der Produktentwicklung die „PJF Test Lane“, mit der die Entwicklung weiter beschleunigt und der „Time to Market“-Zeitraum reduziert werden soll. Die ursprünglich vorgesehene Migration der Elektrische Netze Software wird nicht erfolgen und die bisherigen Aktivitäten sollen beim „Leitsystem der Zukunft“ entsprechend berücksichtigt werden.

Durch die Bildung von regionalen Hubs will das Management die Basis für weiteres Wachstum ermöglichen. Immer größere Bedeutung gewinnt auch die Cloud- und Hosting-Strategie. Die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen dient als Vorbereitung zur PSI Cloud und dem Software-as-a-Service (SaaS)-Ansatz. Die Umstellung vom bisher überwiegend verfolgten klassischen Lizenzgeschäft hin zum SaaS-Modell wird nach Einschätzung von Herrn Klaffus ein längerer Prozess werden, den es sich aber auf jeden Fall zu beschreiten lohnt. Positive Impulse verspricht man sich dabei auch vom neuen CTO (Chief Technology Officer) Erol Bozak, der in seinem bisherigen Berufsleben bereits verschiedene Cloud-Initiativen erfolgreich vorangetrieben hat und mehr als 40 in den USA erteilte Patente in den Bereichen Cloud-Computing, SaaS sowie Fintech hält.

Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen berichtete Herr Klaffus über die am 14. Februar 2024 gegen die PSI Software SE verübte Cyberattacke. Hierbei handelte es sich um eine klassische Ransomware-Attacke, mit der die Angreifer Lösegeld in Form von Kryptowährungen erpressen wollten. Mit den Erpressern wurde kein Kontakt aufgenommen und umgehend ein Kontakt mit dem Bundeskriminalamt (BKA) sowie dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) aufgenommen. Entsprechende Analysen im Nachgang der Attacke haben ergeben, dass es keine Hinweise auf einen Datenabfluss an Dritte gibt und dass auch keine Kundensysteme von der Attacke betroffen gewesen sind. Auf Ebene der PSI-internen Systeme ist es jedoch in einigen Bereichen durch den Angriff zu Verlusten bei Datenbeständen gekommen, durch die man teilweise auf den Stand des Jahres 2021 zurückgeworfen wurde.

Im Schwerpunkt lagen die Aktivitäten in den Tagen und Wochen nach der Attacke auf einem strukturierten Prozess zum Wiederanlauf und Hochfahren der Systeme. Hierbei wurde in großem Umfang die eigene Mitarbeiterschaft eingesetzt. Trotz der aufgetretenen Effekte aus der Cyberattacke konnte PSI jüngst erfolgreich die Erneuerung die Zertifizierungen nach DIN ISO 9001 und DIN ISO 27001 absolvieren.

Um die Risiken von weiteren Attacken in Zukunft weiter zu verringern, wurden laut dem PSI-Chef eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet und umgesetzt. Dabei verfolgt man ab sofort den „Zero Trust“- und „Total Security“-Ansatz. Hierzu gehört unter anderem, dass ein Zugang für Nutzer auf die Systeme von PSI nur noch via VPN möglich ist und dass hier auch eine Zweifaktor-Authentifizierung nunmehr zwingend vorzunehmen ist. Zudem erfolgen Änderungen im Fall eines Notfalls durch die Einbindung eines externen Notfallmanagements, umfangreiche Änderungen beim Backup-Management sowie bei der vorhandenen IT-Infrastruktur sowie beim IT-Lifecycle-Management in Bezug auf verwendete Soft- und Hardware.

Im zweiten Teil der Vorstandserläuterungen gab Finanzvorstand Gunnar Glöckner einen Überblick über das Zahlenwerk im Berichtsjahr 2023. Per Mitte 2023 wurde die Guidance infolge von Projektverlusten im Bereich Elektrische Energie und einmaligen Sonderaufwendungen im Zusammenhang mit dem Vorstandswechsel angepasst.

Sehr erfreulich gestaltete sich 2023 erneut die Entwicklung beim Ordereingang, der um 17,7 Prozent auf 297,3 (Vorjahr: 252,5) Mio. Euro zulegte. Damit belief sich der Auftragsbestand zum Jahresende auf 170,2 (154,9) Mio. Euro, was ein Plus von 9,9 Prozent bedeutete. Die meisten Regionen trugen zu der positiven Entwicklung bei den Bestellungen bei. Vor allem auf dem deutschen Heimatmarkt verzeichnete PSI einen deutlichen Anstieg auf 160,1 (135,0) Mio. Euro. Aber auch Westeuropa entwickelte sich mit 61,3 (50,0) Mio. Euro sehr erfolgreich. Den größten prozentualen Zuwachs zeigte die Region China, Südostasien, Pazifik mit einer Ausweitung auf 33,8 (22,3) Mio. Euro. Die Regionen Nord- und Südamerika sowie Naher Osten mussten dagegen Rückgänge hinnehmen.

Der Konzernumsatz verzeichnete eine Steigerung um 8,9 Prozent auf 269,9 (247,9) Mio. Euro. Bei regionaler Betrachtung zeigte sich ein weitgehend ähnliches Bild. Deutschland war mit 148,5 (139,0) Mio. Euro der bestimmende Markt. Die prozentual stärksten Zuwächse gab es in der Region China, Südostasien, Pazifik mit einem Anstieg auf 22,9 (15,0) Mio. Euro. In der Region Nord- und Südamerika erzielte PSI ebenfalls ein deutliches Umsatzwachstum. Die Region Naher Osten verbuchte einen deutlichen Erlösrückgang, spielte aber angesichts der Größe nur eine untergeordnete Rolle. Insgesamt erhöhte sich der internationale Umsatzanteil auf 45,0 (43,9) Prozent.

Die Umsatzerlöse aus der Softwareerstellung reduzierten sich auf 113,8 (116,3) Mio. Euro. Dies resultiert vor allem aus verlustbehafteten Projekten des Bereiches Elektrische Energie. Dagegen stiegen die Wartungserlöse deutlich auf 103,5 (96,5) Mio. Euro an. Trotzdem sank ihr Umsatzanteil leicht auf 38,3 (38,9) Prozent. Die Erlöse aus Hardware legten kräftig auf 35,8 (20,8) Mio. Euro zu. Auch der Lizenzumsatz konnte auf 16,9 (14,3) Mio. Euro gesteigert werden.

Als erfreulich bewertete der Finanzchef, dass sich im Segment Energiemanagement der Auftragseingang kräftig um 24,9 Prozent auf 158,9 (127,2) Mio. Euro erhöht hat. Auf der Umsatzseite zeigte sich ein Zuwachs von 6,5 Prozent auf 138,9 (130,4) Mio. Euro. Während die dortigen Hardwareumsätze kräftig zulegten, gingen die Erlöse aus Softwareerstellung deutlich zurück. Dies resultierte aus Projekten, in denen teilweise Nach- und Zusatzarbeiten anfielen, die jedoch aufgrund der bestehenden vertraglichen Vereinbarungen nicht an die Kunden weitergegeben werden konnten. Das Ergebnis wurde durch deutlich über Plan liegende Projektkosten im Bereich Elektrische Energie massiv belastet. Diese Mehrkosten führten im Bereich Elektrische Energie zu einem Ergebnis von minus 12,3 (minus 2,8) Mio. Euro. In der Summe ergab sich auch beim Segmentergebnis eine deutliche Verschlechterung auf minus 8,6 (plus 1,5) Mio. Euro.

Das Segment Produktionsmanagement wies hingegen eine unverändert positive Entwicklung auf. Der Auftragseingang verbesserte sich um 10,5 Prozent auf 138,4 (125,3) Mio. Euro. Auch die Erlöse legten um 11,5 Prozent auf 131,0 (117,5) Mio. Euro zu. Der Bereich PSI Metals verbuchte dabei abermals das stärkste Wachstum. Den größten Umsatzanteil machten die Erlöse aus Softwareerstellung sowie aus Wartung aus. Das Segmentergebnis konnte mit 20,3 (20,4) Mio. Euro auf dem hohen Niveau des Vorjahres gehalten werden. Bedingt durch einen Ergebnisrückgang bei der polnischen Tochtergesellschaft reduzierte sich die Ergebnismarge auf 15,5 (17,3) Prozent.

Auf Konzernebene wuchs der Materialaufwand im vergangenen Jahr kräftig um 27,0 Prozent auf 46,1 (36,3) Mio. Euro. Auch beim Personalaufwand kam es zu einer deutlichen Erhöhung um 13,7 Prozent auf 183,7 (161,6) Mio. Euro. Hier machten sich der höhere Mitarbeiterbestand, gezahlte Inflationsanpassungen sowie die Veränderungen im Vorstand belastend bemerkbar. Höhere Projektaufwendungen und Reisekosten führten bei den sonstigen betrieblichen Aufwendungen ebenfalls zu einem Anstieg um 24,3 Prozent auf 36,9 (29,7) Mio. Euro.

Aufgrund der deutlich höheren Kostenbasis brach das Betriebsergebnis im Konzern um 72,3 Prozent auf nur noch 5,6 (20,2) Mio. Euro ein. Damit erreichte PSI aber immerhin den Mitte letzten Jahres auf 5 bis 7 Mio. Euro abgesenkten Prognosekorridor. Das Finanzergebnis verschlechterte sich merklich von minus 0,3 auf minus 2,5 Mio. Euro. Nach Steuern verblieb schließlich ein Jahresüberschuss von 0,3 (9,7) Mio. Euro. Das Ergebnis je Aktie reduzierte sich entsprechend auf 0,02 (0,62) Euro. Im Einzelabschluss weist PSI einen Jahresfehlbetrag aus, so dass für 2023 keine Dividendenausschüttung erfolgt.


Allgemeine Aussprache

Im Zuge der Generaldebatte meldeten sich verschiedene Redner mit Wortbeiträgen zu Wort, die sich teilweise auch zu identischen Themenkomplexen äußerten und entsprechende Fragen und Nachfragen stellten. Als erster ergriff Ewald Stephan als Vertreter der Investmentaktiengesellschaft für langfristige Investoren TGV das Wort und zeigte sich mit der operativen sowie der Kursentwicklung nicht sonderlich glücklich. Als Großaktionär bekomme man nahezu täglich Anfragen von potenziellen Kaufinteressenten. Auch wenn man diese stets ablehne, droht die PSI Software SE aus seiner Sicht ein Übernahmekandidat zu werden angesichts einer Marktkapitalisierung von gerade einmal 400 Mio. Euro.

Im Zusammenhang mit der Cyberattacke interessierte sich Herr Stephan dafür, inwieweit die Gesellschaft gegen solche Vorfälle versichert ist. Hierzu erläuterte Herr Glöckner, dass man über einen gewissen Versicherungsschutz verfügt und über diesen die entstandenen externen Kosten etwa für die forensischen Untersuchungen, externe Hilfestellungen und auch der interne Aufwand abgedeckt sind. Herr Glöckner betonte in seiner Antwort, dass eine Absicherung gegen das Risiko einer möglichen Betriebsunterbrechung angesichts der dafür aufgerufenen Prämien betriebswirtschaftlich letztlich nicht darstellbar ist.

Auch wenn Erstattungsansprüche gegen den Versicherer bestehen, sieht er aber bei der Abgeltung des internen Aufwandes insbesondere auf der Zeitachse bis zu einer Erstattung noch einen längeren Weg, da die Versicherung eine genaue Aufstellung der von den eigenen Mitarbeitern erbrachten Tätigkeiten jeweils in Sechs-Minuten-Blöcken gefordert hat. Angesichts des Systemausfalls ist beispielsweise auch der Zugriff auf das System zur Arbeitszeiterfassung nicht gegeben gewesen und die Dokumentation erfolgte in dieser Periode manuell über Excel-Tabellen. Von anderen Unternehmen, die ebenfalls von ähnlichen Cyberattacken betroffen waren, hat man gehört, dass die Auseinandersetzungen mit den Versicherungen um Erstattungen teilweise sehr langwierig und zäh verlaufen, so dass sich der Finanzvorstand auch noch zu keiner Prognose über die genaue Höhe des erstattungsfähigen Betrages oder die Zeitdauer in der Lage sieht. Inwieweit möglicherweise auch Ansprüche gegen die D&O-Versicherung aus dem Vorfall entstanden sein könnten, wird gerade geprüft.

Auf weitergehende Fragen von verschiedenen Debattenrednern führte Herr Glöckner aus, dass man bei der Auswahl, der Art und dem Umfang des Versicherungsschutzes bei Cyberthemen schon immer genau die Konditionen im Auge behalten muss. Seitdem derartige Fälle immer mehr zunehmen, wirkt sich dies auch auf die Höhe der geforderten Versicherungsprämien sowie die Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen aus. Daher ist es betriebswirtschaftlich auch nicht darstellbar, sich gegen sämtliche denkbaren Szenarien zu versichern. Neben der Frage der Versicherung etwaiger Schäden ist natürlich die Prävention ähnlicher Angriffe ein Thema. Hier wurden bei PSI, wie bereits in der Rede dargelegt, umfangreiche Maßnahmen eingeleitet. Auch wenn man diese konsequent umsetzt und das Thema sehr ernst nimmt und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hierfür noch mehr sensibilisiert, wird man aber immer mit gewissen Restrisiken konfrontiert bleiben.

Verschiedene Fragen des TGV-Vertreters befassten sich mit den erheblichen Mehrkosten im Bereich Energiemanagement/Elektrische Energie. Hier konnte Herr Stephan nicht so ganz nachvollziehen, wie es zur eingetretenen Entwicklung kommen konnte. In seiner Antwort wies der Vorstand darauf hin, dass man bei einer Analyse der betreffenden Vertragsbestände zu der Erkenntnis gelangt ist, dass dort über einen sehr langen Zeitraum mit zum Teil auch sehr alten Vertragstexten beim Abschluss neuer Verträge operiert worden ist. Um ähnliche Themen in Zukunft zu vermeiden, ist nun im Unternehmen eine zentrale Einheit eingerichtet worden, welche sämtliche Vertragstexte vor der Unterbreitung eines Angebots entsprechend prüft und dabei auch ggfs. zwischenzeitlich geänderte gesetzliche Rahmenbedingungen mit im Blick behält und die Vertragstexte entsprechend aktualisiert. Hinsichtlich des Vergabeprozesses dieser Aufträge ist jedoch zu beachten, dass es sich dabei letztlich um eine öffentliche Ausschreibung handelt und daher die Spielräume für PSI als Auftragnehmer recht begrenzt sind, was die Ausgestaltung der Konditionen betrifft.

Weiteren Aufklärungsbedarf und klare Transparenz forderte Herr Stephan auch in Bezug auf die im Vorjahr angefallenen einmaligen Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Dr. Schrimpf sowie dem Amtsantritt von Herrn Klaffus. In der Antwort wurde bestätigt, dass an Dr. Schrimpf für die noch offene Vertragslaufzeit Zahlungen in einer Größenordnung von 3,4 Mio. Euro zu leisten sind. Die Differenz zu der ausgewiesenen Summe von insgesamt 4,5 Mio. Euro ergibt sich aus Aufwendungen für Herrn Klaffus, der durch sein vorzeitiges Ausscheiden bei seinem vorherigen Arbeitgeber auf rund 900 Tsd. Euro aus einer dort bestehenden langfristigen Vergütungskomponente verzichtet hat. Dieser Betrag wird auf insgesamt drei Jahre verteilt laut den Vorgaben des Vergütungsberichts, die Rückstellung ist jedoch 2023 zu bilden gewesen. Daher ergibt sich eine entsprechend abweichende Darstellung im Vergütungsbericht.

Zu den auch von weiteren Rednern kritisch hinterfragten Hintergründen zum Ausscheiden von Dr. Schrimpf erläuterte Herr Trippel, dass man ursprünglich sehr von der gefundenen Lösung überzeugt gewesen ist. Letztlich hat es aber nicht so wie gedacht funktioniert und eine weitere Zusammenarbeit mit Dr. Schrimpf und dann eine geordnete Übergabe an Herrn Klaffus, der erst zum 1. November 2023 sein Amt antreten konnte, war letztlich nicht machbar. Dr. Schrimpf hat dann per 25. Juni 2023 sein Mandat niedergelegt und ist entsprechend aus dem Vorstand ausgeschieden.

Christian W. Röhl als Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) zeigte sich erfreut darüber, dass die PSI-Hauptversammlung trotz der nicht ganz einfachen Lage des Unternehmens dennoch erneut wie im Vorjahr in Präsenz abgehalten wird. Sowohl der Vertreter der DSW als auch weitere Debattenredner befassten sich mit den Hintergründen der Prognoseanpassung im vergangenen Jahr, die den Kapitalmarkt und auch die Fragesteller selbst überrascht hat.

In seiner Antwort wies Herr Glöckner darauf hin, dass mit dem vorzeitigen Ausscheiden von Dr. Schrimpf und der Abgeltung von dessen noch laufendem Vorstandsvertrag sowie den bereits bekannten Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Amtsantritt von Herrn Klaffus klar geworden ist, dass die ursprünglich erwartete Ergebnisbandbreite nicht mehr erreichbar sein wird. Vor diesem Hintergrund wurde die Guidance angepasst, zudem hat sich zum Zeitpunkt der Anpassung auch immer deutlicher herauskristallisiert, dass sich eine zumindest teilweise Nachberechnung der geleisteten Mehrarbeiten im Bereich des Energiemanagements größtenteils nicht wie erhofft umsetzen ließ.

Ferner interessierte sich der DSW-Sprecher auch für die weiteren Wachstumsperspektiven von PSI und wollte wissen, wann hier im Markt mit dem Eintritt eines gewissen Sättigungseffektes zu rechnen ist. Nach Einschätzung von Herrn Klaffus bestehen viele weitere Wachstumschancen. Zum einen ist es wichtig, die bisher durch die Risiken aus Nach- und Mehrarbeiten behafteten Verträge so zu modifizieren bzw. die Projekte so zu handeln, dass ein weiteres „Ausbluten“ auf der eigenen Ertragsseite gestoppt wird. Dies soll bei Neuverträgen über eine entsprechende anders gelagerte Vertragsgestaltung erreicht werden.

Im Bereich Energiemanagement verspricht sich der PSI-Chef weiteres Potenzial aus dem in Entwicklung befindlichen „Leitsystem der Zukunft“ als Nachfolgeprodukt der aktuellen im Markt eingeetzten Softwarelösungen von PSI. Im Bereich Produktionsmanagement wird man vom anhaltenden Trend zur Dekarbonisierung in der Industrie profitieren. Insbesondere im Bereich Stahl ist man hier bereits sehr erfolgreich unterwegs und möchte diesen Erfolg auf weitere Bereiche ausweiten. Das relevante Marktvolumen beläuft sich auf einen dreistelligen Milliarden-Euro-Betrag, so dass hier noch reichlich Spielraum für künftiges Wachstum besteht. Weitere Details zur künftigen Wachstumsstrategie und den konkreten Zielen soll es im Rahmen des Capital Market Days im Herbst 2024 geben, so Herr Klaffus weiter.

Auf die Frage, wie es mit der Gewinnung von ausreichend geeigneten Fachkräften bestellt ist, antwortete Herr Glöckner, dass natürlich auch PSI in diesem „War for Talents“ aktiv ist. Insgesamt sieht er PSI im Wettbewerb mit den gebotenen Arbeitsbedingungen und Vergütungen jedoch gut aufgestellt, man konkurriert auch eher selten direkt gegen die Startup-Szene bei einzelnen Mitarbeitern.

Michael Kunert, Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), zeigte sich ebenfalls zufrieden mit dem gewählten Präsenzformat der Hauptversammlung. Nicht ganz nachvollziehen konnte er die für ihn – und wohl auch den ein oder anderen weiteren Hauptversammlungsteilnehmer – überraschende Entwicklung bei der Personalie des Aufsichtsratsvorsitzenden. Hier interessierte den Aktionärsschützer, was die Hintergründe waren und warum hier kein anderer Weg gefunden werden konnte. Aus Sicht von Herrn Kunert ist nun sowohl für die Person des langjährigen Aufsichtsratsvorsitzenden Karsten Trippel als auch für die Großaktionärin Investmentaktiengesellschaft für langfristige Investoren TGV der größtmögliche Schaden eingetreten.

In seiner Antwort auf diese Frage wiederholte Herr Trippel seine einleitenden Ausführungen, dass er erst wenige Tage vor der Hauptversammlung erstmals Kenntnis davon erlangt hat, dass die größte Aktionärin mit einer Schachtelbeteiligung seine Wiederwahl nicht mehr unterstützt. Hierzu haben in den Tagen vor der Hauptversammlung noch verschiedene Gespräche stattgefunden. Im Ergebnis sei er jedoch für sich zum Entschluss gekommen, nicht gegen den Willen des größten Einzelaktionärs für eine weitere Amtszeit zur Verfügung zu stehen. Daher wird der TOP 6.1 abgesetzt und eine Nachwahl für seine Person wird zu einem späteren Zeitpunkt oder im Wege einer gerichtlichen Bestellung erfolgen, sobald eine geeignete Persönlichkeit für seine Nachfolge gefunden ist.

Zur Personalie im Aufsichtsrat hatte sich auch Herr Stephan als Vertreter der Investmentaktiengesellschaft TGV bereits in seinen Ausführungen geäußert und Herrn Trippel für dessen mehr als zwei Jahrzehnte andauernde Tätigkeit im Aufsichtsrat, dabei über einen sehr langen Zeitraum auch als Vorsitzender des Kontrollgremiums, gedankt. Er ließ jedoch durchblicken, dass es aus Sicht der von ihm vertretenen Aktionärin trotz aller Verdienste in der Vergangenheit Zeit für einen personellen Wechsel im Aufsichtsratsvorsitz ist, nachdem im Vorstand zwischenzeitlich der Generationswechsel erfolgreich vollzogen werden konnte.

In Bezug auf die im Debattenverlauf mehrfach gestellte Frage, ob nähere Einzelheiten zu den Angreifern der Cyberattacke bekannt sind, erläuterte Herr Klaffus, dass es sich dabei um eine den Behörden bekannte Gruppe handelt, die bereits in der Vergangenheit in Osteuropa, Asien, aber auch in den USA tätig gewesen ist. Bei der Attacke wurde eine im Darknet verfügbare Ransom-Software verwendet. Diese ist laut seiner Angabe inzwischen auch in einer Art „Ransomware-as-a-Service“ verfügbar. Nach entsprechender Rücksprache mit den Behörden wurden keinerlei Kontaktaufnahmen mit den Angreifern getätigt. Da seitens der Angreifer eine „Lösegeldforderung“ erhoben worden ist, wird davon auszugehen sein, dass dies der Hintergrund der Attacke gewesen ist.

Näheren Erläuterungsbedarf sahen einzelne Debattenredner auch in Bezug auf die im Fall des ehemaligen Vorstandes Dr. Schrimpf vorgeschlagene Vertagung der Entlastung, während allen übrigen Organen Entlastung erteilt werden soll. In einer weiteren Antwort teilte Herr Klaffus mit, dass seitens der Kanzlei Linklaters derzeit untersucht wird, ob im Fall der im Zeitraum ab 2023 aktiven Vorstandsmitglieder möglicherweise Pflichtverletzungen begangen worden sind. Bis zum Abschluss der Untersuchung, in die auch die Analyse des beauftragten externen Dienstleisters im Zusammenhang mit der Schadensbeseitigung mit einbezogen wird, soll die Entscheidung über die Entlastung von Dr. Schrimpf zurückgestellt werden.

Zur Frage der Entlastung führte der Aufsichtsratsvorsitzende Trippel noch ergänzend aus, dass im Rahmen der Aufsichtsratssitzungen einmal jährlich die Themen Cybersicherheit und Cyberrisiken besprochen wurden und dem Aufsichtsrat vom zuständigen Vorstandsmitglied Dr. Schrimpf stets versichert worden ist, dass man hier gut aufgestellt sei und keine Themen habe. Darüber hinaus hat der Aufsichtsrat auch bei bekanntgewordenen Cyberattacken, insbesondere im Bereich kritischer Infrastruktur, ebenfalls den Vorstand auch außerhalb des jährlichen Turnus angesprochen und nach Auswirkungen oder Handlungserfordernissen bei PSI gefragt. Vor diesem Hintergrund sieht der Aufsichtsrat keinen Grund, dem erst im Herbst 2023 in den Vorstand berufenen Herrn Klaffus die Entlastung zu vertagen, auch Herrn Glöckner sieht man hier angesichts fehlender Ressortzuständigkeit nicht in einer besonderen Verantwortung. Versäumnisse beim Aufsichtsrat und der Kontrollfunktion konnte Herr Trippel ebenfalls nicht feststellen, weshalb auch dort die Entlastung vorgeschlagen wird.

SdK-Sprecher Kunert zeigte sich von diesen Ausführungen nicht überzeugt und beantragte die Vertagung der Entlastung aller Organmitglieder, bis die Ergebnisse der aktuell noch laufenden Überprüfung durch die Rechtsanwaltskanzlei vorliegen. Der Versammlungsleiter wies in seiner Antwort darauf hin, dass über diesen Antrag zur Geschäftsordnung vor Eintritt in die Abstimmungen über die vorgeschlagenen Tagesordnungspunkte gesondert abgestimmt werden wird.

Ein weiterer Fragenkomplex beschäftigte sich mit der Weiterentwicklung im Bereich der Software für Energiemanagement. Hier wollte der Redner wissen, wann die bereits seit längerem in Aussicht gestellte Migration auf die neue Plattform erfolgen wird. Nach Angabe von Herrn Klaffus handelt es sich bei PSIcontrol um ein etabliertes Leitsystem, das bereits gewisse modulare Strukturen enthält. Eine Migration auf JSCADA soll nach verschiedenen vorgenommenen internen Tests jedoch nicht vorgenommen werden. Die bereits gewonnenen Erkenntnisse aus der ursprünglich angedachten Migration sollen in das neue Produkt „Leitsystem der Zukunft“ einfließen.


Abstimmungen

Nach Beendigung der allgemeinen Aussprache um 16:01 Uhr wurde die Präsenz mit 10.828.400 Aktien oder 72,35 Prozent des stimmberechtigten Grundkapitals festgestellt. Vor Eintritt in die Abstimmungen über die eingeladenen Tagesordnungspunkte ließ der Versammlungsleiter zunächst über die von Herrn Kunert beantragte Vertagung der Entlastung aller Organmitglieder für das Geschäftsjahr 2023 abstimmen. Dieser Antrag erhielt 62.759 Ja- und 7.847.551 Neinstimmen und wurde somit mit 99,21 Prozent Gegenstimmen abgelehnt.

Sämtliche Beschlussvorschläge der Verwaltung wurden mit der erforderlichen Mehrheit angenommen; wie bereits einleitend vom Versammlungsleiter mitgeteilt, wurde dabei die Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6.1 (Wiederwahl Karsten Trippel zum Mitglied des Aufsichtsrates) von der Tagesordnung abgesetzt und nicht zur Abstimmung gestellt.

Im Einzelnen beschlossen wurde die Entlastung der Vorstandsmitglieder Robert Klaffus (TOP 2.1) und Gunnar Glöckner (TOP 2.2) sowie die Vertagung der Entlastung von Dr. Harald Schrimpf (TOP 2.3), die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats (TOP 3), die Wahl der RSM Ebner Stolz GmbH & Co. KG, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, Stuttgart, zum Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2024 (TOP 4), die Billigung des Vergütungsberichtes für das Geschäftsjahr 2023 (TOP 5), die Wahl von Professor Dr.-Ing. Ulrich Wilhelm Jaroni (TOP 6.2), Prof. Dr. Uwe Hack (TOP 6.3) sowie Dr. Patrick Wittenberg (TOP 6.4.) in den Aufsichtsrat, die Festlegung der Vergütung der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats (TOP 7) sowie die Ermächtigung zur Ausgabe von Aktienoptionen (Aktienoptionsprogramm 2024) nebst Schaffung eines entsprechenden bedingten Kapitals und der notwendigen Satzungsänderungen (TOP 8). Die Zustimmungsquoten lagen dabei zwischen 80,18 Prozent (TOP 5) und 99,92 Prozent (TOP 7).

Der Versammlungsleiter konnte die Hauptversammlung nach einer Dauer von gut sechseinhalb Stunden gegen 16:30 Uhr schließen.


Fazit

Das Geschäftsjahr 2023 gestaltete sich bereits sehr herausfordernd für die PSI Software SE und im aktuell laufenden Jahr werden erhebliche Auswirkungen aus der Cyberattacke zu verkraften sein. Wie bereits in unserem Research vom 25. Juni 2024 erläutert, gehen wir daher für 2024 von einem deutlich negativen Konzernergebnis und Ergebnis je Aktie aus. Ab 2025 sollte dann mit einer Normalisierung des Geschäfts zu rechnen sein. Dabei erwarten wir auch bedingt durch Nachholeffekte einen kräftigen Umsatzanstieg von 17,6 Prozent auf 312,9 Mio. Euro. Das EBIT sollte sich ebenfalls deutlich auf 21,3 Mio. Euro erholen. Den Jahresüberschuss nach Steuern verorten wir auf dieser Basis bei 14,1 Mio. Euro entsprechend einem Ergebnis von 0,90 Euro je Aktie.

Durch die hervorragende Positionierung und Produkte mit Alleinstellungsmerkmalen ist der Verfasser für die weitere Entwicklung der PSI Software SE unverändert positiv gestimmt. Die ungebrochen voranschreitende Digitalisierung sowie die bedeutsamen Themen Energie und Klimaschutz seien hierbei als weitere Wachstumsfelder genannt. Dabei werden einige Bereiche zudem noch durch staatliche Förderprogramme unterstützt.

Allerdings werden die Folgen des Cyberangriffs im laufenden Jahr die erwartete positive Entwicklung der Gesellschaft verzögern. Danach sollte jedoch die Rückkehr auf den Wachstumspfad gelingen. Unabhängig von den aktuellen Problemen ist PSI in Summe hervorragend aufgestellt, um in Zukunft wieder merklich höhere Margen zu erwirtschaften. Daher ist der faire Wert der PSI-Aktie bei 32 Euro anzusiedeln und unsere im Juni ausgesprochene „Kaufen“–Empfehlung wird unverändert beibehalten.


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Hinweis: Der Verfasser ist Aktionär der beschriebenen Gesellschaft.



Veröffentlichungsdatum: 28.08.2024 - 08:22
Redakteur: ala
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