Die MERKUR PRIVATBANK KGaA hatte für den 19. Juni 2023 zur Hauptversammlung in das Haus der Bayerischen Wirtschaft nach München eingeladen. Etwa 150 Aktionäre und Gäste, darunter eine Schulklasse, hatten sich dort eingefunden, um mehr über die Hintergründe für das erneut sehr erfolgreiche Abschneiden der Bank im Geschäftsjahr 2022 zu erfahren. Für GSC Research befand sich Matthias Wahler vor Ort.
Der Aufsichtsratsvorsitzende Rolf Friedhofen eröffnete die Versammlung um 11:00 Uhr und teilte mit, dass die Mitglieder der Geschäftsleitung, die persönlich haftende Gesellschafterin und vier der sechs Aufsichtsratsmitglieder anwesend sind. Zwei Aufsichtsratsmitglieder waren aus familiären Gründen entschuldigt. Das Protokoll führte Notar Dr. Wolfgang Ott.
Im Folgenden erläuterte Herr Friedhofen die Formalien und berichtete über die wesentlichen Themen aus Sicht des Aufsichtsrats. Sodann übergab er das Wort an den Vorsitzenden der Geschäftsleitung, Dr. Marcus Lingel.
Bericht der Geschäftsleitung
Dr. Lingel freute sich, von einem erfolgreichen Geschäftsjahr 2022 berichten zu können. Es gab aber durchaus einige Herausforderungen zu bewältigen. In der Branche waren es insbesondere die stark steigende Inflation, die inzwischen beendete Niedrigzinspolitik und die zunehmenden regulatorischen Maßnahmen, die zu Ertragsrückgängen und einem steigenden Konsolidierungsdruck führten. Bei der MERKUR PRIVATBANK bewährte sich in diesem Umfeld das diversifizierte Geschäftsmodell. Das Geschäft konnte erneut ausgebaut und mit Investitionen in Mitarbeiter und Infrastruktur die Basis für weiteres Wachstum geschaffen werden.
Nachfolgend präsentierte der Firmenchef einen Überblick über die wesentlichen Kennzahlen, die mit Ausnahme der Assets under Management alle deutlich verbessert werden konnten. Als eine Grundlage für diesen Erfolg sieht Dr. Lingel, dass bei der MERKUR PRIVATBANK unternehmerisch gehandelt und gedacht wird. Ebenso wichtig ist die Unabhängigkeit, wodurch bei der Kundenberatung Interessenskonflikte vermieden werden können. Als weitere Erfolgsbausteine benannte er die Handschlag-Mentalität und die Beständigkeit, auf die sich Kunden und Mitarbeiter verlassen können.
An der Aufstellung des Unternehmens hat sich nach Aussage von Dr. Lingel nichts verändert. Zu den strategischen Säulen zählen die Finanzierung von Unternehmenskunden in den Bereichen Bauträger, Leasing und Mittelstand und Immobilieninvestoren sowie der Rentenhandel und auf der Einlagenseite die Vermögensverwaltung und Vermögensberatung.
Als sehr vorteilhaft erwies sich im aktuellen Umfeld, dass die MERKUR PRIVATBANK ausschließlich im Anlage- und Kreditbereich tätig ist, aber über kein eigenes Depot A verfügt. Es wird auch keinerlei Fristentransformation gefahren. Aus der schnellen Zinswende ergab sich für die MERKUR PRIVATBANK deshalb kein Problem aus Bonitätsrisiken im Anlagebestand oder der Veränderung der Zinsstruktur. Im Gegenteil eröffnen sich eher Chancen, da das Geschäft auf beiden Seiten flexibel aufgestellt ist.
Die MERKUR PRIVATBANK ist, wie Dr. Lingel weiter aufzeigte, nach wie vor an 20 Standorten aktiv und verfügt über zwei Zentralen in München und Hammelburg. In Hammelburg laufen derzeit die Vorbereitungen für den Bau eines neuen Verwaltungszentrums. Der Firmenchef geht davon aus, dass spätestens Anfang 2024 mit dem Neubau begonnen werden kann.
Sodann kam Dr. Lingel auf die Geschäftsentwicklung zu sprechen. Er begann mit dem Bereich Vermögensanlage, in dem die im vergangenen Jahr sehr negative Börsenentwicklung der bestimmende Faktor war. Angesichts des sehr widrigen Kapitalmarktumfelds ist er zufrieden, dass bei den Assets under Management nur ein Rückgang von knapp 4 Prozent auf 2,8 Mrd. Euro zu verzeichnen war. Stolz ist er auch, dass die Vermögensverwaltung trotz der schwierigen Rahmenbedingungen auf 881 (Vorjahr: 840) Mio. Euro weiter ausgebaut werden konnte.
Als Basis für den Erfolg sieht Dr. Lingel, dass die MERKUR PRIVATBANK anders agiert als andere Marktteilnehmer. Die Vermögensverwaltung wird nicht zentral gesteuert, sondern der zuständige Mitarbeiter vor Ort entscheidet, welche Wertpapiere gekauft werden. Er kann bei den Kunden weit authentischer auftreten. Auch hier gilt der Grundsatz des unternehmerischen Denkens. Zusammen führte dies dazu, dass bei den verwalteten Kundengeldern ein Nettowachstum von 386 (255) Mio. Euro erreicht werden konnte. Und die Vermögensanlage bleibt nach Überzeugung von Dr. Lingel ein attraktives Wachstumsfeld.
Auch im Einlagenbereich agiert die MERKUR PRIVATBANK anders als andere Banken. Schon im August 2022 wurden die Verwahrentgelte abgeschafft und es gab wieder positive Zinsen auf die Einlagen. Damit konnten noch Gelder zu günstigen Konditionen eingesammelt werden, nachdem schon absehbar war, dass das Geld noch teurer wird. So konnten netto 250 Mio. Euro an Einlagen generiert und damit ein guter Puffer geschaffen werden. Als sehr vorteilhaft erachtet der Firmenchef den sehr granularen Bestand. So gibt es keine Sorge, dass ein großer Investor seine Gelder schnell wieder abzieht.
Im Kreditbereich war ein Wachstum von fast 20 Prozent zu verzeichnen, was laut Dr. Lingel so nicht absehbar gewesen war. Insgesamt erreichte das Neugeschäft mit 2,3 (1,8) Mrd. Euro ein neues Rekordniveau. Kräftig voran ging es vor allem in der Bauträgerfinanzierung mit einem Zuwachs auf 1,6 (1,3) Mrd. Euro und trotz der schon angespannten Marktlage konnte noch ein Volumen von 460 Mio. Euro ausplatziert werden, woran der Vorsitzende der Geschäftsleitung das gute Standing der MERKUR PRIVATBANK bei den Partnern aufgezeigt sieht.
Der Markt hat sich mit den steigenden Zinsen allerdings signifikant verändert. Der Absatz von Immobilien ist mittlerweile fast zum Erliegen gekommen, da die Finanzierung für viele nicht mehr darstellbar ist. Viele warten auch ab, dass die Immobilienpreise sinken. Dass dies auf breiter Front geschieht, kann Dr. Lingel aber nicht erkennen, nachdem es unverändert einen hohen Bedarf an Wohnraum, jedoch weniger Neubauaktivitäten gibt. Viel billiger kann es auch deshalb nicht werden, weil das Bauen nicht billiger wird.
Aus Sicht der MERKUR PRIVATBANK erwartet der Firmenchef keine Probleme. In den letzten Monaten nahm das Team Kontakt zu den einzelnen Kreditnehmern im Bauträgerbereich auf. Vor allem ging es um die Frage, wie sie die Liquidität sichern wollen, wenn die Verkäufe nicht so realisiert werden können wie geplant. Bisher fallen die Ergebnisse dieser Gespräche zur Freude von Dr. Lingel besser aus als erwartet. Eine Verbesserung der Situation am Immobilienmarkt erwartet er erst, wenn die Phase der Zinserhöhungen vorbei ist und der Markt sich neu sortiert. Bis dahin verdient die MERKUR PRIVATBANK an den hohen Kreditbeständen.
Der Bereich mittelständische Firmenkunden entwickelte sich nach Aussage von Dr. Lingel im Berichtsjahr sehr stabil. Neugeschäft konnte im Volumen von 94 (84) Mio. Euro realisiert werden. Im Automobilbereich ergaben sich einige neue Risiken, aber in einer überschaubaren Größenordnung. Für den Firmenkundenbereich sieht der Vorsitzende der Geschäftsleitung auch weiterhin gute Chancen, nachdem die Strukturen aufgebaut und die Zahl der Mitarbeiter ausgeweitet worden sind.
Im dritten Bereich des Kreditgeschäfts, der Leasing-Refinanzierung, ging das Neugeschäft um 38 Prozent nach oben. Überwiegend werden in diesem Bereich Fahrzeuge im Luxusbereich finanziert, die von Krise nicht betroffen sind und bei denen teilweise massive Preissteigerungen zu verzeichnen waren. Auch das Fahrradleasing hat enorm zugenommen. Aus Sicht der MERKUR PRIVATBANK habe man Letzteres laut Dr. Lingel gerne forciert, nachdem in diesem Bereich eine absolut granulare Risikostruktur gegeben ist.
Überdies betätigt sich die MERKUR PRIVATBANK im Hypothekenvermittlungsgeschäft mit Immobilieninvestoren, in dem das Neugeschäft erwartungsgemäß zurückging. Mittelfristig sieht Dr. Lingel aber auch in diesem Bereich wieder Wachstumschancen. Um vorbereitet zu sein, wurde bereits die Infrastruktur verbessert und Personal aufgebaut.
Im Folgenden kam Dr. Lingel auf das wichtige Thema Kapitalentwicklung zu sprechen. Im Berichtsjahr wurden drei neue nachrangige Verbindlichkeiten ausgegeben und bei drei weiteren Tranchen Laufzeitverlängerungen vorgenommen, um die Kapitalbasis zu verbreitern. Insgesamt wuchs die Kapitalbasis, zusätzlich unterstützt von der Gewinnthesaurierung der letzten Jahre, um 17 Prozent auf 262,1 (224,1) Mio. Euro. Ausreichend Kapital ist auch zwingend notwendig, um weiterwachsen und die regulatorischen Anforderungen erfüllen zu können.
Gerne kam Dr. Lingel dann auf die sehr erfreuliche Ergebnisentwicklung zu sprechen. Der Zinsüberschuss konnte im Geschäftsjahr 2022 um 20 Prozent auf 69,6 (57,9) Mio. Euro ausgeweitet werden. Die Zinsspanne erhöhte sich auf 2,43 (2,17) Prozent, was im Wesentlichen daraus resultiert, dass die Zinserhöhungen im variablen Kreditbestand sofort weitergegeben werden konnten, dies auf der Einlagenseite jedoch mit einer gewissen Verzögerung geschieht. Im laufenden Jahr wird der Wert noch weiter ansteigen.
Der Provisionsüberschuss ging um 7,3 Prozent auf 23,5 (21,9) Mio. Euro nach oben. Insbesondere im Rentenhandel konnte der Provisionsertrag laut Dr. Lingel erheblich ausgeweitet werden, nachdem nach Ausbruch des Ukraine-Krieges an den Börsen die Handelsvolumina und die Spannen nach oben gingen. Hier wird im laufenden Jahr eine Normalisierung eintreten. Im Immobilienbereich entwickelten sich die Provisionserträge etwas rückläufig, ebenso im Wertpapierbereich. In den kommenden Jahren erwartet der Firmenchef insbesondere in der Vermögensanlage wieder Zuwächse.
Die Kosten gingen ebenfalls nach oben. Der Personalaufwand erhöhte sich durch die Ausweitung der Mitarbeiterzahl auf 468 (431) Personen um 18 Prozent auf 36,2 (30,7) Mio. Euro. Und noch immer gibt es 30 offene Stellen, die besetzt werden sollen. Die Verwaltungskosten lagen mit 21,8 (18,6) Mio. Euro um 17 Prozent höher. Es wurde laut Dr. Lingel massiv in die Digitalisierung der Abläufe investiert, was erst einmal Geld kostet, später aber Einsparungen bringt. Das Ziel ist es, in Zukunft mehr Geschäft mit der gleichen Mitarbeiterzahl zu generieren.
Zudem ist die Risikovorsorge gewachsen. Nachdem im Vorjahr noch Auflösungen vorgenommen werden konnten, wurde die Risikovorsorge im Geschäftsjahr 2022 um 8,3 Mio. Euro ausgeweitet. Weitere 7,8 (17,6) Mio. Euro wurden dem Fonds für allgemeine Bankrisiken zugeführt. Dr. Lingel hält es für sehr wichtig, die Bilanz auf schwierigere Zeiten vorzubereiten.
Trotz der hohen Investitionen und Ausweitung der Risikovorsorge konnte das Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit um 3,5 Prozent auf 20,5 (19,9) Mio. Euro gesteigert werden, was der Firmenchef so nicht erwartet hatte. Er zeigte sich mehr als zufrieden. Das Ergebnis je Aktie verbesserte sich auf 1,27 (1,18) Euro. Der Vorschlag an die Hauptversammlung lautete, eine unveränderte Dividende von 0,45 Euro auszuschütten.
Vor dem Ausblick richtete Dr. Lingel einige Worte des Dankes an seinen langjährigen Geschäftsleitungskollegen Claus Herrmann, der Ende 2022 in den Ruhestand gegangen ist. Er ist 1999 zur MERKUR PRIVATBANK gekommen, als sie bei einer Bilanzsumme von 360 Mio. Euro noch 90 Mitarbeiter beschäftigt hat. Heute beläuft sich die Bilanzsumme bei 470 Mitarbeitern auf 3,2 Mrd. Euro und Herr Herrmann hatte maßgeblichen Anteil an dieser erfreulichen Entwicklung. Sein Nachfolger in der Geschäftsleitung ist Dr. Andreas Maurer, der über die Fusion mit dem Bankhaus Schilling dazugekommen ist.
Mit dem Start ins laufende Jahr zeigte sich Dr. Lingel ebenfalls zufrieden. Im ersten Quartal waren allerdings die veränderten Marktbedingungen zu spüren. So entwickelte sich das Neugeschäft im Immobilienbereich auf 270 (330) Mio. Euro rückläufig und dies wird auch erst einmal so bleiben, nachdem es aktuell praktisch keine neuen Projekte gibt. Mittelfristig wird nach Überzeugung des Firmenchefs aber auch dieses Geschäft wieder florieren. In den anderen Finanzierungsbereichen war eine solide Entwicklung zu verzeichnen. In der Vermögensanlage konnten bei den Kundengeldern Zuflüsse in Höhe von 130 Mio. Euro verbucht werden.
Der Provisionsüberschuss ging, bedingt vor allem durch ein wieder deutlich ruhigeres Geschäft im Rentenhandel, auf 4,8 (6,4) Mio. Euro zurück. Viele Banken wollen Anleihen, die sie im eigenen Bestand halten, nicht verkaufen, weil sie dann nach dem Zinsanstieg Kursverluste realisieren müssten. Außerdem kam es im Privatkundengeschäft erwartungsgemäß zu einer Normalisierung.
Hingegen war beim Zinsergebnis mit einem Zuwachs von 66 Prozent auf 24,0 (14,4) Mio. Euro und einer Ausweitung der Zinsspanne auf 2,96 (2,15) Prozent eine ganz enorme Entwicklung zu verzeichnen. Dr. Lingel stellte jedoch klar, dass sich diese Werte nicht dauerhaft halten lassen werden. Sobald die Zinsen wieder sinken, wird sich die Marge wieder reduzieren.
Getrieben von dem Sprung beim Zinsergebnis schnellte das Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit im ersten Quartal um 40 Prozent auf 6,6 (4,7) Mio. Euro nach oben - obwohl die Risikovorsorge erneut um 4,5 (1,8) Mio. Euro ausgeweitet wurde. Auch hier wird es, wie Dr. Lingel klarstellte, im Jahresverlauf zu einer gewissen Normalisierung kommen. Das Ergebnis wird im Geschäftsjahr 2023 weiter steigen, aber nicht so stark wie im ersten Quartal.
Für die weitere Zukunft ist Dr. Lingel ebenfalls sehr zuversichtlich. Die MERKUR PRIVATBANK soll weiterhin die Bank sein, die gegen den Strom schwimmt. Sie soll mit ihrer Wertekultur auch in anhaltend herausfordernden Zeiten der feste Anker in der Bankenwelt bleiben. Die MERKUR PRIVATBANK steht für unabhängige Beratung und vertrauensvolle Kundenbeziehungen. Den Grundstein für weiteres Wachstum sieht Dr. Lingel gelegt.
Allgemeine Aussprache
In der folgenden Diskussion sprachen Daniela Bergdolt für die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Daniel Bauer von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) sowie drei Privataktionäre. Alle gratulierten zu dem sehr erfolgreichen Jahr, was in diesem Ausmaß in einem für die Bankenbranche nicht immer einfachen Marktumfeld nicht zu erwarten war. Herr Bauer verwies zusätzlich auf die beeindruckende Langfristperformance. In den letzten zehn Jahren ist die MERKUR PRIVATBANK deutlich größer und stärker geworden.
In Anbetracht der erfolgreiche Geschäftsentwicklung empfanden Frau Bergdolt und Aktionär Stauffenberg die Dividende als niedrig. Die Ausschüttungsquote reduziert sich auf 35 (38) Prozent. Zumindest in Richtung 50 Prozent sollte es nach Meinung der DSW-Vertreterin schon gehen. Herr Bauer hatte mit Blick auf das schwierige Marktumfeld indes ein gewisses Verständnis für die Zurückhaltung. Einem weiteren Aktionär hätte es angesichts der stetig wachsenden regulatorischen Anforderungen sogar besser gefallen, wenn noch mehr Geld einbehalten worden wäre, um das Unternehmen möglichst stark aufzustellen. Viel wichtiger als eine hohe Dividende erachtet er, dass das Unternehmen in der Lage ist, auch das weitere Wachstum aus eigener Kraft zu stemmen.
Wie Dr. Lingel ausführte, gilt es bei der Bewertung der Dividendenhöhe unbedingt zu berücksichtigen, dass das rasante Wachstum immer mit ausreichend Kapital unterlegt werden muss, was eine enorme Herausforderung darstellt. So hat 2009 bei einer Bilanzsumme von 800 Mio. Euro die Kernkapitalquote noch bei 4,5 Prozent gelegen, heute liegt diese Kennzahl infolge der höheren regulatorischen Anforderungen bei einer Bilanzsumme von 3,2 Mrd. Euro bei über 8 Prozent. Darüber hinaus lässt sich derzeit nicht beurteilen, wie es mit der Tilgung im Immobilienbereich weitergeht. Durch die geringeren Abverkäufe strecken sich die Tilgungen, was automatisch zu höheren Krediten führt. In einem solchen Umfeld wäre es nach Überzeugung von Dr. Lingel geradezu unverantwortlich, eine höhere Dividende auszuschütten.
Mehrfach wurde von den Aktionären das deutlich eingetrübte Marktumfeld im Immobilienbereich angesprochen. Das stark steigenden Zinsniveau dürfte sich hier nach Einschätzung von Herrn Bauer zeitverzögert noch stärker negativ auswirken. Frau Bergdolt äußerte die Befürchtung, dass die Bonität der Unternehmen der Branche sich reihenweise verschlechtern dürfte und hohe Ausfälle zu erwarten sind. Die Aktionäre Sem und Stauffenberg zeigten sich alarmiert von der Aussage im Geschäftsbericht, dass die Risikovorsorge im laufenden Jahr auf 18,5 Mio. Euro erheblich ausgeweitet werden soll. Dies würde das Ergebnis massiv belasten.
In seiner Antwort informierte Dr. Lingel, dass sich die MERKUR PRIVATBANK in Anbetracht des höheren Risikos beim Neugeschäft bewusst auf Kunden konzentriert, die schon lange bekannt sind. Im aktuellen Umfeld geht es darum, einschätzen zu können, wie anpassungsfähig die Kreditnehmer sind. Aktuell sucht ein eigens aufgestelltes Mitarbeiterteam das Gespräch mit den Kunden, insbesondere um herauszufinden, wie sie die Liquidität sichern, wenn im nächsten Jahr nichts verkauft werden kann. Bislang sind die Ergebnisse daraus sehr beruhigend. Nachdem es im vergangenen Jahr noch zwei Ausfälle durch Insolvenzen gegeben hat, ist in diesem Jahr bisher keiner mehr dazugekommen. Natürlich kann sich das aber jederzeit ändern. Die Situation ist je nach Region sehr unterschiedlich. Neue Finanzierungen gibt es derzeit praktisch gar nicht mehr.
Betreffend die Risikovorsorge erläuterte Dr. Lingel, dass nach einem Volumen von 8,3 Mio. Euro im Gesamtjahr 2022 im ersten Quartal 2023 bereits weitere 4,5 Mio. Euro verbucht wurden. Zum Teil wurden damit mögliche zu erwartende Risiken vorweggenommen. Im Übrigen stellte der Firmenchef klar, dass es keineswegs der Plan ist, im Gesamtjahr tatsächlich 18,5 Mio. Euro aktiv abzuschreiben. Vielmehr wäre dies das Worst-Case-Szenario. Letztlich geht es darum, zu eruieren, ob eine solche Belastung ohne massiven Ergebniseinbruch bewältigt werden könnte, was im laufenden Jahr insbesondere dank des erheblich höheren Zinsergebnisses problemlos möglich wäre. Das Ziel ist es allerdings, diese Mittel nicht zu verbrauchen, sondern in die Kapitalreserve einzubringen.
Des Weiteren bat Frau Bergdolt um ergänzende Informationen zur Standortpolitik. Sie hatte dem Geschäftsbericht entnommen, dass die MERKUR PRIVATBANK ein Team in Darmstadt übernommen hat. Befragt nach der damit verbundenen Strategie teilte Dr. Lingel mit, dass der Wertpapierbereich weiterhin als Wachstumsfeld gesehen wird. Nachdem im Vorjahr ein Team in Düsseldorf eingeworben werden konnte, konnten nun weitere Mitarbeiter in Darmstadt gewonnen werden. Einen festen Plan hinsichtlich weiterer Übernahmen gibt es nicht. Vielmehr werde man opportunistisch aktiv, wenn sich bei der Marktrecherche ein gutes Team in einer vielversprechenden Region findet.
Aus der Tagesordnung griffen die beiden Aktionärsschützer TOP 7 heraus, unter dem beschlossen werden sollte, dass künftig auch virtuelle Hauptversammlungen abgehalten werden können. Wenn überhaupt, könnte man nach Meinung von Herrn Bauer hier nur zustimmen, wenn in der Satzung festgelegt wird, unter welchen Bedingungen virtuell eingeladen werden darf. Das Gleiche gilt seiner Meinung nach für die Möglichkeit zur virtuellen Teilnahme von Aufsichtsratsmitgliedern an Hauptversammlungen.
In seiner Antwort stellte Dr. Lingel klar, dass mit dieser Beschlussfassung die Möglichkeiten ausgenutzt werden sollen, die der Gesetzgeber vorgeben hat. So soll vermieden werden, dass in ein oder zwei Jahren wieder die gleichen Diskussionen geführt werden müssen. Die Laufzeit soll deshalb bewusst mit fünf Jahren festgelegt werden. Zugleich versicherte der Firmenchef, dass, wenn irgendwie möglich, immer zu Präsenzversammlungen eingeladen werden soll. Weder Vorstand noch Aufsichtsrat haben eine Motivation, die Möglichkeiten auszunutzen.
Überdies wurden verschiedene Bilanzpositionen angesprochen. Gefragt wurde unter anderem nach dem Grund für den erheblichen Anstieg der Forderungen an Kreditinstitute auf 506 (121) Mio. Euro. Dieser deutliche Zuwachs hängt nach Aussage von Dr. Lingel ausschließlich damit zusammen, dass die Bundesbank wieder positive Zinsen für Einlagen bezahlt. Die bei der Bundesbank hinterlegte Liquiditätsreserve wurde deshalb deutlich ausgeweitet, was sich ertragsmäßig sehr positiv ausgewirkt hat.
Dass sich die Provisionserträge im Wertpapierbereich rückläufig entwickeln, war nach Auffassung des SdK-Vertreters in dem schwierigen Börsenumfeld des vergangenen Jahres zu erwarten gewesen. Interessant fand er jedoch die Frage, wie sich die Zahl der Depots entwickelt. Hier konnte Sven Krause als zuständiges Mitglied der Geschäftsleitung mitteilen, dass sich die Depotzahl im Berichtsjahr um 750 auf 10.200 erhöht hat. Bis Ende Mai 2023 konnten bereits weitere 700 gewonnen werden, das Wachstum hat sich also sogar noch verstärkt.
Der Aussage von Dr. Lingel, dass Kundeneinlagen eine wichtige Rolle spielen, um das anhaltende Wachstum mit Kapital zu unterlegen, konnte der Aktionärsschützer nur zustimmen. Nach seiner Kenntnis bieten andere Banken aber teils noch höhere Zinsen, was Kunden zur Abwanderung bewegen könnte.
Dieses Thema betreffend teilte Dr. Lingel mit, dass es nicht die Strategie der MERKUR PRIVATBANK ist, im Zinsvergleich immer auf dem ersten Platz zu stehen. Dies könnte dazu führen, dass man in einem Zeitraum mit Kundengeldern gerade überschüttet wird, diese Mittel aber ebenso schnell wieder abgezogen werden. Derartige Schwankungen sollen vermieden werden. Die MERKUR PRIVATBANK steht für eine dauerhaft gute Bepreisung. Abflüsse in größerem Umfang sind derzeit nicht zu verzeichnen. Natürlich müsse man aber immer auf der Hut sein.
Des Weiteren hatte Herr Bauer im Geschäftsbericht gelesen, dass die MERKUR PRIVATBANK ein Bürogebäude in Bad Neustadt erworben hat. Befragt nach dem Grund informierte Geschäftsleitungsmitglied Dr. Andreas Maurer, dass man sich bewusst für diesen Standort entschieden habe, nachdem sich dort eine schöne Wachstumsperspektive bietet. Bisher waren die Räume dort angemietet. Nachdem ein anderer Mieter ausgezogen war, habe man die Opportunität genutzt und das Gebäude gekauft. Der Kaufpreis belief sich auf 950 TEUR entsprechend einem Faktor von 20, was in dieser Region marktüblich ist.
Interessant fand Herr Bauer ferner die Frage nach der aktuellen Situation im Markt für nachrangige Verbindlichkeiten. In seiner Antwort bestätigte Dr. Lingel die Vermutung des Aktionärsschützers, dass sich das Umfeld in diesem Bereich massiv verschlechtert hat. Tatsächlich ist es derzeit kaum noch möglich, Nachrangkapital einzuwerben. Als Grund nannte er die Vorgänge bei der Credit Suisse, bei der im Zuge der Übernahme alle Nachrangdarlehen gesetzlich gestrichen wurden, was im Markt für einen enormen Vertrauensverlust gesorgt hat. Wenn es überhaupt noch möglich wäre, müsste man aktuell sicherlich 10 Prozent oder mehr bezahlen. Trotzdem hält es Dr. Lingel für denkbar, dass in Zukunft Nachrangkapital ausgegeben wird, nachdem die Rendite für die Aktionäre höher ist.
Aktionär Stauffenberg hinterfragte die steuerliche Situation, die er anhand der veröffentlichten Zahlen nicht recht nachvollziehen konnte. Die von ihm gewünschte Nennung der rechnerischen Steuerquote konnte Dr. Lingel nicht liefern. Wie er darlegte, werden im Bankbereich viele handelsrechtliche Buchungen steuerrechtlich nicht anerkannt. Ebenso ist die Risikovorsorge nicht komplett absetzbar. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass, wenn die Steuerquote hoch ist, Rücklagen gebildet oder Aufwendungen getätigt wurden, die steuerlich nicht angesetzt werden können.
Weiterhin bat Herr Bauer um ergänzende Ausführungen zu TOP 8, wo die Billigung einer höheren variablen Vergütung als 100 Prozent der fixen Vergütung für Beschäftigte im Bereich Rentenhandel vorgeschlagen war. Diese Beschlussfassung ist laut Dr. Lingel erforderlich, um die Regelungen an den Markt anzupassen. Es geht eher um eine Bereinigung.
Zum Hintergrund des vorgeschlagenen Wechsels des Abschlussprüfers von der KPMG AG zur Deloitte GmbH informierte Dr. Maurer, dass es sich bei der MERKUR PRIVATBANK um eine sogenannte Gesellschaft des öffentlichen Interesses handelt. Gemäß der Abschlussprüferverordnung ist damit zwingend vorgeschrieben, dass regelmäßig alle zehn Jahre der Abschlussprüfer gewechselt werden muss.
Abstimmungen
Vor Eintritt in die Abstimmungen verkündete Herr Friedhofen die Präsenz. Zu diesem Zeitpunkt waren auf der Hauptversammlung 5.983.703 Aktien vertreten. Bezogen auf das gesamte Grundkapital von 19.913.600 Euro, eingeteilt in 7.778.750 Aktien, entsprach dies einer Quote von 76,92 Prozent.
Alle Beschlüsse wurden einstimmig oder nahezu einstimmig gefasst.
Im Einzelnen waren dies die Feststellung des Jahresabschlusses (TOP 2), die Dividende von 0,45 Euro (TOP 3), die Entlastung der persönlich haftenden Gesellschafter (TOP 4) und des Aufsichtsrats (TOP 5), die Wahl der Deloitte GmbH zum Abschlussprüfer (TOP 6), die Änderung der Satzung zur Ermöglichung virtueller Hauptversammlungen (TOP 7) sowie die Billigung einer höheren variablen Vergütung als 100 Prozent der fixen Vergütung für Beschäftigte im Bereich Rentenhandel (TOP 8).
Gegen 13:30 Uhr schloss der Vorsitzende die Versammlung.
Fazit
Die MERKUR PRIVATBANK KGaA hat das Geschäftsjahr 2022 in einem für die Branche nicht immer einfachen Marktumfeld erfolgreich abgeschlossen. Alle wesentlichen Kennzahlen konnten weiter verbessert werden. Im Kreditneugeschäft war erneut eine deutliche Steigerung zu verzeichnen und auch in der Vermögensanlage geht es voran. Beeindruckend ist insbesondere die rasant wachsende Zahl der betreuten Depots. Die Vermögensanlage ist und bleibt für die Münchner ein attraktives Wachstumsfeld.
Zins- und Provisionsergebnis verbesserten sich deutlich. Die Kosten gingen allerdings ebenfalls nach oben, insbesondere weil in Vorbereitung auf das weitere Wachstum kräftig in die Infrastruktur investiert und neue Mitarbeiter eingestellt wurden. Zudem wurde die Risikovorsorge ausgeweitet. Dennoch verbesserte sich das Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit um 3,5 Prozent und das Ergebnis je Aktie ging auf 1,27 (1,18) Euro nach oben. Um ausreichend Kapital für das weitere Wachstum zur Verfügung zu haben, beschloss die Hauptversammlung „nur“ eine unveränderte Dividende von 0,45 Euro. Auch dies bedeutet jedoch eine Rendite von fast 3 Prozent.
Noch beeindruckender verlief das erste Quartal 2023. Das Neugeschäft im Immobilienbereich entwickelte sich erwartungsgemäß rückläufig. In den anderen Finanzierungsbereichen und der Vermögensanlage war die Entwicklung aber solide. Der rückläufige Provisionsüberschuss konnte durch einen Sprung von 66 Prozent beim Zinsergebnis mehr als ausgeglichen werden. Es zeigt sich deutlich, dass die Zinswende für die MERKUR PRIVATBANK kein Problem, sondern eine Chance darstellt. Das Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit schnellte um 40 Prozent auf 6,6 Mio. Euro nach oben, obwohl die Risikovorsorge noch einmal verstärkt wurde.
Im weiteren Jahresverlauf wird sich die Entwicklung relativieren. Im Immobilienbereich hat sich das Umfeld inzwischen erheblich eingetrübt. Größere Risiken sind allerdings nicht zu erkennen, nachdem die Kreditnehmer immer eng begleitet werden und in erheblichem Umfang vorgesorgt wurde. Wie das Ergebnis im laufenden Jahr letztlich ausfällt, lässt sich in dem sich rasant verändernden Marktumfeld kaum prognostizieren. Nach dem sehr erfolgreichen Start erscheint ein Ergebnis je Aktie von zumindest 1,40 Euro, vielleicht auch mehr, aber realistisch. Die Aktie, die nach wie vor weit unter ihrem Substanzwert notiert, bleibt ein hochinteressantes Investment.
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Hinweis: Der Verfasser hält Aktien der beschriebenen Gesellschaft.