Am 29. Juli 2022 fand die ordentliche Hauptversammlung der infas Holding AG für das Geschäftsjahr 2021 statt. Wie bereits in den Vorjahren hielt die Gesellschaft ihr Aktionärstreffen in rein virtueller Form ab. Rein operativ verzeichnete infas Holding eine hervorragende Geschäftsentwicklung. Für GSC Research berichtet Thorsten Renner über den Verlauf der Hauptversammlung.
Der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Oliver Krauß eröffnete die Hauptversammlung pünktlich um 11 Uhr und begrüßte die teilnehmenden Aktionäre sowie die persönlich anwesenden Vorstandsmitglieder. Dr. Krauß wies auch auf den Wechsel im Vorstand hin. Nach Abhandlung der Formalien übergab Dr. Krauß das Wort an den Vorstandsvorsitzenden Menno Smid.
Bericht des Vorstands
Herr Smid begrüßte die teilnehmenden Aktionäre nur kurz und reichte dann das Wort an Frau Dr. Nehmeyer-Srocke, die sich den Aktionären kurz vorstellte. Nach Aussage von Herrn Smid entwickelte sich die infas Gruppe im vergangenen Jahr sehr gut und konnte dabei die Ziele übererfüllen. Der Umsatz stieg deutlich gegenüber dem Vorjahr, lag aber ebenfalls klar über dem Vorkrisenniveau. Entsprechend habe die Gesellschaft die Krise sehr gut überwunden.
Das EBIT erreichte eine neue Rekordhöhe und auch die Marge entwickelte sich sehr erfreulich. Aufgrund von Rückstellungen konnte das EBIT von fast 6 Mio. Euro jedoch nicht in dieser Höhe ausgewiesen werden. Die Rückstellungen waren wegen neuer Entwicklungen im schon länger zurückliegenden Streit mit der Deutschen Rentenversicherung erforderlich. Aus kaufmännischen Gründen war man gezwungen, diese Rückstellung zu bilden, erklärte Herr Smid. Der Vergleich ist nun rechtsgültig abgeschlossen und war kaufmännisch sinnvoll. Hierbei ging es um die Überführung der Interviewer von der freien Mitarbeit in die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Dies sei aktuell ebenfalls abgeschlossen.
Als Treiber der positiven Entwicklung fungierte das infas-Institut. Trotz der Corona-Pandemie erbrachte das Institut ein hervorragendes Ergebnis. Dabei wurden auch neue Methoden entwickelt und man habe einen Beitrag zur Überwindung der Corona-Krise durch die Bereitstellung von Daten geliefert. Aber auch die Tochtergesellschaft infas 360 schaffte es, mit wissenschaftlich basierten Daten Geschäft im öffentlichen Sektor zu generieren und damit den Umsatz zu steigern und einen Gewinn zu erwirtschaften. Auch die Tochtergesellschaft habe zur Datenanalyse in der Corona-Pandemie einen Beitrag geleistet.
Dagegen war der Geschäftsbereich infas LT negativ von der Covid-19-Pandemie betroffen, berichtete Herr Smid. Hier konnte der Vertrieb in der bisherigen Form nicht mehr stattfinden. Trotzdem lieferte auch diese Gesellschaft robuste Zahlen ab. Die Tochtergesellschaft infas quo erzielte erstmals seit der Gründung im Jahr 2017 ein positives EBIT bei kontinuierlichem Umsatzwachstum. Insgesamt habe die gesamte infas Gruppe eine hohe Resilienz gezeigt.
Allerdings machte Herr Smid auch Risiken für die weitere Entwicklung der Gesellschaft aus. Durch die noch nicht beendete Pandemie ist der Krankenstand hoch und es sei äußerst schwierig, geeignete Fachkräfte zu rekrutieren. Auch ein Ende des Kriegs in Europa sei noch nicht absehbar. Die explodierenden Energiepreise führen zu einer wachsenden Verunsicherung, was sich auch auf das Konsumverhalten auswirkt. Dadurch ergeben sich jedoch auch neue Aufgaben für die Marktforschung, meinte der Vorstandsvorsitzende.
Insgesamt stellen die Krisenzeiten für die infas Gruppe Chance und Risiko dar. Das veränderte Konsumverhalten führt dazu, dass Unternehmen andere Daten benötigen, was Chancen für infas eröffnet. Der Staat muss dagegen divergierende Ziele verfolgen, woraus Chancen und Risiken für die infas Gruppe resultieren, so Herr Smid. Allerdings steige der Forschungsbedarf und man leide in Deutschland an einem notorischen Datenmangel.
Frau Dr. Nehmeyer-Srocke erläuterte danach eingehender die Zahlen des vergangenen Jahres. Demnach stieg der Umsatz um 38,4 Prozent auf 40,9 Mio. Euro. Aber auch gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 legte der Umsatz um 16,9 Prozent zu. Das EBIT belief sich dabei aufgrund der Sonderbelastung nur auf 0,1 Mio. Euro. Ohne den Effekt der Prozesskostenrückstellung lag das EBIT bei 6,0 Mio. Euro, was gegenüber den Vorjahren mehr als eine Verdopplung bedeutet.
Die Materialaufwandsquote lag im vergangenen Jahr sogar etwas unter dem Niveau des Jahres 2019. Mit 16,1 Mio. Euro lag die Quote bezogen auf den Umsatz im Jahr 2021 bei 39,4 Prozent. Im Pandemiejahr 2020 war der Materialaufwand äußerst niedrig und somit auch die Quote gering. 2019 belief sich die Quote dagegen auf 41,7 Prozent. Aufgrund der Pandemie konnten 2020 nicht alle Aufgaben plangemäß durchgeführt werden, so dass es zu Verschiebungen in das Folgejahr 2021 kam, informierte Frau Dr. Nehmeyer-Srocke.
Das infas-Institut erzielte ein Umsatzwachstum von 45,1 Prozent auf 35,0 Mio. Euro. Auch gegenüber 2019 erhöhten sich die Erlöse um 17,8 Prozent. Das EBIT lag bei 1,5 Mio. Euro. Bereinigt um den Sondereffekt belief sich das EBIT auf 5,7 Mio. Euro, was gegenüber dem Vorjahr von 3,7 Mio. Euro einen deutlichen Anstieg bedeutete. Das offene Auftragsvolumen zum 30. Juni 2022 bezifferte Frau Dr. Nehmeyer-Srocke auf rund 103 Mio. Euro.
Die Prozesskostenrückstellung musste zum Jahresende 2021 von 1,3 auf 7,6 Mio. Euro erhöht werden. Dadurch erzielte das Institut handelsrechtlich keinen Gewinn, sondern einen kleinen Verlust von 0,4 Mio. Euro, der durch die Holding übernommen wurde. Angesichts dessen sank auch die variable Vergütung der Geschäftsführung um 315 TEUR. Bei infas 360 gab es 2020 nur einen kleinen Einbruch und im vergangenen Jahr stiegen die Umsatzerlöse um 27,5 Prozent auf 2,1 Mio. Euro. Das EBIT lag erneut bei 0,1 Mio. Euro. Die Entwicklung lasse nach Ansicht von Frau Dr. Nehmeyer-Srocke hoffen, dass dort nachhaltig profitable Zahlen erwirtschaftet werden.
Bei infas LT kam es im vergangenen Jahr zu einem Umsatzrückgang um 7,0 Prozent auf 2,0 Mio. Euro, nachdem im Vorjahr aber noch ein leichter Zuwachs auf 2,2 Mio. Euro erzielt werden konnte. Auch das EBIT blieb in allen Jahren positiv und lag 2021 bei 0,3 Mio. Euro. Der Umsatzzuwachs bei infas quo belief sich auf 10,5 Prozent entsprechend einem Wert von 1,8 Mio. Euro. Gegenüber 2019 legte der Umsatz um 20,7 Prozent zu. Mit 0,1 Mio. Euro konnte im vergangenen Jahr erstmals ein positives EBIT ausgewiesen werden, so Frau Dr. Nehmeyer-Srocke.
Wie sie weiter berichtete, wurden die Pensionsrückstellungen zum Jahresende 2021 mit 6,2 Mio. Euro bilanziert. Durch den deutlichen Zinsanstieg wird sich diese Position zum Halbjahr auf etwa 4,4 Mio. Euro verringern. Zum Jahresende lag der verwendete Zinssatz bei 1,05 bis 1,20 Prozent, zum Halbjahr werde man einen Wert von 3,25 Prozent verwenden. Allerdings hat diese Verringerung keinerlei Auswirkungen auf das EBIT, betonte Frau Dr. Nehmeyer-Srocke. In der Steuerbilanz beläuft sich der anzusetzende Betrag auf 2,6 Mio. Euro. Die Prognose für das vergangene Jahr von 35 bis 38 Mio. Euro wurde mit 40,9 Mio. Euro deutlich übertroffen. Ohne den Sondereffekt beim EBIT hätte die Gesellschaft ebenfalls die prognostizierte Steigerung erreicht.
Für 2022 habe man sich sehr ambitionierte Ziele gesetzt, erklärte Herr Smid. Dabei soll der Umsatz auf 41 bis 47 Mio. Euro zulegen. Das EBIT soll dabei leicht oberhalb des Wertes aus 2019 von 2,9 Mio. Euro liegen. Nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden will infas weiter organisch und anorganisch wachsen. Auf jeden Fall werde man noch stärker auf die Digitalisierung setzen. Dazu werde die Gesellschaft neue Produkte und Prozesse entwickeln. Unterstrichen wird dies durch den Umzug des infas-Instituts in ein neues Gebäude mit Elementen von "New Work".
Beantwortung der eingereichten Fragen
Vor dem Eintritt in die Fragerunde erstattete Dr. Krauß den Bericht des Aufsichtsrats. Anschließend stellte sich Frau Dr. Jäckle-Mittnacht kurz per Video als Aufsichtsratskandidatin vor. Mehrere Aktionäre sprachen den Vergleich mit der Deutschen Rentenversicherung an. Wie Herr Smid mitteilte, hat die Annahme des Vergleichsvorschlags stattgefunden. Das Verfahren ist in der Hauptsache damit erledigt.
Thematisiert wurde auch der Ansatz der Pensionsrückstellungen vor dem Hintergrund der Zinsentwicklung. Laut Frau Dr. Nehmeyer-Srocke beliefen sich die Rückstellungen zum Jahresende auf 6,2 Mio. Euro und in der Steuerbilanz von 2,6 Mio. Euro. Zum 30. Juni lag der Ansatz bei einem Zinssatz von 3,25 Prozent bei 4,4 Mio. Euro. Sie ging im weiteren Jahresverlauf von weiter steigenden Zinsen aus. Die Verringerung des Ausweises habe jedoch keinerlei Einfluss auf das EBIT.
Hinterfragt wurden auch die variablen Bezüge von Herrn Smid, die laut Vorstandsangabe ohne die Prozesskostenrückstellung 315 TEUR höher ausgefallen wären. In diesem Rahmen verwies Frau Dr. Nehmeyer-Srocke auch auf den Vergütungsbericht. Für 2021 habe Herr Smid eine Festvergütung inklusive Nebenleistungen von 367 TEUR erhalten. Zudem wurde ein Betrag von 595 TEUR als kurzfristige variable Vergütung zurückgestellt. Der Betrag komme nach Feststellung des Jahresabschlusses zur Auszahlung. Eine langfristige Vergütung wurde im vergangenen Jahr nicht zugewiesen.
Angesprochen auf ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm meinte Frau Dr. Nehmeyer-Srocke, dass man dies zwar wieder aufgegriffen hat, die Umsetzung jedoch sehr teuer ist. Interesse bekundete ein Aktionär auch an den Beiträgen des SOEP-Projekts. Bei diesem Projekt ist mit Umsätzen zwischen 8 bis 10 Mio. Euro per anno zu rechnen, erklärte Herr Smid. Die Marge soll dabei zwischen 15 und 20 Prozent liegen, was 2021 auch erreicht wurde.
Hinsichtlich der Frage nach den Zahlen für das erste Halbjahr 2022 lagen dem Vorstand noch keine konkreten Zahlen vor. Eine weitere Frage betraf Einzelwertberichtigungen auf Forderungen, die jedoch lediglich bei einer Tochtergesellschaft anfielen und im vierstelligen Bereich lagen. Hinsichtlich der Wachstumsstrategie führte Herr Smid aus, diese wird in der jetzigen Zusammensetzung des Vorstands noch konkretisiert und mit dem Aufsichtsrat abgestimmt.
Zur Frage nach der Dividendenpolitik erklärte der Vorstand, diese werde in aller Regel mit den Großaktionären abgestimmt. Im Hinblick auf die Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung erklärten die Verantwortlichen, die Entscheidung musste bereits im März getroffen werden. Zudem war nicht klar, ob sich die Bestimmungen zur Abhaltung einer Veranstaltung wieder ändern. Angesichts der Infektionslage habe sich die Entscheidung als richtig erwiesen.
Befragt nach möglichen negativen Entwicklungen durch Corona im laufenden Jahr machte Herr Smid sowohl Chancen als auch Risiken aus. Negative Einflüsse auf Umsatz und Ergebnis seien nicht von vornherein auszuschließen. Probleme sah er vor allem in der Weitergabe inflationärer Preise, da meist langfristige Verträge abgeschlossen wurden. Ergänzend zum Rechtsstreit teilte der Vorstand mit, das Verfahren wurde an eine neue Kammer überwiesen, die klare Signale in Richtung eines Kompromisses sendete, daher habe sich der Vorstand für eine kaufmännische Lösung entschieden.
Informationsbedarf bestand hinsichtlich der Neubestellung des Finanzvorstands. Der Aufsichtsrat beschäftigte sich laufend mit der Arbeit des Vorstands, deshalb sei ein genauer Termin, wann die Debatte um die Besetzung begann, nur schwer zu bestimmen. Die Entscheidung zur Bestellung von Frau Dr. Nehmeyer-Srocke wurde Ende Juli vom Aufsichtsrat getroffen, informierte der Vorstandsvorsitzende.
Nähere Ausführungen erbat Herr Hechtfischer zur Steigerung des Materialaufwands. Wie Frau Dr. Nehmeyer-Srocke berichtete, setzt sich der Materialaufwand aus den Kosten der Interviews zusammen. Der Materialaufwand habe sich gut entwickelt, es mussten aber 2021 noch Aufgaben aus 2020 abgearbeitet werden. Den Anstieg der variablen Vergütung von Herrn Smid führte der Vorstand auf die sehr gute Umsatzentwicklung im Konzern zurück.
Ein Aktionär interessierte sich für die erwarteten Erträge aus Covid-Projekten im Jahr 2022. Ein Projekt mit dem RKI im Rahmen des SOEP-Projekts wurde 2022 abgeschlossen. Auch die Corona-Plattform wird mit Daten von infas 360 bestückt. Im Hinblick auf die Gewinnung neuer Mitarbeiter sei die Lage angespannt. Immerhin ist die Fluktuation weiter gering, betonte Herr Smid. Das Umsatzwachstum ist jedoch nur mit mehr Personal zu erzielen. Befragt nach einem möglichen Übernahmeinteresse der infas Holding AG erklärte Herr Smid, dass es keinerlei Anfragen gab.
Abstimmungen
Nach dem Ende der Fragerunde leitete Dr. Krauß zu den Abstimmungen über. Vom Grundkapital der Gesellschaft in Höhe von 9 Mio. Euro waren 7.238.016 Euro entsprechend 80,24 Prozent vertreten. Die Beschlüsse wurden weitgehend bei wenigen Gegenstimmen im Sinne der Verwaltung gefasst. Lediglich bei der vorgeschlagenen Gewinnverwendung gab es 35,24 Prozent Neinstimmen.
Beschlossen wurden die Ausschüttung einer Dividende von 0,05 Euro je Aktie (TOP 2), die Entlastung von Vorstand (TOP 3) und Aufsichtsrat (TOP 4), die Wahl von Frau Dr. Jäckle-Mittnacht in den Aufsichtsrat (TOP 5) sowie die Wahl von Ebner Stolz zum Abschlussprüfer (TOP 6).
Gegen 13:05 Uhr konnte Dr. Krauß die Hauptversammlung wieder beenden.
Fazit und eigene Meinung
Die infas Holding AG schloss das vergangene Geschäftsjahr sehr erfolgreich ab. Umsatz und operatives Ergebnis verbesserten sich deutlich. Allerdings verhagelten die Rückstellungen im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit mit der Deutschen Rentenversicherung den tatsächlichen Ergebnisausweis. Auch wenn dies nun eine starke Ergebnisbelastung mit sich brachte, ist das Thema nun endgültig erledigt.
Für das laufende Geschäftsjahr plant die Gesellschaft eine weitere Umsatzsteigerung auf 41 bis 47 Mio. Euro. Immerhin verfügt infas über ein stattliches offenes Auftragsvolumen von mehr als 100 Mio. Euro, das sich jedoch über mehrere Jahre verteilt. Ansonsten sieht der Vorstand im aktuell schwierigen Umfeld sowohl Chancen als auch Risiken. Insgesamt scheint die Gesellschaft gut gerüstet, auch in Zukunft respektable Ergebnisse zu erwirtschaften, die weiteres Kurspotenzial eröffnen.
Kontaktadresse
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