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HV-Bericht sino AG - Dividende von 56 Euro bei Aktienkurs von 80 Euro dürfte in die Börsengeschichte eingehen

Die sino AG hatte für den 28. Juli 2022 zur Hauptversammlung mit Vorlage des Jahresabschlusses 2020/21 (bis 30. September) eingeladen. Das Treffen fand als Präsenzveranstaltung in der Messe in Düsseldorf statt. Für alle Interessierten wurde die gesamte Veranstaltung aber auch als Livestream im Internet übertragen. Vor Ort in Düsseldorf hatten sich etwa 60 Aktionäre und Gäste eingefunden, darunter Matthias Wahler für GSC Research.

Der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Marcus Krumbholz eröffnete die Versammlung um 11 Uhr und teilte mit, dass der Vorstand mit den Herren Ingo Hillen und Karsten Müller vollzählig anwesend ist. Vom seit der letztjährigen Hauptversammlung neu besetzten Aufsichtsrat war Rabea Bastges verhindert. Das Protokoll führte Notar Dr. Henryk Haibt.

Nach Abhandlung der Formalien informierte Dr. Krumbholz über die Tagesordnung. In diesem Zusammenhang teilte er mit, dass über die TOP 8c, die Erweiterung des Unternehmensgegenstands um die Gewährung von Darlehen an andere für die Durchführung von Wertpapierdienstleistungen, sowie TOP 9, die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien, nicht abgestimmt werden soll.

Im Übrigen verwies er auf die freiwillige Stimmrechtsbeschränkung der Aktionärin HSBC. Im Rahmen eines Entherrschungsvertrages hat sie sich verpflichtet, bei den Abstimmungen ihr Stimmrecht auf maximal 45 Prozent des anwesenden Kapitals zu beschränken bzw. nicht mit abzustimmen, um dem Eindruck entgegenzuwirken, sie verfüge über die Hauptversammlungsmehrheit.

Nach diesen Erläuterungen und einigen ergänzenden Anmerkungen zum Bericht des Aufsichtsrats übergab Dr. Krumbholz das Wort an den Vorstand.


Bericht des Vorstands

Der Vorstandsvorsitzende und Unternehmensgründer Ingo Hillen startete seinen Vortrag mit einem Blick auf die Kursentwicklung der sino-Aktie, die am 1. Oktober 2020 mit einem Kurs von 15,70 Euro ins Geschäftsjahr 2020/21 gestartet ist. Am Tag der Hauptversammlung lag die Notierung nun bei 81 Euro. Mit dieser überaus positiven Performance zeigte er sich sehr zufrieden.

Herr Hillen fuhr fort mit einem Überblick über die Entwicklung in den einzelnen Quartalen der Berichtsperiode. Der Start verlief gleich sehr positiv. Im ersten Quartal, also im Zeitraum Oktober bis Dezember 2020, lag die Zahl der ausgeführten Orders mit 333.000 um 177 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum. Das Ergebnis vor Steuern (EBT) erreichte 1,24 Mio. Euro, nach Steuern (EAT) waren es 844 TEUR.

Noch besser lief es im zweiten Quartal, in welches das „Gamestop-Event“ und insgesamt die heißen Spekulationen mit sogenannten Meme-Stocks fielen. In diesem Zeitraum wurden insgesamt 438.000 Orders abgewickelt, was gegenüber dem schon hohen Vorjahreswert noch einmal eine Steigerung von 34 Prozent bedeutete. Im Peak wurden allein im Januar 165.000 Orders abgewickelt. Das EBT erreichte 2,20 Mio. Euro, das EAT lag bei 1,11 Mio. Euro.

Im dritten Quartal kam es mit 262.000 ausgeführten Orders zu einer gewissen Beruhigung. Dennoch bewegten sich EBT und EAT mit 485 TEUR bzw. 355 TEUR auf einem hohen Niveau. Im vierten Quartal wurden mit 201.000 Orders noch etwas weniger ausgeführt. Dennoch blieb das Geschäft mit einem EBT von 131 TEUR und einem EAT von 68 TEUR profitabel. Das Ergebnis war jedoch nicht vergleichbar mit dem Rekordwert aus dem zweiten Quartal.

Im Gesamtjahr stieg die Zahl der ausgeführten Orders um 19 Prozent auf 1,23 (Vorjahr: 1,04) Millionen. Insbesondere erhöhten sich die margenstärkeren Aktien-Trades um 26 Prozent auf 1,18 (0,93) Millionen. Die Futures-Trades blieben mit einem Plus von 8 Prozent auf 113.000 (105.000) weit dahinter zurück. Die Zahl der Depots entwickelte sich auf 322 (345) weiter rückläufig. Depotschließungen gab es laut Herrn Hillen aber wie in den Vorjahren weit überwiegend bei inaktiven oder nahezu inaktiven Depots.

Rein operativ, also ohne Berücksichtigung der Ausschüttung der sino Beteiligungen GmbH, wurde im Geschäftsjahr 2020/21 ein EBT von 4,1 Mio. Euro erwirtschaftet. Maßgeblich beruht dieser Erfolg auf der sehr starken Entwicklung im ersten und zweiten Quartal.

Ganz wesentlich geprägt war das Ergebnis vom Verkauf von Anteilen an der Trade Republic Bank GmbH gewesen. Daraus resultierten Zuschreibungen zu Beteiligungen in Höhe von 143 Mio. Euro. Die Nettoerträge des Konzerns erhöhten sich infolgedessen sehr deutlich auf 156,8 (22,1) Mio. Euro. Der Konzernjahresüberschuss wird mit 139,4 (13,9) Mio. Euro ausgewiesen.

In diesem Zusammenhang rief Herr Hillen in Erinnerung, dass sino vor drei Jahren 3 Mio. Euro in Trade Republic investiert hat. Stand heute ergibt sich aus den realisierten Verkäufen und dem Buchwert der verbliebenen Beteiligung auf Basis der letzten Kapitalerhöhung ein Wert von 250 Mio. Euro, was der Vorstand als bemerkenswertes Ergebnis ansieht. Die teils zu hörende Kritik, dass man die Transaktion auch noch besser hätte strukturieren können, kann Herr Hillen mit Blick darauf nicht wirklich nachvollziehen.

Weiter teilte der Vorstand mit, dass der Hauptversammlung vor dem Hintergrund der enormen Gewinne aus den Anteilsverkäufen an der Trade Republic GmbH die Zahlung einer Dividende von 56 Euro vorgeschlagen wird. Und es ist beabsichtigt, auch künftig einen Großteil des Jahresüberschusses als Dividende auszuschütten.

Sodann kam Herr Hillen auf das laufende Jahr zu sprechen. Im ersten Quartal, also im Zeitraum Oktober bis Dezember 2021, lag die Zahl der ausgeführten Orders mit 243.000 um 27 Prozent unter dem hohen Vorjahreswert, aber in etwa auf dem Niveau der Vorquartale. Das EBT erreichte 787 TEUR, auf Basis des EAT waren es 524 TEUR. Das zweite Quartal lag mit 289.000 (438.000) ausgeführten Orders, einem EBT von 497 TEUR und einem EAT von 395 TEUR etwas darunter.

Im ersten Halbjahr wurde mit einem EBT von 1,28 Mio. Euro ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Der Vorstand stellte jedoch klar, dass es in der zweiten Jahreshälfte weniger werden wird. Im dritten Quartal lagen die Tradezahlen deutlich niedriger. Neben dem Sommerloch führen derzeit auch die deutlich rückläufigen Aktienmärkte zu einem geringeren Handelsvolumen an den Börsen, was sich entsprechend auswirkt.

Im Folgenden verschaffte der Vorstand den Aktionären einen Überblick über die Beteiligungen, die sich derzeit im Portfolio befinden. Zunächst ist dies die tick-TS AG, die sich als Softwareanbieter auf die Entwicklung von Börsen- und Handelssystemen spezialisiert. An diesem Unternehmen ist sino schon sehr lange beteiligt. Nach mehreren Verkäufen sind es aktuell noch rund 115.000 Aktien entsprechend einer Beteiligungsquote von 5,7 Prozent.

Neu im Depot befindet sich eine Beteiligung an der QUIN Technologies GmbH, die mit „getquin“ ein soziales Netzwerk für Investoren und alle, die es noch werden möchten, betreibt. Im Juni 2022 konnte das Unternehmen eine Finanzierungsrunde mit einem Gesamtvolumen von 15 Mio. US-Dollar abschließen, bei der auch neue renommierte Investoren wie Portage Ventures und Horizon Ventures gewonnen wurden. Nach dieser Finanzierungsrunde liegt die Beteiligung von sino bei rund 11,1 Prozent.

Investiert wurde ferner in das Fintech-Start-up Sub Capitals GmbH, das künstliche Intelligenz am Kapitalmarkt in der Breite zugänglich machen will. Das Unternehmen hat einen Algorithmus entwickelt, der mit künstlicher Intelligenz beispielsweise in den DAX investiert. Seit Dezember 2021 läuft eine Simulation mit Echtgeld und die Performance seither ist leicht positiv, was im Vergleich zum DAX ein sehr gutes Ergebnis ist. Der Produkt-Launch soll mit der geplanten Seed-Finanzierungsrunde noch in diesem Jahr vollzogen werden.

Die Captiq GmbH ist laut Herrn Hillen eine Plattform, die die Vergabe von Darlehen an Kammerberufler, also beispielsweise Architekten und Rechtsanwälte, digital deutlich vereinfacht und erheblich beschleunigt. Die Kredite, die sich in der Regel in einer Größenordnung zwischen 10 TEUR und 250 TEUR bewegen, können innerhalb weniger Stunden vergeben werden. Das Unternehmen kooperiert mit MLP. Sino ist mit rund 4 Prozent an Captiq beteiligt.

Das wesentliche Asset ist aber nach wie vor die Trade Republic GmbH, an der sino zum Bilanzstichtag noch mit 8,76 Prozent bzw. mit einem wirtschaftlichen Anteil von 2,78 Prozent beteiligt war. In den letzten Jahren legte das Unternehmen den Fokus auf die internationale Expansion. Zuletzt konnten erfolgreiche Markteintritte in Italien, Spanien und den Niederlanden realisiert werden. Weitere Länder der Eurozone sollen noch in diesem Jahr folgen.

Ein Meilenstein war bei Trade Republic nach Angabe von Herrn Hillen im Mai 2021 der Abschluss einer Finanzierungsrunde mit einem Gesamtvolumen von rund 700 Mio. Euro unter Führung von Sequoia, einem der weltweit führenden Venture-Capital-Investoren. Die Post-Money-Bewertung belief sich damals auf etwas mehr als 4 Mrd. Euro.

Im Juni 2022 wurde dann eine Erweiterung dieser Finanzierungsrunde beschlossen, diesmal unter Führung des Ontario Teachers Pension Plan (OTPP), einem der größten Investoren weltweit. OTPP und bestehende Investoren haben rund 250 Mio. Euro investiert auf einer Post-Money-Bewertung von 5 Mrd. Euro. Wie Herr Hillen anfügte, war die zeitliche Überschneidung der wesentliche Grund dafür, dass die ursprünglich für den 31. Mai 2022 einberufene Hauptversammlung verschoben wurde.

An dieser Stelle übernahm Vorstandsmitglied Karsten Müller. Er präsentierte zunächst einige Schlagzeilen aus der jüngeren Vergangenheit, die die Erfolgsgeschichte von Trade Republic dokumentieren. Er selbst und Andreas Willius sind im laufenden Jahr als Geschäftsführer bei Trade Republic ausgeschieden. Als Nachfolger wurden Andreas Torner und Gernot Mittendorfer bestellt, die beide über langjährige Erfahrung in großen Bankhäusern verfügen.

Als primäres Projekt des laufenden Jahres für die sino AG benannte Herr Müller die Umsetzung der Kooperation mit der Baader Bank. Das Ziel ist es, das Kerngeschäft deutlich auszubauen und die Kundenzahl in den nächsten Jahren zu verdoppeln. In der bisherigen Aufstellung war dies nicht möglich. Unter anderem war die Kontoeröffnung beim bisherigen Partner HSBC zu aufwändig gewesen. Vorteilhaft sind auch die Reduzierung des Mindestanfangskapitals für Kunden von 250 TEUR auf 50 TEUR und die Möglichkeit der Kontoeröffnung für Heavy Trader aus anderen Ländern.

Insgesamt erwartet sich Herr Müller von der Kooperation mit der Baader Bank eine deutliche Stärkung des Kerngeschäfts sowie mehr Flexibilität im Produkt- und Preisangebot für bestehende und neue Kunden. Die Kooperation dient auch dem Erhalt und der Verbesserung des Produkt- und Serviceangebots. Beispielsweise ist vorgesehen, den Kunden künftig auch Kryptohandel anzubieten.

Geplant ist außerdem die Lizenzerweiterung zur Wertpapierhandelsbank. Zum einen geht es um das Finanzkommissionsgeschäft, also die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung. Außerdem soll der Eigenhandel, also die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere in die Satzung mit aufgenommen werden. Herr Müller sieht unter anderem die Möglichkeit, im Rahmen der Wertpapierleihe, Dienstleistungen für die Kunden erbringen zu können. Klassischer Eigenhandel ist nicht geplant.

Auch aus strategischen Erwägungen macht es nach Überzeugung von Herrn Müller Sinn, die Gesellschaft mit der Lizenzerweiterung in ihrem Kerngeschäft, auch unter Berücksichtigung der Kooperation mit der Baader Bank, rechtlich auf eine breitere Basis zu stellen. Erfahrungsgemäß sind Erlaubnisanträge bei der Umsetzung von Innovationen der Engpass. Mit der Erweiterung können Innovationen künftig schneller umgesetzt werden. Die Lizenzerweiterung dient dem Ziel, die Flexibilität zu erhöhen und das bisherige Dienstleistungsspektrum zu erweitern.

Herr Müller schloss mit der Prognose für das laufende Jahr, die unverändert Bestand hat. Auf Basis des Konzerns erwartet er im Geschäftsjahr 2020/21 einen Gewinn nach Steuern zwischen 0,2 und 1,3 Mio. Euro. Er kündigte zudem an, dass es künftig eine detailliertere Berichterstattung geben wird, um den Wert des Brokerage-Geschäfts deutlicher zu machen.


Allgemeine Aussprache

In der folgenden Aussprache traten Andreas Massek von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), Dietmar Erlebach als Vertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sowie Privataktionär Ralf-Jochen Ehresmann ans Rednerpult. Alle gratulierten zu dem überaus erfolgreichen Abschluss des Geschäftsjahres 2020/21, was bei der Aktie zu einem Höhenflug geführt hat.

Allerdings stellt sich die Frage, wie es jetzt weitergeht. Insbesondere Herr Ehresmann fand die Prognose, wonach der Gewinn im laufenden Jahr zwischen 0,2 und 1,3 Mio. Euro liegen soll, eher zurückhaltend, und die Spanne sehr breit. Dies betreffend verwies Herr Hillen auf die extremen Schwankungen bei den Tradezahlen, aus denen sich das Ergebnis im Kerngeschäft speist. Eine exaktere Prognose ist unter diesen Umständen nicht möglich.

Ein großes Thema der Aussprache war die üppige Dividende, die nach Meinung von Herrn Massek in die Börsengeschichte eingehen dürfte. Die Rendite ist kaum noch zu toppen. Herr Erlebach und Herr Ehresmann fanden vor allem die Frage spannend, wie hoch der Dividendenabschlag ausfällt. Interesse hatten die Aktionärsschützer außerdem an einer Aussage, wie es mit der Dividende weitergeht. Speziell wollten sie wissen, welchen Einfluss etwaige Finanzierungsrunden und Ausschüttungen der Beteiligungen in Bezug auf künftige Dividendenzahlungen haben werden.

In seiner Antwort bekräftigte der Vorstand, dass auch in Zukunft ein Großteil des Konzernjahresüberschusses als Dividende gezahlt werden soll. Wenn zusätzliche Gewinne beispielsweise durch Beteiligungsverkäufe entstehen, sollen diese nach derzeitiger Planung ebenfalls ausgeschüttet werden. Grundsätzlich dürfte sich die Dividende damit eher volatil entwickeln. Der wesentliche Treiber sind aus heutiger Sicht mögliche Beteiligungsverkäufe, die sich aber nicht planen lassen und die im momentanen Marktumfeld erst einmal nicht anstehen.

Interessant fand Herr Massek, dass der Vorstandsvorsitzende, wie den regelmäßigen Meldungen zu entnehmen ist, über seine Beteiligungsgesellschaft ständig weitere sino-Aktien zukauft. Befragt nach seinem aktuellen Anteil nannte Herr Hillen eine Quote von knapp 11 Prozent. Er ist unverändert der Meinung, dass die sino-Aktie mit 80 Euro unterbewertet ist. Ob er noch mehr zukaufe und seine Beteiligung weiter erhöhe, sei nicht Thema der Hauptversammlung.

Des Weiteren wollte der SdK-Vertreter wissen, warum weitere tick-TS-Aktien verkauft worden sind. Zusätzliche Liquidität wird wohl nicht benötigt. Als Grund für diese Entscheidung nannte Herr Hillen die Risikoreduzierung. Nach wie vor ist sino ja auch noch ein großer Kunde von tick-TS, insofern gibt es ein doppeltes Risiko. Zudem erschien dem Vorstand der Kurs attraktiv. Er will die Verkäufe aber keineswegs so verstanden wissen, dass er pessimistisch für tick-TS gestimmt wäre.

Kritik übte Herr Massek daran, dass die dhpg Audit GmbH inzwischen seit mehr als zehn Jahren ununterbrochen als Abschlussprüfer für die sino AG tätig ist. Er wollte wissen, ob es zumindest Überlegungen gibt, dies zu ändern. In seiner Antwort bestätigte der Vorstand, dass die dhpg Audit GmbH seit dem Geschäftsjahr 2009/10 prüft. Allerdings hat es regelmäßig eine interne Rotation gegeben. Dennoch gibt es aktuell Überlegungen, den Abschlussprüfer zu wechseln.

Ein großes Thema von Herrn Erlebach waren die anstehenden Aufsichtsratswahlen. Den Veröffentlichungen der letzten Monate hatte er entnommen, dass es bei der Frage der Besetzung einige Turbulenzen gegeben hat. Insbesondere mit der Großaktionärin HSBC herrschte offenbar nicht immer Einigkeit. In Online-Foren hatte er Beiträge gefunden, in denen von Machtspielen die Rede war. Er bat um eine Stellungnahme von Seiten der Verwaltung und Vorstellung der Kandidaten, soweit sie noch nicht bekannt sind.

In seiner Antwort informierte Herr Hillen, dass eine Vorstellung der Kandidaten nicht vorgesehen ist. Er verwies auf die vorliegenden schriftlichen Erläuterungen. Im Übrigen bat der Vorstand um Verständnis, dass er zum Abstimmverhalten einzelner Aktionäre nichts sagen könne. Die Beschlussvorschläge liegen vor und sind nach seiner Auffassung final. Gegenanträge gibt es nicht. Dass Frau Basges nicht mehr antritt, ist eine private Angelegenheit und nicht Sache der Gesellschaft. Herr Hillen ist überzeugt, dass mit dem heutigen Vorschlag eine gute Lösung gefunden wurde.

Wichtig war dem SdK-Vertreter ferner die Frage nach dem Verhältnis zur Großaktionärin HSBC, nachdem sino jetzt für die Abwicklung mit der Baader Bank kooperiert. In seiner Antwort stellte Herr Hillen klar, dass HSBC den Vertrag gekündigt hat. Im Übrigen konnte er zu möglichen Plänen der HSBC mit ihren sino-Aktien keine Stellung nehmen. Das Verhältnis zu HSBC nach Kündigung der Kooperationsvereinbarung bewertete er als freundlich und professionell.

Herr Erlebach wollte mehr zu den Perspektiven im Kerngeschäft erfahren. Nach seinem Eindruck verfügt sino zwar über ein hervorragendes Produkt. Die Zahl der Depots entwickelt sich aber seit Jahren kontinuierlich rückläufig. Den Ausführungen des Vorstands hatte er jetzt entnommen, dass die Kundenzahl mit der Kooperation mit der Baader Bank verdoppelt werden soll. Ihn interessierte, worauf diese Hoffnung basiert.

Als einen Grund nannte Herr Hillen, dass das Anforderungsprofil von HSBC unter anderem mit einem Mindestvolumen von 250 TEUR schon einen Großteil der potenziellen Kunden ausschloss. Bei der Baader Bank sind es jetzt nur noch 50 TEUR. Als Vorteil sieht er zudem, dass die Baader Bank als inhabergeführtes, mittelständisches Unternehmen viel flexibler ist als die HSBC. Neben der Aufnahme des Kryptohandels sind noch weitere Verbesserungen geplant und ab dem kommenden Jahr soll auch wieder stärker in Marketing investiert werden. Er sieht gute Chancen, die Kundenzahl in den nächsten Jahren zu verdoppeln.
 
Ferner bat Herr Massek um Erläuterungen zum Hintergrund der Beschlussvorlage unter TOP 7, wonach verschiedene Regelungen betreffend die Hauptversammlung angepasst oder gestrichen werden sollen. Er äußerte sich skeptisch, ob dies im Interesse des Streubesitzes ist. Wie Herr Hillen ausführte, soll die Satzung lediglich vereinfacht werden. Die Gesellschaft wird sich an dieser Stelle künftig an den ohnehin bestehenden gesetzlichen Vorgaben orientieren.

Interessant fand Herr Massek die Frage, welche zusätzlichen Umsätze und Ergebnisbeiträge sich der Vorstand aus den unter TOP 8 vorgeschlagenen Erlaubniserweiterungen erhofft. Nach Aussage von Herrn Hillen dienen diese Erweiterungen dem Zweck, dass die Gesellschaft künftig flexibler auf den Markt und etwaige Chancen reagieren kann. Zugleich soll auf diese Weise die Abhängigkeit von Partnern reduziert werden. Insgesamt geht es darum, den Kunden zusätzliche Geschäftsmöglichkeiten zu eröffnen. Wichtig war ihm nochmals die Klarstellung, dass nicht wirklich Eigenhandel betrieben werden soll.

Zudem wollten beide Aktionärsschützer wissen, warum die TOP 8c und 9 von der Tagesordnung genommen werden sollen. Dies betreffend informierte der Vorstand, dass ihm kurz vor der Hauptversammlung mitgeteilt worden ist, dass diese Punkte nicht die notwendige Mehrheit finden werden. Er empfand dies als schade, es lässt sich aber nicht ändern.

Im Übrigen hatten die Vertreter von DSW und SdK vernommen, dass der Vorstand die Bereiche Brokerage und Beteiligungen trennen will. Insbesondere Herr Erlebach zeigte sich skeptisch, ob dies eine gute Idee ist.

In seiner Antwort bekräftigte Herr Hillen seine Überzeugung, dass das Brokerage-Geschäft deutlich wertvoller ist, als sich dies aktuell im Kurs widerspiegelt. Nach dem Aktienkurs hat es keinen substanziellen Wert, dabei soll der Bereich wie dargelegt deutlich wachsen und zusätzliches Geschäft gewonnen werden. Seiner Meinung nach könnte die funktionale Trennung der Bereiche ein Weg sein, das Brokerage-Geschäft sichtbarer zu machen. Die Pläne sind jedoch eher mittelfristig ausgelegt. Priorität hat erst einmal die Migration zur Baader Bank.

Befragt nach den weiteren Erwartungen für die Kernbeteiligung Trade Republic informierte Herr Hillen zunächst, dass sich die Beteiligung der sino AG an diesem Unternehmen mit der jüngsten Kapitalerhöhung auf 7,7 Prozent noch einmal leicht verringert hat. Bereinigt um die Anteile, die mit Management-Optionen belegt sind und die durch einen Treuhänder gehalten werden, sind es rund 2,3 Prozent. Da stark davon auszugehen ist, dass diese Optionen, die den Gründern von Trade Republic zustehen, ausgeübt werden, beträgt die wirtschaftliche Beteiligungsquote also 2,3 Prozent.

Die Einschätzung von Herrn Ehresmann, dass das Wachstum von Trade Republic mittlerweile an Grenzen stößt und die Bewertung von 5 Mrd. Euro mit Blick darauf ambitioniert ist, teilte der Vorstand nicht. Er stimmte zu, dass der extreme Kundenansturm Anfang 2021 eine Sondersituation war, die es so nicht mehr geben wird. Nach seiner Einschätzung hat dies die Entwicklung aber nur etwas gebremst. Grundsätzlich ist er optimistisch, dass das Geschäft der Neobroker sich weiterhin positiv entwickeln wird.

Natürlich ist die Beteiligung an Trade Republic und die Entwicklung von deren Unternehmenswert weiterhin der bestimmende Faktor für die sino AG. Auf Basis einer Gesamtbewertung von 5 Mrd. Euro hat die Beteiligung von 2,3 Prozent einen Wert von 115 Mio. Euro. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die im Rahmen der Kapitalerhöhung neu geschaffenen Anteile nicht die identischen Rechte haben wie die der sino AG.

Sicherlich ist es normal, dass Aktien mit einem gewissen Abschlag auf den inneren Wert gehandelt werden. Bei sino erscheint ihm dieser Abschlag aber zu hoch zu sein. Insofern kann er das von Warburg ausgegebene Kursziel für die sino-Aktie von 125 Euro durchaus nachvollziehen. Dies wären 45 Euro mehr als der heutige Aktienkurs, ausgehend vom Kurs nach dem Dividendenabschlag von rechnerisch 24 Euro also ein Potenzial von fast 200 Prozent. Aber offensichtlich sieht der Markt dies heute anders.

Betreffend die Frage von Herrn Ehresmann nach den wesentlichen Zahlen der anderen Beteiligungen bat Herr Hillen um Verständnis, dass es sich um vertrauliche Informationen handelt. Zweifellos handelt es sich mit Ausnahme von tick-TS um Risikobeteiligungen. Die Unternehmen befinden sich in einer sehr frühen Phase, woraus sich allerdings auch große Chancen eröffnen. Insbesondere „getquin“ entwickelt sich nach Aussage des Vorstands bisher sehr positiv, auch bei Sub Capitals läuft es relativ gut. Grundsätzlich wird die Entwicklung bei allen Beteiligungen sehr genau überwacht.

Herr Erlebach erkundigte sich noch einmal nach dem Grund für die Verschiebung der Hauptversammlung. In seiner Antwort verwies Herr Hillen auf die nahezu zeitgleich stattfindende Finanzierungsrunde bei der Trade Republic GmbH. Damit hätte er Fragen zu dieser wichtigsten Beteiligung nicht beantworten können. Allerdings wäre es Ende Mai auch nicht möglich gewesen, eine Präsenzveranstaltung abzuhalten. Eine Verschiebung erschien insofern insgesamt angemessen.


Abstimmungen

Vor Eintritt in die Abstimmungen verkündete Dr. Krumbholz die Präsenz. Auf der Hauptversammlung waren 1.424.609 Aktien vertreten. Bezogen auf das gesamte Grundkapital von 2.337.500 Euro, eingeteilt in ebenso viele Aktien, entsprach dies einer Quote von 60,95 Prozent.

Die Ausschüttung einer Dividende von 56 Euro (TOP 2) wurde nahezu einstimmig beschlossen. Bei der Beschlussfassung über die Entlastung von Vorstand (TOP 3) und Aufsichtsrat (TOP 4) lag die Zustimmungsquote, teilweise bedingt durch die Stimmrechtsauschlüsse, bei 77 bzw. 88 Prozent. Die Bestellung der dhpg Audit GmbH zum Abschlussprüfer (TOP 5) beschloss die Hauptversammlung mit einer Mehrheit von 88 Prozent.

Bei der Wahl von Thomas Dierkes und Dr. Marcus Krumbholz in den Aufsichtsrat lag die Zustimmung ebenfalls bei 88 Prozent. Dr. Detlef Irmen wurde mit einer Mehrheit von 99 Prozent in den Aufsichtsrat gewählt (TOP 6). Verschiedene Satzungsänderungen hinsichtlich Aufsichtsratswahlen und Durchführung der Hauptversammlung (TOP 7) sowie die Anpassung des Unternehmensgegenstands betreffend Finanzkommissionsgeschäft und Eigenhandel (TOP 8) erhielten zumeist eine Zustimmung von 88 Prozent.

Um 14:30 Uhr schloss der Vorsitzende die Versammlung.


Fazit

Die jüngere Entwicklung der sino AG dürfte in die Börsengeschichte eingehen. Dass ein Unternehmen, dessen Aktie vor zwei Jahren gerade einmal 12 Euro gekostet hat, jetzt eine Dividende von 56 Euro zahlt, ist wohl ein einmaliger Vorgang. Basis für die herausragende Erfolgsgeschichte war die rasante Entwicklung des Neobrokers Trade Republic, den die sino AG vor drei Jahren mitgegründet hat. Aus dem damaligen Einsatz von 3 Mio. Euro ist bis heute ein Vermögen von 250 Mio. Euro geworden.

Den größten Teil der Trade-Republic-Anteile hat der Vorstand mittlerweile verkauft. Selbst der verbliebene wirtschaftliche Anteil von rund 2,3 Prozent hat bei der aktuellen Bewertung des Neobrokers von 5 Mrd. Euro aber noch einen Wert von etwa 115 Mio. Euro. Allein das ist schon deutlich mehr als die aktuelle Marktkapitalisierung der sino AG, die sich nach dem Dividendenabschlag beim aktuellen Kurs von 31 Euro mit lediglich 74 Mio. Euro errechnet.

Dabei werden noch Beteiligungen an anderen interessanten Firmen gehalten, die sich allerdings mit Ausnahme der tick-TS AG noch in einer sehr frühen Phase befinden. Ob sich hier weitere Erfolgsgeschichten entwickeln, lässt sich noch nicht absehen. Und natürlich verfügt die sino AG als Online-Broker mit Fokussierung auf Heavy Trader auch noch über ein etabliertes Kerngeschäft. Großes Wachstum gab es zwar in den letzten Jahren nicht. Dies dürfte sich mit dem Wechsel der Abwicklung zur Baader Bank und der Lizenzerweiterung zur Wertpapierhandelsbank aber nun ändern.

In der Gesamtbetrachtung wird die sino-Aktie derzeit also weit unter ihrem inneren Wert gehandelt. Der Vorstandsvorsitzende Ingo Hillen sieht dies ebenso und kauft seit Monaten kontinuierlich weitere Anteile zu. Rechnerisch wäre ein Kurs von zumindest 50 Euro, je nach Einschätzung der Chancen der übrigen Beteiligungen auch deutlich mehr, sicherlich angemessener. Klar ist aber, dass die Dividenden künftig weit bescheidener ausfallen werden, auch wenn weiterhin ein Großteil des Gewinns ausgeschüttet werden soll.


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sino Aktiengesellschaft
Ernst-Schneider-Platz 1
D-40212 Düsseldorf

Tel.: +49 (0)2 11 / 36 11 0
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Hinweis: Der Verfasser ist Aktionär der beschriebenen Gesellschaft.



Veröffentlichungsdatum: 02.11.2022 - 16:20
Redakteur: mwa
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