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HV-Bericht EQS Group AG - Auf der Zielgeraden zum europäischen RegTech Nummer 1

Die EQS Group AG hatte am 28. Juni 2022 zur ordentlichen Hauptversammlung eingeladen. Wie in den letzten Jahren fand die Veranstaltung für die Aktionäre wieder nur rein virtuell über einen im Aktionärsportal eingerichteten Livestream statt. Für GSC Research war Paul Petzelberger eingeschaltet.

Der Aufsichtsratsvorsitzende Robert Wirth eröffnete die Veranstaltung pünktlich um 14 Uhr und begrüßte die Aktionäre. Neben ihm war vom Vorstand lediglich CEO Achim Weick im selben Raum zugegen, die anderen Vorstände nahmen an der späteren Fragenbeantwortung durch Live-Schaltung teil.

Im Geschäftsjahr 2021 kam der Aufsichtsrat zu fünf ordentlichen und zwei außerordentlichen Sitzungen zusammen und betrieb eine rege Ausschusstätigkeit. Schwerpunkte der Beratungen waren die Übernahmen sowie die Eröffnung neuer Standorte in Spanien, Österreich, Tschechien und Skandinavien.

Daneben veranschlagten die 2021 durchgeführten drei Kapitalerhöhungen viel Zeit. Insgesamt konnten 43,7 Mio. Euro eingesammelt werden und im ersten Quartal dieses Jahres weitere 45 Mio. Euro. Im Anschluss an die Erläuterung weiterer rechtlicher Formalien übergab der Aufsichtsratsvorsitzende das Wort an Gründer und CEO Weick.


Bericht des Vorstands

Der Vorstandsvorsitzende begrüßte die Aktionäre sehr herzlich. 2021 war ein außergewöhnlich erfolgreiches Geschäftsjahr mit vor allem einem „unglaublichen Meilenstein“, der Übernahme der Business Keeper GmbH. Diese Akquisition des größten RegTech-Wettbewerbers in Europa verglich Weick mit der Übernahme der DGAP im Jahr 2005. Damals übernahm EQS von der Deutschen Börse den Marktführer für ad-hoc-Mitteilungen in Deutschland, einer der wesentlichen Grundsteine für den heutigen Erfolg des Konzerns. Seitdem hat EQS in Sachen digitale IR einen Marktanteil im DACH-Raum von weiter über 80 Prozent.

Und genauso, zeigte sich Weick sicher, wird das Jahr 2021 rückblickend auch bewertet werden. Durch die Übernahme der Business Keeper GmbH wurde der absolut dominierende Marktführer im Bereich der elektronischen Hinweisgebersysteme in Europa geformt. 2017 wurde das Thema Compliance mit einem kleinen, aber feinen Produkt, der Integrity Line, angefangen aufzubauen. Nun, vier Jahre später, ist EQS die Nummer 1 in Europa. Die Integration von Business Keeper verlief sehr positiv und ist mittlerweile beinahe vollständig abgeschlossen.

Da viele neue Aktionäre in den letzten Jahren hinzugekommen sind, stellte Weick zu Beginn den Konzern vor. Die EQS Group AG wurde 2000 von ihm selbst gegründet und fußt seitdem auf den beiden Grundfesten Integrität und Transparenz. Beide schaffen das größte Kapital eines Unternehmens – Vertrauen. Alle EQS-Produkte haben das Ziel, Integrität und Transparenz herzustellen und so das Vertrauen zwischen den Kunden und ihren Stakeholdern zu erhöhen. Ein klarer Megatrend, der vor allem durch die Regulierer stark vorangetrieben wird.

22 Jahre nach Gründung hat EQS Stand heute mehr als 550 Mitarbeiter in 19 Niederlassungen weltweit, überwiegend mit eigenen Tochtergesellschaften. Der Hauptschwerpunkt liegt aber klar auf Europa. Außerhalb Europas befinden sich die wichtigsten Tech-Hubs in New York, Hongkong und Kotchi, wo über 100 Mitarbeiter im Bereich der Softwareentwicklung aktiv sind. Der Sitz der Gesellschaft und Hauptstandort ist München, durch die Business-Keeper-Übernahme wurden aber auch viele Kollegen in Berlin und Bonn gewonnen. Gut die Hälfte der 550 Mitarbeiter sind im Bereich der Softwareentwicklung tätig, die andere Hälfte überwiegend in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Kundenbetreuung.

Das dominierende Thema bei EQS ist die Digitalisierung. Klassische Stabstellen – wie IR, Unternehmenskommunikation und Compliance – werden digitalisiert und damit eine rechtssichere Erfüllung von Regularien ermöglicht. Die Geschäftstätigkeit gliederte Weick auf die Bereiche Investor Relations (seit 2000), Compliance (seit 2017) und ESG (ab 2022) auf. Bisher präsentierte der CEO auf den Hauptversammlungen neben Digitalisierung und Compliance stets die Globalisierung als dritten Megatrend. Trotz der schwerwiegenden geopolitischen Zäsur erwartet der Vorstand langfristig weiterhin ein Fortschreiten der Globalisierung. Doch kurz- und mittelfristig wurde dieses Thema für EQS nun erst einmal durch den Megatrend ESG abgelöst.

Das Geschäftsmodell sieht so aus, dass EQS rund um die genannten Bereiche innovative Cloudlösungen anbietet, die wiederkehrende SaaS-Erträge generieren. Übergeordnet könnte man sich auch schlichtweg als ESG-Unternehmen bezeichnen, da ESG immerhin alle Bereiche inkludiert. Doch zunächst einmal fühlt der Vorstand sich mit der Bezeichnung RegTech sehr wohl, da es nochmal greifbarer die von der Regulierung getriebenen Trends und die Positionierung der EQS Group inmitten dieser gut umschreibt.

Dass für EQS mit der zunehmenden Regulierung eine neue Zeit begonnen hat, offenbart schon allein der Blick auf die Kundenzielgruppe. Früher war der Kundenkreis IR-getrieben auf börsennotierte Unternehmen limitiert. Die Anzahl dieser ist seit 2008 grob von 840 auf nur noch 440 zurückgegangen. In Zeiten von Niedrigzinsen und zunehmender Regulierung war es nicht mehr so attraktiv an der Börse gelistet zu sein.

Doch durch den Bereich Compliance hat sich die Kundenzielgruppe von dem begrenzten Kreis an 400 börsennotierten Unternehmen nun faktisch auf alle Unternehmen, schwerpunktmäßig mit mehr als 50 Mitarbeitern, erweitert. Eine ganz neue Sphäre für EQS. Früher wurden lediglich Großkonzerne von der EU reguliert, zukünftig Unternehmen bis auf 50 Mitarbeiter. Der Bereich IR soll zwar auch weiter vorangetrieben werden, durch potenziell neue IPOs und Konsolidierung, doch der maßgebliche und dominierende Fokus liegt nun auf den Bereichen Compliance und ESG mit Hunderttausenden von zeitnah handlungsverpflichteten Unternehmen in Europa.

Der nun aufkommende ESG-Trend hat für EQS den besonderen Charme, dass exakt die gleichen Unternehmen wie im Bereich Compliance betroffen sind. Zunächst geht es allen Unternehmen ab 250 Mitarbeitern an den Kragen, dann bis auf Unternehmen mit 50 Mitarbeitern herunter. Die hier im Raum stehenden Richtlinien nennen sich CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) sowie CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) oder auf Deutsch: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

Der Synergieeffekt ist für EQS dadurch natürlich gewaltig. Jeder Kunde, der nun im Rahmen der Whistleblowing-Richtlinie gewonnen wird, kann dann auch im Bereich ESG direkt vollumfänglich und plattformbasiert bedient werden. Von den jetzigen Marketing- und Akquise-Aufwendungen wird demnach doppelt profitiert – und wer weiß schon, wann bereits die nächste Regulierungswelle um die Ecke schaut. Der Vorstand rechnet damit, dass allein für die ESG- und Compliance-Regulierungen ab 2025 die ersten Budgets bei der ganz großen Masse an Unternehmen geöffnet werden. Bis dahin geschieht bereits eine tiefe Durchdringung bei den Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern.

Geschäftsmodellspezifisch ist das große neue Ding bei EQS die Bezeichnung SaaS (Software as a Service). Jegliche EQS-Lösung ist cloudbasiert. Nichts wird vor Ort beim Kunden aufgebaut. Dies führt dazu, dass neue Kunden innerhalb weniger Stunden migriert werden können. 2021 konnte die SaaS-Kundenanzahl stark von 2.574 auf 4.240 Kunden gesteigert werden, sprich mehr als 1.000 Neukunden. Der hinzugekommene wiederkehrende Umsatz hat sich dadurch von 5,2 auf 8,9 Mio. Euro erhöht.

Zudem konnte beim Umsatz erstmalig die Marke von 50 Mio. Euro geknackt werden, was einem Wachstum von 33 Prozent entspricht. Eine ähnliche Größenordnung wird auch für 2022 erwartet. Beim EBITDA wurde ein Gewinn von 1,74 Mio. Euro erzielt. Würde man diesen jedoch um die außerordentlichen Aufwendungen in Sachen Marketing und Vertrieb bereinigen, hätten bereits stolze 6,86 Mio. Euro zu Buche gestanden. Daran lässt sich gut erkennen, dass EQS ohne die enormen Investitionen zur Gewinnung von Neukunden bereits gut profitabel wäre.

Nun widmete sich Weick noch einmal der großen Meilenstein-Übernahme und fuhr fort weiter zu schwärmen. Mit Business Keeper wurde nicht nur ein großartiges Unternehmen akquiriert, sondern auch der größte Wettbewerber aus dem Markt herausgenommen. Gemeinsam hat die EQS-Gruppe nun die nur bestmöglich denkbare Ausgangssituation, bevor das Whistleblower-Gesetz offiziell verabschiedet wird.

Aus diesem Grunde war EQS auch bereit einen hohen Preis zu zahlen. Der Kaufpreis von 95 Mio. Euro stellt ein 8- bis 9-faches Multiple auf den wiederkehrenden Umsatz dar. 2020 hatte Business Keeper einen Umsatz von 8,9 Mio. Euro und ein EBITDA von 0,5 Mio. Euro. Aus Sicht von Value-Investoren ist der Kaufpreis natürlich sehr hoch, aus Sicht von SaaS-Investoren hingegen angemessen. Zum Vergleich: Siemens hat vor Kurzem ein SaaS-Unternehmen mit einem Multiple vom 10-fachen der wiederkehrenden Umsätze übernommen, welches im Infrastrukturbereich agiert.

Die Finanzierung der 95 Mio. Euro war höchst komplex. Das Geld hatte EQS natürlich nicht auf dem Konto, was auch keinen Sinn machen würde. Die Commerzbank München, die EQS bereits seit Firmengründung eng begleitet, stand mit einem Brückendarlehen von 50 Mio. Euro zur Seite. Der Rest wurde mit Eigenkapital finanziert, zum einen den bestehenden liquiden Mitteln und zum anderen den erfolgreich durchgeführten Kapitalerhöhungen zu Kursen zwischen 33 Euro und 41 Euro.

Auf einer Folie mit tabellarischer Darstellung zeigte Weick die nun weit überlegene Marktdominanz von EQS im Vergleich zum europäischen Wettbewerber People Intouch und zu den US-Amerikanischen Wettbewerbern Navex Global und OneTrust. Mit einem Umsatz von ungefähr 5 Mio. Euro im Jahr 2021 ist der in Europa nun zweitgrößte Wettbewerber People Intouch nur ein Zehntel so groß wie EQS und sogar nur halb so groß wie Business Keeper isoliert betrachtet. Auch haben die Niederländer nur eine einzige Niederlassung in Europa, wohingegen EQS nun über zwölf Standorte verfügt. 22 DAX-Unternehmen zählen zu den Kunden von EQS, People Intouch hat lediglich zwei.

Doch der größte Unterschied zum zweitgrößten Wettbewerber hierzulande ist die strategische Ausrichtung. Im Unterschied zu EQS fahren die Niederländer keinen vergleichbaren Plattformansatz. Neben der Größe hat EQS somit auch in Sachen Produktangebot weit die Nase vorn. Insgesamt hat EQS rund 1.500 Unternehmenskunden im Bereich Compliance, People Intouch lediglich grob 400. Der Vergleich zu den US-Amerikanischen Wettbewerber ist nicht ganz so eindeutig. Diese haben zwar jeweils einen deutlich höheren Gesamtumsatz, in Europa ist EQS dennoch ebenfalls weit voraus. Navex Global hat lediglich 500 Unternehmenskunden in der EU, OneTrust sogar nur 100. Hier hebt sich EQS besonders als europäischer Anbieter mit Datenspeicherung in Europa hervor.

Der Vorstand geht davon aus, dass sich dieser Vorsprung mit Verabschiedung des Gesetzes sogar noch einmal deutlich erhöhen wird. Neben der viel breiteren geografischen Präsenz führte Weick vor allem die geschlossenen Partnerschaften seitens EQS mit dem Deutschen Bundesanzeiger, DATEV und KPMG an. Durch diese Partnerschaften wird gerade bei kleineren Unternehmen eine hohe Kundengewinnung erwartet.

Auf die im März dieses Jahres durchgeführte große Kapitalerhöhung im Volumen von 15,7 Prozent zu 33 Euro zeigte sich der CEO besonders stolz. Das Umfeld war extrem schwierig, Russland war damals gerade in die Ukraine einmarschiert. Dennoch gelang diese größte Kapitalerhöhung der Firmengeschichte und das sogar ohne Investmentbank. Dadurch sparte EQS Millionen von Euro.

Der Spagat dabei war nicht einfach. Seit Börsengang 2006 hatte EQS vor allem Value Investoren. Zwischen 2007 und 2008 gehörte EQS zu den zehn profitabelsten Unternehmen auf dem deutschen Kurszettel. Mittlerweile ist EQS eher ein Unternehmen für SaaS-Investoren. Desto mehr war Weick stolz, auch den Großteil der Value-Investoren an Bord gehalten zu haben.

Wichtig ist dem Vorstand auch, die Mitarbeiter unternehmerisch zu beteiligen. Mehr als 50 Prozent aller Mitarbeiter in Deutschland nehmen an dem Mitarbeiteraktienprogramm teil. Dabei steht das unternehmerische Risiko im Vordergrund. Anstatt Windfall Profits – sprich einfach Boni oder Aktienoptionen – zuzuteilen, kaufen die Mitarbeiter von ihrem eigenen Geld Aktien. EQS verdoppelt die Anzahl der Aktien dann nach gewissen Haltefristen. Diese hohe unternehmerische Beteiligung der Mitarbeiter schafft einen ganz besonderen Spirit im Unternehmen.

Für 2022 erwartet der Vorstand 2.500 bis 3.500 neue SaaS-Kunden, einen neuen wiederkehrenden Umsatz zwischen 11 und 16 Mio. Euro, einen um 30 bis 40 Prozent ansteigenden Gesamtumsatz sowie ein EBITDA zwischen 6 und 10 Mio. Euro. Als Nicht-finanzielle Ziele werden die Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit ausgewertet. Hier liegt EQS mit durchschnittlich vier von fünf Sternen in einem sehr guten Bereich.

Es wird davon ausgegangen, dass die Hälfte der relevanten Kunden, sprich 25.000 Unternehmen, sich in den nächsten Jahren für ein digitales Hinweisgebersystem entscheiden – die meisten mit Gesetzeseinführung. Ziel ist es, einen Marktanteil von 20 Prozent zu ergattern, sprich rund 5.000 Unternehmen als Neukunden zu gewinnen. Durch den Plattformansatz ergeben sich dann enorme Up- und Cross-Selling-Potenziale.

2025 soll dann die Umsatzmarke von 130 Mio. Euro geknackt werden. Dies entspricht einem jährlichen Wachstum im Bereich Compliance von 34 Prozent und im Bereich IR von 13 Prozent. Für die Erreichung der EBITDA-Marge von 30 Prozent erachtet Weick noch nicht einmal große Anstrengungen auf der Kostenseite für erforderlich. Die Profitabilität wird mit der Skalierung kommen, so die klare Message des Vorstandsvorsitzenden. Im Bereich IR-Cloudservices ist EQS bereits europäischer Marktführer, nun wird der Bereich Compliance die Gesellschaft in eine Dimension heben.


Beantwortung der Fragen

Im Gegensatz zu den meisten anderen börsennotierten Unternehmen ermöglichte EQS auch dieses Jahr wieder eine Live-Debatte. Fragen konnte sowohl im Vorfeld als auch während der Hauptversammlung gestellt w erden. Davon Gebrauch machten die Aktionäre Michael Ruoff, Christian Werner, Michael Frank sowie die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), vertreten durch ihren Sprecher Jonathan Neuscheler.

Vom Aktionär Werner kamen Dutzende organisatorische Fragen zum Ablauf und den Kosten der Hauptversammlungen sowie der Aktionärsstruktur. Über die auf der Homepage ausgewiesene Aktionärsstruktur hinaus wollte der Vorstand keine Angaben machen. Die Veröffentlichung von Aktionärsangaben aus dem Namensregister ist aktienrechtlich und datenschutztechnisch nicht gedeckt. Die Kosten für die Hauptversammlungen der letzten drei Jahren beliefen sich jeweils in etwa auf 64 TEUR.

Sowohl Werner als auch Neuscheler interessierten sich dafür, inwiefern Preissteigerungen an die Kunden weitergegeben werden konnten und zukünftig weitergegeben werden könnten. Zur Beantwortung wurde COO Christian Pfleger eingeblendet, welcher aus dem fünften Stock in der Zentrale grüßte. Seit 2019 gibt es in den Kundenverträgen zwei Klauseln. Die eine Klausel ermöglicht Preiserhöhungen gemäß eines deutschen Technologieindexes. In den letzten Quartalen ergaben sich dadurch Aufschläge jeweils zwischen 3 und 5 Prozent, die automatisch ohne Zustimmung der Kunden umgesetzt wurden.

Die zweite Vertragsklausel ermöglicht einen Preisaufschlag von bis zu 10 Prozent, der jedoch begründet werden und auch an die Kunden separat kommuniziert werden muss. Auch diese Erhöhung wurde teilweise schon durchgeführt und wird auch weiterhin in Betracht gezogen. Ganz wichtig war es dem COO aber zu betonen, dass die Erhöhungen nicht nur rein inflationsgetrieben, sondern auch mehrwertspezifisch begründet werden können. Die Plattform und damit auch die Features für die Bestandskunden werden fortlaufend erhöht.

Auch zur Beteiligung der deutschen Mitarbeiter am Mitarbeiteraktienprogramm nahm der COO Stellung und schlüsselte für die SdK die Quoten in den vergangenen Jahren auf, namentlich 41 Prozent 2019, 38 Prozent 2020 und 54 Prozent 2021. Über den Sprung von 2020 auf 2021 ist der Vorstand sehr erfreut. Für 2022 und 2023 sind weitere Einstellungen geplant, unter anderem Junior Vertriebsmitarbeiter. Dennoch wird ein stark unterproportional zu den Umsätzen ansteigender Personalaufwand erwartet. Ein Up-Listing der Aktie vom Scale-Segment in dem Prime Standard wird in Betracht gezogen und voraussichtlich im nächsten Jahr umgesetzt.

SdK-Sprecher Neuscheler wollte ferner wissen, wie mit dem Thema Cyber-Security umgegangen wird und was die größten Risiken bei der Erreichung der Ziele 2025 sind. Das Thema Internet- und Datensicherheit steht bei EQS laut Pfleger ganz oben auf der Agenda, immerhin gehören zu den Kunden viele weltbekannte Großkonzerne. Wie auch andere Unternehmen ist EQS fortlaufend unterschiedlichen Attacken ausgesetzt. Bisher konnten alle Angriffe jedoch abgewehrt werden und es kam damit noch nie zu umsatzrelevanten Auswirkungen. Maßnahmen zur Stärkung waren 2021: Ausbau des Security-Teams, Einstellung eines CSO mit über 15 Jahren Cyber-Security-Erfahrung, internationale Ausrichtung und interne Kompetenzbündelung, hochmoderne Sicherheitsprogramme, einen 24/7-Service sowie intensive Mitarbeiterschulungen.

Zu den größten Risiken ergriff Weick das Wort. Umsatzseitig nannte der Vorstandsvorsitzende potenzielle weitere Umsetzungsverzögerungen bei der Whistleblowing-Richtlinie und später dann bei den ESG-Regulierungen. Abgeschwächt würden diese Trigger zudem, wenn sich von Regulierungsseite keiner um die Nachverfolgung der Erfüllung auf Unternehmensebene kümmert. Beim EBITDA-Ziel erachtet der Vorstand die Entwicklung der Personalaufwendungen als am gewichtigsten. Das EBITDA wird kostenseitig hauptsächlich durch die Gehälter beeinflusst und starke branchenbedingte Gehaltssteigerungen könnten eine Belastung darstellen. Gut die Hälfte der EQS-Mitarbeiter sind Softwareentwickler, denen marktgerechte Gehälter gezahlt werden müssen.

Aktionär Ruoff monierte das negative EBIT im Jahr 2021 von minus 4,5 Mio. Euro. Weick rief hierzu den skizzierten Wachstumspfad erneut in Erinnerung. Als Beispiel nannte der CEO die Marketingaktivitäten. Vor zwei Jahren hatte die Abteilung noch zwei Mitarbeiter, heute sind es 25. Im Vertrieb und vor allem der Kundenbetreuung sieht es ganz ähnlich aus. Auch die Präsenz an 19 Standorten kostet natürlich Geld. Alles ist auf das gesetzesgetriebene Wachstum gepolt. Die starke Diskrepanz zwischen EBITDA und EBIT wird vor allem durch die hohen Abschreibungen bewirkt.

Dass die Gesellschaft in Zeiten von steigenden Zinsen mit enormen immateriellen Vermögenswerten äußerst „luftig“ aufgestellt ist, dem widersprach der Vorstandsvorsitzende. Nach der jüngsten Kapitalerhöhung liegt das Eigenkapital nun bei 114 Mio. Euro und damit wesentlich über den ausgewiesenen Firmen- und Geschäftswerten, die angesichts der kommenden Gesetze natürlich höchst werthaltig sind. Der Abschreibungszeitraum beträgt hier zehn Jahre, was natürlich auch nicht lange ist. Die Kundenstämme werden hingegen über 20 Jahre abgeschrieben. Grund hierfür ist die äußert niedrige Churn-Rate zwischen 4 und 5 Prozent, die eine enorme Werthaltigkeit belegt.

Auch die Behauptung des Aktionärs, dass das Kundenwachstum ins Stottern kommt, wollte Weick so nicht stehen lassen. Natürlich fehlt noch der große gesetzesgetrieben Effekt. Dennoch werden Woche für Woche neue Kunden hinzugewonnen. In Portugal und Schweden ist das Gesetz nun bereits in Kraft getreten und letzte Woche konnte EY dort als Großkunde gewonnen werden. In Portugal unterzeichneten allein in den letzten Wochen elf neue Kunden Verträge mit EQS. Im Schnitt dauert der Vertriebsprozess derzeit noch drei Monate, sprich von Verkaufschance zu Vertragsabschluss. Dies liegt daran, dass bisher noch ausschließlich intrinsisch motivierte Unternehmen akquiriert werden. Bei den gesetzesgetriebenen Neukunden zeigt sich, dass es viel schneller geht.

Es folgte eine weitere Reihe von Fragen der SdK und Aktionär Ruoff zum Thema Whistleblowing-Welle, konkret der Anzahl an Meldungen, der gewonnen Neukunden durch Business Keeper sowie dem Wettbewerbsumfeld. Zu Letzterem kommentierte COO Markus Sultzer, dass wenig überraschend ein starker Anstieg kleinerer Wettbewerber zu erkennen ist. Allerdings sind einige auch bereits wieder aufgrund der Gesetzesverzögerung von der Bildfläche verschwunden. Der große Vorteil von EQS ist die 22-jährige Erfahrung in Sachen digitaler Hochsicherheitslösungen sowie die große Anzahl an Referenzen.

Seitens großer Blue Chips vom Schlage SAP, Microsoft oder Salesforce ist auch weiterhin kein Wettbewerb zu erkennen. Das Thema ist für diese IT-Giganten einfach zu „nieschig“, soll heißen: ein Nischenprodukt, zu speziell für die IT-Giganten. Das Enterprise-Segment ist auch bereits gut abgedeckt und Unternehmen mit nur 50 Mitarbeitern sind für die genannten großen Konzern vermutlich zu kleinteilig. Von dem her geht der Vorstand auch weiterhin nicht davon aus, dass die genannten Großkonzerne in den Bereich einsteigen. EQS besetzt hier eine höchstlukrative Nische.

Dass nicht digitale Meldesysteme eine nennenswerte Konkurrenz sein können, davon geht der Vorstand ebenfalls nicht aus. Es gibt Services, wo Rechtsanwälte an Hotlines sitzen und Hinweise entgegennehmen. Dies stellt aber einen erheblichen administrativen Mehraufwand dar und führt schnell zu zeitlichen Verzögerungen. Die meisten Gesetzesvorlagen sehen derzeit eine erste Rückmeldepflicht innerhalb von sieben Tagen und eine Umsetzrückmeldung innerhalb von drei Monaten vor. Zudem besteht Statistiken zu Folge in unternehmensinterne und analoge Meldekanäle deutlich weniger Vertrauen als in einen externen digitalen und automatisierten Kanal.

Bei den hereinkommenden Meldungen sind laut Studien ein Zehntel missbräuchlich, fünf Zehntel irrelevant und vier Zehntel relevant. Missbräuchlich bedeutet, dass ein Mitarbeiter ungerechtfertigt angeschwärzt wird. Irrelevant sind Meldungen, die zwar eine Berechtigung haben, jedoch nicht über diesen Kanal gemeldet hätten werden müssen. Diese Angelegenheiten hätten auch einfach mit dem Vorgesetzten besprochen werden können. Die relevanten Meldungen werden dann nach festen internen Richtlinien eng mit der Fachabteilung und vor allem unter Wahrung der Anonymität abgearbeitet.

Wie viele Neukunden konkret von Business Keeper im ersten Halbjahr 2022 gewonnen wurden, konnte Sultzer nicht beantworten. Grund hierfür ist die Tatsache, dass die Marketing- und Vertriebseinheiten vollständig verschmolzen wurden. Intern gibt es keine Trennung mehr zwischen Mitarbeitern von Business Keeper und EQS. Alle sind Teil der einen EQS-Group-Familie. Nur im Produktangebot wird noch teilweise zwischen Integrity Line und BKMS unterschieden, da BKMS im Enterprise-Segment eine starke Bekanntheit hat. Langfristig wird das Produktangebot dann vermutlich aber komplett verschmolzen werden.

Die SdK zeigte sich verwundert, dass trotz seit einiger Zeit erreichter Marktführerschaft im IR-Segment 2021ein negatives EBITDA erwirtschaftet wurde. Dies erklärte CFO André Silverio Marques mit den Investitionen in weitere Features. Schon bereits für dieses Jahr soll sich das wieder ändern und es wird ein positives EBITDA erwartet und dann auch die erneute Skalierung, welche auch die in diesem Segment bis 2025 prognostizierte Wachstumsrate von 13 Prozent pro Jahr bewirken soll. Dabei ist aber durchaus auch ein wenig berücksichtigt, dass das Börsenumfeld wieder aufhellt und wieder mehr Kunden im Wege von IPOs gewonnen werden können.

Mehrere Fragesteller wollten wissen, weswegen die Übernahme des ESG-Anbieters DFGE abgeblasen wurde und wie der neue Wachstumsmarkt nun beackert werden soll. Den Kaufvorgang beschrieb Weick als üblich. Um mit der Due Diligence zu beginnen, musste EQS eine Absichtserklärung unterschreiben. Diese wiederum war mitteilungspflichtig. Nach Unternehmensanalyse konnten sich beide Parteien jedoch nicht auf einen Kaufpreis einigen. Der Verkäufer wollte einen deutlich höheren Preis als den, den EQS insbesondere im aktuellen Marktumfeld bereit war zu zahlen. Darum sah der Vorstand die Aktionärsinteressen besser bewahrt, den Kaufvorgang abzubrechen und den Bereich ESG zunächst intern aufzubauen.

Hierbei ist es gelungen mit Thomas Krick einen absoluten Experten in diesem Bereich für die Gesellschaft zu gewinnen. Krick war zuvor Managing Direktor bei Deloitte und hat dort den ESG-Bereich aufgebaut und verantwortet. Ab dem 1. August wird Krick nun bei EQS für das neue Wachstumsfeld hauptverantwortlich sein und die Entwicklung einer eigenen Software verantworten. Nichtsdestotrotz schaut sich EQS auch anorganisch weiter am Markt um und es ist auch beabsichtigt, mit DFGE eine Kooperation einzugehen, um gemeinsam eine erfolgreiche digitale Lösung am Markt zu platzieren.

Näher interessierte die Aktionäre auch die Belastung durch den Angriffskrieg Russlands. Laut Marques hat EQS trotz enormer Nachfrage beschlossen, kein Neugeschäft mehr in Russland einzugehen. Der Umsatzanteil liegt unter 3 Prozent, weswegen auch ein komplettes Wegfallen keine unmittelbare Auswirkung auf die Prognose hat, bei der eine Spanne zwischen 30 und 40 Prozent Umsatzwachstum kommuniziert wurde.

Ob der Vorstand nach Erreichen der anvisierten hohen Profitabilität im Jahr 2025 lieber Dividenden ausschüttet oder Aktienrückkäufe tätigt, darauf wollte sich der CFO nicht festlegen. Beide Optionen erachtet der Vorstand als interessante Partizipationsinstrumente. Konkret nannte Marques lediglich das Ziel einer Eigenkapitalquote zwischen 50 und 60 Prozent. Und wenn das regulierungsgetriebene Wachstum tatsächlich wie erwartet kommt, dann steht die Wahl der Ausschüttungsinstrumente wohl das kleinste Problem dar. Der Vorstand blickt sehr zuversichtlich in die Zukunft und sieht EQS als europäisches RegTech mit Marktführerschaft bereits in einer ganz anderen Sphäre.

Mittels des Live-Chats bedankten sich SdK-Sprecher Neuscheler und Aktionär Ruoff herzlich beim Vorstand für die exzellente und umfangreiche Beantwortung. Dieses Lob las der Aufsichtsratsvorsitzende vor und fragte dann Weick, ob er darauf noch reagieren wollte. Dieser kommentierte: „Das motiviert außergewöhnlich“.


Abstimmungen

Der Aufsichtsratsvorsitzende verkündete die Präsenz mit 8.385.727 Aktien. Bezogen auf das Grundkapital von 10.024.212 Euro, eingeteilt in ebenso viele Aktien, entsprach dies einer Präsenz von 83,65 Prozent.

Alle Beschlussfassungen wurden mit großer Mehrheit angenommen, darunter der Vortrag des Bilanzgewinns auf neue Rechnung (TOP 2), die Entlastung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder (TOP 3 & 4), die Wahl von BDO zum Abschlussprüfer (TOP 5), die Vergrößerung des Aufsichtsrats (TOP 6), die Aufsichtsratswahlen (TOP 7a und b), die Neuschaffung eines Genehmigten Kapitals (TOP 8), die Anpassung des Unternehmensgegenstands (TOP 9) sowie die Aufsichtsratsvergütung (TOP 10).

Nach Bekanntgabe der Abstimmungsergebnisse schloss der Aufsichtsratsvorsitzende die Veranstaltung um 16:15 Uhr.


Fazit

Die EQS Group kommt derzeit mit einem knackigen Chance-Risiko-Profil um die Ecke. Alles ist auf die erste große Regulierungswelle im Bereich Compliance gepolt. An die Wand gemalt ist ein europäischer RegTech-Champion auf einer Stufe mit den US-Amerikanischen Wettbewerbern und Milliardenkonzernen Navex Global und OneTrust. Auf der anderen Seite strotzt die Bilanz vor immateriellen Vermögenswerten, was angesichts der steigenden Zinsen eine ordentliche Portion Risiko beschert.

Das Schöne: Das Wachstum und die dafür eingegangenen immensen Investitionen sind durch auf EU-Ebene fest verabschiedete Gesetze untermauert. Dass diese in Kraft treten, daran zweifelt scheinbar keiner am Markt. Wenn dies jedoch der Fall sein sollte – und wer möchte in einer Zeit mit Kriegsgeschehen in Europa schon etwas komplett ausschließen – dann wäre dies verheerend für EQS. Von heute auf morgen wäre das RegTech ein Restrukturierungsfall. Doch wie gesagt, die Wahrscheinlichkeit scheint doch sehr gering.

Naheliegend ist es vielmehr, dass EQS mit der erarbeiteten und erkauften Pole Position in Sachen digitale Compliance-Cloudservices seine Marktmacht nun im Zuge der Gesetzesumsetzung voll und ganz ausspielen kann. Der Regierungsentwurf wurde am 27. Juli vom Bundeskabinett beschlossen. KPMG geht davon aus, dass die offizielle Verabschiedung noch im dritten Quartal erfolgt und das Inkrafttreten drei Monate später dann noch Ende 2022.

Was dies nun für EQS kurzfristig heißt, ist nicht ganz sicher. Übergeordnet geht es natürlich voran und die Presse rund um die Beratungen des Bundestages werden der Akquise sicherlich bereits förderlich sein. Auf der anderen Seite könnte die Verschiebung des großen Gesetzeseffekts auf Ende 2022 bzw. Anfang 2023 durchaus noch eine Prognoseanpassung erfordern und im schlimmsten Fall sogar außerordentliche Abschreibungen im Konzernabschluss. Wie rational der Markt dann reagiert, steht natürlich in den Sternen.

Summa summarum ist die Kursentwicklung der nächsten Monate nur sehr schwer vorauszusehen und könnte großen Schwankungen unterliegen. Für langfristige Investoren spielt dies aber natürlich nur eine untergeordnete Rolle. Wer das nötige Risikobewusstsein mitbringt, der kann nun noch vergleichsweise billig in einen möglicherweise zukünftigen europäischen RegTech-Champion einsteigen. Vor allem überzeugt die Tatsache, dass im Bereich ESG bereits die nächste Regulierungswelle bevorsteht. Diese betrifft dann exakt die gleichen Unternehmen – ein gewaltiger Wachstumshebel.

Für weitere Informationen zur Aktie und einer konkreten Unternehmensbewertung und eines Kursziels verweisen wir auf unsere Research-Berichte.


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Veröffentlichungsdatum: 02.09.2022 - 15:00
Redakteur: ppe
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