Der Tod der Inhaberaktie (aus dem DVFA Blog)
Im aktuellen News-Blog der DVFA ist jüngst ein ausgesprochen lesenswerter Beitrag von Peter Thilo Hasler zum Thema Inhaberaktie und aktuellen Überlegungen des Gesetzgebers erschienen, auf den an dieser ausdrücklich hingewiesen werden soll.

Neben den angesprochenen Themenfeldern stellt sich natürlich im Angesicht der aktuellen Ereignisse einmal mehr auch die Frage, wie die "Sicherheit der persönlichen Daten" die wieder einmal nach Vorstellung des Gesetzgebers gesammelt werden dann auch sichergestellt werden kann. Berechtigte Zweifel sind hier wohl mehr als angebracht. 



Der Tod der Inhaberaktie

Liebe Investment Professionals,

weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ist vor einigen Wochen ein Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz veröffentlicht worden, durch den nichts weniger als der Tod der Inhaberaktie besiegelt werden wird. Die Anonymität des Aktionärs gehört, sollte der Referentenentwurf in der vorgelegten Form umgesetzt werden, endgültig der Vergangenheit an.

Mit Verweis auf nicht näher konkretisierte „Aktionärsrechte“ soll ins Aktiengesetz der neue Paragraph § 67d AktG eingefügt werden, mit dem der Informationsanspruch der Gesellschaft gegenüber Intermediären geregelt wird. Danach kann eine börsennotierte Gesellschaft den Finanzintermediär, der Aktien der Gesellschaft verwahrt, dazu auffordern, detaillierte Angaben zu den persönlichen Daten der Aktionäre weiterzugeben, insbesondere Namen, Vornamen und Postanschrift, aber auch E-Mail-Adressen und selbst die Geburtsdaten der Anleger.

Begründet wird diese Neuregelung mit dem Ziel einer besseren Identifikation und Information der Aktionäre. Mit dem Argument des „Know your shareholder“ wird aus der Informationsverpflichtung des Emittenten gegenüber dem Kapitalmarkt als Ganzem, wie sie bereits in verschiedenen Gesetzestexten und Verordnungen, u. a. dem WpÜG, der MAR oder dem WpHG, im Detail festgelegt sind, eine Informationspflicht gegenüber dem individuellen Aktionär abgeleitet.

Nun könnte man dagegen halten, dass Inhaberaktien ohnehin von Namensaktien immer mehr verdrängt werden – so ist im DAX inzwischen bereits mehr als die Hälfte aller enthaltenen Werte Namensaktien –, dass Namensaktien in angelsächsischen Ländern schon längst den Normalfall darstellen oder einfach, dass Namensaktien das überlegene Vehikel darstellen: Schließlich sind Namensaktionäre dem Unternehmen bekannt, wodurch Kosten etwa bei der Einladung zur Hauptversammlung eingespart oder die „Anschleichversuche“ potenzieller Unternehmenskäufer verhindert werden können.

Inwiefern aber für die Informationsversorgung des Aktionärs die Kenntnis selbst persönlicher Daten bis hin zum Geburtstag erforderlich ist, bleibt das Geheimnis des Ministeriums. Ebenso ungeklärt ist auch die Frage, warum die Informationsverpflichtung auf die Eigentümer börsennotierter Aktiengesellschaften beschränkt bleibt und nicht auch andere Gesellschaftsformen gleich miteinbezogen werden.

Ganz im Sinne des aus dem Schafkopf bekannten „Ober sticht Unter“-Prinzips wird mit der Neuregelung auch gleich die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gekippt. Dort genießen Privatanleger – das wird uns seit Mai letzten Jahres pausenlos eingetrichtert – und ihre personenbezogenen Daten einen besonderen Schutz vor der Weiterverarbeitung durch private Unternehmen. Als Folge ist etwa geregelt, dass eine betroffene Person für die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eine explizite Einwilligung zu erteilen hat. Diese Verordnung hat allerdings nur so lange Bestand, wie sie nicht – wie in diesem Fall – von einem Gesetz gekippt wird. Damit wird deutlich, dass die Persönlichkeitsrechte eines Aktionärs aus Sicht des Justizministeriums ganz offensichtlich weniger schützenswert sind als die eines Inhabers von Staatsanleihen oder eines Fondssparers.

Wer nun einwendet, mit dem Referentenentwurf werde lediglich eine EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt, übersieht, dass wie schon zuvor in der völlig misslungenen Neufassung der Wertpapierprospektrichtlinie von der (grundsätzlich möglichen) einzelstaatlichen Beschränkungsmöglichkeit, in diesem Fall auf Anteile von mehr als 0,5% des Grundkapitals, kein Gebrauch gemacht wurde. Stattdessen werden vom deutschen Gesetzgeber gerade die Persönlichkeitsrechte des Kleinaktionärs als nicht besonders schutzwürdig angesehen. Einmal mehr hat sich der deutsche Gesetzgeber damit am restriktiven Ende der möglichen Bandbreite positioniert.

Abgesehen von der Grundsatzfrage, ob persönliche Daten eines Aktionärs dem Datenschutz unterliegen sollten oder nicht, ergeben sich im praktischen Alltag durchaus konkrete Risiken. Man stelle sich etwa einen kritischen Aktionär vor, der es sich erdreistet, bei der Ausübung seiner Aktionärsrechte auf der Hauptversammlung einen Redebeitrag abzugeben und dabei unbequeme Fragen zu stellen oder womöglich sogar durch einen eigenen Antrag zur Tagesordnung den Wert „seines“ Unternehmens zu steigern. Sollen dessen persönliche Daten wirklich an den Vorstand weitergeleitet werden dürfen? Wer schon einmal erlebt hat, wie kritische Analysten und Fondsmanager selbst von DAX-Vorständen coram publico geradezu abgekanzelt werden, muss befürchten, dass sich kritische Kleinaktionäre zukünftig in der aktiven Ausübung von Mitsprache- und Mitbestimmungsrechten behindert sehen und sich in der Folge von der Asset-Klasse Aktie abwenden.

EU-Richtlinie und Referentenentwurf stellen aber nicht nur einen Eingriff in die Rechte der Kleinaktionäre dar. Sie bedeuten nachgerade eine Entmündigung des Aktionärs, weil sie nämlich unterstellen, dass diese nur durch eine direkte Ansprache seitens des Emittenten über dessen jüngste Entwicklung informiert werden können. Vor 30 Jahren, als Aktionäre noch in den Schaufenstern ihrer Bank die aktuellen Börsenkurse ablesen mussten, mag diese Denkhaltung angemessen gewesen sein. Im Internetzeitalter mit Online-Finanzdienstleistern ist sie das nicht.

Mit besten Grüßen

Ihr

Peter Thilo Hasler



 Alexander Langhorst

Veröffentlichungsdatum: 10.01.2019 - 19:45
Redakteur: abu
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