Ich hatte kürzlich eine eingehende Diskussion mit einem sehr Euro-skeptischen Aktionär. Er führte die Risiken an, die von der Schuldenproblematik für unsere Währungsunion ausgehen. Mit Risiken meinte er einerseits die konjunkturellen Auswirkungen der drastischen Sparmaßnahmen in einigen Ländern, und anderseits zeigte er sich überzeugt, dass der Euro dauerhaft keinen Bestand haben werde. Aus diesen Erkenntnissen heraus zog er für sich das Resümee, seine Investments aus der Euro-Zone und vor allem auch aus Deutschland abzuziehen. In dieser Argumentation spiegeln sich Ängste, die ich so oder ähnlich oft vernehme. Gleichwohl erachte ich sie in der dargestellten Konsequenz als nicht gerechtfertigt.
Denn was können die Folgen der strukturellen Schieflage in vielen Ländern der Euro-Zone sein? Wahrscheinlich, und da gebe ich den Euro-Kritikern recht, werden Auswirkungen auf das Währungssystem kaum zu vermeiden sein. Ich gehe aber nach wie vor nicht von einem vollständigen Scheitern aus, eine „Gesundschrumpfung“ sehe ich jedoch als sehr gut möglich an. Dies wiederum wird Deutschland eine Menge Geld kosten, es wird unsere Verschuldung drastisch in die Höhe treiben und weitere Sparmaßnahmen erzwingen, indes - es wird uns nicht umbringen! Dazu sind die Strukturen hierzulande im globalen Vergleich viel zu solide.
Erinnern möchte ich an das Jahr 1993, als das gesamte Marktumfeld des deutschen Maschinenbaus nach dem vereinigungsbedingt ungewöhnlich langen und steilen Aufschwung quasi von einem Monat auf den anderen in sich zusammenbrach. Zahlreiche kleine Firmen, aber auch große wie Maho und Deckel überlebten diesen Einbruch nicht. Die Leistungsfähigkeit der Branche als Ganzes hat das allerdings nicht nachhaltig beeinträchtigt. Alte, nicht mehr konkurrenzfähige Produkte wurden durch neue zukunftsfähige ersetzt. Insgesamt blieb die weltweite Technologieführerschaft der Branche bis heute unangetastet. Die aktuelle Krise hat zwar andere Ursachen als die vor fast 20 Jahren, die unmittelbaren Folgen für die Unternehmen sind aber sehr ähnlich, und die mittel- und langfristigen sind es ebenso.
Wir sehen derzeit eine Euro-Vertrauenskrise. Es ist keine nachhaltige Krise der deutschen Wirtschaft! Deutschland war bereits zu Zeiten der D-Mark eine führende Exportnation. Ich sehe keinen Grund, warum sich daran etwas ändern soll, denn die unternehmerische Basis steht in unserem Lande auf einem breiten und grundsoliden Fundament. Der Anleger, der den deutschen Aktienmarkt außer Acht lässt, vergibt Chancen. Er übersieht einen entscheidenden Vorteil, den Effekt des „Home Bias“ - nirgendwo kann ich ein Investment und die betreffende Informationslage besser beurteilen als im eigenen, bekannten Umfeld. Sicher, eine kluge Depotbeimischung mit interessanten Nicht-Euro-Werten ist nicht zu verachten, Deutschland sollte allerdings im Fokus der Anlagestrategie bleiben, und zwar für Ihren Erfolg an der Börse!
Norbert Paulsen
Veröffentlichungsdatum:
21.09.2012
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18:00
Redakteur:
abu