Der Internet-Hype ist zurück – zumindest in den USA. Am 19.5. wurde dort der XING-Konkurrent LinkedIn (das wird „linked in“ ausgesprochen) erstmals gehandelt. Und obwohl schon der Ausgabepreis alles andere als günstig war, rissen sich die Investoren förmlich um die Stücke.
Der Wahnsinn in Zahlen: LinkedIn erzielt aktuell bei einem annualisierten Umsatz von 375 Mio. US-Dollar (gut 260 Mio. Euro) einen Nettogewinn von 8 Mio. US-Dollar. Dem steht ein Börsenwert von sage und schreibe 7,8 Milliarden (!) US-Dollar gegenüber. Das entspricht einer Bewertung mit mehr als dem 20-fachen Umsatz – und bedeutet ein 2011er-KGV von fast 1.000 (ja, die Zahl der Nullen stimmt!).
Zum Vergleich: XING erwirtschaftete zuletzt bei Erlösen von 54,3 Mio. Euro ein Nettoergebnis von 7,2 Mio. Euro und peilt für das laufende Jahr rund 65 bis 70 Mio. Euro Umsatz an. Das 2011er KGV liegt bei etwa 26 und der aktuelle Börsenwert beträgt schlappe 293 Mio. Euro.
Zugegeben, der US-Wettbewerber ist etwa viermal größer und wächst momentan auch erheblich stärker als das deutsche Business-Netzwerk. Auch ist LinkedIn international wesentlich besser positioniert als XING und verfügt aufgrund seiner Erlösstrukturen noch über großes Potenzial. Doch wie schon einst am Neuen Markt im New Economy-Hype enthält die Bewertung von LinkedIn schon dermaßen viel heiße Luft, dass sie kaum jemals fundamental untermauert werden kann.
Damit das KGV auf einen ähnlichen Wert wie bei XING sinkt, müssten die Amerikaner ihren Gewinn um fast das 40-fache steigern. Und die Deutschen schauen ihnen dabei ja auch nicht tatenlos zu, sondern wachsen ebenfalls hochprofitabel weiter. Kein Wunder, dass die XING-Aktie am Tag des IPO von LinkedIn um satte 9 Prozent auf 55 Euro nach oben schoss.
Auch wenn der Hype um LinkedIn möglicherweise noch eine Weile anhält, rate ich von solchen hochriskanten Investments strikt ab. Nicht etwa, weil mir wachstumsstarke Firmen suspekt sind – sondern vielmehr, weil es im deutschen Nebenwerte-Sektor zahlreiche günstigere und bessere Alternativen gibt.
Beispiel Eckert & Ziegler: Allein im ersten Quartal hat der Spezialist für Radioisotope den Nettogewinn um 44 Prozent gesteigert, das aktuelle KGV beträgt aber nur 13. Beispiel m-u-t AG: In den ersten drei Monaten 2011 ist das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) um 60 Prozent emporgeschossen, die Aktie ist aber mit einem geschätzten KGV von lediglich 11 zu haben. Oder nehmen Sie Advanced Inflight: Der Weltmarktführer für Bordunterhaltung hat sein operatives Ergebnis im ersten Quartal mehr als verdoppelt, das KGV für 2011 liegt jedoch im einstelligen Bereich.
Mehr zu diesen drei Werten sowie viele weitere interessante Analysen zu deutschen Nebenwerten finden Sie in der aktuellen Juni-Ausgabe des von GSC herausgegebenen nebeneffectenBrief (
http://www.neben-effecten.de/).
Angesichts solcher Kaufgelegenheiten vor der Haustüre: Warum in die Ferne schweifen...?
Matthias Schrade
Veröffentlichungsdatum:
20.05.2011
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13:30
Redakteur:
abu